Scena qvinta.

[43] Colloquium Ioseph, cum Carcerario & captiuis.


IOSEPH.

Mein Gott siech an mich deinen knecht /

Du weist wie mir geschicht vnrecht /

Sietz am gericht / du must es thain /

All mein vermügen ist zu klain.

CARCERARIUS.

Lieber / wer ist denn dieser Gott?

Den du anrüffst in deiner not.

IOSEPH.

Er ist der Gott / der alls vermag /

Der bschaffen hat bed nacht vnd tag /

Den Himel vnd die gantze erd /

Mit manigerley Thierlein werdt.

Vnd der aus lauter lieb vnd gnad /

Ein Heiland vns versprochen hat /

Der alle selig machen sol /

Die seiner zusag glauben wol /

Der ist allein mein zuuersicht /

Vnd wird mich auch verlassen nicht /

Er kent mein hertz vnd gros vnschuld.

CARCERARIUS.

Mein lieber freund trag nur geduld /

Zu streng ich dir mit nicht wil sein /[43]

Erzel mir nur den handel fein /

Wie du seist komen in vngnad?

IOSEPH.

Mein lieb vnd trew dis gwircket hat /

Die ich bewiess an meinem Herrn /

Nicht thet nach seines weibs begern /

Die meiner zu vnzucht begert /

Ich aber mich von jr abkert /

Aus furcht gegen meim lieben Gott /

Drauff setzt sie mich in diesen spot /

Nam mir mein Kleid mit jrer hand /

Zu decken mit jr eigen schand /

Wil darauff leiden alles gern /

Zu lob vnd preis Gott meinem Herrn.

CARCERARIUS.

Schweig stil / solst sein befohlen mir /

Den Gwalt ich jetzt wil geben dir /

Das du hierin solst ledig sein /

Vnd trösten die gefangnen mein /

Weil du so hoch begabet bist /

Das dir an tröstung nicht gebrist /

Da schaff vnd thue / was dir gefelt.

Bist vber alls von mir bestelt.

IOSEPH.

Gott lohne dir für deine güt /

Vnd dich allzeit vor vnglück bhüt /

Was du schaffst / thue ich williglich /

Alls guten dich zu mir versich.


Nach diesem redet er die gefangnen an / vnd spricht.


Wie kumpts / das jr so trawrig seit?

PINCERNA.

Das macht wir sein gefangne Leit /

Haben verloren alle gnad /[44]

Bey Königlicher Maiestat /

Vnd das vns jetzt das schwerest ist /

Hat vns trewmet zu dieser frist /

Wünderlich ding / wissen doch nicht /

Was jedem deute sein gesicht /

Wir hetten denn ein weisen Man /

Der vns zeigt die bedeutnus an.

IOSEPH.

Dasselbig allein Gott vermag /

Doch seinen trawm ein jeder sag /

Wil daraus mit euch reden gern /

So viel ich gnad hab von dem Herrn.

PINCERNA.

Mir trewmet in der letzten wach /

Wie ich ein Weinstock vor mir sach /

Mit dreien Reben grün vnd zart /

Jede mit Trauben bhenget ward.

Vnd ich hat Pharaons Pocal /

Drücket dar ein die Beer zumal /

Vnd trug dasselb dem König dar /

Wie ich zuuor gewonet war.

Was nun des trawms bedeutnus sey /

Weis ich selbs nicht / doch mich des frey /

Vnd nim mir gleich ein ringen muth /

Ob mein sach noch möcht werden gut.

IOSEPH.

Dein trawm sehr gut vnd glücklich ist /

Gwislich wird dir dein leben gfrist.

Die drey Reben deuten drey tag /

Daruon ich dir warhafftig sag /

Als denn du wider kumpst zu Ehrn /

Vnd gnad findest bey deinem Herrn /

Auch nichts der gfengnis wirst verletzt /

Sünder in dein ampt wider gsetzt.

Derhalb wenn du wirst wider Schenck /[45]

Als denn meiner im besten denck /

Mein vnschuld Pharaon entdeck /

Heimlich bin ich gestolen weck /

Aus der Hebreer Land bisher /

Vergiss des nicht / ich bit dich sehr /

Kein böse that mich hat herbracht.

PINCERNA.

Will trewlich darauff sein gedacht.

PISTOR.

Diese auslegung ist sehr gut /

Vnd mich gleich selbs erfrewen thut /

Wil drauff erzelen meinen trewm /

Gott wöl / das er mir sey angenem.

IOSEPH.

So sag nu an / ich hör den gern /

Deutet er guts / ich dichs auch lern.

PISTOR.

Ich lag im schlaff / vnd kam mir vor /

Wie ich trüg auff dem heupt entpor /

Drey weisse Körb. Im ersten lag /

Gebackne speis / hör was ich sag /

Die Vogel wischten jmmer her /

Nach der speis sie verlanget sehr.

Was nu des trewms bedeutnus ist /

Magst mir auch sagen zu der frist.

IOSEPH.

Gleich sein die Trewm in einem stück /

Drey tag ein jeder setz zu rück /

So wird jedweders Trawm erfilt /

Aber vngleich das glück sich spielt /

Der Schenck erhöhet wird zu ehrn /

Du wirst schendlich erhencket werdn /

Nach dreien tagn / darauff gedenck.[46]

PISTOR.

Ich wolt mein Trewme het der Schenck /

Weil des bedeutung ist zum strick /

Vmbgeben bin ich mit vnglück /

Wenn nür die zeit verhanden wer /

Zu leben ich nicht mehr beger.

Quelle:
Thomas Brunner: Jacob und seine zwölf Söhne. Halle a.d.S. 1928, S. 43-47.
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