Zweiter Auftritt


[247] Vorige; Alonso, ein Schulmeister.


ALONSO. Seid Ihr der Hausmeister? Hier ist ein Brief an Euch.

VALERIO liest. Gut! Ich mache Euch mein Kompliment, Herr Schulmeister. Es ist mir leid, daß Ihr so frühen Auftrag erhieltet.

ALONSO. Früh gesattelt, spät geritten! Was man früh lernt, kömmt einem spät zustatten.

VALERIO. Nur nicht zu spät! Wieviel streitbare Männer habt Ihr im Dorfe?

ALONSO. Ach, die lassen sich zählen, besser als die Prügel, die sie von ihren streitsüchtigen Weibern kriegen mögen.

VALERIO. Die Prügel mögen den Takt und die Taktik in sie schlagen, denn die Ordre im Briefe des gnädgen Herrn lautet Liest. »Der Herr Schulmeister wird Euch eine Anzahl Musikanten stellen, welche, ehe sie ihr freundliches Spiel anfangen, voll feindlichem Ernst zu sein scheinen.«[247]

ALONSO. Alles das zusammen wird Mühe kosten. Lasset uns erwägen, voll feindlichem Ernst – voll? Nun, das wäre zu haben, wenn Ihr eine gute Portion Wein zum besten gebt; feindlich? Ja, auch so – volle Leute werden grob und prügeln sich untereinander, leider, leider! Ernst? Das ist nun der böse Punkt; es wäre selbst nicht zu hoffen, nein, es wäre schrecklich, wenn es einem Besoffen Ernst wäre! Hui, das gäbe der Lehre von Gutem und Bösen eine böse Wendung!

VALERIO. Nun, das wird sich alles finden, wenn Eure Musikanten nur gut spielen.

ALONSO. Ich will sie Euch zusammenzählen, ob sie gut zusammen zählen oder zusammen spielen werden, muß der Himmel verfügen, denn es sind einige theoretische Genies unter ihnen, die alles schlechter zeigen als die andern, aber dafür wieder alles besser wissen; – in meinem Dorfe sind drei Lautenschläger, aber nur eine Laute.

VALERIA. Wenn sie nur nicht alle drei auf der einen Laute schlagen wollen.

ALONSO. Eher stünde zu erwarten, daß sie sich um die eine Laute schlügen.

VALERIO. Hier im Schlosse sind zwei Lauten.

ALONSO. So wäre geholfen, – dann habe ich einen Geiger, der etwas mager und auf der E-Saite nicht ganz capable ist.

VALERIO. Gott gebe dann, daß er nicht verheiratet sei!

ALONSO. Oder Gott nehme ihm seine Frau, denn sie ist allein schuld, sie hat ihm diese E-Saite oft gebrochen. Dann habe ich einen Pfeifer, der von der Armee zurückblieb, weil er die schnellen Märsche nicht vertragen kann.

VALERIA. Er wird wohl nur Leichenmärsche blasen können; der paßt nicht zur Hochzeit.

VALERIO. Er hat wohl die Schwindsucht, weil er die schnellen Märsche nicht blasen konnte?

ALONSO. O! er mußte leider so viel blasen, daß er keine Zeit zum Pfeifen behielt, er ist sehr dick, und da es zu schnell in den Krieg ging, bekam er unterwegs die Verschwindsucht, verirrte sich in ein Kornfeld, und fand den Weg nach Haus; bei der Armee glaubt man noch jetzt, er sei unterwegs geschmolzen, übrigens ist er ein pfiffiger Pfeifer.[248]

VALERIO. Summa Summarum?

ALONSO. Summa Summarum, mit diesen Fünfen und mehreren aus der Gegend, welche aber nur biskayische Tänze spielen können, wird ein Dutzend zusammenzubringen sein. – Gott gebe, daß sie zusammenbleiben!

VALERIA. Zusammen pausieren werden sie vortrefflich.

VALERIO. Diese schlechten Musikanten und guten Leute also werden sich unter Eurer Anführung im Walde versammeln, wo sie sich womöglich so still als möglich verhalten werden; Ihr sollt einem jeden ein Seitengewehr verschaffen, ihre Instrumente werde ich von einem hier empfangen und verwahren bis zur gehörigen Zeit; im Walde werdet ihr Essen und Trinken finden, damit der Hunger euer Stillschweigen nicht bricht, und Ihr, Herr Alonso, stehet vor die Nüchternheit.

ALONSO. Ich werde so mäßig sein, daß ich noch vor ihnen stehen kann, wenn sie noch so trunken wären.

VALERIO. Seht, mein Freund, ich werde Euch ein Zeichen mit einem ordinären Horne geben, dann kommt ihr alle hierher, und sollte ich nicht zugegen sein, so werdet ihr in allem diesem Mohrenkinde, welches an Weisheit viele übertrifft, Folge leisten.

ALONSO. Ich sehe sie mir an und merke sie mir, damit ich sie unter den vielen weißen Menschen nicht verliere. In einer Stunde soll alles bereit sein. Ab.

VALERIA. Aber wozu alle die Anstalten?

VALERIO. Zu großen Freuden! Komme herein, daß ich dich unterrichte! Beide ab.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 247-249.
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