Siebendes Buch.

[477] Daß dieser Welt Freude und Wollust kurz und unbeständig sey / und immerzu mit Leid und Unfal versalzẽ werde / solches muste auch unsere fröliche Geselschaft zu Prag vor dißmahl erfahren / welche an nichts widriges gedachten / sondern allenthalben Anordnung macheten / was zur prächtigen Krönung des neuen Königes und der jungen Königin dienen könte. Drey Tage vor solchem bestimmeten Land-Feste / meldete sich ein Teutscher Reuter vor dem Königlichen Schlosse an / er kähme aus Teutschland von dem GroßFürsten / und begehrete von der Königin Verhör / welches keinen Auffschub leiden wolte. Es ward solches der Fürstlichen Geselschafft angedeutet welche daher schon schlechte Hoffnung zur guten Zeitung fasseten / insonderheit da sie bald darauff Herkules ehmaligen ädlen Diener / den geträuen Ekhard (der diese zwey Jahr her sich wieder bey dem GroßFürsten in Dienste begeben hatte) sahen zur Tühr hinein treten und von seinem ehmaligen Herrn / der ihn alsbald keñete / also angeredet ward: Mein gute Ekhard / lebestu noch? was verursachet deine schnelle einsame Ankunfft? gehets auch daheim noch wol zu? und was gutes neues bringestu uns von meinen lieben Eltern? Dieser entsetzete sich über der unvermuhtlichen gegenwart dieser HochFürstlichẽ Geselschaft / ließ einen tieffen Seufzer gehen / und gab zur Antwort: Ihr Durchleuchtigste Fürsten / ich freue mich von herzen ihres guten Wolergehens / und tuht mir sehr leid / daß ihre Fröligkeit ich stören / und der unselige Bohte seyn muß / Eure Durchll. klagend zuberichten / was gestalt der meinäidige Wendische RäuberFürst Krito und sein Sohn Gotschalk / meinen gnädigsten GroßFürsten / samt dessen Gemahl und Fräulein Tochter /verrähterischer weise / und unter dem schein einer freundschafft / mit einem Heer überfallen / sie gefangen mit sich nach Frießland geführet / und seine Diener / wenig ausgenommen / erschlagen haben. Die ganze Geselschafft erschraken zum hefftigsten wegen dieser Zeitung / insonderheit Fürst Arbianes / welcher fürchtete / daß nun alle Hoffnung der so hochgewünschetẽ Heyraht in Brunnen fallen würde. Herkules und Ladisla stunden alsbald auf / denen Valiska Baldrich und Siegward folgeten / und nach kurzer Beredung entschlossen sie sich / ihrer Eltern und Verwanten Rettung ungeseumet vorzunehmen / da ihnen dann sehr wol zustatten kam / daß nicht allein die Völker aus den Besatzungen in die 8000 stark / sondern ein guter Teil der Ritterschafft / 12000 zu Pferde sich zu Prag eingestellet hatten / worzu noch desselben Tages alle nähstanwohnende junge Manschafft mit ihrem besten Gewehr auffgemahnet ward / denen sich 14000 gegen folgenden Morgen einstelleten / und ward die Nacht über alles zum schleunigen Aufbruch fertig gemacht / die Wagen mit Speisen beladen / und dem Fußvolk alle mitgebrachte Pferde zum reiten ausgeteilet / so daß sie schon ein ansehnliches Heer beyeinander hatten / da Arbianes alle Parther und andere Morgenländische Völker zu sich foderte / und ihnẽ zuverstehen gab / was man vor einen Zug vorhätte / bey welchem Ehre zuerwerben stünde / hoffete / sie würde sich als redliche Leute haltẽ /[478] und ihrer getahnen Zusage eingedenke seyn / auff welchen Fall er sie zu sich nehmen / und als seine Leibvölker führen und gebrauchen wolte. Diese erfreueten sich dessen hoch / erbohten sich Leib und Leben bey ihm auffzusetzen / und nicht minder bemühet zu seyn / in diesen Ländern einen Nahmen zuerstreiten / gleich wie in ihrem Vaterlande die Teutschen und Böhmen getahn hätten. Das sämtliche Frauenzimmer wahr überaus betrübet /da sie sahen / daß Gefahr und Blutvergiessen von neuen wieder angehen solte / und ließ die alte Königin ihre heisse Trähnen fliessen / daß sie ihre liebstẽ Söhne so bald wieder von sich lassen muste / und sie doch keines weges von der Reise abhalten kunte; nur suchte sie bey ihnen inständig an / sich weder vor noch nach geschehener Erlösung zu seumen / alsdañ wolte sie mit ihren Ehegemahlen und Kinderchen ihrer frölichen Wiederkunft geduldig erwarten; welches Valiska also beantwortete: Herzen Fr. Mutter /ich wil euch zwar mein allerliebstes Söhnlein Herkuliskus hie lassen / aber von meinem Herkules scheide ich lebendig nimmermehr / zweiffele auch nicht / euer mütterliches Herz werde mir diese Reise gerne zulassen. Fr. Sophia sagte desgleichen; sie hätte ihrem Heylande angelobet / ihren Ladisla nicht mehr zuverlassen; so wolten Frr. Lukrezie und Sibylla auch nicht dahinden bleiben sondern mit ihren Gemahlen gleiche Gefahr gerne ertragen; trösteten daher die alte Königin ingesamt / sie möchte ein gut Herz haben / ihre Reise ginge nicht über Meer / noch in die Wildfremde / sondern sie blieben auff Teutschen Grund und Bodem. Ekhard ward zwo Stunden nach seiner Ankunft mit Leches und Prinsla wieder nach Teutschland fortgeschicket / so viel guter Mañschaft / als möglich / im nahmen der Bömischen Königin uñ Fürst Baldrichs zusammen zutreiben / und musten 20 Teutsche / so mit aus Asien kommen wahren / mit ihnen fort /nachdem sie alle äidlich angelobet hatten / daß ihrer keiner von Herkules und Ladisla Wiederkunft nicht daß allergeringste in Teutschland melden wolten. Niemand trieb den Auffbruch schleuniger als Arbianes /dann er befahrete / das Fräulein würde durch Zwang sich dem Wendischen jungen Fürsten müssen beylegen lassen; daß wo Valisken Trost nicht gewesen /würde er vor Angst vergangen seyn. Er foderte noch mahls seine Landsleute vor sich / ließ ihnen 30000 Kronen austeilen / und daß ein jeder sich mit guten Waffen und Gewehr auffs beste versehen solte. Die Fursten ingesamt hätten gerne gesehen / dz ihr Frauenzimmer dahinden geblieben währe; weil aber alle abmahnung vergeblich wahr / und die übrigen beteureten / sie müsten und wolten durchaus bey ihrer allerliebsten Fr. Schwester Valisken bleiben / musten sie ihnen diesen Zug einwilligen / und sprach Valiska die alte Königin durch allerhand bewägliche Ursachen zufriedẽ / sie versichernd / daß die reitende Bohten ihr wöchentlich alles verlauffs bericht einbringen solten; Worauff sie als gezwungen einwilligte / und daß sie inzwischen an ihren lieben Kinderchen / den beyden jungen Herlein sich ergetzen wolte. Ja Fr. Mutter /sagte Valiska / sie sind freilich eure Kinder / der fleischlichen Geburt nach / aber ich bitte euch von Herzen / lasset mir ja die Teuffels Pfaffen und abergläubigen Weiber keine darüber kommen; dann sie sind Christen Kinderchen / und haben die heilige Tauffe schon empfangen / in welcher sie von allen ihren Sünden abgewaschen und gereiniget / und von ihrem Gott vor himmels Erben angenommen sind. Die Mutter fragete / ob dann solche kleine Kinder auch schon Sünde an sich hätten / welche ja noch mit keinen Gedanken / geschweige Worten oder Werken einiges Ubel begehen könten.[479] O ja Fr. Mutter sagte Valiska / es ist kein einiger Mensch / der nicht solte Sünde an sich haben; dann ob gleich die unmündigen kleinen Kinder mit Gedanken / Worten und Tahten noch nicht sündigen / so haben sie doch die böse Art durch die fleischliche Geburt von ihrẽ Eltern geerbet /da an stat des geistlichen ebenbildes Gottes / worzu anfangs der Mensch erschaffen ist / eine durchgehende Verderbung alle unsere geistliche Seelen- und Leibeskräfte eingenommen hat / so daß an stat der erkentnis Gottes eine klägliche Blindheit; an stat der Liebe Gottes / eine wiederstrebene Frecheit; an stat des willens zum guten / eine starke Begierde zur boßheit uns angeerbet wird / welcher verderbte Saame in dem kindlichen Alter in uns verborgen lieget / und mit den Jahren je mehr und mehr hervorbricht. Aber dieses sind hohe und eurer Vernunft verborgene Sachen /davon meine Fr. Mutter noch zur Zeit den Verstand nicht begreiffen kan / und ich doch nicht zweiffeln wil / daß wañ der barmherzige Gott uns glükliche Wiederkunft gönnen wird / wir von diesen und andern zur Seligkeit gehörigen Sachen ausführlicher reden wollen. Die Fürsten ingesamt / nachdem sie gewapnet und ihre Völker zum Auffbruch fertig wahren / nahmen des anderen Tages nach empfangener bösen Zeitung von der alten Königin Abscheid auff ein kürzes /verliessen Fr. Agathen und Brelen bey den jungen Herlein / und gingen mit dem Heer auf Teutschland zu / da sie ritten / und das Frauenzimmer auff dem Elefanten fort zohe / welcher allenthalben in Städten und auff dem Lande nit vor ein Tihr sondern vor einen Teuffel gehalten ward. Valiska nam auff den Fall der glüklichen Erlösung viel Kleinot und Kleider mit sich / welches Arbianes an seinem Orte auch nicht verseumete / und ward zur bezahlung des Heers eine grosse Baarschaft auf MaulEseln mit geführet. Auff der Reise hielten sie täglich zweymahl Behtstunde / und sungen allerhand geistreiche Lieder / welche Herkules mehrenteils selber gemacht hatte / unter welchen dieses ihr täglicher Morgensegen wahr:


1

Was sol ich dir vor dank / mein Jesus bringẽ /

Vor den Brun deiner Gütigkeit /

Den du mir läst ohn unterlaß neu springen /

Und mich in freier Sicherheit

Beschirmest; O Herr deine Gunst

Hat ja in mir die Finsternis gebrochen

Und allen falschen Götzendunst /

Wodurch ich bin von Sünden loßgesprochen.


2

Du hast mich Herr durch deiner Engel wache

In dieser ungestümen Nacht /

(Da seinen Grim der hocherzürnte Drache

Ohn zweiffel mir gar nahe bracht)

Beschützet / daß mir weder Fuß

Noch Häupt von ihm veletzet ist / deßwegen

Empfind' ich / daß ich billich muß

Dir O mein Heyl der Lippen Opffer legen.


3

Vergib mir Gott / was ich gesündigt habe /

Vergib umb deines Sohnes Blut /

Und gönne / daß mich solches kräfftig labe

In rechter Glaub- und liebes-Glut;

Laß mich dir heut befohlen seyn /

Damit dein Schuz den Feinden mich entreisse /

Und schreib' ins Lebens-Buch mich ein /

Demnach ich ja nach deinem Nahmen heisse.


4

Angst und Gefahr / versehrung meiner Glieder /

Unehr / und was mir schaden kan /

Wend' ab von mir / laß deinen Geist hernider /

Und zeug mir wahren Glauben an /

Daß nicht mein Fleisch in frecher Lust

Die Boßheit dir zu wieder möge stärken /

Erfülle mein Gemüht und Brust

Mit frömmigkeit und allen guten Werken.


5

Dir geb' ich mein Gemahl / mein eigen Leben /

Mein' Eltern / Brůder / Schwester / Kind;

Gib allen / was du mir schon hast gegeben /

Daß keiner von uns geistlich-blind

Verderbe; laß des lebens Geist

In ihnen das Verständnis auch entzünden /

Daß ich nach Wunsch / wie du Herr weist /

Sie alle mög' in deinem Reiche finden.


[480] 6

O Vater! O durch deines Sohnes Wunden /

Durch seine Geissel / Angst und Noht

Löß' alle die vom Teuffel sind gebunden

Zubrich den ewiglichen Tod;

Erhalte deine Christenheit /

Wie klein sie ist / daß nicht der Feind sie dämpfe /

Hilff daß in dieser Sterbligkeit

Ich wieder Welt uñ Fleischeslust recht kämpfe.


7

Biß du mir wirst des Lebenskron auffsetzen /

Und aller auserwählten Schaar;

Dañ werd ich mich an deiner Gunst ergetzen /

Dann werd ich rühmen immerdar.

O über-hochgewünschtes Gut /

Wann sol ich doch der Güter recht geniessen;

Die durch dein teur-vergoßnes Blut

Hernider auff uns deine Kinder fliessen.


