Erster Auftritt


[246] Garten mit der Statue, sehr frühe. Valerio und Valeria.


VALERIO. Hörst du nichts klimpern oder quieken, Flämmchen?

VALERIA. Ich höre nichts – auf was wartet Ihr nur, und was soll ich dabei? Ihr hättet mich wohl noch ein bißchen schlafen lassen können, es ist noch kühl. Sie hüllt sich ein.

VALERIO. Ja, es war eine unruhige Nacht, eine ungezogne Nacht, so recht nach der neuen Sitte. Hörst du immer noch nichts klimpern oder quieken? Die Mohren sollen ja so ein vortrefflich Gehör haben.

VALERIA. Ei, wie soll es dann klimpern und quieken?

VALERIO. Es soll klimpern und quieken wie eine Hochzeit, die in der Ferne übers Land zieht.

VALERIA. Wessen Hochzeit? Sprecht doch!

VALERIO. Das weiß ich selbst noch nicht. Heute, mein Kind heute ist ein herrlicher Tag, und wenn Porporino Valerien mitbringt, so ist die Freude vollkommen. Sage, was war das heute nacht für ein Partikularlärmen? Die Hauptsache weiß ich: der Sohn aus dem Hause hat die Tochter aus einem andern Hause entführt und in dieses Haus gebracht. Aber ich hörte auch deine Stimme, du zanktest.

VALERIA. Ei, der eine Pilger wollte in der Fräulein Stube!

VALERIO. Nun sage mir noch einer einmal, daß die großen Herren nicht gradeaus sind, – und du jagtest ihn gehörig?

VALERIA. Natürlich! Jetzt höre ich Geräusch im Walde, aber keine Musik, keine Hochzeit, die über Land zieht; und wer sollte auch so frühe Hochzeit halten?

VALERIO. Ei, liebes Kind, es ist manchmal in aller Frühe hohe Zeit. Aber ich will dir nun sagen, worauf ich eigentlich warte. Ich warte auf Hülfstruppen und Musikanten, denn heute ist ein wunderlicher Tag, ein wetterwendscher Tag, der nicht wissen wird, wozu er sich entschließen soll. – Es ist wahrscheinlich, daß die entführte Jungfrau verfolgt und wir belagert werden; da müssen wir uns null wehren. Auch ist[246] es möglich, das alles gut abläuft und die Leute sich heiraten, und da müssen wir tanzen. Gieb nur acht, ob, du nichts klimpern hörst.

VALERIA. Wißt Ihr denn das alles zum voraus?

VALERIO. Nein – darum eben harre ich auf ein Zeichen vom Himmel, denn sieh, morgens so ganz früh glaubt die Zukunft, die Menschen schliefen noch, und exerziert sich einstweil, wie sie's machen soll; ja, aber bei mir da müßte sie früher aufstehen. Nun beobachte ich, was es geben wird. Klimpert es in der Ferne wie Musik, so bedeutet es Hochzeit; klimpert es wie Schwerter, so giebt es Krieg.

VALERIA. Aber wenn es gar nicht klimpert, wie jetzt, was bedeutet es wohl dann? – Da kommt ein Mann, das war das Geräusch.

VALERIO. Ein Mann, kein Phänomen, der wird reden können; desto besser, auf den wartete ich eigentlich.

VALERIA. So habt Ihr mich wohl nur zum besten gehabt?

VALERIO. Ei freilich, du sollst ja die Beste sein, so will es die Moral.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 246-247.
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