Scena qvinta.

[88] Ioseph fratribus se aperit, & bono animo esse iubet.


IOSEPH zu seinen Brüdern.

Steht auff / ich hab ein red zu thain.


Zu seinen Dienern.


Sonst weicht all ab / mus sein allein /

Tret ab ein klein weil für die Thür /

Zu reden hab ich gros begier.


Zu seinen Brüdern.


Nicht weis ich / wie steht ewer gmüth /

In mir verkert sich mein geblüt /

Kan anders nichts mehr machen draus /

Für freud dringt mir das Wasser aus /

Das weinen mir die red verlegt /[88]

So gar ist mir mein hertz bewegt.

Schawt mich doch an / ob jr mich kent?

Bin Iacobs Son Ioseph genent /

Den jr verkeuffen thet hieher /

Seid tröstlich / euch nicht fürcht so sehr /

Nur zeigt mir recht die warheit an /

Ob Iacob leb der alte Man /

Was er erlidden hab die zeit /

Seit ich von jm bin gwesen weit.

RUBEN.

Ah weh / nu ist es mit vns aus.

IOSEPH.

Tret her zu mir on allen graus /

So war ich ewer Bruder bin /

Trag ich kein rach in meinem sin /

Gott hat mich also her gesand /

Auff das ich in Egypten land /

Euch dienen möcht in zeit der not /

Das jr nicht hungers stürbet todt /

Die tewrung hat gewert zwey jar /

Drauff folgen andre fünffe dar /

Viel schwerer denn die gwesen sein /

Vom Feld wird man nichts bringen ein /

Darauff ziecht hin in Canaan /

Vnd zeiget meinem Vater an /

Das er mit euch zu mir her kum /

Vmb vnterhaltung sich nicht grum /

Reichlich solt jr versorget werdn /

Durch Gottes gnad auff dieser erdn /

Nicht seumt euch / bringt jn bald herein /

Beniamin liebster Bruder mein /

Du machst mir meine augen nass /

Der lieb Gott dich lang leben lass.

BENIAMIN.

Mein Herr / hab ich genad fur dir?

Ich frew michs von hertzen begier /[89]

In freud verwandlet ist mein leid /

Gott seis gedanckt in ewigkeit.


Hie sol er ein wenig zu rück sich vmbsehen.


Ah mein Vater / nu wird dein hertz /

Erlediget von allem schmertz /

Den du getragen hast bisher /

Fur wein ich nicht mag reden mehr.

IOSEPH.

Schweig still / vnd sey frölich getröst /

Desgleichen jr / seid all erlöst /

So war Gott lebt / las ichs hinfarn /

Was geschach vor zwey vndzwenzig jarn /

Brüderlich hertz vnd ware trew /

Sol gegen euch erst werden new.

RUBEN.

Den tod wir all verdienet habn /

Ausgnomen diesen jungen Knabn /

Der nit ist gwesen bey der that /

Das du vns aber zeigest gnad /

Ist zuzumessen deiner güt /

Der ewig Gott hat dich behüt /

Vnsert halb werest du langst tod /

Waren dir feind on alle not /

Allein das du in jungen tagn /

Hest lust / vns deine Trewm zu sagn /

Die denn nu sein ziemlich erfilt /

Den zwölfften Stern auch sehen wilt /

Iacob den fromen alten Greis /

Drumb sagen wir Gott lob vnd preis /

Vnd bitten dich in dessen nam /

Wöllest vns darumb nit sein gram /

All wöllen wir sein deine Knecht /

Erhalten thust Israels gschlecht.[90]

SIMEON.

Ja / alles was du schaffst mit mir /

Wil ich vleissig ausrichten dir /

Verzeih allein / siech nach die straff /

Betrübt bin ich verirtes Schaff /

Mein Gwissen mir erst jtzt thut sagn /

Was ich thet in mein jungen tagn.

LEUI.

Warlich es mir auch zhertzen ghet /

Mein Gwissen erst die Sünd versteht /

Gegen dir trug ich neid vnd hass /

O Bruder mein / verzeih mir das /

Gedenck nicht meiner bösen wort /

Da wir wolten beghen das mord.

IOSEPH.

Seid mir all lieb / habt gunst vnd gnad /

Ob sich gleich schon vergriffen hat

Etwa einr / zwen / es ist menschlich /

Solt deshalben nicht fürchten mich /

Mag dem weiter nicht dencken nach /

Werd haben bey mir fried vnd gmach /

Mit Iacob vnserm Vatern from

Hat mir die Jar her bracht viel grum /

Wil euch abfertigen geschwind /

Gut ordnung geben meinem Gsind /

Das jr solt alle notdurfft habn /

Wil euch auff die Rheis wol begabn.


Zu den Dienern.


Wo seid jr nun jr Diener mein /

Thut auff die Thür / tret all herein.


Hie sollen die Diener widerumb hinein gehen / on einen / der dem Pharaoni newe zeitung bringt / zu diesen spricht Ioseph.
[91]

Secht was hab ich für wunn vnd freud /

Mein Brüder sein die frembden Leut /

All einleff / eines Vaters Kind.


Gegen den Brüdern.


Sey Gott gelobt / das jr mich find /

Setzet euch mit frölichem mut /

Vor freud mein hertz brint wie ein glut.

Quelle:
Thomas Brunner: Jacob und seine zwölf Söhne. Halle a.d.S. 1928, S. 88-92.
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