Ihr Zug ging gewaltig schnelle fort / so viel die Pferde es erleiden wolten / und nahmen ihrẽ Weg von Prage Nordwest dem Elbestrohm nach / biß sie / da jezt Dreßden liegt / ankahmen / woselbst 5000 Teutsche Reuter zu ihnen stiessen. Zwischen da und Wittenberg (welches der Zeit noch nicht erbauet wahr) wurden sie noch mit 4000 gestärket. Von darab gingen sie den nähesten Weg nach Magdeburg / wo die GroßFürstliche Hoffhaltung wahr / und funden da selbst 6000 wolgerüstete Reuter / seumeten hier nicht lange / und zogen den Streich / da jezt Helmstäd /Braunschweig / Hildeßheim / Poppenburg (woselbst sie über die Leine setzeten) Hameln im Braunschweigischen / und Oldendorff im Schaumburgischen gelegen ist / gelangeten endlich an / wo nachgehends die Stad Minden in Westfalen / von dem grossen Karl und Fürst Wedekind erbauet worden / hielten daselbst an der Weser algemeine Heerschauung / uñ befunden ihr ganzes Volk / 58000 stark / so hatte sich die Mañschaft auff dem Wege gemehret; und ob sich zwar mehr einstelleten / wolten sie doch keine mehr zu sich nehmen / weil sie nicht zweiffelten / mit dieser Anzahl den Feinden gnug gewachsen seyn. Herkules in angestrichener Farbe / Siegward / und Arbianes (welcher immer mit unter den födersten seyn wolte /) nahmen 8000 wolberittene zu sich / und hielten damit den Vorzug / massen sie gnugsame Kundschaft hatten / welches weges der Feind gangen wahr / daher sie /wo jezt Osnabrügt lieget / eigentlich erfuhren / daß sie mit kurzen Tagereisen in aller sicherheit fortgingen / hätten vor vier Tagen der Ends 36 Stundenlang geruhet / und vorgegeben / sie laureten / ob nicht ein Heer zusammen gelauffener Sachsischer Bauren ihnen folgen / und eine gute Last frischer Stösse abhohlen wolten; ihr Heer währe groß / daß man sie auff 60000 stark schätzete / deren dritter Teil zu fusse / und die übrigen wol beritten währen; hätten vorgehabt den GroßFürsten samt den seinen mit gewaltsamer Hand von seinem Festungs-Sitze hinweg zunehmen / wann die List ihnen nicht währe angangen; sie würden nunmehr schon auff jenseit der Emß seyn / und sich der Isel nahen / weil sie ihren Zug nach Gelderland richteten. Dieses alles taht Herkules seinem Ladisla zu wissen / und daß sie mit dem Häuptheer ja nicht seumeten / sondern dasselbe in grossen Schaaren nach einander forthauen lassen solten / ob man den Feind noch im Felde disseit der Isel ertappen und die lieben seinigen loßwirken könte. Er ging mit den seinen bey Rheen über die Emß / und bekam Zeitung / daß des Feindes Nachtrab etwa drey Meilen von ihm währe /uñ läge ganz sicher / ohn alle Furcht einiger feindlichen Nachfolge. Siegward setzte ihnen mit 1200 Pferden nach / und zeigete sich dem Feinde von ferne /welcher ihm 2000 entgegen schickete umb zuvernehmen was Volk sie währen / mit befehl / da sie dem GroßFürsten angehöreten / sie alsbald niderzuhauen /und niemand lebendig zu lassen; aber sie wurden ohn einige Antwort auff ihre Frage dergestalt empfangen /daß sie mehrenteils mit blutigen Köpffen umkehreten /[481] nachdem 800 von ihnen auff dem Platze gestrekt lagen / und 100 gefangen wahren / erhaschten doch drey Teutschen / welche sie mit sich führeten / und auf bedrauliche nachfrage diese einhellige Antwort (dann also wahr es beschlossen) bekahmen; es hätte sich ein Sachsisches Heer auff 16000 zu Roß gesamlet / ihren GroßFürsten zuretten / meinetẽ nit / daß die Wendischen Völker über 12000 stark währen. Worüber ihr Fürst Krito sehr muhtig ward / legete sich unweit von Deventer an die Isel / und machte anordnung / die Sachsen umbher zubezihen / und sie miteinander niderzuhauẽ. Herkules schickete Bohten ůber Bohten an Ladisla / mit den Völkern zu eilen / damit der Feind nicht über den Strom ginge / noch ihrer grossen Mannschaft inne würde; ließ hin und wieder Kundschaffer ausreiten / auff des Feindes Vornehmen acht zu haben / welcher seine drey Gefangene / nehmlich den alten GroßFürsten Herrn Henrich sampt dessen Gemahl und Frl. Tochter in einem Dorffe / nahe am gemeldeten Iselflusse gelegen von 1000 Reutern und 1500 zu Fusse bewachen ließ; ging mit der ganzen Macht von allen Seiten loß / und fürchtete nichts so sehr / als daß ihm der Feind / die Handvol Sachsen Bauren / wie er sagete / ohn empfangene Schläge /entlauffen würde. Herkules erfuhr seinen Anzug gar früh / zog sich mit den seinen zurük und baht Gott inständig / daß er ihm Glük zu seiner Eltern und Frl. Schwester Erlösung verleihen wolte. Des Feindes Vortrab ging als blindlings fort / den eingeno enen Schimpff zurächen / und da sie an die Wahlstat kahmen / und die erschlagenen antraffen / bissen sie vor Zorn die Zähne im Kopffe zusammen / unter hefftiger Bedräuung / wie grausame Vergeltung darauff erfolgen solte / und musten beides die erschlagene uñ flüchtige sich von ihnen gnug lästern und ausschelten lassen / daß sie Wendischer Tapfferkeit einen solchen Schandflek angelegt / und sich von den unerfahrnen Bauren erschlagen und abtreiben lassen. Ein Obrister unter ihnen besahe die Todten / betrachtete ihre Wunden / und sagete: Er könte nimmermehr gläuben / dz unerfahrne bäurische Hände die Schwerter so geschiklich zuführen / und den leichtesten ort zur Tödtung an ihren Feinden zufinden wüsten / es müsten ausser Zweifel erfahrne Kriegsleute seyn / denen man behuhtsam begegnen solte / damit man die Reue nicht zu späht / und nach empfangenem Schaden sehen liesse. Aber die übrigen verlacheten ihn / daß sie auch mit höhnischen Worten frageten / ob er sich hefftiger vor der Bauren rostigen Schwertern als vor ihren Dröscheflegeln fürchtete? welches er mit einem stilleschweigen beantwortete. Dieser Hauffe 6000 stark /ging fast eine halbe Meile vor dem Heere her / welches Herkules verkundschaffet ward / und unvermuhtlich mit seiner ganzen Macht 12000 stark (dann 4000 wahren schon zu ihm gestossen) auff sie anging / daß inwendig einer halben Stunde 4000 erschlagen / 800 gefangen / und die übrigen mehrenteils verwundet /ihr Leben durch die flucht erretteten / da Siegward auff des Feindes Führer traf / welchen er nach kurzem Gefechte gefangen nam / und ihn Herkules überlieferte / der unter harter Bedräuung ihn fragete / wie es dem gefangenẽ GroßFürsten und den seinen erginge. Dieser sahe ihn vor einen Römischen Herrn an / der etwa vom ReinStrome her dem GroßFürsten zu hülffe kommen währe / und bekante so viel wegen harter Verwundung ihm möglich wahr / insonderheit / dz im gedachten Dorffe sie zimlich stark verwahret würden. Gleich dazumahl stiessen inwendig zwo Stunden /drey Hauffen / jeder 2000 stark zu Herkules / und brachte der lezte die Zeitung / das übrige[482] Heer folgete in unterschiedlichen grossen Abteilungen nach Mögligkeit / währen aber sehr abgeritten / daß sie auch grossen teils bey ihren ermüdeten Pferden zu fusse hergingen / und sie mit Brod erquicketen / welches ihm ungenehm zuhören wahr; muste sich daher wieder zurük zihen / und wurden der ankommenden Pferde ins Graß gejaget / dessen daselbst grosser Vorraht wahr / die Völker aber ingesamt musten mit ihrem Gewehr sich zu fusse fertig halten / und von vornen zu einen kleinen Wahl / in gestalt eines halben Monden geschwinde auffwerffen / hinter welchem sie vor Reuterey gesichert waren / und bereit / eines Fußheers Anlauff redlich zuempfahen. Aber es bedurffte dessen nicht / weil der Abend herzu nahete / und der Feind wegen empfangener harten Schlappe nicht ein geringes erschrak / daß er sich zur Ruhe begab / wiewol unter dem gewissen Vorsatze / des folgenden Morgens sein Schart auszuwetzen; Und kam solches den unsern wol zustatten / massen Herkules auf seiner Stelle diese Nacht ein bequehmes Lager abstechen /und in etwas auffwerffen ließ / vor das ganze ankommende Heer / welches kurz nach Mitternacht sich einstellete / Speise nam / und drey Stunden ausruhete. Unsere Helden aber hielten KriegsRaht / und beschlossen / die Schlacht alsbald diesen Tag solcher gestalt zuordnen: Herkules und Arbianes (welcher schon 38 Wochen lang sich in Teutscher Sprache fleissig hatte unterweisen lassen) solten 20000 auserlesene Reuter im rechten Flügel führen; Baldrich uñ Siegward 17000 im linken; und Ladisla 18000 Böhmen zu fusse in der Mitte. Die übrigen 3000 solten zur Beschützung des Lagers behalten werden. Arbianes erkundete sich fleissig bey den Gefangenen / wo das Dorff läge / in welchem die gefangene Fürstliche Häupter verwahret würden; hielt hernach bey Herkules an / ihm zugönnen / daß er mit seinen Parthern frey ab uñ zureiten / und nach Befindung den nohtleidenden beyzuspringen urlaub haben möchte /welches er ihm gerne einwilligte / weil er seines gefährlichen Anschlages keine Wissenschafft trug. Valiska hatte die ganze Reise über seiner Schwehrmuht genaue acht gehabt / und weil ihr die ursach gnug bekant wahr / machte sie sich vor der Schlacht mit ihrem kräfftigen Trost an ihn: Er solte dem wahren Gott vertrauen / ob er denselben gleich nicht kennete /derselbe würde das Fräulein schon retten / und zu seinem besten gnädiglich erhalten; nur begehrete sie vor dißmahl von ihm zuwissen / ob er auch zugeben wolte / daß das Fräulein den Christlichen Glauben annähme; dann im falle er sich dessen beschweret besünde /dürffte es wegen seiner künfftigen Heiraht hart halten / in Betrachtung / daß Herkules uñ Baldrich / ja sie selbst / vor Gott im Himmel und vor ihrem eigenen Gewissen es nicht wüsten zuverantworten / daß ihre einige herzgeliebete Schwester der Erkäntniß des wahren Gottes mangeln / und hernähst an ihrer Seele ewig schaden leiden solte. Und O wolte Gott / sagte sie weiter / daß mein geliebeter Freund und Bruder selbst zu unserm heiligen Glauben sich begeben möchte / damit er nach dieser kurzen Vergängligkeit der ewigẽ Himmelsfreude mit uns teilhafftig würde /welches ich ihm von grund meiner Seele wünsche; Er hat biß daher unserm Gottesdienste vielfältig beygewohnet / und gnugsam erfahren / daß unser Christlicher Glaube auff nichts heilloses oder schändliches bestehe / welches ich doch nicht zu dem Ende vorbringen wil / ob wolte Euer Liebe ich wider ihren Willen ein solches auffdringen / sondern sage nur bloß mein Gutdünken / worzu mich die schwesterliche Gewogenheit antreibet / welches mir zu keinem argen wird ausgeleget werden köñen;[483] Was aber meine Frl. Schwester betrifft / muß derselben der Christliche Glaube / wie auch ihren künfftigen Erben durchaus und schlechter dinge gegönnet und zugelassen werden; kan nun ein solches Eure Liebe nit eingehen /wird sie mir solches offenherzig anvertrauen / damit ich wisse wie hierin weiters zuverfahren sey. Arbianes / nach geliefertem demütigen Handkusse / schwieg ein wenig stille / lächelte darauff / und gab diese Antwort: Es zwinget mich vor dißmahl Eure Durchl. ihr mein Herz zuoffenbahren / welches vor meiner Heyraht ich sonst nicht willens wahr; Daß nun dieselbe dieses ihres Kummers / den Glauben betreffend / abkomme / beruffe ich mich auff des einigen wahren Gottes Zeugniß / daß sie der des Juden erschreklichem falle zu Ekbatana ich mir gänzlich vorgenommen /dem Christlichen Glauben zufolgen / bin auch nach der Zeit darinnen solcher massen gestärket / daß zu Bethabara ich mich herzlich gerne hätte tauffen lassen / wann ich nicht betrachtet hätte / dz das GroßFürstliche Fräulein annoch im Heydentuhm steckete / und vielleicht ihre Eltern mir dieselbe wegen meines Christentuhms versagen möchten; hernach / daß ich mich befürchtet / die Fürstliche Geselschafft hätte wähnen dürffen / ich tähte es nur zum schein / ihre bessere Gunst und Gewogenheit zuerlangen. Dieses /sagte er / ist die Ursach meines aufschiebens; habe sonst mein Gebeht täglich zu Gott und seinem lieben Sohn JEsus Christ / meinem wahren Heyland und Erlöser abgehen lassen / und den Christlichen Glauben zimlich gefasset / auch meinem Gott dieses Gelübde getahn / daß / wo das liebe Fräulein mir zu teile werden / und ihr von ihren Eltern das Christentuhm nicht solte gegönnet werden können / ich daheim nicht ruhen wolte / biß ich sie zu dieser allein seligmachenden Lehre würde gebracht haben / demnach mein Gewissen dergestalt versichert ist / daß wir allein in diesem Glauben können selig werden / daß / ob Gott wil / weder Teuffel noch Menschen / weder Gefahr noch wolergehen mich davon abführen sol / und meine Fr. Schwester in diesem stük mit vergeblichen Sorgen beladen ist / die ich herzlich hiemit wil ersuchet haben /in bißher geleisteter Träue fortzufahren / und die gewünschte Heyraht zubefodern / welche mir verhoffentlich weder GroßFürst Herkules / noch sein Herr Bruder mißgönnen wird. Die GroßFürstin wahr dieser unvermuhtlichen Erklärung so froh / daß sie ihn aus wahrer Liebe umfing / und nachgehends zu ihm sagete: Nun werde ich erst Eure Liebe vor einen warhafften Bruder halten / nachdem ich weiß / daß dieselbe ein Kind Gottes / und MitErbe der himlischen Seligkeit ist. Aber wie hat mein herzvertraueter Freund sein Christentuhm vor mir dergestalt verbergen können / da er doch weiß / daß mir angenehmere Zeitung nicht zukommen mag? Arbianes zeigete an / er hätte sich nicht allein höchlich verwundert / sondern auch mannichmahl herzlich betrübet / ja allerhand mißtröstliche Gedanken daher gefasset / daß er weder von ihr / noch von GroßFürst Herkules nie kein mahl zum Christentuhm angemahnet währe; deswegen er sich nicht erkühnen dürffen / ihnen sein Vorhaben zueröffnen; merkete aber nunmehr / daß sie ihn darzu nicht hätten reizen wollen / umb ihm seinen eigenen und freien Willen hierin zugönnen; baht / seine Verschwiegenheit ihm nit zuverargen / und ihn in ihr andächtiges Gebeht einzuschliessen / daß er in der himlischen Warheit beständig verharren / und in der heilsamen Erkäntniß je mehr und mehr zunehmẽ möchte. Valiska gab ihm zur Antwort: Er hätte die eigentliche ursach ihres nicht-ermahnens völlig errahten / und währe sie zum oftern willens gewesen / ihn bloß zufragẽ / wie ihm[484] ihr Gottesdienst / dem er so fleissig beywohnete / gefiele / hätte sich aber allemal eines and'n bedacht / um ausser Verdacht zubleibẽ / als wolte sie ihn zu ihrẽ Glauben nöhtigẽ; sonst würde sie nit erst anfangẽ / ihn in ihr Gebeht zunehmẽ / welches sie von anbegin ihres Christentums her fleissig getahn hätte / uñ doch mit freudẽ vernähme / dz er zeitiger als sie selbst darzu einẽ rechten Vorsaz gehabt hätte. Sie gingen hierauf von einander zur kurzen Ruhe / und lies Valiska dem Frauenzimmer dieses ihres lieben Freundes sein Christentuhm nicht ungemeldet. Des morgens sehr früh musten die Völker Speise nehmen / und in aller stille auffbrechen / weil die Schildwachten und Kundschaffter einbrachten /der Feind rüstete sich schon / hätte sein Lager etwa anderthalb Meile von hinnen / und währe wegen der erlittenen Niederlage so vol grimmiges Eifers / daß er des Tages kaum erwarten mögen. Diese Zeitungsträger irreten gar nicht; massen der alte Wendische Fürst vor Unsin zu berstẽ meinete / und zu seinen Obersten sagete: Pfui uns nichtwerten! wir mögen uns wol in unser Blut und Herz hinein schämen / daß wir von einer solchen Handvol Landstreicher und BaurenFlegel dergleichen Spot einnehmen müssen / dessen diese hochmuhtige Sachsen sich nit gnug werden rühmen köñen / weil sie uns nicht den dritten Teil an Manschaft gleichen. Lasset uns auff sie angehen / den Schimpf einzuhohlen und zwar also / daß ihrer keiner entrinne / der des geschehenen Zeitung überbringen könne. Die Obristen gaben ihm mit traurigen Geberden zur Antwort; sie währen bereit / teils als gebohrne Untertahnen / teils als dem Gewalthaber ihres Königreichs zufolgen / ja Leib und Leben willig vor ihn und seine Wolfahrt auffzusetzen; fünden aber schier das ganze Heer überal unwillig zu der Schlacht / so daß weder das Fußvolk noch die Reuterey einiges Zeichen ihres frischen Muhts von sich gäben; möchte demnach ihre Durchl. gnädigst bedenken / was vor Vnraht hier auß entstehen dürffte / wann sie in des Feindes Gegenwart sich wegern solten zufechten; ihr einhelliger Raht währe / daß man sich in die Zeit und das Glük schickete / und dem KriegsHeer ihre inständige Bitte einwilligte / damit übel nicht ärger würde; es währe ja sein leiblicher und einiger Sohn / welchen er so härtiglich am Leben zustraffen suchete / und dagegen von dem Heer in Schuz genommen währe. Zwar sie erkenneten dessen schweres Verbrechen wol; weil es aber nicht aus Boßheit / sondern aus Liebesgetrieb herrührete / möchte ihre Durchl. mit ihm ins Gnaden Buch sehen / und üm der mannigfältigẽ Vorbitte Willen ihm Väterliche Verzeihung und Gnade wiederfahren lassen. So dürfet auch ihr begehren / antwortete Krito / daß ich den Verwägenen unverschämten Bubẽ nicht allein lebendig und ungestraffet lassen solte /sondern ihn auch wieder vor einen Sohn annehmen /der mein allerhöchstes Gut mir zuentführen / sich blutschändiger Weise hat dürffen gelüsten lassen? ehe wolte ich gleich jezt hinreiten / und ihn mit eignen Händen erwürgen / auff daß mit des Bösewichts Tode die Auffruhr meines KriegsHeeres zugleich auffhöre /und sie erkennen mögen / waß sie ihrem Fürsten / Königlichen Verwalter und algemeinem FeldHerren schuldig sind. Eure HochFürstl. Durchl. sagte der vornehmste / fahren nach belieben / wann ja unser geträuer Raht nicht Stat finden kan; aber / wo ich nicht hefftig irre / halte ich gänzlich davor / es werde das Heer hiedurch noch auffrürischer gemacht / und dannoch der junge Fürst zur Straffe nicht herauß gegeben werden / weil die gemeinen Knechte / insonderheit die Wenden / ihn vor Gewalt zuschützen / sich äidlich[485] verbunden haben; daß also hiedurch nichts anders gewirket wird / als daß man dem Feinde den Sieg willig in die Hand spielet; und wer weiß / ob nicht der junge Fürst auß Hoffnung der Heyraht / den Feinden einen Vertrag anbieten / und seinen Herr Vater mit allen seinen Geträuen dem gefangenen GroßFürsten gefangen liefern dürfte? was vor Gnade aber wir bey demselben werden zugewarten haben / wird unsere begangene Taht uns leicht berichten können. Aber dieses erfolge nicht / wie ich auch nicht hoffen wil / so bin ich dannoch versichert / daß das Häuptheer kein Schwert wieder den Feind zücken wird (es werde dann von ihm gewaltsam angegriffen) / wo nicht der junge Fürst zuvor wird begnadet der Ketten entlediget / auff freien Fus gestellet / und aller Straffe loß gesprochen seyn. Kan nun eure Durchl. ein solches über ihr hoch beleidigtes Herz nicht bringen / noch auß der Noht eine Tugend machen; wolan! so habe ich meines Lebens mich schon getröstet; dann es ist / in eurer Durchl. Diensten sich selbst auff zuopfern / willig und bereit; und erwarte ich nur / wann der Feind / oder unser eigen Volk ansetzen / und mich niederhauen wird /dann kein Mensch sol mich / so wenig gefangen / als Unträu und meinäidig sehen; nur allein betraure ich meines Gnädigsten Fürsten gewissen Vntergang / und so wol des Friesischen Reichs / als des Wendischen Fürstentuhms Verwüstung / welches hierauß nohtwendig erfolgen muß. Als dieser außgeredet hatte /tahten alle Obristen einen Fußfal / und bahten / ihre Durchl. möchten ihrer selbst schonen / und durch unzeitigen Zorn sich nicht in den gewissen Tod stürzen /sintemahl ja alles mit ihrer Durchl. höchster Ehr beygelegt und verglichen werden könte / und nicht allein der junge Fürst / sondern auch die sämtlichen Völker erböhtig währen / ihr verbrechen durch einen demühtigen Fußfal abzubitten / dafern nur ihre Durchl. die von ihrem Sohn Fürst Gotschalk begangene Vnbilligkeit gnädigst und Väterlich vergeben und vergessen würde; auch währe ihres untertähnigsten ermässens hiebey zu beobachten / daß der junge Fürst durchaus nichts unzüchtiges vorgenommen / ja nicht eins begehret / sondern nur einwendete / sein Herr Vater selbst hätte ihm schon ein jahr lang dieses Fräulein zugefreyet / währe auch außdrüklich unter diesem Vorgeben außgezogen / ihm als seinem Sohn und künfftigen Nachfolger in der Herschafft / ein wirdiges Gemahl durch Gewalt zuhohlen / weil ihre Eltern sich wegerten ihm das Fräulein in güte abfolgen zulassen. O des Ungerahtenen Buben / antwortete Krito / welcher nimmermehr von meinem Leibe kan gezeuget seyn dann sonst würde er wieder kindlichen eingepflanzeten Gehorsam nich handeln / noch diese zum Gemahl begehren / die sein Vater ihm selbst im Herzen vertrauet hat; sein einwenden zubeantworten /achte ich nicht schuldig / und habe ich gleich vor diesem ihm das Fräulein zugedacht / hatte es damahls eins andere Beschaffenheit mit mir / weil mein liebes Gemahl annoch im Leben wahr; nachdem aber dieselbe mir mit Tode abgangen ist / wie euch allen bewust / habe ich mich nach einer andern ümtuhn wollen / die mir kein Mensch / er sey wer er wolle / abspenstigen oder entfremden sol dessen sich gleichwol dieser Bube durch heimliche entführung hat dürffen gelüsten lassen; würde es auch ungezweifelt verrichtet haben /wann ich ihm nicht hätte auff der Flucht mit ihr ertappet und eingehohlet. Daß nun mein KriegsVolk so meinäidig an mir handelt / wird sich zu seiner Zeit finden / und ungestraffet nicht bleiben / nur muß ich wegen des Feindes Gegenwart viel vertuschen und verschmerzen. So gehet nun hin zu[486] dem Heer / und versuchet / ob sie zugeben können / daß der leichtfertige Bube auff eine Festung in Gefängniß geleget werde / biß der Feind gedämpfet ist / alsdañ wil ich bloß den Völkern zugefallen / Fürstlich versprechen /daß ich ihm am Leben nicht straffen wil. Die Obristen wusten schon wol / daß dieser Versuch würde vergebens seyn / doch ihrem Furstẽ zugehorsamen / gingen sie hin / und tahten den Völkern diesen Vorschlag; bekahmen aber zur antwort; ihre Durchl. möchte ihr gnädigst gefallen lassen / dem jungen Fürsten die begangene Fehler gänzlich und auß väterlichem Gemüht zuvergeben als ob es nicht geschehen währe / auch ihn zuversichern / daß nach seinem ableiben (welches die Götter lange verhüten wolten) er algemeiner Erbe und Nachfolger in der Herschafft seyn und bleiben solte; dann auch / daß dem ganzen KriegsHeer eine durchgehende und unbedingete Vergebung wiederfahren möchte / so daß kein einiger wegen deß Schutzes /dem jungen Fürsten erteilet / angefochten / oder unter einigerley Schein und Einwendung zur Straffe gezogen würde; könte nun ihrer Durchl. ein solches nicht belieben / währe ihr einhelliger Schluß / mit den Sachsen Friede zutreffen / ihnen den entführeten GroßFürsten nebest den seinen wieder einzuliefern /und in dessen Schuz sich zubegeben / unter der Hoffnung / derselbe würde solche Woltaht erkennen / und ihrem jungen Fürsten seine Frl. Tochter nicht versagen; sonsten da ihr bitliches und untertähnigstes suchen Stat haben würde / wolten sie alle einen Fußfal tuhn / üm Gnade bitten / und alsbald wieder den Feind zu Felde gehẽ / auch nicht ümkehren / biß der selbe gänzlich würde auffgerieben / und die gestrige Schande mit ganzen Strömen Sachsen Blutes abgewaschen sein. Die Obristen wolten dem Heer einreden; es währe zuviel / daß man dem Fürsten und FeldHerren nicht allein Gesetze vorschreiben / sondern auch trotzen wolte. Aber es erhuhb sich ein algemeines Geschrey; wolten sie es dem Fürsten nicht hinterbringen / könten sie es ja wol lassen; das Heer hätte endlich an Fürst Gotschalk Häuptes gnug / wann es anders nicht sein wolte / und würden sich unter ihnen auch deren gnug finden / welche der Obersten stelle vertreten könten. Die Abgesanten befahreten sich eines grössern übels / meldeten dem alten Fürsten alles an /und bahten sehr / sich eines andern in der Noht zubedenken; welcher aber vol Zorn und Eifer lief mit Befehl / dieselben ihm gefänglich einzuliefern / die das Wort den Auffrührern zum besten geführet hatten; weil man aber ihn erinnerte / daß / wo er nicht alsbald dem Heer eine angenehme Erklärung und völlige Einwilligung geben würde / es ihn in kurzem gereuẽ möchte / und auff solchen fall wol gar bald des gefangenen GroßFürsten sein Gefangener seyn; fuhr er gelinder / überwand sich selbst / und ließ beydes dem Sohn und KriegsHeer völlige Verzeihung anbieten /und was sie sonst begehret halten / des gänzlichen Vorhabens / hernähst bald ursache zufinden / daß eines mit dem andern abgestraffet würde. Die ausgestelleten Schildwachten kahmen häuffig an / mit vermeldung / der Feind zöge in voller Schlachtordnung daher / und hielte man sie zwar nicht über 16000 Mann stark / nach der Gefangenen aussage / jedoch liesse sich ein grosser Staub hinter ihnen zur Seite spürẽ / welches anzeige gäbe / es müsten mehr Völker verhanden seyn. Sie kommen / antwortete Krito / zu meines muhtwilligen Sohns Glüke. Hieß die Obristen / den Fürsten seinẽ Sohn / und einen Ausschuß des Heeres herzuruffen / im Nahmen des ganzen Kriegvolks eine Abbitte zu tuhn / und die übrigen inzwischen zuordnen / daß dem Feinde könte begegnet werden.[487] Fürst Gotschalk ward an einer Kette / die ihm sein Vater vor zween Tagen hatte anlegen lassen /herzugeführet; dann ob zwar das Heer ihn in Schuz nam / wolten sie doch die Fürstlichen Bande nicht brechen. Mit ihm stelleten sich 40 Häupt- und Unter-Häuptleute / neben gedoppelt so vielen gemeinen Fußknechten und Reutern ein / den Fußfal gebührlich zuleisten; und als der junge Fürst sich vor seines Vaters Füssen niederlegete; fing er mit standhaftem Gemüht also an: Großmächtiger Fürst (den Vater-Nahmen ihm zu geben habe ich keine Ursach /) nachdem mir die begehrete rechtmässige Liebe zu dem Durchleuchtigsten Teutschen Fräulein / meinem erwähleten und bestätigten Gemahl von euch nicht wil gegönnet werden / gilt mir gleich / ob mir diese Ketten / oder meine lebendige Geister abgenommen werden; massen ich doch mein Blut nicht länger in meinen Adern begehre zu tragen / als nur so lange ich eure vorgenommene Blutschande verhindern und abwenden kan; bleibe auch nach wie vor der Meynung / es stünde eurem sechs und funfzigjährigen Alter sehr wol an /daß sie an der Jugend so hoch nicht straffete / was ihr selbst bey euren grauen Haaren zehnfach sündiget /und zwar mit schlechter Fürstlicher Ehre; meinet ihr etwa noch immerhin / mir sey unwissend / daß meine fromme Fr. Mutter nich Tod / vielweniger begraben /sondern annoch im Leben / und von euch auff einem Schlosse heimlich eingesperret sey / nur bloß der Ursach / daß ihr mit dem GroßFürstlichen Fräulein /eure unzimliche Lust büssen / hernach meine Fr. Mutter / eines herschenden Königes in Däñenmark leibliche Schwester heimlich hinrichten / und dieses Fräulein ehelichen könnet? O nein / eure Durchl. versichern sich / daß mir alles mehr dann zu wol wissend sey / und ich solches bißher nur bloß eure Schande zuverbergen / verschwiegen habe / immittelst doch in dieser Sache solche anstellung gemacht / daß meine Fr. Mutter vor Henkers- uñ MördersSchwert / oder schändlicher Giftmischung noch wol gesichert bleiben wird. Glaubet mir / daß unser Heer (ja unser; dañ ich habe als nähester ungezweiffelter Erbe der Wendischen Herschaft auch Teil daran) schon nach Wendland mit mir solte auffgebrochen seyn / meine Fr. Mutter zuerlösen / wann der Feind uns nicht so schleunig gefolget währe / welchem zubegegnen / im falle ich völlige Erlassung bekomme / ich nicht werde hinderlich seyn. Ja umb eben dieser Ursach willen stelle ich mich ein / meiner ganz billichen Liebe zu dem GroßFürstl. Fråulein / oder vielmehr wegen derselben versuchten Errettung verzeihung zu bitten /ungeachtet ich überdas keusch / und an keinem unwirdigen Orte geliebet habe; wil zugleich auch eure Durchl. zu Gemüht führen / daß sie betrachten / wie in dero beschützung / und ihr Leben zuerretten / ich ehmahls mein Leib und Leben in die Schanze geschlagen / und einen grossen teil meiner Gesundheit an meinen Gliedmassen eingebüsset / welches mir billich mit besserer Vergeltung / als durch entwendung meiner künftigen Gemahl / und anlegung dieser Kettẽ solte ersetzet worden seyn. Was leugest und schändestu? antwortete sein Vater mit verwirretem Gemüht; darfstu mich noch verleumden / uñ bey meinem / ja bloß bey meinem Kriegs-Heer mich so schändlich angiessen / ob hätte ich mein liebes Gemahl / deren Sohn zu seyn du nicht wirdig bist / versperret / umb eine andere zu heyrahten / da doch das ganze Land weiß / wie herzlich ich sie geliebet / sie auch gebührlich / als eines Königes Schwester und Hoch-Fürstliches Gemahl zur Erden bestatten lassen? heisset daß Abbitte tuhn? heisset daß / sich demühtigen / da man zu grösserm Auffruhr / Lügen lichtet / schmähet und lästert? ja heisset[488] das einen Fußfal tuhn / da man sich selbst rechtfärtiget / und trotzige Dräuungen heraus stosset? Er wolte in seiner verweißlichen Rede fortfahren / aber es kam eine Zeitung über die andere; der Feind liesse sich nunmehr recht sehen / währe an Mañschaft ihnen gleich / mit treflichen Waffen und Gewehr versehen / und hielte schon in voller Schlachtordnung / würde auch ohn zweiffel stündlich angreiffen / und des GroßFürsten Erlösung versuchen. / Was angreiffen / was versuchen? sagte Krito: Diese Landstreicher sollen uns wenig mühe schaffen / wann nur dem innerlichen Span wird gerahten seyn. Jedoch / weil er sahe / daß gefahr verhanden wahr / und er den Sieg nicht würde erhalten / wo er nicht vorsichtig spielete / rieff er überlaut: Er vergäbe hiemit seinem Sohne und dem ganzen KriegsHeer völlig / und nach allem ihrem begehren / setzete dessen seine Fürstliche Träue zu Pfande / und ließ alsbald seinem Sohn die Ketten abnehmen / umbfing ihn aus ertichteter Liebe /und versprach / nach gehaltener Schlacht ihm seinen Willen zuvergnügen; welches zwar der Sohn nicht gläubete / und ihm doch liebe wahr / daß er die Freyheit erlangete / nicht allein mit zu fechten sondern auch den rechten Flügel zuführen / welcher in 17000 Reuter bestund; da er dañ nach angelegter Rustung 2000 seiner geträuesten Leute umb sich nam / die er wuste / nach alle seinem Willen fertig und bereit zu seyn / massen er in steter Furcht lebete / der Vater würde ihm durch Meuchelmörder / auch wol mitten in der Schlacht nachstellen. Der linke Flügel / 20000 Reuter stark / ward von einem Wendischen Herrn /nahmens Plusso / angeführet / welcher ein überaus verwägener starker Ritter / und in Feldschlachten wol geübet wahr. Der alte Fürst ordente seinem Sohn einen Feldmarschalk zu / nahmens Niklot / welcher ihm sehr geträu / und in allen Bübereien beypflichtig wahr / und solte derselbe acht auff seinen Sohn geben / ob er irgend sich etwas gefährliches unternehmen würde / weil er offentlich bekennen dürfte / daß er sich der Liebe zu dem Fräulein noch nicht begeben hätte. Und wann die Götter diesen meinen ungerahtenen Sohn hinnehmen wolten / sagete er / es geschähe auff was weise es möchte oder könte / hätte ich ihnen / und die darzu behülfflich währen / hoch zu danken. Welches dieser wol verstund / und seinem Fürsten versprach / ihn / wo möglich / dieser Furcht zubenehmen. Das Fußvolk 20000 Mann / führete Krito selbst zwischen der Reuterey / und wahr Herr Gunderich /seines verstorbenen Bruders Sohn darüber Oberster Statverweser. Das ganze Heer / weil ihnen alles nach willen versprochen wahr / stellete sich überaus freidig zum Treffen / fingen ein starkes Feldgeschrey an / und meineten / es könte ihnen an dem Siege durchaus nicht fehlen. Herkules (der sich bey seinem Heer noch immerzu in angestrichener Farbe vor einen Persischen Abgesanten halten ließ) schickete Leches und Klodius mit 1000 Pferden vorne an / unter