Scena tertia.

[20] Condemnatio Ioseph ad Cisternam.


SIMEON.

Wenn mich mein gsicht nicht treuget sehr /

So kumbt fürwar der trewmer her /

Wer ers nur gwiss / ich het gleich lust /

Zu stechen jne durch sein brust.

LEUI.

Er ists / ich kenn jn an dem Rock /

Nur abgestochen wie ein Bock /

Ich wil jn dir selbs halten her.

RUBEN.

Ah was thut jr / nit grimt so sehr /

Er ist je auch von vnserm Blut /

Fart jr so fort / es wird nicht gut /

Der zoren Gottes folgt vns nach /

Sein blut wird vber vns schrein rach.

IOSEPH.

Ich frew mich liebste Brüder mein /

Das ich euch find beynander sein /

Stet auch wol all ding dieser zeit /

Dem Vatern brecht es warlich freud.

SIMEON.

Was fragstu viel heuchlischer Bub /

Du must hinunter in die Grub /

Vnd vns dein trewmen legen aus /

Ob du wirst sein der Herr im Haus.

IOSEPH.

Ach liebe Brüder last mich lebn /

Wil euch durchaus nicht wider strebn /[21]

Werd nicht schüldig an meinem Todt /

Vnd stifft euch selbs jamer vnd not.

LEUI.

Nur her vnd dran / den Rock zeug aus /

Kumbst nicht mehr in des Vaters Haus /

Schick dich / du must hinab behent /

Dein trewmen sol haben ein end.

IOSEPH.

Ich bit durch Gott nicht hand legt an /

Gedenckt doch an den alten Man /

An vnsern Vattern / der euch hat /

Als guts bewisen frü vnd spat /

Seins trosts beraubt jn nicht so gar /

Möcht noch erleben etlich jar /

Do er sonst stirbt vor schmertz vnd leid /

Schont mein durch Gotts barmhertzigkeit.

SIMEON.

Es ist vergebens / spar der wort /

Sterben mustu an diesem ort /

Greifft zu mit hauff / hinein mus er /

Fahr hin du sichst vns nimer mehr.


Zu den andern Brüdern.


Nun her / mir nach / wolauff daruon /

Hat schon empfangen seinen Lohn /

Wölln empfahen vnser speis /

Nichts weis daruon der alte Greis /

Wöllen sagen / merckt mich eben hie /

Wir haben jn gesehen nie /

Ist ebn zu thun vmb etlich tag /

In des er sein vergessen mag /

Setzet euch nieder auff die Erd /

Vnd esset was vns ist beschert.

IOSEPH.

O HERR Gott kum zu meinem end /

Mein leben stet in deiner hend /[22]

Vnd lasse dir befohlen sein /

Den alten lieben Vattern mein /

Mach trost vnd sterck in seinem hertz /

Das er nicht sterb vor leid vnd schmertz

O Vatter nun ist aus dein freud /

Sterben mus ich zu dieser zeit /

Gesegen vnd behütt dich Gott /

Hie mus ich leiden Todes not.

BELIAL.

Schaw zu / ists nicht fein gangen fort /

Wie bald hab ich gestifft ein mord.

MOLECH.

O schweig / es ist noch lang dahin /

Auff jr zween ich sehr schellig bin /

Jetweder heimlich denckt vnd tracht

Wie Ioseph würd ledig gemacht.


Hie entzwischen sol Ruben von den Brüdern abtretten.


BELIAL.

Das wölt Sanct Veltin lieber Gsell /

Wir kemen nicht wol in die Hell /

Da lass vns sparen keinen vleis /

Weil er ist einmal geben preis /

Ob er vns gleich nicht wird zu theil /

Kümpt vns doch von den andern heil.


Ruben steht allein / vnd beklaget Ioseph.


Ioseph / Ioseph / hart kümmerst mich /

Wer besser / ich stürb selbs für dich /

O das ich dich erlösen soll /

Meim alten Vattern kem ich wol /

Wil trewlich da geflissen sein /

Ob gnad verlieh der Herre mein.


Quelle:
Thomas Brunner: Jacob und seine zwölf Söhne. Halle a.d.S. 1928, S. 20-23.
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