dem befehl / durchaus nicht ernstlich zu treffen / sondern sich / wo möglich / nur ein wenig mit des Feindes ausgeschikter Reuterey zu tummeln / und etliche Gefangene zuerhaschen / von denen man des Feindes Vorhaben berichtet werden könte; gingen demnach sehr behutsam fort / biß ihnen eine feindliche Schaar 1500 stark auffstieß / die mit grimmiger Wuht in sie fielen / daß sie sich nohtwendig wehren musten / da sie dann / ungeachtet sie zur helfte übermannet wahren / sich dergestalt ihren Feinden zuerkennen gaben / daß jene den ersten Eifer bald ablegten / und ihrer Schanze besser acht nahmen: jedoch zog sich Leches gerne zurük / hatte in diesem kurzen Treffen 200 Mann eingebüsset / und an Feindes Seiten 650 erleget / und 25 gefangen / mit welchen er[489] nach Herkules eilete / und alles Zustandes berichtet wurden / daß der Zwiespalt zwischen Vater und Sohn gleich diesen Morgen / mehr auffgeschoben als auffgehoben währe; hätten demnach die Völker noch keine Speise genossen / weil sie mit diesem Vergleich zutuhn gehabt. Wolan / sagte Herkules / diese beyden Räuber und MenschenDiebe sollen ob Gott wil / über meine Frl. Schwester sich nicht lange mehr zanken / und unsere Zeit ist kommen; gab das Feldgeschrey aus: Hilff Gott! ließ auffblasen und trummeln /und zog in wolgesezter Ordnung und guter freidigkeit loß. Ihre Feinde wahren gleich zuspeisen bedacht /weil sie aber die vielen glänzende RitterHarnische und blanke Waffen sahen / griffen sie auch zum Gewehr / wiewol nicht alle mit gleichem Muht und Herzen / dann die Friesen / deren ohngefehr der dritte Teil wahr / so wol zu Rosse als zu fusse / währen lieber aus der Gefahr gewesen / als die ohndas die unverantwortliche Taht des Wenden nicht billichte / und wol merketen / daß derselbe ihre freiheit zuschwächen /alle gelegenheit suchete; jedoch musten sie wider ihren Willen fechten / weil ihnen nit allein lauter Wendische Befehlichshaber gesetzet / sondern sie auch durch die Wendischen Völker dergestalt verstecket wahren / daß sie weder einer dem andern ihre Meinung offenbahren / noch Abtrit nehmen kunten. So bald beide ansehnliche Heere sich ins Feld gesetzet / und einer den andern ins Gesichte bekam / sendete Ladisla einen Heerhold / seinen Leches an Krito ab / und ließ ihm sagen: Der Großmächtige König aus Böhmen / König Ladisla / nachdem er vernommen /daß sein H. Vetter und Vater der GroßFürst aus Teutschland Herr Henrich / nebest seinem Gemahl und Frl. Tochter / von dem Wendischen Fürsten Krito / und seinem Sohn Gotschalk / unabgesaget / und unter dem schein einer Brüderlichen Zusammenkunfft und Beredung / gefangen hinweg geführet worden; hätte seine Pflichtschuldigkeit ihn auffgemahnet demselben kindliche Träue zuerweisen / als welcher ihn in der Jugend väterlich aufferzogen; begehrete demnach an den Wendischen Fůrsten / entweder gnugsame Ursachen der geschehenen Entführung anzuzeigen / oder in Mangel deren (wie ihm dañ unmöglich seyn würde / eine so schändliche Taht zurechtfärtigen) vor erst /den GroßFürsten samt den seinigen alsbald auff freye Füsse zustellen; und hernach / wegen begangener unfürstlicher ganz unverantwortlicher Entführung umb Verzeihung zubitten / und gebührlichen Abtrag zumachen; im fall aber er sich dessen wegern würde / solte ihm hiemit nicht allein als einem Erzfeinde und offentlichen StrassenRäuber abgesagt / sondern auch die FeldSchlacht angekündiget seyn / da dann der wahre Gott als ein gerechter Richter und Rächer aller Untahten / der gerechten Sache schon beistehen / und den Verbrecher zur gebührlichen Straffe zihen würde; jedoch foderte der Böhmische König ihn den Wendischen Fürsten / und der gebohrne GroßFürst aus Teutschland Fürst Baldrich / seinen Sohn Gotschalk aus zum absonderlichen Kampffe / da sie sonsten so viel herzens haben dürfften zuerscheinen; worauff er als ein Gesanter der Antwort wolte gewärtig seyn. Krito wahr zu stolz / selbst zuantworten / rief seinen Verweser Gunderich zu sich / und legte ihm die Worte in den Mund; welcher dann dieses vorbrachte: Der freye Fürst und Beherscher der unüberwindlichen Wenden / auch erwähleter Großmächtiger SchuzHerr des Friesischen Königreichs / hätte keinem Menschen in der ganzen Welt seines tuhns und lassens Rede oder Antwort zugeben / vielweniger dem vermeyneten Böhmischen Könige / von welchem man[490] bißher nichts gehöret / als daß umb eines Weibes willen er der Römer Joch ohn einigen Schwertschlag über sich genommen / und ihnen als ein Knecht bedienet währe; daher man ihn mehr vor einen Sklaven als König achten müste / und zugleich unwirdig schätzẽ / mit welchem ein freier Fürst absonderliche Handwechselung hielte; So wůste man überdas schon / daß kein Teutscher junger Fürst mehr im Leben währe / und sein Sohn viel zu ädel / mit einem ertichteten Fürsten sich zuschmeissen; den begehreten Abtrag wolte er ihm diese Stunde machen / und ohn weitere Anfoderung willig und gerne vergnügen / daß er dessen forthin nicht mehr begehren solte: Leches antwortete hierauff: Daß mein gnädigster König seine freiheit den Römern übergeben / und deren Dienstbarkeit solte über sich genommen haben / ist eine öffentliche Land- und Schandlüge / und wird von deinem Fürsten nur zu dem Ende ertichtet / daß er sich des absonderlichen Kampffs entbrechen möge / welches ihm doch sein Leben nicht lange fristen wird. Ob auch der Durchl. Fürst Baldrich tod oder im Leben sey / wird seine streitbare Faust gar bald Kundschafft geben. So sage du nun deinem Fürsten zum endlichen Schlusse: Mein gnädigster König halte deinen Fürsten als einen überzeugeten öffentlichen StrassenRäuber und MenschenDieb unwirdig seines Schwerts / und sich zu hoch /seine Hände mit solchem nichtigen Blute zubesudeln /gelebe auch der Hoffnung / es werde der gerechte Gott seiner guten Sache beypflichten / uñ ihm gönnen / daß der ruchlose Räuber zur gebührlichen Straffe gezogen werde. Gunderich wiedersprach diesem / als einer unbillichen Schmähung / die einem Heerhold nicht frey hingehen müste. Aber Leches sagte zu ihm: Mein Kerl / hier gilt nicht lange zankens / sondern ich bleibe auff meinem Vorbringen / dessen ich gnugsame Volmacht habe / und weil du mir dräuest / fodere ich dich auff einen absonderlichen Kampf / welchen du mit mir austragen must / wo du sonst Ritter Standes nicht wilt unwirdig gescholten seyn. Kehrete hiemit umb / und rennete Sporenstreiches nach ihrem Heer /weil er etliche sich hervor tuhn sahe / die ihn schelmichter weise angreiffen wolten / und darzu von ihrem Fürsten ausdrüklich hingeschikt wurden. Nun wahr Gunderich nicht allein ein sehr verwägener /sondern auch wol geübeter starker Ritter / welcher ihm schon die Hoffnung gefasset hatte / des Vaters und Sohns Zwiespalt solte zu seiner Erhöhung dienen / ob sie unter einander sich aufreiben möchten / weil alsdann er der näheste Erbe währe; daher er sich auch bey solcher Uneinigkeit bezeigete / daß er so wenig dem einen als dem andern Beystand leisten wolte /und ob er gleich von beiderseits Anhange darzu gereizet ward / wendete er beständigst ein / es wolte ihm durchaus nicht gebühren / sich zwischen seines gnädigsten Fürsten und dessen Sohns Streithändel einzumischen / wann sie aber ihn zu ihrer Versöhnung gebrauchen wolten / währe er willig und schuldig alle seine Kräffte daran zustrecken. Die Ausfoderung von Leches nam er getrost an / und mit diesen Worten baht er seinen Fürsten umb Vergünstigung den Kampff auszuüben: Großmächtiger Fürst; mein Sinn der mich noch nicht betrogen hat / saget mir gänzlich zu / dieser schmähsüchtige Gesanter müsse den Lohn seines frechen Mauls von meinem Schwerte einnehmen / welches er so frevelmühtig ausgefodert hat; bitte demnach untertähnigst / Eure Durchl. wolle mir gnädig erlauben / daß unserm Heer ich die Bahn öfne / und dem herlichen Siege über die tölpischen Böhmen und Sachsen den rühmlichen Anfang mache; hernach wollen wir des Böhmischen Königes[491] unbesonnenes Häupt bald auff einer Stangen stecken sehen. Niklot taht seinem Fürsten zugefallen den Vorschlag /obs nicht ein Ding währe / daß dem tapfern jungen Fürsten Gotschalk der Kampff wider den jungen SachsenFürsten zugelassen würde; aber derselbe antwortete im Eifer: Wo euch nicht gebühret zureden /Niklot / da schweiget / biß mans euch abfodere; hätte ich aber meiner Gliedmassen Gesundheit noch / die in Beschützung meines Gn. Herrn Vaters ich freudig und willig zugesetzet habe / wolte ich nicht harren / biß ihr mich darzu anmahnen würdet. Dieses redete der Fürst / weil ihm wol bewust wahr / wie gerne dieser seines Vaters Bosheit pflegete auszuüben / zweifelte auch nicht / da er sich vor einigen Meuchelmörder zubefürchten hätte / würde es dieser seyn; welcher sich vor des jungen Fürsten Zorn fürchtend / sich sehr demühtigte / und seiner Unbedachtsamkeit gnädige Verzeihung baht / welches Gotschalk mit einem stilleschweigen beantwortete. Der Vater stellete sich / als hätte er dieser Rede keine acht / wendete sich nach Gunderich / und sagte zu ihm: Reite hin mein Oheim /uñ biß eingedenke / dz du dich als ein Vorbilde Wendischer Tapferkeit erzeigẽ müssest / weil du zu dem Ende von mir abgeschicket wirst / da dir dañ nach erlangetem Siege / dessen wir schon versichert sind /die gebührliche Kron auffgesetzet / und das Ehrengedächtniß zugestellet werden sol. Leches hinterbrachte auch die erhaltene Antwort / und daß er ehrenhalben nicht umhin gekunt / seines Königes Redligkeit zu handhaben / und den Freveler auszufodern / baht umb gnädigste Vergünstigung / und hoffete / Gott würde ihm Kräffte / und dem Heer durch seinen Sieg / frischen Muht verleihen. Warum nicht / antwortete Ladisla / nachdem ihr das Wort gesprochen / und mirs so gut nicht werdẽ kan; deswegen schaffet es nach eurem Willen / weil ihr ohndas wisset / laß ich eurer Ehren steter Befoderer bin. Auff diese Volmacht sendete er Neklam selb sechse an den Feind / um zuvernehmen / ob dem Ausgefoderten das Schwert in der Scheide loß / und das Speer in der Faust feste währe /solte er gar allein zwischen beyden Lagern sich finden / seine Manheit sehen lassen / und vor allem unredlichen überfall gesichert seyn. Ja / antwortete Gunderich / ich erwarte des Lästerers schon / und wil ihm sein letzes einschenken. Er ist kein Lästerer / sagete Neklam / sondern ein Lästermaul redet solches / habe auch wol ehe gesehen / daß eine großsprechige Zunge gehemmet ist. Kehrete damit umb / und hinterbrachte den Bescheid / daher Leches alsbald fortritte / weil er seinen Mann sahe desgleichen tuhn. Sie wahren beyderseits eifrig / aber Leches behuhtsamer / traffen allerseits wol / und hielten das erste mahl redlich aus /hätten auch den andern Saz gerne gewaget / aber die Speer wahren zubrochen / und so bald keine neue verhanden / daher sie zu den Schwertern griffen / und einen grimmigen Streit anfingen / in welchem doch Gott und die gerechte Sache endlich scheidung machete / dann nachdem sie eine gute Viertelstunde gearbeitet hatten / warff Leches den Wenden vom Pferde /sprang ihm nach / und nach abgezogenem Helme schlug er ihm den Kopff mit einem Streiche hinweg /welchẽ er samt des Feindes Schwerte zu sich nam /und beides zu seines Königes Füssen mit diesen Worten niderwarff: Diese göttliche Rache sol verhoffentlich ein Beyspiel sein unsers künftigen herlichen Sieges / nachdem ich durch Gottes gnädigen Schuz allerdinge unverwundet und bey ganzen Kräfften blieben bin. Unser Heer ließ auff erhaltenen Sieg ein starkes FreudenGeschrey aus / dagegen erschrak der Wendische Fürst des Unfals / daß er erblassete; welches zubemänteln er zu den[492] seinen sagete: Der gute Gunderich hätte den Sieg leicht erhalten / dann ich habe eigentlich gesehen / daß er unter dem Gefechte in die fallende Sucht / die ihn zuzeiten anstosset / (welches doch errichtet wahr) geriet / und daher seinem Feinde zuteil worden ist; welches uns aber wenig irret / und sol sein Blut bald gerochen werden. Herkules ließ alsbald durch 3000 Reuter unter Klodius den ersten Anfal tuhn / denen der Wendische Plusso so viel entgegen schickete / die sich dann rechtschaffen zuwetzeten / doch spieleten die Teutschen bald Meister; wiewol ihren Feinden zeitig gnug der Entsaz zukam / daß Herkules gezwungen ward / unter Neda einen geruheten Hauffen 2000 stark fortzuschickẽ / welche alles vor sich nidermacheten / und Plusso mit seiner ganzen Macht loßzubrechen vor gut ansahe; dem Herkules nicht lange Ruhe gönnete aber doch Arbianes mit der Halbscheid seiner Parther und 2000 Teutschen zum Entsaz im Felde stehen ließ. Baldrich hatte den linken Flügel mit Siegward geteilet / und taht dieser mit 4000 den ersten Angriff; dem Niklot mit 6000 frisch begegnete / und sich im Felde weidlich umtrieben /daß keiner sich eines sonderlichen Vorzuges zurühmen hatte; dann dieser Wende wahr ein sehr geschikter Kriegsmann / und bemühete sich allezeit mit Vortel zuspielen; jedoch als jener von Markus mit 2000 frischen Reutern entsetzet ward taht der Feind gemach / daß ihnen Verstärkung nötig fiel / die ihnen zu rechter Zeit zu hülffe ging / und die unsern auffs neue zurük geprallet wurden / so daß Prinsla mit 3000 zur Seiten einbrechen muste / wodurch er der unsern fuß gegen den Feind wiederumb fest setzete / daß sie etliche Acker långe den Feind weichen macheten. Die Fußvölker wolten nicht die schläfferigsten seyn / dann Ladisla frischete seine Böhmen geherzt an; Er hätte bißher in FeldSchlachten mehrenteils fremde ausländische Völker an seinen Feind geführet / welche ihm allemahl so träulich beigestanden / daß er nie ohn den völligen Sieg abzug genommen hätte; jezt wolte er acht geben / wie fest und tapffer seine angebohtne Untertahnen sich bey ihm halten wolten / dessen er sich zu ihnen ungezweifelt getröstete; taht hiebey die Versprechung / daß er einem jeden / der ihm einen Befehlichshaber lebendig liefern oder daß er einen gefellet hätte / mit Zeugen beweisen könte / zehn Kronen über seinen Sold / und ein Frey Jahr geben wolte auff alle seine Haabe und Guter; hernach setzete er 15000 Kronen auff des Wendischen Fürsten Häupt / und wahr Fabius sein Feldmarschalk / Leches und Gallus aber GroßOberwachtmeistere. Es trug sich zu / daß wie er diese seine Rede hielt / sahe er unweit von ihm einen KriegsKnecht stehẽ / mit einem grossen SchlachtSchwert / stark von Leibe uñ Gliedmassen /welcher sehr bleich aussahe / und fast an allen Gliedern zitterte; dessen er lachete / und zu ihm sagete: Mein Kerl / wie fürchtestu dich so hart? grauet dir vor des Feindes Geschrey / so trit nur zurük / und mache dich wieder nach dem Lager. Dieser erhohlete sich bald / und antwortete: Gnädigster König; ich bin ungezwungen von mir selbst mit fortgezogen / da ich wol hätte köñen daheim bleiben / aber die begierde meinem Könige zudienen / und dessen Feinde zuverfolgẽ / hat mir dē Harnisch angelegt / uñ dz Schwert in die Faust gegebẽ / dessen ich mich / ohn ruhm zumeldẽ / mehr gebraucht habe; ich bin mir aber wegẽ dieser unart selber feind / welche ich almal empfinde /wañ ich fechtẽ sol; dafern ich aber meinẽ Plaz lebendig verlasse / od' im Treffẽ einige Furchtsamkeit sehen lassen werde / sol mein nähester Spießgeselle das Recht an mir verüben. So verzeihe mirs mein Freund / sagte der König / und wil ich dir vor diese bezichtigung[493] gerecht seyn. Nun redete dieser Böhme die Warheit; dann er hielt sich in der Schlacht so wol / daß er 21 von den Feinden erlegete / und dagegen neun Wunden mit dem Leben davon brachte; sein nahme aber wahr Miezla. Fürst Krito muhtigte die seinen auch mit grossen verheissungen / deren er doch wenig zu leisten willens wahr / hielt ihnen daneben vor / wie gehässige Feindschaft die Sachsen zu ihrem Geschlecht trügen / und sie fast den Hunden gleich schätzeten / daher sie ihn und seinen Sohn unwirdig geachtet hätten / ihnen das Fräulein zum Gemahl abfolgen zulassen; diesen Schimpf zu rächen / håtte man anjezt die gewünschteste Gelegenheit / darumb solten sie auff ihn sehen / und ihm immer nach würgen / alsdann müste ohn allen zweiffel der Sieg auff ihre Seite fallen. Der erste Angriff zwischen ihnen wahr sehr herbe; Leches und Gallus musten den ersten Fall wagen / die sich zwar äusserst bemüheten einzubrechen / aber sie funden gleichmässigen Wiederstand /weil Krito ihnen sehr tolkühne Wagehälse entgegen gehen ließ / welche den untergesteckten Friesen mit ihrem Beyspiel einen Muht eingossen / daß sie nicht weniger kühne Gegenwehr tahten / und niemand hinter sich zu weichen bedacht wahr. Also wütete nun das Schwert an allen Orten / aber am hitzigsten ging es dißmahl zwischen Baldrich und Gottschalk zu /woselbst Niklot und Siegward einander noch die Wage hielten / biß sie beyde selbst aneinander gerieten / und sich rechtschaffen zwageten. Baldrich fürchtete sich sehr / er würde an seinem Orte sich am schlechtesten halten / weil der Feind so leicht nicht weichen wolte / deswegen er mit seiner übrigen ganzen Mannschafft ansetzete / und den seinen zurieff /ob sie allein sich wolten überwinden lassen; der rechte Flügel hätte schon geobsieget; so währe des Feindes Fußvolk auff der Weichseite; was sie gedächten /daß sie als schlaffende die Hände sinken und den Muht fallen liessen. Gottschalk hörete dieses / und wie die Liebe ohndz allemahl furchtsam ist / gedachte er / ihm würde also seyn / ließ sich doch nichts merken / sondern sendete seinem Feldmarschalk das übrige seines Heers zu / Baldrich entgegen / ob sie Wiederstand tuhn / und seinen ungestümen Einbruch zurük halten möchten. Seine 2000 geträuen aber nam er zu sich / rante mit ihnen auffs allerschleunigste dem Dorffe zu / woselbst der GroßFürst neben den seinen verwahret ward. So bald er daselbst anlangete /erteilete er seines Vaters Leuten befehl / auffs geschwindeste nach der Schlacht zu reiten / und sich zu dem linken Flügel zuschlagen / als wo man ihrer benöhtigt währe / das Fußvolk aber nach des Lagers beschützung zu gehen; welche sich dessen wegerten /einwendend / es währe ihnen bey Leib und lebens Straffe gebohten / von den Gefangenen nicht zu weichen / viel weniger dem jungen Fürsten zu gönnen /daß er zu ihnen nahete. Er aber wolte sich nicht lange mit ihnen zanken / und weil er an Reuterey ihnen überlegen wahr / ließ er ihrer zwölffe alsbald niderhauen / dräuete auch dem ganzen Hauffen gleiche Straffe / dafern sie nicht alsbald abzihen und seinem befehl nachkommen würden; Er währe von seinem liebsten Herr Vater selbst hergeschikt / die Gefangenen an einen andern Ort zu bringen / damit sie nicht von ihren Völkern loßgemacht würden; zwar es merketen diese den Auffsaz wol / aber weil sie übermanet / und unversehens umbringet wahren / liessen sie sich weisen / und zogen auff seinen befehl ab. Gotschalk erfreuete sich des guten anfangs höchlich / besetzte das Dorff mit seinen Leuten auffs beste / machete sich darauff mit etlichen wenigen zu dem GroßFürsten /und redete ihn also; Gnädigster Herr / als Vater zu ehren; nachdem kein Ding in der ganzen Welt /[494] als der bittere Tod / meinen Vorsaz brechen kan / das Durchl. Fräulein vor meines ungerechten Vaters unbilligem vornehmen zu schützen / und aber derselbe annoch der Billigkeit in seinem Herzen nicht raum geben wil / da hingegen ich / die dem Fräulein versprochene Rettung zu halten / mir gänzlich vorgenommen / als kan ihrer Hocheit ich nicht bergen / daß mein Vater allerdinge gesinnet / und entschlossen ist /diesen Abend das ehebrecherische Beylager mit ihr zu halten / welches / da man der Zeit abwarten wird /kein Mensch wird hindern können; beliebe derowegen ihre Hocheit / meinen Vorschlag ihr gnädigst gefallen zu lassen / und mir zu gönnen / das dero Frl. Tochter ich von dieser Schande befreien / und in gute sicherheit führen möge; ob dann gleich vor vier Tagen der Anschlag mir nicht hat wollen glücken / nachdem er zu unvorsichtig gewaget wahr; so zweiffele ich doch nicht / vor dißmahl meinen Vorsaz durch der günstigen Götter beystand / zum gewünschten Ende hinaus zufuhren; massen ich mit 2000 Reutern versehen bin /welche bereit sind / Leib und Leben bey mir auffzusetzen; überdas auch die übrigen Völker mir versprochen haben / sich zu meiner Verfolgung nicht gebrauchen zu lassen. Die GroßFürstin / wie from sie sonst wahr / kunte sich hieselbst nicht enthalten / so wol des Sohns als des Vaters Verrähterey auszuschelten /und ließ sich ausdrüklich vernehmen / daß sie dem einen eben so wenig als dem andern trauete. Seid ihr Fürsten? sagte sie / und handelt wie Räuber und Strassendiebe. Wollet ihr mein liebes Kind heyrahten / und schleppet sie mit ihren Eltern umbher als gefangene Hunde? Der GroßFürst redete ihr ein / man müste den Göttern nicht allein im guten wolergehen /sondern auch im Unglük geherzt aushalten / dieselben schicketen offt den frommen dergleichen Wiederwärtigkeiten zu / umb zuerforschen / wie man sich in ihre Weise finden wolte / und währe denselben nichts so hart zu wieder / als die Ungeduld. Hernach kehrete er sich zu Gotschalk / und sagete ihm mit dürren Worten; Es kåhme ihm sein Vorbringen wankelmühtig und verdächtig vor / hätte auch wenig Ursach / sich auff seyn Wort zuverlassen; jedoch / dafern er ihm äid- und Fürstlich angeloben würde / daß er sein liebes Kind nicht allein vor anderer gewaltsamkeit beschützen / sondern auch selbst aller tähtlichen Unzimligkeit sich enthalten wolte / die ihrer Zucht und jungfräulichen Keuscheit irgend könte nachteilig seyn /währe er zu frieden / daß er sie zu sich nähme / und in gute gewahrsam brächte; solte er aber mit unerbaren Gedanken schwanger gehen / wolte er sie lieber selbst erwürgen / als ihre Schande erleben; nicht / daß er sie ihm hiemit vor der Faust zum Gemahl abschlüge /sondern er wolte durchaus nicht einwilligen / daß sie als eine geraubete solte entführet und geehlichet werden. Gotschalk befand es sehr hart / diese Verheissung zu tuhn / wolte doch nicht mit gewalt verfahren / sondern / weil es anders nicht seyn kunte / leistete er den äid / und empfing darauff das Fräulein / welche über die masse heftig weinete / daß sie nicht allein von ihren Eltern solte geschieden / sondern auch von diesem Einäugigen ungehalten Räuber / als sein Gemahl / in die fremde hinweg geführet werden / da sie vielleicht wol in wenig stunden seiner Gewaltsamkeit weichen / uñ seinem muhtwillen raum geben müste; jedoch wahr ihr des alten Wenden Beylager ungleich abscheuhlicher / insonderheit / weil Gotschalk ihr seiner Fr. Mutter Leben und Zustand offenbahret hatte; in dessen betrachtung sie sich endlich in etwas zu frieden gab / und sich von ihrem Herr Vater zu ihm auff sein Pferd heben ließ / weil sie aus zweien Ubeln unvermeidlich das geringere wählen muste / und noch etwas[495] Hoffnung hatte / der Fürst würde / inbetrachtung seines jezt geleisteten äides sich der Unbiligkeit enthalten / wozu ihn ihr Herr Vater beim Abscheide /ehr ernstlich vermahnete. So bald Gotschalk diese herzliebe Beute vor sich auff dem Pferde hatte / und umb besserer Eile willen seinen Harnisch ablegete /ließ er den GroßFürsten und sein Gemahl mit 400 Reutern bewahren / 1600 ließ er zurük gehen nach dem Heer / den ihren Beystand zu leisten / und mit hunderten setzete er über die Isel / unter dem Vorsaz /daß er des nähesten Weges durch Holland nach der Westsee reiten / sich mit dem Fräulein zu Schiffe setzen / und nach Dänenmark zu dem Könige / seiner Fr. Mutter Bruder sich verfügen wolte / woselbst er nicht allein vor seines Vaters Grim und Verfolgung / im falle er die Schlacht erhalten würde / verhoffete sicher zu seyn / sondern durch dieses Königes Vorschub bey dem Teutschen GroßFürsten ausgesöhnet zu werden und die Einwilligung zur Heyraht zuerhalten. Unterdessen ging es in der Schlacht scharff daher / insonderheit / wo Herkules mit seinem ädlen Blänken sich den Feinden zuerkennen gab / deren er die vornehmsten niederschlug daß jeder vor ihm auswiche / der ihn sahe; er hatte seiner aus Persen mitgebrachten Teutschen 20 umb sich / welche allen Anfall / so Schaarsweise auff ihn gerichtet wurden / von ihm abkehreten; noch wolten die Feinde nicht hinter sich weichen / als lange ihr Führer Plusso sich auff dem Pferde hielt; welcher nicht geringe Tahten verrichtete /und mit Klodius gleich in der Arbeit wahr / ihn lebendig gefangen zu nehmen / hätte es auch sonder zweiffel ins Werk gerichtet / wann nicht Herkules darzu kommen währe / welcher die Gefahr ersehend / als ein Bliz durch drang / und den Wenden dergestalt überfiel / daß er von Klodius ablassen / und wieder ihn sich kehren muste; meinete auch / diesen Kämpfer bald niderzulegen oder doch hinter sich zutreiben /welche Rechnung aber er ihm zu früh machete / massen ihm Herkules bald im anfange den linken Arm lähmete / daß er sein Pferd nicht nach Willen zwingen kunte / setzete immer eifferiger auff ihn / und sagete unter dem Gefechte: Ihr gottlosen Diebe und meinäidige Strassenräuber müsset dannoch wissen und empfinden / daß ein Gott im Himmel sey / welcher der Menschen Bosheit auff Erden sehen und abstraffen kan; schlug ihn auch so oft und viel umb die Ohren /daß er endlich betäubet zur Erden stürzete / und der Blänke ihm das Genicke abtrat / welchen er auff der Erden liegend / zuerstechen meinete. Sein Fall brachte seinen Leuten ein solches Schrecken / daß ihnen der Muht gar entfiel / uñ ihrer nicht wenig sich schon nach der Flucht umbsahen; aber ein unverzageter Wendischer Obrister / nahmens Gilimer / der zuvor den Vertrag zwischen dem Vater und Sohn gemacht hatte / taht sich hervor / samlete etliche tausend umb sich / und brachte diesen Hauffen wieder zum zimlichen Stande. Fürst Arbianes hatte sich bißdaher nicht gereget / sahe / daß nach Plussons hinrichtung Herkules Meister spielete / und seinen Feinden übrig gewachsen wahr / daher fassete er die unbewägliche Erklärung / sein Vorhaben ritterlich auszuführen / oder willig zu sterben / kehrete sich zu seinen Meden und Parthen / und redete sie also an: Nun auff / ihr redlichen Landsleute und Brüder; unser Oberhäupt / welches ihr kennet / und von ihm noch grosse Gnade zu hoffen habet / hat mir den Befehl erteilet / den gefangenen GroßFürsten und die seinigen / durch euren ritterlichen Beystand zuerlösen / welche Ehre er euch vor andern gönnen wollen / umb seine hohe Gewogenheit euch vorzulegen / so gedenket nun an euer getahnes versprechen / und haltet euch also / daß ihr Ruhm und Ehre[496] über Meer nach eurer Heimat davon traget; ich verspreche euch hiemit Fürstlich / daß euch der Mühe nicht gereuen sol. Seine Leute gaben durch Schwingung ihrer Schwerter umb die Köpfe / ein Zeichen ihrer freidigkeit / gingen mit ihrem Führer loß /und liessen sich durch einen gestriges Tages gefangenen / des nähesten Weges nach dem Dorffe führen. Die daselbst ausgestellete Schildwache sahe ihn herzu eilen / erkennete bald die feindlichen Fähnlein / und rennete dem Dorffe zu / der Besatzung solches anzuzeigen; welche dann nicht anders gedachten / als daß an ihrer seite das Feld allerdinge würde verlohren seyn / daher sie ohn langes bedenken auff ihre Pferde fielen / und nach der Abseite den Fluß hinunter die sicherste flucht vor sich nahmen / so daß kein einziger bey dem GroßFürsten blieb / und der lezte / so Abschied von ihm nam / zu ihm sagete: Eure Hocheit muß bey den Göttern in sonderlichen Gnaden stehẽ /als welche derselben eine so schleunige und unvermuhtliche Rettung zugeschikt haben / welches ausser Zweifel meinem Fürsten das Leben kosten wird. Der Großfürst verwunderte sich ihrer schnellen flucht /noch mehr dieser geführeten Rede / und kunte vor freuden nicht antworten. Arbianes / der sich jezt Karl nennete / eilete dem Dorffe zu / sahe die flüchtigen gar zeitig / uñ weil er in furchten stund / sie möchten den Großfürsten mit sich führen / schickete er ihnen den Halbscheid seiner Völker nach / welche sie bald ereileten / umringeten / und ohn alle Gnade nidersäbelten / daß kein einziger davon kam; zwar etliche und zwanzig suchten durch die Isel sich zuerreten /aber am andern Ufer kunten sie nicht auskommen /und ersoffen mit einander. Der Medische Fürst zweifelte anfangs / ob er nach dem Dorffe gehen / oder diesen flüchtigen nachsetzen solte / endlich wählete er den Dorffweg / fragete nach des gefangenen Großfürsten Herberge / und wuste vor freuden kaum zubleiben / weil er voller Hoffnung wahr / den so lang gewünscheten Schaz seiner Seelen schier anzutreffen; Er stieg mit etlich wenig Teutschen / die seinẽ Völkern zugegeben wahren / im Hofe ab / ging in das BaurenHüttlein / und so bald er den Großfürsten samt dessen Gemahl erblickete verwunderte er sich über ihrem treflichen Ansehen / weil sie kein ander Angesicht sehen liessen / als ob sie auff ihrem Schlosse gewest währen. Er trat zu ihnen hin mit sehr tieffer und demühtiger Ehrerbietung / küssete ihnen die Hände / und erfreuete sich / wie er sagete / des gehabten grossen Glüks / ihre Großfürstliche Hocheiten aus der schändlichen Räuber Händen zuerlösen. Der Großfürst zweifelte nunmehr an der Warheit nicht / nachdem er sahe / daß dieser weder Wendisch noch Friesisch gewapnet wahr / auch ihre Sprache nicht führete; hielt sich zwar freundlich gegen ihn / und erzeigete doch solche Standhafftigkeit / als währe ihm nichts widriges begegnet / wiewol ihn groß Wunder nam / was Rettung diese seyn möchte / massen ihm weder der Völker Ankunfft / noch der gehaltenen Schlacht einige Meldung geschehen wahr; unterließ demnach nicht / nachzufragen / von wannen ihm diese kräfftige Hülffe zukähme / und durch was mittel er sich getrauete / ihn nebest seinem Gemahl sicher und ohn feindliche Verfolgung davon zubringen. Arbianes antwortete: Seine Hocheit würde verhoffentlich schon berichtet seyn /was massen sein Sohn Fürst Baldrich / und dessen Geselle / Fürst Siegward aus Schweden / mit dem boßhafften Wenden in voller Arbeit der blutigen Feldschlacht währen / und den Sieg ehist erhalten würden / weil bey seinem Abzuge so wol die feindliche Reuter-flügel als das Fußvolk schon angefangen hätten /hinter sich zuweichen / und deren[497] eine grosse Anzahl mit seinen Augen gesehen hätte zur Erden stürzen; Daß nun der Großfürst mit den seinen nicht etwa beleidiget oder entführet werden möchte / wäre er abgeschikt / dem Unheil vorzubauen / und ihre Hocheiten ingesamt frey und sicher durchzubringen; fragete auch bald darauf / wo dann das Durchleuchtigste Großfürstliche Fräulein / Frl. Klara währe. Ach wir elenden / antwortete die Großfürstin; wie bübisch und meinäidig hat uns der Wendische Fürst hintergangen /welcher kaum vor einer halben Stunde unter der Begleitung von 100 Reutern sie über den Strohm geführet / und zweifele nicht / da ihnen stündlich nachgesetzet würde / könte man sie bald erreichen. Dem verliebeten Arbianes brach wegen dieser Zeitung der kalte Schweiß aus / hieß seine Völker mit dem Großfürstẽ und seinem Gemahl alsbald den Rükweg nehmen / er aber wählete 150 von den berittenẽ / ließ sich den Ort zeigen / wo sie übergangen wahren / und sahe deren noch etliche von ferne reiten / setzete hindurch /welches nicht ohn Gefahr zuging / weil die Ufer von den vorigẽ sehr schlüpferig / und zum teil eingetreten wahren; ging als ein Unsinniger immer fort / und wie eine Löuin / deren ihre jungen entführet werden / hörete auch nicht auff nachzujagen / biß er seinen Feind erreichete / und sein Heil bester massen versuchete.

In der Schlacht ging es inzwischen alles über und über; dann nach Arbianes Abzuge erhielt nicht allein Herkules an seinem Orte die Vberwindung / nachdem er den Gilimer gestenzet / und seinen versamleten Hauffen zutrennet hatte / sondern er ging alsbald hin /seinem Bruder Baldrich zuhülffe; und ließ Klodius das übrige bey seinem Flügel verrichten / welcher auch mit solchem Eifer den lezten Anfal wagete / daß die Feinde wie Mücken von einander stoben / und die Wendische mehrenteils in den Tod gerietẽ / die Friesen aber ümb Gnade anhielten / und sich darauff berieffen / daß zu dieser schändlichen Taht sie gezwungen währen; weil dañ keiner dieses Orts einige Gegenwehr vornam / wurden sie durcheinander / Wenden und Friesen gefangen abgenommen. An Baldrichs Seiten ließ der Sieg auff Herkules Ankunfft sich auch wolan / weil dessen mitgebrachte Völker 2000 stark /über laut rieffen gewonnen beym rechten Teutschen Flügel. Es hatten die beiden Fürsten hieselbst überauß grosse Manheit sehen lassen / unter der Hoffnung / am ersten fertig zu werden / aber des Feindes Wiederstand wahr zuhefftig / welche sich lieber auff der gefasseten Stelle liessen niederhauen / als daß sie hätten weichen sollen; doch wie Siegward den handfesten Niklot nach zimlicher Verwundung gefangen hinweg schleppen ließ / erstarreten gleichsahm seinen Völkern die Hände / daß eine grosse Blutstürzung erfolgete / welches auch an diesem Ort meist über die Wenden ging. Ladisla sahe / dz sein Leches kein Loch in des Feindes Fußvolk gewinnen kunte / uñ war willens ihmselbst zu hülffe zutreten / welches aber Fabius ihm nit gönnen wolte / nam 3000 geruhete Böhmẽ zu sich / uñ trat damit den Feinden zur Seite ein / wodurch Leches alsbald Lufft bekam und seiner gegenstreiter Ordnung trennete. Krito sahe Fabius Einbruch / wähnete als vor gewiß der König würde selbest an diesem Ort fechten / schickete ihm die Handfestesten entgegen / wo möglich / ihn selbstlebendig zufahen / dann er sahe / daß die Reuterey schon so gut als verlohren ging / und hoffete durch seine Gefängnis zur guten Rachtung zugelangen. Dieser Hauffe 2000 stark / wolten ihres Fürsten Anschlag ins Werk richten / drängeten als blind und taub zu Fabius hinein / und entstund daher ein blutiges Gemätsche. Leches und Gallus sahen Fabius noht[498] leiden /drängeten mit 200 Mann hindurch / und hoffeten ihn zuentsetzen / aber sie kahmen zuspät / und musten ansehen / was Gestalt er von sechs Gepanzerten angefasset und davon getragen ward; worüber diese beiden sich der Gestalt eiferten / daß sie ungescheuhet aller Gefahr hinein fielen / und einen grossen Raum ümb sich macheten / biß Krito selbst mit seinem besten Kern auff sie loßging / und sie beide anpackete / nach dem Gallus zimlich verwundet wahr. Ladisla wuste eigentlich nicht / wie es hieselbst zuginge / nur / weil er das Häupt-Banter daselbst fliegen sahe / zweiffelte er nicht / den alten Fürsten daselbst anzutreffen / fiel mit 4000 der besten Manschafft gleich darauf zu /risse es dem Fähndrich mit eigener Hand hinweg /welcher auch sein Leben dabey zusetzen muste / und hielt mit unablässigem stechen und hauen an / daß ihm niemand mehr stehen durffte. Krito wahr nicht weit davon / sahe wol / daß er endlich erliegen müste / wolte doch solange möglich / Widerstand tuhn / und sein Leben verkäuffen / so teur es gelten könte. Er hätte seine Manschafft gerne wieder zum Stande und in Ordnung gebracht / aber der Feind gönnete ihm so viel Zeit nicht; endlich funden sich noch 400 Mann zu ihm / deren Führer zu ihm sagete: Gnädigster Fürst /sehet daß ihr eur Leben durch die Flucht rettet / nachdem alles schon verlohren ist / ich wil / wo möglich /des Feindes Nachdruk so lange auffhalten / biß ihr auß dem Gedränge seyn werdet. Zu späte / zu späte /antwortete er; hier ist weder Pferd noch andere Gelegenheit davon zukommen / wo wir nicht mit dem Schwerte uns den Weg mitten durch den Feind öffnẽ; wollen demnach fechten / so lange warm Blut in uns ist / ob wir die Häupter dieses feindlichen Heers treffen / und sie mit uns in den Tod nehmen könten; setzete damit auff Ladisla mit grimmiger Wuht / und musten alle die es sahen / bekennen / daß wo das ganze Heer seine Schuldigkeit solcher Gestalt geleistet hätte / würde der Sieg an unser Seiten sehr blutig gewesen seyn / oder wol gar verlohrẽ. Nun war Ladisla nicht gewohnet / den Fus hinter sich zusetzen / und muste gleichwol diesern tapfern Schaar anfangs Willen gönnen / aber nach dem er sich mit 600 Mann vergeselschafftet / und eine feste Ordnung geschlossen hatte / trat er diesem Feinde muhtig entgegen / und nach kurzem Gefechte geriet er an Fürst Krito / mit welchem ers wagete / und ihn auß aller bestund, so daß derselbe endlich strauchelte / und wie hefftig er sich gleich sträubete / gefänglich angenommen / auß dem Gedränge geführet / verbunden / und in gute Verwahrung geleget ward. Worauff es nicht lange anstund / daß das feindliche Heer zurük wiche / die Waffen von sich warff / und ümb Gnad und Barmherzigkeit flehete. Ladisla befahl alsbald / daß man das Blutvergiessen angäbe / und alles was sich demütigte / lebendig gefangen nähme / welches zwar geschahe /aber doch also / daß die Gefangenen aller ihrer Waffen und Kleider beraubet / und wie das unvernünfftige Vieh zusammen getrieben wurden.

So bald Arbianes die feindlichen Hinter Schaaren erreichete / hieb er alles nider / und galt ihm gleich /ob sich einer zur Gegenwehr stellete oder üm Gnade baht / daher der Wendische junge Fürst bewogen ward / seine Völker üm sich zusamlen und sich zum Treffen fertig zuhalten / meinete Anfangs nicht anders / es währen seines Vaters Leute so ihm nachgeschikt /das Fräulein auß seinen Händen zureissen / und ihn nider zumachen / welches er dem Fräulein fest einbildete / die er 4 Reutern zu verwahren gab / ein wenig abwertz mit ihr zureiten / und beklagete höchlich /daß er nicht mit mehrer Mannschafft sich auff den[499] Weg begeben hatte; doch wolte er lieber sterben / als unter seines Vaters Hände wieder gerahten / setzete sich mit den seinen / und wolte nicht ungerochen erleget sein. Als Arbianes den Stand und die ernstliche Gegenwehr merkete / setzete er immer eiferiger an /und rieff ihnen zu; Ihr Schelmische StrassenRäuber /jetzt müsset ihr euren Frevel büssen / daß ihr das GroßFürstliche Blut auß ihrem Lande habt hinweg führen dürfen; worauß Gotschalk erst verstund / daß es Feindes Völker wahren; wuste nicht / wessen er sich verhalten solte / und gedachte / sie währen vielleicht mit des GroßFürsten vorwissen und Geheiß ihm nachgeschicket / darumb er einige Hoffnung der gütlichen Handlung fassete / auch selbst / wie erunbewaffnet wahr / darumb anhielt. Aber da wahr den Tauben geprediget / dann Arbianes und die seinen matzeten immer vor sich weg / und rieffen als zur Losung / Schlage tod / Schlage tod. Wodurch diese endlich gezwungen wurden / sich nach bestem vermögen zuschũtzen / weil weder Barmherzigkeit noch Gehör verhanden wahr; und wehrete dieses Blutbad so lange / biß Gotschalk durch Arbianes Hand erschlagen wahr / mit dem die wenig übrigen als im Augenblik drauff gingen. Noch dannoch fand sich das Fräulein nit unter diesem Hauffen / worüber sich Arbianes sehr hermete / und einen Verwundeten fragete / wohin sie geführet währe; welcher ihm nachricht erteilete / sie würde von 4 Reutern hinter jenem Gehäge Nordwerz verwahret. Er sahe gleich dieselben Reuter davon streichen / und bald darauff das liebe Fräulein in Himmelblauer Kleidung hinter ihnen her / bald folgete er ihr gar allein nach / nachdem er seinen Leuten den Befehl erteilet hatte / mit des erschlagenen Gotschalks Leiche ümzukehren und einen bequemern Durchrit am Ufer zusuchen / steckete sein Schwert ein / warf den Schild auff die Schulder / hängete den Helm an den Sattel Knauff / und rante ihr mit entblössetem Häupte nach / weil sie ohn das nicht so gar geschwinde jagen kunte / und ihre Reuter sich schon auß dem Gesichte verlohren hatten. Als er ihr nahete / sprang er vom Pferde / in Meinung ihr die Hand zuküssẽ / und ihr Pferd beym Zügel zuleiten; sie aber / welche annoch der Meinung wahr / sie solte dem alten Wendischen Fürsten zur Erfüllung seiner Unzucht / zugeführet werden / stieß ihr Pferd an / und jagete auffs schnelleste hinweg. Arbianes kunte so bald mit seinem Pferde nicht fertig werden / daß sie ihm einen zimlichen Vorsprung abgewan / doch erreichete er sie zeitig wieder / fassete ihr Pferd bey dem Zügel / und griffe ihr nach der Hand /da er schon abgestiegen wahr / worüber sie dermassen erschrak / daß sie in eine starke Ohmacht geriet / und vom Pferde stürzete / nam doch keinen Schaden / weil Arbianes ihrer Schwacheit bald innen ward / und sie als eine todten Leiche ihm in den Arm fiel. Er wahr über diemasse bekümmert / daß er sie ohn Geist und Leben mit verschlossenen Augen sahe / und sagete auß wahrer Andacht; O du barmherziger Gott / erhalte mir diesen werken Schatz / daß nach vollendeter ihrer Gefahr sie nicht gar auß vergeblicher Angst vergehen möge; legte sie damit auff seinen ReitRok / den er abgezogen hatte / ersahe eine nahe fliessende Bach /darauß schöpfete er mit seinem Helme des frischen Wassers / bestrich sie damit unter dem Gesichte und an den Händen / biß sie endlich zu sich selber kam /mit einem starken Seuffzen die Augen auffschlug /den Fürsten als einen unbekanten ansahe / und mit gebrochener bewäglicher Stimme ihn also anredete: Guter Freund / wer ihr sein möget / ich weiß nicht /ob vor geleistete Dienste zu meiner Erquickung ich euch danken sol / nachdem mir nichts liebers[500] als ein sanffter Tod begegnen könte / so daß alle die mich sterbens wehren / eine lautere Unbarmherzigkeit an mir begehen / dafern sie willens find / mich dem boßhaften Wüterich dem alten Wendischen Räuber zuzuführen / dessen eigener Sohn mitleiden mit mir getragen / und mich seiner Gewaltsamkeit hat entführen wollen. Arbianes geriet hiedurch in so grosses mitleiden / daß ihm die Trähnen häuffig über die Wangen abliessen / welches ihr gute Hoffnung gab / und sie daher also fort fuhr; eines tröstet mich / junger Herr /daß es scheinet / ob trügen eure trieffende Augen mitleiden und Erbarmung mit meinem schwerẽ Unfal /wovor ich billich dankbahr sein werde / wann mir nur so viel vermögen übrig bleibet; seid ihr aber befehlichet / mich dem Schandsüchtigen Räuber zuzuführen / so tuht dieses Werk der Barmherzigkeit an mir /und stosset euer Sieghafftes Schwert durch meinen Leib / damit der schnöde Wendische Hund seinen unkeuschen Willen an mir nicht erfüllen möge; und da ihr wegen solcher Tahl Ungnade fürchtet / so gebet /bitte ich / nur vor / ich habe mich selbst entleibet /alsdann werdet ihr mich beseligen / und euch alles ungleichen Verdachts entledigen. Arbianes saß vor ihr auff den Knien / küssete ihr die Hände / daß sie von seinen Trähnen genetzet wurden / und antwortete: Durchleuchtigstes Fräulein / ich bitte durch Gott /Ihre Durchl. wolle alle furcht und schrecken aus ihrem Herzen jagen / und sich versichern / daß sie des boßhafften Wendischen Bluthundes und Räubers wegen durchaus keine Anfechtung mehr haben wird; dann ihrer Durchl. Herr Bruder / Fürst Baldrich ist gestern mit einem starken Heer ankommen / und hält jezt die Feldschlacht mit den Feinden / von dem auff aus drüklichen Befehl ich mit einer guten Anzahl Reuter abgangen bin / Eure Durchl. samt dero herzgeliebten Eltern loßzumachen / welche ich dann mit einer starken und sichern Begleitung schon fortgeschicket / und aus Feindes Hand erlediget habe; auch so bald Eurer Durchl. Entführung ich von ihnen verständiget wordẽ / habe ich nach aller Mögligkeit hinter ihnen angesetzet / und die Räuber / wie sie ohn zweifel gesehen /durch Gottes Beistand erleget; Wolle demnach Eure Durchl. ihr gnädigst gefallen lassen / mit mir umzukehren / auff daß ihr Herr Bruder / uñ andere angenehme Freunde / durch ihre hochbegehrte Gegenwart erfreuet werden. Ich meines teils verspreche ihrer Durchl. so viel Sicherheit und Schuz / als mein und der meinen Schwert biß auf den lezten Mann wird schaffen können. Das liebe Fräulein wolte anfangs nicht trauen / meynete / er suchte mit guten Worten und ertichtetem Mitleiden sie zubetriegen / und antwortete: Mein Herr / wie solte mein herzlieber Bruder Fürst Baldrich in der nähe seyn / von dem wir sieder seiner Abreise aus Schweden nicht die allergeringste Zeitung haben mögẽ / sondern wird nebest seinem Oheim Fũrst Siegward vor tod geschätzet und beweinet. Durchleuchtigstes Fräulein / wieder antwortete er; sie versichere sich bey dem wahrẽ Gott / daß ich ihr die reine Warheit geredet habe / massen eben dieser Fũrst Siegward bey Fũrst Baldrich sich befindet / und bitte sie umb ihrer eigenen Wolfahrt willen / sich alhie weiter nicht auffzuhalten / damit wir nicht dem fliehenden Feinde in die Hände fallen / welcher allem vermuhten nach sich bald wird sehen lassen; Zweifelt sie aber an meiner Auffrichtigkeit und Träue / wil ich sie des Argwohns bald entheben; dann ich habe an Ihre Durchl. einen Brũder- und Schwesterlichen Gruß / von dem teuren GroßFürsten / Herrn Herkules / und der unvergleichlichen Großfürstin Fr. Valisken / als von denen ich aus Persen in[501] einer ansehnlichen Gesandschafft an ihrer Durchl. Großfürstliche Eltern abgefertiget bin / da ich die schelmische Entführung erfahren / und ihren Herr Bruder Fürst Baldrich zu gutem Glük in Prag angetroffen habe; Ja zum unfehlbaren Warzeichen liefere Ihrer Durchl. ich dieses Schreiben gehorsamst ein / von höchst gedachter Großfürstin an dieselbe selbst geschrieben / deren Hand und schön-gezogene Buchstaben derselben nicht werden unbekant seyn. Sie nam diesen Brief ganz begierig an / erkennete alsbald die Hand / und nach abgelegtem Zweifel sagete sie: O du allerliebstes Brieflein / wie grosse Angst uñ Kummer vertreibestu aus meinem Herzen! Aber mein Herr und Freund /wie sol ichs immermehr erkennen / daß er überdas noch meine Wolfahrt und Rettung ihm so hoch lässet angelegen seyn? stekete hiemit nach des Pitschaffts Besichtigung das Brieflein in ihren Busem / und sagete: Nun nun mein Herr und Freund / ich wil ihm und seinen Worten gerne trauen / auch hiemit versprechen / dafern er mich ungeschimpffet in Gewarsam bringen wird / sollen ihm solche Freundschafftdienste nach äusserstem Vermögen vergolten werden. Jedoch wolle mein Herr und Freund mir zuvor sagen / wer er ist /damit ich wissen möge / mich der gebühr gegen ihn zuverhalten. Durchl. Fräulein / antwortete er / ich bin der Durchl. Großfürstin Fr. Valisken ganz ergebener Knecht / und werde über meine Wirdigkeit von ihr geschätzet / bin sonst ein naher Anverwanter des Medischen Großfürsten Herrn Phraortes / dessen einiger Sohn und Erbe / Fürst Arbianes mit mir aufferzogen ist / welcher inwendig Viertel Jahrs mit höchstgedachter Großfürstin / dieser Länder ankommen wird. Als das Fräulein solches hörete / stund sie auff / neigete sich gar ehrerbietig gegen ihn / hub ihn auch in die Höhe / weil er noch auff den Knien saß und baht sehr / seine Liebe ihr durch so demütiges niderknien nicht gar zu grossen Schimpff erweisen möchte / angesehen er ohn zweifel Großfürstliches Standes seyn müste / nachdem er eines so mächtigen Großfürsten Anverwanter währe. Und weil nun Eure Liebe / sagete sie ferner / mir Fürstlich versprochen / meiner Jungfräulichen Zucht und Ehren Schützer zuseyn / so wil ich mit gutem Willen mit ihm fort retten / unter dem Versprechen / daß meine liebe Eltern diese seine hohe Dienste werden zuerkennen wissen. Arbianes verhieß ihr nochmahls äidlich / sie lebendig nicht zuverlassen / noch einigerley weise ihr ungebuhr anzufügen; küssete ihr den Rockes Saum wider ihren Willen / stieg auffs Pferd / und setzete sie vor sich / weil ihr eigenes davon gelauffen wahr / hoffete auch in weniger Zeit sie in gute Sicherheit zu bringen / welches ihn doch fehlete / wie wir vernehmen werden. Im fortreiten erzählete er ihr / wie zeit seines anwesens es in der Schlacht ergangen währe / und daß der Feind schon die Wankseite genommen / da er nach dem Dorffe geeilet / endlich auch / daß er den jungen Wendischen Fürsten mit eigener Hand nidergehauen / uñ seinen schnöden Leichnam durch seine Reuter schon fortgeschicket hätte; Worauff sie zur Antwort gab: Es hätte dieser Fürst zwar viel gutes bey ihr getahn / und seines leiblichen gottlosen Vaters Gewalt / doch mehr aus gefasseter Hoffnung ihrer Heyraht / als rechtschaffenem Mitleiden von ihr abgewendet; weil er dann mit diesen ihr gar widrigen Gedanken umgangen währe / sie nach Dännemark zuführen / und sie daselbst zu ehlichen; währe ihr lieb / daß sie forthin seinetwegen unangefochten seyn würde / ob sie ihm gleich einen solchen Tod nicht gönnete. Sie ritten in diesem Gespräche fort / und wurden gewahr / daß seine Reuter von ferne ihnen stark[502] winketen / auch bald darauff zur Seite aus Sudwerz wichen; bald hernach sahen sie viel zustreuete Völker über die Isel setzen / und bey hundert stark ausreissen; daher Arbianes zu dem Fräulein sagete: Als viel ich merke / ist Gott Lob / der herliche Sieg an unser seiten erstritten /wann wir nur glüklich möchten hinũber seyn; Wollen wir aber nicht in der flũchtigen rachgierigen Feinde Hände gerahten / müssen wir uns von dem Wege gegen Suden begeben / weil die Feinde sich West und Nordwest-werz wenden; hieb damit seinen starkẽ Gaul an / und ließ ihn immer durch das offene Feld hin lauffen / biß er auff einen schmalen Fußpfad geriet / auff welchem er hinritte / und nicht anders meynete / weil er seinen bißher so hochgewünscheten Schaz vor sich auff der Schos führete / könte es ihm an nichts mehr gebrechen.

Umb diese Zeit kam der GroßFürst auff der Wahlstat an / sahe daselbst die überaus grosse Menge der Erschlagenen liegen / und hielt sich nicht lange unter denen auff / sondern nam den nåhesten Weg nach dem Lager / hielt seine Völker enge umb sich zusammen /weil er sich eines überfalles befürchtete / und ihm schon etliche Schaaren auff gestossen wahren. Als er unser Sieghaftes Heer / welches sich zur Plunderung fertig machete / von ferne ersahe / schickete er 30 Reuter voraus / seine ankunft anzumelden / da dann Baldrich und Siegward neben Leches (der samt Fabius und Gallus den Feinden zeitig wieder entrissen wahr) ihm mit entblösseten Häuptern entgegen ritten /wurden auch mit freuden empfangen / sonderlich da sie noch frisch und ohn sonderliche Verwundung wahren. Geliebter Sohn / fing der GroßFürst an / ob dein Bruder Herkules in den abgelegenen Morgenländern ihm einen grossen Nahmen erwirbet / so muß doch deiner billich vorgesetzet werden / weil du in rettung deiner Eltern dich gebrauchest / und dein Vaterland zu schützen / dir lässest angelegen seyn; und wie bistu doch eben zu so glüklicher Stunde wieder zu Hause angelanget / da wir dich schon vor Tod beklaget haben? Gn. Herr Vater / antwortete er; Euer Unfal ist mir sehr zu herzen gangen / dessen ich doch bald vergessen wil / nachdem ich euch neben meiner herzlieben Fr Mutter frisch und gesund sehe. Er wolte mehr reden / aber die Mutter fiel ihm umb den Hals /herzete und küssete ihn / sprechend: O mein herzlieber Sohn / ich habe dich schon etliche Zeit als einen erschlagenen oder im Meer ersoffenen beweinet; wie fũhren dañ die gütigen Götter dich bey so gelegener Zeit zu unser Rettung her? Allerliebste Fr. Mutter /antwortete er; Ich habe Gott lob bißher sehr wol gelebet / und neben meinen Bruder Fürst Siegward hie gegenwärtig / Ruhm und Ehre / Geld und Gut erstritten; dz wir aber zu euer Rettung ankommen sind / haben wir der barmherzigkeit des Almächtigen Gottes allemiteinander billich zu danken / wiewol ich das wenigste dabey getahn / sondern die trefliche Persische Herren Gesanten / die wir zu Prag angetroffen / haben durch ihre Sieghafte Schwerter und hochverständige anordnung den Feind erlegt / und den schönen Sieg erstritten. Diese sind von meinem lieben Herr Bruder GroßFürst Herkules / und König Ladisla heraus gesand / haben etliche hundert Wagen mit Golde und Kleinoten geladen / aus den Asiatischen Ländern gebracht / welche ihnen zustehen / und können diese nicht gnug rũhmen / wie hoch sie beyde daselbst geliebet und geehret werden; und ob man ihnen gleich grosse Königreiche auffgetragen / wollen sie es doch nicht annehmen / weil sie entschlossen sind / in ihrem Vaterlande zu sterben / und daselbst ihr übriges Leben zuzubringen / dessen ich[503] mich dann herzlich erfreue / und ungleich mehr / als wañ mir das ganze Römische Reich geschenket würde. Mir kan nichts angenehmers zu Ohren kommen / sagte der Vater / als wann den meinen Ruhm uñ Ehre nachgesagt wird /möchte aber wünschen / daß dein Bruder aus Teutschland nie ko en währe / oder zum wenigsten nunmehr bliebe wo er ist / nachdem er seine Landgötter verleugnet / und ich daher gänzlich entschlossen bin / dir mein Großfürstentuhm nach meinem tode zuzuwenden. Mir? sagte Baldrich / mir? Gn. Herr Vater / und zwar bey meines unvergleichlichen Herrn Bruders lebezeiten? solches wende ja der grund gütige Gott in allen Gnaden ab; dañ ehe ich einem solchẽ Bruder /dessen Ruhm alle Welt durchstreichet / vorgreiffen /und ihn als rechtmåssigen Nachfolger erbloß machẽ wolte / würde ich lieber dieses Schwert durch mein eigen Herz stossen / oder ja ein Feind meines eigenen Vaterlandes werden; dann viel ehrlicher währe mirs /ich stürbe standhaftig / als daß ich einem solchen Bruder mich entgegen setzen solte / den die ganze Welt liebet uñ ehret; ja der die ganze Welt zubeherschen gnug wirdig ist; hat mir Gott eine Herschaft ausersehen / wird er mir solche schon zuweisen; ich habe den Verrähter Krito in meiner haft / der mus mir nicht allein mit dem Halse bezahlen / sondern sein Land sol es ihm zugleich mit kosten / und Frießland wird seine Gefahr auch stehen / weil sie ihre Schwerter mit in der Schlacht gebrauchet / und den Strassenraub verfochten haben; aber meinem H. Bruder und seinem unvergleichlichen Gemahl GroßFürstin Valisken / sol von mir alle Gewalt / nach belieben damit zuschalten / zugestellet werden; ihnen zum besten aber beydes zugewinnen / habe ich Gott lob Macht und Mittel genug / gestaltsam ich ein Heer von 58000 Mañ mit mir gebracht / und durch Gottes gnädigen Schuz nicht 4000 in der Schlacht eingebüsset habe /da hingegen der Feinde an die 30000 erschlagen sind. Wir werden hievon zu besserer gelegenheit reden und handeln / sagte der GroßFürst; vor dißmahl wird billich seyn / daß wir nach dem Lager reiten / und wegen geleisteter Hülffe den Persischen Herren Gesanten uns dankbar erzeigen. Aber lieber / wer ist der frische junge Held / welcher deiner Frl. Schwester gefolget ist / umb sie aus des jungen Wendischen Fürsten Händen loßzumachẽ / auch mich neben deiner Mutter so tapffer errettet / und die feindliche Wache auffgerieben hat? Baldrich hatte davon keine wissenschaft / sahe aber / daß die Parther seine Eltern begleiteten / und fragete einen Teutschen / der bey ihnen wahr / wer sie geführet hätte. Welcher zur Antwort gab; Ihr Oberster Herr Karl währe / seinem vorgeben nach / von dem Persischen Gesanten bevolmächtiget worden / den GroßFürsten zuerlösen / und nachdem er vernommen / daß das Durchl. Fräulein entführet / währe er mit 150 Mann gefolget / hoffete / er würde sich bald wieder einstellen. Baldrich ward der Zeitung sehr froh /und sagete: Es wüste kein Mensch im ganzen Heer von dieser geschehenen Rettung / welche ohn allen zweifel dieser junge GroßFürst aus Meden aus eigener bewägnis vorgenommen hätte; und weil man nicht wüste / wo er möchte geblieben seyn / beklageten ihn schon die höchsten Häupter des Heers / als einen erschlagenen oder gefangenẽ; er ist aber eben der junge GroßFürst / sagte er / welcher vor etlichen Monaten umb meine Frl. Schwester sol anwerbung getahn haben / und in betrachtung seines Standes und löblicher Ritterschaft wol wert ist / daß er in unsere Freundschaft auffgenommen werde. Wol zu frieden /sagte der Vater; haben die Götter sie ihm ausersehen /und überdas ihn aus Meden hergesand / sie zuerretten / werde[504] ich sie ihm auch wol gönnen / wann er nur ihren guten willen erwerben kan; wiewol / die Warheit zu sagen / ich sie an einen solchen Ort in meinem Herzen gewünschet habe / daher ich ein gleichmässiges nehmen könte / welches beydes Baldrich und Siegward verstunden / aber sich dessen nicht merken liessen; dann er hätte sie diesem gerne gegeben / und dagegen Frl. Schulda aus Scheden seinem Sohn gefreiet / welches nunmehr zu späte wahr. Sie ritten ingesamt nach dem Lager / woselbst Herkules und Ladisla nebest Neda und Neklam auffwarteten / den GroßFürsten und sein Gemahl ehrerbietig zu empfahen / da sie / als der Sprache unerfahrne durch Neda das Wort tuhn liessen / welcher also anfing: Großmächtigster GroßFürst / gnädigster Herr; die auch Großmächtige Fürsten und Herren / König Ladisla und GroßFürst Herkules / eurer GroßFürstl. Hocheit gehorsamste untertähnige Söhne / dañ auch die Durchleuchtigste GroßFürstin / und erwählete Fũrstin zu Susa / Fr. Valiska / eurer Hocheit ganz ergebene Tochter / entbieten ihrem Gn. Herr Vater uñ Gn. Fr. Mutter durch uns kindlichen Gruß / wũnschen ihnen alles wolergehen an Leib und Seel / und lassen ihnen wissen / was gestalt sie annoch frisch und gesund leben / auch willens sind / ihre herzgeliebete Eltern schier künftig zubesuchen / haben uns gegenwärtige Gesanten / nebest den Durchleuchtigsten Großfürstlichen Herrn aus Meden / Fürst Arbianes (der sider eroberter Schlacht gemisset / aber sich geliebts Gott wieder finden wird) abgeschicket / beydes an die Großmächtigste Königin in Böhmen / und an ihre Großfürstl. Hocheit / um etwas gewisses zu werben /welches zu gelegener Zeit sol vorgetragen werden /unterdessen befehlen wir uns eurer Hocheit zu aller gewogenheit und Gnade / wünschen derselben Glük wegen jezt geschehener Erlösung / und bitten / daß Gott dieselbe hinfüro vor solcher und dergleichen gefahr gnädiglich bewahren wolle. Der Großfürst sahe die Gesanten an / verwunderte sich ihrer Fũrstlichen geberden / bedankete sich des geschehenen Wunsches und geleisteter Rettung / hieß sie wilkommen seyn /erfreuete sich seiner geliebeten Kinder glüklichen wolergehens / und ließ sich vernehmen / daß ihre vorgenommene Werbung ihm nicht solte unangenehm seyn. Baldrich ließ in seinem Zelt alsbald Mahlzeit anrichten / so gut mans im Felde haben kunte / und nöhtigete seine Eltern / mit ihm vor lieb zunehmen. Diese liessen sich hierzu nicht lange bitten / weil sie den ganzen Tag noch keiner Speise genossen hatten /nur begehreten sie / die beyden Herrn Gesanten möchten mit ihnen Mahlzeit halten; welche sich aber durch einwendung etlicher nöhtigen geschäften entschuldigten / wolten hernach ihrer Hocheit untertähnigst auffwarten; insonderheit / eilete Herkules von ihnen hinweg / dañ sein Herz wallete ihm im Leibe auff / dz er die Trähnen länger nicht einzwingen kunte; ging also mit Ladisla nach dem Zelte / woselbst das gesamte Fũrstliche Frauenzimmer sich in prächtiger Kleidung auffhielt / welche durch die Zeitung von Arbianes hoch erfreuet wurden / insonderheit Valiska / die ihn schon als einen erschlagenen schwesterlich betrauerte. Das Heer trug verlangen nach der Plünderung / aber es ward ihnen bey Lebensstraffe gebohten / sich dessen diesen Tag zuenthalten / mit Verheissung / sie solten morgen früh alle Beute gemein haben. Bey dem Großfũrsten und seinem Gemahl hielt niemand Mahlzeit / als Baldrich / Siegward und Leches / und gingen allerhand Gespräche unter ihnẽ vor / da insonderheit der Großfũrst Leches fragete / wie seine Teutschen sich in den Morgenländern hielten; Ich zweifele nicht / sagte er / sie werden Beute zumachen wol abgerichtet seyn /[505] massen sie von Jugend auff sich darzu gewehnet. Leches gab zur Antwort: Sie hätten in unterschiedenen Häupt Schlachten und Scharmützeln einen solchen Nahmen erworben / daß die Feinde sich einzig und allein vor ihnen fürchteten; Der Persen Großfürst / nunmehr König / gäbe ihnen durch die Bank hin dreifachen Sold / und währe keiner unter ihnen /der nicht etliche viel tausend Kronen wert vor sich gebracht hätte / wie sie dann 100 Wagen mit Silber Gold / und andern köstlichen Sachen beladen / mit heraus biß nacher Prag geschikt / von dannen die ihren es abhohlen solten; durchgehend hielten sie Leibdiener und Handpferde / weniger und mehr; insonderheit hätte Obrister Wedekind an die 200 köstliche Handpferde uñ so viel Parthische Leibeigene / uñ erstreckete sich sein baarer Schaz neben Kleinodien /Kleidern und Waffen auff die 8 Tonnen Goldes. Das wird dir ein gefunden fressen vor meine Hühnerfänger seyn / sagte der Großfũrst / und wolte ich nicht gerne /daß meine Untertahnen solches erfahren solten / sie dürfften sonst alle den Pflug an die Wand hängen /und den Weg nach Persen suchen. Baldrich trachtete nach Gelegenheit / sein Vorhaben ins Werk zurichten / und als er mit seiner Fr. Mutter Sprache hielt / sagte er: Wegen jeztgescheher Erlösung freue ich mich von herzen / daß meine Reise nach Persen durch meine höchstwirdige Fr. Schwester / König Ladislaen Gemahl ist verhindert worden / dann sonst wahren mein Bruder Siegward und ich / des ganzen Vorhabens /unsere Herren Brüder zusuchen / und von ihnen in Kriegssachen etwas zulernen. Wie dann mein lieber Sohn / antwortete die Mutter / bistu dann bey der jungen Königin in Italien gewesen? Ja / sagte er / wir haben beyde die Ehre und das Glũk gehabt / sie und ihre Frl. Wase aus Räuber Händen loß zuwirken / und sie nach Prag zubegleiten / woselbst sie anjezt sich bey ihrer Fr. Schwieger Mutter neben ihren jungen Herrlein Herkuladisla auffhält / und mag sich meine Fr. Mutter wol versichern / daß dieser Heyraht wegen König Ladisla vor glükselig zupreisen ist / massen er und mein Bruder Herkules hiedurch bey dem Römischen Käyser in brũderliche Kund- und Freundschafft gerahten sind / so gar / daß wie ich euch bey höchster Warheit vergewissern kan / Käyser Alexander meinem lieben Bruder Herkules zu unterschiedenen mahlen auffgetragen hat / ihn zum Neben Käyser zumachen / und alle Gewalt mit ihm gemein zuhaben / welches er doch bestendig ausgeschlagen hat; Betrachte demnach mein Herr Vater / was vor einen Sohn er zuenterben gesonnen ist / der mit einem Fußtrampffe die ganze Welt in Harnisch bringen / und Teutschland mit Grund und Bodem ins Meer hinein schieben könte / da doch derselbe hingegen seinen Eltern und dem Vaterlande mit so kindlicher träuen Liebe anhanget /daß vor deren Heil uñ Wolfahrt zusterben / er sich nimmermehr wegern würde / welches wol klar genug daher erscheinet / daß er das rauhe Teutschland mehr liebet und höher achtet / als die aller geschlachtesten Landschafften der ganzen Welt. Wolle daher mein Herr Vater in betrachtung dessen / auffhören / einen solchen Sohn zuhassen / damit er nicht wider seinen Willen genöhtiget werde / sein Schwert wider sein eigen Vaterland zuwendẽ / welches ohn dessen Grundverderbung nicht geschehen kan / ich auch /ihm zuwiderstehen viel zu geringe und schwach seyn würde / wann gleich ganz Schweden und Dänemark bey mir stünden. Der Vater antwortete ihm mit einem halben Eifer: Was mein Sohn? legestu mir zu / daß ich meinẽ Herkules hasse / den meine Seele von seiner ersten Jugend an / über mich selbst geschätzet /uñ[506] vor eine sonderliche Gabe der Götter / ja vor ein Muster eines volkommenen Menschen gehalten hat? mit welchem Worte ihm die Bewägungs-Trähnen aus den Augen hervor drungen / daß sie auff den Tisch fielen / und sagte weiter: Ehre gnug Teutschland /Ehre gnug / dz man deinẽ Erbfürsten hat wollen auff den Käyserlichen Stuel setzen. Aber O mein teurer Herkules / warum hastu doch durch einen neuen Aberglauben dich deinen Eltern entrissen / und deines lieben Vaterlandes unfåhig gemacht? Was? antwortete Baldrich / seines Vaterlandes unfähig? schwieg hiemit stille / sahe vor sich nider / und sagte weiter. Gn. Herr Vater / ist dann mein teurer Bruder Herkules wegen seines gottseligen Christentuhms / des Vaterlandes unfähig worden / so werde ich zugleich mit ihm das Elend bauen müssen; dann ich halte es vor meine höchste Seligkeit / daß meine Fr. Schwester Königin Sophia mich und meinen Bruder Siegward zu eben diesem allein seligmachenden Glauben gebracht hat. Weil dann die verteuffelte / boßhaffte und verlogene Kroden-Pfaffen meinen Herr Vater leider so weit eingenommen / daß er umb der Erkäntniß willen des einigen wahren Gottes / seine Kinder enterben wil /wolan / so mag hernähst der Schelmen-Pfaffen einer die Großfürstliche Kron auffsetzen / und sich rühmen / daß ihm solches durch seine boßhaffte Lügen so wol gelungen ist / jedoch / wo mein Herr Bruder und König Ladisla / ja auch gegenwärtiger Königlicher nähester Erbe in Schweden / und ich / als ein verbanneter / euren Tod (welchen Gott lange verhüten wolle) ableben solten / würden wir ihnen den ReichsStab dergestalt anglüen / daß sie beyde Fäuste daran verbrennen müsten. Der Almächtige Gott verleihe meinen lieben Eltern nur ein langes Leben / dann bey ihrer Zeit sol dergleichen Unruhe wol verbleiben; aber hernach dürffte alles mit zehnsachen Zinsen eingefodert werden / und auff solchen fal das gottlose Pfaffenblut meinen Zorn schon löschen. So höret nun mein Herr Vater / und wisset / daß ihr in diesem Stük an mir einen andern Herkules habt / auch bemächtiget seyd / mit mir nach eurem Willen zuschalten / ohn was mein Christentuhm betrifft / in welchem ich meinem Gott mehr / als den Eltern / Gehorsam leisten muß / wann ich auch durch tausend uñ noch tausend Peinigungen solte hingerichtet werden. O Sohn / O Sohn / sagte der Vater mit betrübter Stimme / hältestu so dein äidliches versprechen / welches du mir bey dem Opfer geleistet hast / daß du deine uhralten Land Götter / die uns bißher so wol und träulich geschützet / und in Freiheit erhalten / nun und nimmermehr verlassen / noch andere neue annehmen woltest? Ja Gn. und liebster Herr Vater / antwortete er; wann ich gleich zehn tausend und noch zehn tausendmahl tausend äide darüber geschworen hätte / müstẽ sie doch alle gebrochen und verflucht seyn. Dañ wer ist schuldig / ungerechte und gottlose äide zuhalten / insonderheit / welche dem allerhöchsten einigen wahren Gott /dem Schöpffer Himmels und der Erden selbst zuwider lauffẽ? es bedenke nur mein Herr Vater / wann jemand ihm sagete: Der Mensch in jenem Neben Zelte währe sein Erzfeind / der Wendische Strassen Dieb und Menschen Räuber / und er darauff einen hohen äid schwüre / er wolte ihn lebendig verbrennen; befünde aber hernach / daß nicht dieser / sondern sein leiblicher guttähtiger Vater drinnen währe / wolte er sich wol schuldig halten / dem geleisteten äide nach /ihn zuverbrennen? Ich meyne ja nicht / Herr Vater /sondern er würde seinen äid brechen / uñ es damit entschuldigen / dz er schändlich hintergangen währe. Gleich also haben die bübischẽ Kroden Pfaffen mir ganz fälschlich[507] eingebildet / der Gott / welchen mein Herr Bruder / dessen Gemahl / König Ladisla / ich /Gott Lob / und andere Christen mehr verehren / währe ein falscher verfũhrischer GOtt / da wir doch im widrigen wissen und befinden / daß er unser Schöpffer /unser Erhalter / unser himlischer Vater / und der allein wahre Almächtige Gott ist; solte ich dann wol gehalten seyn / diesen Gott zuschänden / wie ich aus blinder Unwissenheit in meinen kindlichen Jahren /auff der Buben Verleitung versprochen habe? Tausend und noch tausend Herzen liesse ich mir lieber aus meinem Leibe reissen / wann sie darinnen währen; Feur / Wasser / und aller Büttelpeinigung liesse ich auff mich zustürmen / ehe ich diesen Gott verleugnen / oder ein Schmähewort auff ihn auslassen wolte. Bitte demnach meinen Herr Vater kindlich / er wolle doch den teuflischen Pfaffen nicht so leicht Glauben beymässen / wann sie der unschuldigen Christenheit zulegen / wie sie aller Stünde und Schande ihr Leben wie das unvernünfftige Vieh zubringen. Wahr ist es /daß etliche gottlose Buben unter dem Nahmen der Christen sich aller Schande haben gelüsten lassen; aber dieselben wahren nit Christen / sondern Erz Bösewichter / sind auch von den rechtschaffenen Christen nie vor Glaubensgenossen gehalten / sondern ausgestossen / so bald sie ihrer Gottlosigkeit innen worden; dann die wahren Christen / zu denen wir uns halten und bekennen / die unbillichen solche Boßheit von ganzem Herzen / und haben durchaus keine Gemeinschafft mit diesem Wuhst / sondern befleissigen sich aller Zucht und Erbarkeit / dz meinen Herr Vater ich wol versichern kan / dieses der Pfaffen widriges angeben bestehe nur in lauter Lügen und Boßheit /welche der Teuffel in ihnen aushecket / damit den elenden Menschen der Weg zur Seligkeit versperret werde. Dieses sind allemahl auch meine Gedanken gewesen / sagte seine Mutter; dann meines allerliebsten Herkules Art und Eigenschafft trug ja kein belieben zu der Unreinigkeit / sondern wahr aller Unzucht von ganzem Herzen feind / wie er auch hiedurch in grosse Gefahr geriet / und nicht allein das Gefängniß drüber erdulden muste / sondern hätte nach des Adels Willen wol gar den Kopff hergeben müssen / wann sein geträuer Ladisla ihn nicht gerettet hätte; Wie solte er dann / da er verständiger worden ist / sich des guten so gar abgetahn / und dem bösen ergeben haben? Ja wie hätte er köñen solchen Glauben annehmen / in welchem nicht allein jedem erlaubet ist / alle Schande zutreiben / sondern auch keiner gelitten wird / wo er nicht allerley Unfläterey mit machet? nimmermehr gläube ich ein solches; nimmermehr fasse ich diesen Argwohn von meinem zũchtigen Sohn Herkules. Weil Baldrich seine Rede vorbrachte / sahe sein Vater vor sich nider / und wuste nicht / was er antworten solte / dann er sahe seine Freidigkeit / vernam auch aus seinen Worten / daß weitere Abmahnung vom Christentuhm / allerdinge vergebens und umsonst seyn würde / endlich sagete er zu ihm: Lieber Sohn / wann dann dieser dein und deines Bruders Gott so stark und mächtig ist / und dein Glaube so gut und heilsam / welches ich so hefftig nicht wieder fechten wil / weil ich sein keine Erkäntniß habe / so wil ich weder dich noch deinen Bruder hinführo nöhtigen / denselben zuverleugnen / sondern mich eines bessern unterrichten lassen; nur allein müsset ihr euren Gott vor euch allein haben und ehren / und dẽ Untertahnen ihre Götter und gewöhnlichen Gottesdienst gönnen / sonsten werdet ihr ein solches Unglük erwecken / welches das ganze Land verstören / und zu grunde richten wird. O wie erfreuete sich Baldrich dieser Erklärung! Er bedankete sich kindlich der våterlichen[508] Zuneigung / und versprach ihm im ũbringen allen möglichen und bereitwilligen Gehorsam / mit Beteurung / ihr Glaube währe nicht also beschaffen /daß man die Menschen mit Gewalt darzu zwingen müste / sondern wann die Untertahnen sich nicht wolten durch Freundligkeit leiten lassen / währen sie nicht willens / jemand zunöhtigen; wiewol sie auch nicht zugeben könten / daß die Untertahnen sie und andere / wegen solches Glaubens verfolgen solten / da etliche aus gutem freyen Willen ihn annehmen würden. Bald darauf nam Leches einen Abtrit / vorgebend / er wolte etlicher Geschäffte halber bey dem Heer Anordnung tuhn / verfügete sich hin zu Herkules / mit der erfreulichen Zeitung / der Großfürst hätte auff Fürst Baldrichs Rede und gegebenen Betricht / sich nach Wunsch erkläret / wolte seinen Kindern / und jederman Glaubens Freiheit gönnen / und deswegen niemand gehässig seyn; erkennete schon guten teils /daß seiner Pfaffen Verleumdung auff Lügen beruhete /und liesse sich vernehmen / daß er nicht abgeneigt sey / von der Christlichen Lehre besseren Unterricht anzuhören / nachdem Fürst Baldrich durch sein ernstliches Vorbringen ihn zur mildiglichen Vergiessung seiner Tråhnen bewäget hätte; welches sie alle hoffen machete / er würde mit der Zeit selbst können gewonnen / und zur Erkåntniß der himlischen Warheit angeführet werden. Herkules wuste nicht / wie er seine Vergnügung hierüber auslassen solte / und fing an: Dir sey Dank und Preiß / O mein HErr JEsus / daß du mir meines Vaters Herz wieder zugewendet / und dem Christentuhm ihn gewogener gemacht hast / daß ich nunmehr in guter Hoffnung stehe / ich werde nach diesem Leben nit allein vor mich / sondern zugleich mit meinen herzlieben Eltern der himlischen Seligkeit geniessen. Er und Ladisla rieben die angestrichene Farbe ab / legten ihre Kleider an / und erwartetẽ nichts / als daß Baldrich / genommener Abrede nach /mit seinen Eltern des Weges hergehen solte / wie dann bald darauff geschahe / und er dessen zeitig gnug berichtet ward; deswegen er sein Gemahl bey der Hand fassete / und seinen Eltern entgegen ging /hielt sich auch fest / die Freuden Trähnen einzuzwingen / die wider seinen Willen loßbrechen wolten. Seine Eltern sahen ihn von ferne in der von Demanten schimmernder Kleidung daher treten / und frageten Baldrich / wz vor trefliche Leute jene wären / die in mehr als Königlichem Pracht sich sehen liessen? Herzlieber Herr Vater und Fr. Mutter / antwortete er; es ist eben der tapffere Held welcher heut die Feld Schlacht wider den Feind geordnet / den ersten Angrif getahn / und durch seine hohe Erfahrenheit zustreiten / das Feld erhalten hat. Die / so er bey der Hand führet / ist sein einiggeliebtes Gemahl / die Ehre und Kron des ganzen weiblichẽ Geschlechtes; und sehet /wie sie eilen / euch wir dig zuempfahen; hoffe demnach / meine geliebete Eltern werden nunmehr in der nähe ihren wirdigsten Sohn Herkules / und die unvergleichliche Valiska erkennen / dann eben die sind es /und keine andere. Uber dieser Rede erstarreten die Eltern / daß sie weder vor sich gehen / noch ein einziges Wort sprechen kunten. Herkules aber eilete mit seiner Valisken ihnen stark entgegen / dann die kindliche Inbrunst trieb ihn fort; und als er nahe vor sie kam / setzete er sich vor dem Vater auf die Knie / küssete ihm die Hand ganz anmuhtig / und fing also an: Gnädigster herzallerliebster Herr und Vater / euer Sohn Herkules / welchen der grosse Gott in dieser seiner Jugend wunderlich / aber sehr gnädig und wol geführet hat / stellet sich in kindlichem Gehorsam untertähnigst ein / nachdem er erfreulich vernommen / daß euer liebreiches Vaterherz seine Gegenwart[509] ertragen kan / würde sonst die Künheit nicht gehabt haben /sich vor eurem Angesicht finden zulassen. Ich danke aber dem grundgütigen Gott / daß er mir so hohe Gnade verlihen / meinen herzlieben Eltern in ihrem Gefängniß beypflichtig zuseyn / und die räuberische Boßheit straffen zuhelffen. O mein lieber Sohn / stehe auff / sagete der Vater / wolte auch weiter mit ihm reden / aber die übermässige Herzens-Bewägung zog seine Lebens-Geister zurük / daß er zur Erden nidersank / und von den seinen Erquickung einnehmen muste / da es dann der alten Großfürstin nit anders erging / welche schon vor ihm in tieffer Ohmacht lage /und von Valiska gerieben und geschüttelt ward. Der Großfürst erhohlete sich bald wieder / stund auff und umfing seinen Herkules mit diesen Worten: Nun du mein teurer Sohn / du unsterblicher Ruhm und Ehre deines Vaterlandes; die Götter werdẽ mir verleihen /daß ich auch teil an dir haben möge / nachdem sie mir schon eine grosse Erfüllung meines unauffhörlichen Wunsches gönnen / und dich mir wiederumb sehen lassen / werde mich auch dergestalt gegen dich zubezeigen wissen / daß du nicht Ursach haben solt / dich über mich zubeschweren / oder aus deinem Erbreiche zuweichen. Aber wer sind dann jene / die dort gegen uns daher treten? Es ist mein geträuer Bruder / König Ladisla / und sein wirdiges Gemahl / antwortete Herkules / die wol verdienet / daß sie von ihm geliebet und geehret werde. Der Großfürst ging ihm entgegen /und nach freundlichem umfahen sagte er: Herzgeliebter Oheim und Sohn; euer Liebe gesundheit und wolergehen ist mir eine vergnügliche Freude / und danke dem gütigen Himmel / daß er uns dereins gesund und frisch wieder zusammen geführet hat / wie ich dann euer Liebe mich wegen geschehener Erlösung nicht wenig verbunden befinde und erkenne. Die alte GroßFürstin hatte sich inzwischen auch erhohlet / herzete und drückete ihre Schwieger Tochter ohn einiges Wortsprechen / biß sie auch an ihren Herkules geriet /an welchen sie sich mit beyden Armen henkete / endlich aber anfing: Nun wil ich gerne und willig sterben / nachdem die Götter mich dein Angesicht wiederumb haben sehen lassen. O du mein herzallerliebster Sohn / den ich über mich selbst geliebet habe / wie hastu doch über dein liebreiches Herz bringen köñen / daß du dich mein so lange entäusserst / und kaum etliche wenig Schreiben mir zugeschicket hast? hastu an meinem Mutterherzen gezweiffelt / so verzeihe dirs dein GOtt; hat dich aber die Furcht und die Ernsthaftigkeit deines Vaters abgehalten / hätte ich noch wol mittel finden wollen / ihn zubegütigen / weil er wieder seinen Willen und als gezwungen dich verlassen müssen. Der Almächtige wahre Gott hat uns früh genug zusammen geführet / antwortete er / nachdem derselbe zuvor meines Herr Vaters Herz mir zugewendet hat. Ladisla trat auch zu ihr hin (da unterdessen der Großfürst seine liebe Schwieger Tochter wilkommen hieß) meldete ihr seiner Fr. Mutter Gruß an / und baht umb vezeihung / daß er biß daher sich vor ihr verborgen gehalten; da sie zur Antwort gab: Freundlicher herzgeliebeter Herr Sohn / ich bin euch mich selbst schuldig / vor die brüderliche Träue / welche ihr meinem Herkules in seinen höchsten nöhten erzeiget / und nicht habt verstossen wollen / da er von seinen Eltern selbst hat müssen verlassen / ja verstossen seyn; über welche Worte sie eine so grosse Menge Tråhnen vergoß / daß ihr Wischtuch feuchtenaß ward / und alle Anwesende mit ihr überlaut weineten; dann ihnen ward hiedurch Herkules ausgestandenes Leid zu gedächtnis bracht / und daß er so lange Zeit in Leibeigenschaft hatte leben müssen; doch nam diese Betrübnis[510] bald ein ende: dann Baldrich und Siegward wahren hingangen / ihre Gemahlen auch herzuführen; welche der alte Großfũrst von ferne sehend / zu Herkules sagete: Mein lieber Sohn / was vor Fürstliches Frauenzimmer wird von deinem Bruder und Fürst Siegwarden dort her geführet? Mein Herr Vater / antwortete er; ich wil nicht hoffen / daß eurem Vaterherzen ich unangenehme Zeitung sagen werde / in dem ich melde / daß die zwo Frauen / meiner Fr. Schwester Königin Sophien allernäheste Blutverwanten sind / der vornehmsten Römischen Herren und Stathalter leibliche und einige Töchter / des uhralten Fabius und hochberũhmten Pompejus Geschlechts / deren Brautschaz und väterliches Erbe sich auff viel Tonnen Goldes erstrecket. Valiska fiel ihm in die Rede / und sagete: Ja Gn. Herr Vater / sie sind meine herzvertrauete Schwestern / und gnug wirdig / daß sie in unsere nahe Freundschaft auffgenommen werden / daher ich sie auch den beyden lieben Fürsten / Baldrich und Siegward zugefreiet / da Römische Käyserl. Hocheit selbst auff ihren hochzeitlichen Ehrentagen erschienen ist / hoffe kindlich / mein Herr Vater wird in solche Heyrahten gnädigst einwilligen / und diese hochgebohrne Römerinnen / die von frömmigkeit und Tugend mehr / als von Gold und ädlen Steinen glånzen /vor liebe Töchter auff und annehmen. Der Großfürst antwortete ihr mit einem freundlichen Lachen: Herzgeliebete Fr. Tochter / es müste einzumahl widriges Werk seyn / welches mir mißfallen solte / wann von euer Liebe es herrühret / und habe ich vielmehr mit Dank zuerkennen / daß meine Fr. Tochter meines Sohns wolfart ihr so hoch hat wollen lassen angelegen seyn / wiewol michs schier etwas frühzeitig deucht /daß mein Baldrich schon hat heyrahten dũrfen; weil mir aber nicht zustehet / der Götter Versehung zu wiedersprechen / und er ein so grosses Glük nicht hat verseumen sollen / muß ich ihm recht geben / und mich selbst beschuldigen / daß mein heyrahten ich zu weit hinaus gesetzet habe. Empfing hierauff die beyden Fürstinnen sehr freundlich / wünschete ihnen allerseits Glük zum Ehestande / und erboht sich gegen sie zu aller Väter- und Schwigerlichen Liebe und Hulde. Es wehrete dieses empfahen über eine grosse Stunde / dz das späte Dunkel darüber einbrach / und diesen Abend Herkules ankunft dem algemeinen Kriegsheer nicht kund ward / welches gleichwol diese Nacht in fröligkeit zubrachte / ungeachtet ihrer etliche tausend ihre in der Schlacht empfangene Wunden wol auffzuweisen hatten / welche ihnen doch auffs fleissigste verbunden wurden. Die alte Großfürstin kunte dannoch nicht unterlassen / wegen ihrer entführeten Tochter sich zubekümmern / daher sie sagete: Ach du gütiger Himmel; nun lebe ich in so grosser Vergnügung / nach ausgestandenem herben Unglük / und habe alle meine verlohrne Kinder beyeinander neben mir sitzen / nur daß ich die bißdaher bey mir stetig anwesende meine liebe Tochter entrahten muß / damit ja zwischen unser Freude eine bittere bekũmmernis eingesträuet werde. Herkules selber trug nicht wenig sorge ihretwegen / ließ auch 2000 wolberittene Teutschen über die Isel setzen / daß sie alle Felder auff drey Meilweges durchreiten solten / ob ihnen Fürst Arbianes auffstossen / oder sonst kund werden möchte. Als nun der alte Großfürst auff vorgesagte Klage sein Gemahl trösten wolte / gab sich ein Kriegsknecht bey Leches an / ihm vermeldend / er währe aus der Zahl / welche den gefangenen Wendischen Fürsten bewacheten / könte unangezeiget nicht lassen / wie frech er sich bezeigete / und sich sehr unnüz machete /daß man ihn so lange ungespeiset und ungetränket liesse /[511] noch einigen hohen Kriegsbeamten ihm zugäbe /welcher ihm mit Gespräch die Zeit verkũrzete. Herkules gab Leches (da er solches anmeldete) zur Antwort: Es håtte sich gebühret / daß er beyzeiten solches geordnet / und ihm Fürstlichen Unterhalt verschaffet hätte / als er aber vernam / wie schlim und verächtlich seine liebe Eltern von ihm währen gehalten / uñ man ihnen zu unterschiedlichen mahlen in 24 Stunden weder Essen noch Trinken gebohten / muste der Kriegsknecht ihm anzeigẽ / ob er besser währe als der unüberwindliche GroßFürst der Teutschen; dessen Herr Sohn ihn auff solche Weise zu halten bedacht währe / wie seinen Eltern es begegnet; doch ward ihm ein wenig kalte Kũche und ein Trunk geringe Bier dargebracht / welches er auff die Erde schüttete und mit Fũssen zu trat / vermeinend / durch solchen frevel unsern Fürsten eine Furcht einzujagen / und ihm selbst ein Ansehen zu machen / welches ihm aber so gar mißriet / daß bald darauff ein Gewaltiger über die Steckenknecht zu ihm gehen / uñ ihm eine schwere Kette anlegen muste / mit dieser verweißlichen Rede /weil er sich als ein toller Hund bezeigete / und sein bevorstehendes Unglük aus hochmuht nicht erkennen könte / müste er empfinden was solcher frevel verdienete; dawieder er zwar mit scharffen Dräuungen sich bedingete / halff aber nichts / und muste er sich den Ketten untergeben / in welchen er etwas schmeidiger ward.

Fürst Arbianes setzete auff dem angetroffenen Fußpfade mit dem Fräulein zimlich fort / und begegnete ihm auff dem ganzen Wege kein Mensch / den er umb des Landes Gelegenheit hätte fragen können / biß gegen den Abend stieß ein Baur ihm auff / welchen er fragete / ob nicht in der nähe ein Städlein oder Flecken / oder sonst ein bequemer Ort zur guten Nacht Herberge anzutreffen währe; und bekam zur Antwort; allernähest nach der linsen zuläge ein Dorff / dahin müste er sich wenden / sonst winde er im offenen Felde bleiben müssen / hätte aber dorten eine gute Schenke / da essens und trinkens gnug zubekommen währe. Der verliebete Arbianes nam den Weg vor sich / und hatte manniches Gespräch mit dem Fräulein schon gefũhret / wahr auch etlichemahl Willens / sich zuerkennen zugeben / zückete aber doch wieder /wann er den Anfang machen wolte; endlich fing er an / sein gew \hnliches kurzes Liedlein zusingen / welches dieses wahr.


1

O du klare Sonne du /

O erleuchte meine Sinnen /

Wende deine Gunst mir zu /

Und laß gelten mein beginnen /

Gib auch meinen Geistern Ruh /

Daß sie nicht vor Angst zurinnen.


2

O du klarer Himmels-schein!

O wo bistu doch zufinden?

Kanst abwesend kräfftig seyn /

Und in mir die Gluht anzünden;

Schenke mir die Kühlung ein /

Sonst wird meine Krafft verschwinden.


Das Fräulein hörete seiner anmuhtigen Stimme fleissig zu / und erriet gar bald / daß es auff sie selbst gemeinet wahr / argwohnete auch von anbegin / es würde Fürst Arbianes selber seyn / welches zuerfahren / sie auff ihre Wase Fr. Valisken zureden kam /und zu ihm sagete; Durchleuchtiger Fürst / ich bitte ihn durch das Fräulein / zu deren Andacht er dieses gesungen hat / daß er mir eigentlich sagen wolle / wie neulicher Zeit er bey meiner herzallerliebsten Fr. Schwester Fürstin Valiska gewesen ist. Ach mein Durchleuchtigstes Fräulein / antwortete er / die Erinnerung ist so hoch und stark / daß mir unmöglich ist /die Warheit zuverschweigen; versichere sich demnach eure Liebe / daß die Großfürstin Fr. Valiska / meine höchstgewogene Fr. Schwester neben ihren Gemahl /Großfürst Herkules / und[512] Herr Bruder König Ladisla /wie auch Fürst Baldrich und Fürst Siegward auß Schweden (welche samt und sonders ihre neulich geheyrahtete Gemahlen bey sich haben) mit einander im Lager sind / und mit eurer Liebe Eltern sich schon herlich ergetzen werden / und ist mir ũberauß leid /das ich der unglükselige Arbianes (bey solcher Freude nebest ihr nicht seyn sol / wolte er sagen; aber sie fiel ihm auff den außgesprochen Nahmen in die Rede) was? sagte sie / ist dann eure Liebe der Großfũrstliche Herr auß Meden / Fürst Arbianes selber? Ja mein Gn. Fråulein / antwortete er / ich bin ja derselbe / dem eure Durchl. mit einem einzigen Worte sein Leben ab-und zusprechen kan; halte auch davor / wann ich das kleine allerliebste Brustbildichẽ / welches bißher abends und morgens von mir ist verehret werden / wie auch das auß sonderbahrer Gnade übergeschikte Hals Ketchen zeigen werde / habe ich glaubwirdigen Beweiß dargelegt / daß ich ihrer Durchl. zu Leib und Seel ergebener Arbianes sey. Zeigete hiemit die Kette / so er stets am Halse auff blosser Haut trug / langete auch das Gemählde hervor / und nachdem ers hatte sehen lassen / sagte er; ich danke dem wahren und alwaltigen Gott auß dem innersten Grunde meines Herzen / daß er mir die Gnade verlihen hat / den höchsten Schatz meiner Seele auß Räuber Händen zuerlösẽ /zweiffele auch nicht / er werde mich ferner geleiten /sie unangefochten und sicher den lieben ihrigen zuzuführen / möchte von Herzen wünschen / daß der vergebliche Schrecken eure Liebe nicht übernommen und in Ohmacht gestürzet hätte / weil diese Vermeilung uns von der rechten Bahn abgeleitet hat. Zwar ich fürchte mich vor mein Håuptwenig / nur daß euer Liebe keine Ungelegenheit zustossen möge / welche zuschützen ich mein Blut und Seele gutwillig und mit süsser Wollust anwenden wil. Das Fräulein / ohn daß sehr schamhafftig / befand sich in so grosser Verwirrung / daß ihr das Hertz im Leibe schlug; dannoch hielt sie billich seyn / ihrem Erlöser alle mögliche Dankbarkeit zuerzeigen / und gab ihm diese Antwort; Durchleuchtigster Fürst / eure Liebe erzählen mir die angenehmeste Zeitung / so mir in dieser Welt zuhanden kommen möchte / daß mein herzgeliebeter Herr Bruder Herkules und dessen Gemahl wieder zu Lande ko en sind / wodurch in dieser Betrübniß ich höchlich erfreuet werde / daß aber mein hochwerter Fürst mir die allerdinge unverdiente freundschafft erzeigen /und in Rettung meiner Wenigkeit / sein Blut und Leben willig darbieten und wagen wollen / gibt mir ein überflüssiges Zeugniß seiner guten Gewogenheit /welches auch nach vermögen zuverschulden die lieben meinigen neben mir / sich äusserst werden lassen angelegen seyn / so bald nur unsere Sicherheit und Zusammenkunfft es zugeben wird / welche eure Liebe zubefodern sich / bitte ich herzlich / bemühen wolle /nachdem dieselbe den Anfang und den grösten Teil meiner Rettung so willig über sich genommen haben. Aber auß was Ursachen haben meine geliebete Herren Brüder euer Liebe solche Mühe auffgebürdet / die von andern ihren Rittern ja wol hätte können verrichtet werden? und daß ich schlieslich dieses mitfrage /warum hat eure Liebe an dem unwerden nichtigen Gemählde so grosses Gefallen / daß sie es der Gestalt in Ehren hält / welches doch in meinen Augen sehr geringe geschätzet wird / ungeachtet es mehr Schönheit zeiget / als diese selbst / nach welcher es gemahlet ist? der hoch verliebete Fürst hörete ihren freundlichen Reden als ein Verzükter zu / küssete ihre Hände / und antwortete / wann er hundert Leben bey sich hätte / und jedes Beraubung ihm den allergrausamsten Tod gebehren solte / müsten sie doch alle in derẽ[513] Diensten angewendet werden / die er vor seines Lebens Leben / vor seiner Seelen Seele hielte / liebete und ehrete; welches ihn dann angetrieben / nicht / wie er anfangs vorgegebẽ / auß Geheiß / sondern allen unwissend / sich ihrer Erlösung zu unterfahen / weil ihm sein Herz ihre Gefahr und Entführung angesagt hätte /daß er auß der Schlacht hinweg geritten währe / um zuversuchen / ob er ihre Gefängniß brechen könte /welches ihm Gott lob / so weit geglücket. Erinnerte sich aber seiner Ehemahligen Kühn- und Grobheit /daß er sich unterstehen dürffen / ihre hochwirdigsten Augelein mit einem unhöfflichen Schreiben zubeleidigen / bähte ganz inniglich / und von Grund seiner Seele / sie wolte die Unterhandlung der Großfürstin ihrer Fr. Schwester gültig sein lassen / und mit derer Wirdigkeit seine Ungültigkeit durchkneten / damit ihm gegönnet seyn möchte / sich vor ihrer Vortrefligkeit bereitwilligsten Knecht und Diener anzugeben. Es wahr schon zimlich späte / als er diese Rede endigte / sahe daß er bereit vor dem Dorffe wahr / vernam auch einen Stein-alten Mann vor der äussersten Hütten des Dorffes stehen / zu dem er sich nahete / und zu ihm sagete: Lieber Vater / seyd gebeten / mir und dieser meiner Schwester Nachricht zugeben / wo wir diese Nacht sichere Herberge haben mögen / und nehmet diese Gold Krone von uns zur Verehrung an. Der Alte wegerte sich des Geschenkes / ließ einen schweren Seuffzen auß / und sagete: Mein Herr / reitet doch geschwinde in dieses mein Hütchen / und lasset euch länger nicht auff der Gassen sehen. Bald merkete Arbianes / daß er wenig Sicherheit in diesem Dorffe finden würde / taht nach des alten Vermahnung / und kehrete bey ihm ein / stieg mit dem Fräulein ab vom Pferde / und fragete den Alten / warumb er einen so schweren Seuffzen hätte von sich gelassen; währe etwan einige Gefahr verhanden / möchte er ihm dasselbe auffrichtig offenbahren / damit er nur seine Schwester / deren Eheliebster ohn gefehr 10 Meile von hinnen wohnete / in gewarsam bringen könte. O ihr Lieben Kinder / antwortete er / mich jammert euer Schönheit / Frömmigkeit und jugend / darum habe ich euch vertraulich warnen wollen / nicht in das Dorff zureiten / ihr würdet sonst ohn allen Zweiffel umb eures guten Pferdes und schönen Kleider Willen diese Nacht ermordet werden; und wer weiß / ob ihr nicht ausserhalb Dorffes schon gesehen seid? Nein sagte Arbianes / nur daß vor einer halben Stunde uns ein Mann mit einem rohten Barte und grosser Glatze begegnet ist / welcher uns den Weg nach diesem Dorffe bezeichnet / auff gute Herberge vertröstet / und alsbald sich von uns gewendet hat. Ja eben dieser ist der rechte Mause Kopff / antwortete der Alte / und wird ohn Zweifel mehr Beute zusammen treiben wollen; währet ihr nur gleich fort geritten / hättet ihr schon ein Stådchen erreichet / woselbst ihr gute und sichere Herberge antreffen mögen. Das Fräulein zitterte vor grosser Angst und sagte zu Arbianes: Ach mein herzlieber Bruder / lasset uns ja eilends von hinnẽ reiten /daß wir diesen grimmigen Mördern nicht in die Hände gerahten. Lieber Vater / sagte Arbianes / ich bedanke mich freundlich dieser geträuen Warnung /und wie es mein grosses Glũk ist / daß ich in eure Kundschafft gerahten bin / also sol es nicht weniger euch zur sonderlichen Wolfahrt gedeien / dafern ihr es redlich mit uns meinen werdet / dann ich wil euch in diesem euren Alter dergestalt versorgen / daß ihr Zeit eures Lebens alle Tage drey Kronen sollet zu verzehren haben / wann ihr gleich noch hundert Jahr leben würdet; helffet nur / daß ich diese meine Schwester in sicherheit bringe / da sie ohn Gefahr diese Nacht außruhẽ[514] kan / alsdann wil ich ihr mit meinen Waffen nach vermögen Schuz halten / daß von einem Dutzet Bauren sie sobald nicht sol beraubet werden. O mein Herr antwortete der Alte / das währe gar zu grosse Belohnung vor diesen schlechten Dienst / ich untergebe aber eurer gutẽ Gnaden mich und die meinen / und verspreche euch und seiner Schwester / mein äusserstes anzuwenden / sollet auch mit der Götter Hülffe morgen fruh vor Tage schon vor obgedachtem Städlein seyn; aber ihr werdet euch biß nach mitternacht heimlich bey mir verbergen müssen / welches zu oberst auff meinem Häu wol geschehen kan; dahin wil ich eure Waffen und Pferdezeug tragen helffen / und euer Pferd in die gemeine Weide straks hinter meiner Hütten treiben / damit es nicht bey mir gefunden werde. Arbianes ward dieses Trostes sehr froh / sattelte sein Pferd ab / und halff es hinauß treiben / koppelte ihm auch die Vörder Beine zusammen / und ließ es gehen. Als er wieder in das Hauß kam / fand er das Fräulein auff einem Klotze sitzen / und vor grosser Herzens Angst zittern und beben. Er tröstete sie aber mit kräfftigen Worten / sie möchte sich zufrieden geben; Gott hätte ja die gröste Gefahr durch dieses frommen Mannes Warnung schon abgekehret / und würde weiter helffen. Ja schöne Jungefrau / sagte der Alte / ob euch schon mehr Leute als der Roht Bart /möchten gesehen haben / sollet ihr doch vor aller Gefahr wol versichert seyn; aber ihr müsset hier nicht lange verweilen / sondern jene steigere Leiter hinauff klettern / und das übrige mich nur machen lassen. Wir wollen euch gerne gehorsamen / sagte das Fräulein /nehmet ihr euch unser nur geträulich an; lösete hiemit ein köstliches Armband von ihrem Arme / und reichete es ihm mit diesen Worten: Sehet da lieber Vater /nehmet dieses gũldene Armband von mir an / als ein Zeichen meiner schierkünfftigen Dankbarkeit / ihr könnet es willig vor 1000 Kronen verkäuffen. O nein / meine liebe Jungefrau / antwortete er / was solte mir das Kleinot nützen? Ich dürffte es ja keinem Menschen zeigen / dann jederman würde sprechen / ich hätte es gestohlen / und solte wol gar drũber an den lichten Galgen kommen; gebet ihr euch nur zufrieden / ich wil eurer gutwilligen Gnade biß dahin wol erwarten / und dessen kein ander Pfand als eure Verheissung begehrẽ / nur bitte ich / ihr wollet nach eurer Erledigung mich in eure Landschafft nehmen / und in diesem meinem hohen Alter mir nöhtigen Unterhalt verschaffen / worzu der dritte Teil dieses Kleinots nicht wird nöhtig seyn. Erinnerte sie hierauff / daß sie sich auff das Häu macheten / da dann der Fũrst anfangs seine Waffen hinauff trug / welches ihm saur genug ward / kam bald wieder / und ließ das Fräulein vor sich hinauff steigen / nachdem er sie fleissig ermahnet hatte / mit den Händen sich feste zuhalten /und eine Staffel nach der andern zuergreiffen / wann sie mit den Füssen hinauff treten würde. Anfangs dauchte ihr solches unmöglich seyn hinauff zukommen / aber die Gefahr machte das versuchen / und die Angst / die Kũhnheit es zuvollenden / da der Fürst allernähest hest hinter ihr hinauff stieg / und mit einer Hand ihr nach Mögligkeit halff / daß sie endlich das Häu erreichete. Als sie sich nun gar zu oberst nach der Gassen hin gelagert hatten / sagte sie; Ach mein werder Fürst / solte der gute Alte mir nicht zu einem Trũnklein Wassers verhelffen können? Ich habe diesen ganzen Tag in aller meiner Angst weder gegessen noch getrunken / daher ich mein mattes Herz weiters nicht zustillen weiß. Der Fürst / in dem schier-tunkelen sich erkühnend / küssete sich freundlich / beklagete ihre Mattigkeit / und baht / sich ein wenig allein zugedulden / biß er hinunter steigen / und etwas verschaffen könte; eilete[515] geschwinde / gab dem Wirte 10 Kronen / er möchte / wo möglich / sich bemühen /daß seine Schwester vorerst einen Trunk / und hernach etwas Speise bekähme. Der Alte hatte ein Maß Bier stehen / gab ihm solches in einem irdenen Gefäß / und sagete: Er möchte sich ein wenig gedulden / das Gold dürffte er nicht sehen lassen / wolte aber doch Mittel schaffen / etwas herbey zubringen / so gut es zubekommen wåhre. Der Fürst war bey dem Fräulein kaum wieder angelanget / und taht sie den ersten Trunk mit grosser Begierde / da sie bey der Stimme erkennete / daß der Roht Bart / so ihnen begegnet wahr / mit dem Alten vor der Tühr redete / ihn fragend / ob nicht ein junger weißmäulichter Ritter mit einer sehr schönen Jungfer in Himmelblauer seidenen Kleidung / mit breiten Silber Schnüren verbremet /zum Dorffe hinein geritten währe; dem der Alte zur Antwort gab: Es könte wol geschehen seyn uñ däuchte ihn schier / als hätte er jemand mit einem Geklapper reiten hören / hätte aber Schwacheit halben sich darnach nicht umsehen können; dann das leidige Bauchgrimmen / sagte er / plaget mich so hart / daß ich vor Angst nicht zubleiben weiß / welche Schmerzen ich doch leicht zuvertreiben wüste / wann mirs nicht an Mitteln mangelte; seyd demnach gebehten /lieber Nachbar / und strecket mir einen Gülden oder anderthalb vor / ich wil es euch inwendig sechs Tagen wieder geben / weil mir etwas ausstehet / gegen selbe Zeit zuheben. Ihr seyd schon in meiner Schuld / antwortete dieser / und habt noch nit abgezahlet / dürffte also die Schuld endlich zu groß werden; lasset mir aber euer fettes Rindichen über / das wil ich euch bezahlen / und das vorige abrechnen. Es ist zwar alles mein Vieh / das ich habe / sagte der Alte / könte auch von den Stad Schlächtern wol 12 Gülden davor heben / aber weil ihr auch zuzeiten in meinen Diensten seyd / möget ihrs umb zwölfftehalb Gülden hinnehmen /und mir zween Gülden auff Rechnung tuhn. Dieser dingete so lange / biß ers ihm umb eilfftehalb Gülden zuschlug / die zween Gülden empfing / und ihn baht /er möchte seine Magd nach der Schenke lauffen lassen / daß sie seinen Sohn heimholete / ihm in seiner Schwacheit Handreichung zutuhn. Dieser erboht sich / es selber zu bestellen / weil er gleich nach der Schenke wolte / und daselbst nachforschen / ob der junge Ritter da eingekehret währe / welcher ihn ersuchet hätte / morgen sehr frü ihn nach dem Reinstrohm zubringen / hoffete ein gutes Trinkgeld zuverdienen. Die unsern auff dem Häu höreten dem Gespräch fleissig zu / verwunderten sich nicht wenig über des Rohtbarts Lügen / als auch über des Alten Verschlagenheit / und sagte dz Fräulein: Durchleuchtigster Fürst / ich erkenne mich diesem Alten viel schuldig seyn / wil ihn auch seiner Träue lohnen / da mich die Götter in Sicherheit bringen werden / und habe ich mich durch den Biertrunk schon zimlich gelabet. Die gröste Gefahr ist Gott Lob vorüber / antwortete er /und wird man in dieser Hütten uns nicht mehr nachfragen; Ich bitte aber mein Fräulein demühtig umb Verzeihung / daß ich die Kühnheit gehabt / ihr den Nahmen einer Schwester ohn gebehtenen Urlaub zugeben / und sie darzu noch vor eine verheyrahtete anzumelden / daher auch der gute Mañ verleitet / sie vor eine Jungefrau gescholten hat. Es bedarf dieser Entschuldigung durchaus nicht / sagte sie / dann unangesehen mir hiedurch keine Beschimpffung wiederfahren / erfodert es die Nohtwendigkeit fast unvermeidlich / und beklage ich billich vielmehr / daß ein so mächtiger GroßFürst meinetwegen sich in diesem engen Baurenhũtlein verstecken / und sein Leib und Leben diesen alten unwirdigen Menschen anvetrauen[516] muß. Worauff er zur antwort gab: O ihr mein höchsterwähltes Fräulein / ihr einige Wollust aller meiner Kräffte und Gedanken; Gott dem Herzenkündiger ist es bekant / daß auff diesem dürren Grase ich tausend mahl sanffter / als auff dem Königlichen Schlosse zu Ekbatana sitze / nachdem ich das Glük habe / euer Vortrefligkeit Gegenwart zugeniessen / deren mein Leib und Leben nur durch den Anblik des Gemähldes ich zueigen übergeben habe; uñ wolte Gott / daß meine Geringfügigkeit von ihrer Liebe dessen könte gewirdiget werden / wz mein Herz suchet / und mein untertähniges Schreiben vor diesem inständig gebehten hat / alsdann wil Euer Liebe ich vor dem Heiligen Angesicht Gottes versprechen / ihr nach äusserstem Vermägen auffzuwarten / und alle meine Kräffte zuüben / daß ihrer Vortrefligkeit sie in etwas mögen scheinbar und angenehme seyn; bitte deswegen durch die herliche Volkommenheit / welche der Himmel ihr mitgeteilet / sie wolle ihren ergebenen Knecht mit gewieriger Antwort erfreuen / oder wann derselbe ja lebendig nur unglükselig seyn sol und muß / ihn solches wissen lassen / damit er auffhören könne / dasselbe zusuchen / wessen er / angesehen seiner Geringfũgigkeit / sich selbst unwirdig schätzen muß. Weil er dieses vorbrachte / hielt er ihre beyden Hände umfangen / küssete dieselben nach geendeter Rede ehrerbietig / und erwartete mit höchstem Verlangen / was ihm vor Erklårung folgen würde. Es wahr schon zimlich finster / daß man fast wenig sehen kunte / welches der Fräulein Schahm in etwas ringerte / die sich ein wenig besinnend / bald hernach also anfing: Durchleuchtigster Fürst / die Götter geben meinem Gewissen Zeugniß / daß ich der Liebe keine einige Wissenschafft gehabt / noch ihr im geringsten nachgesonnen / ehe dann Euer Liebe und meiner Frau Schwester Schreiben mit eingehåndiget worden sind / welches meines behalts noch nicht 40 Wochen ist. Mit was Schahm ich auch dieselben gelesen / erinnere ich mich / so offt ich auff meines Herr Vaters Schlosse an die stelle gelange /woselbst es geschahe. Nun bedanke ich mich aber sehr freundlich / so wol der dazumahl übergeschikten kostbahren Kleinot / als der hohen gar unverdienten Gewogenheit / welche eure Liebe / so wol dazumahl im Schreiben / als jetzo mündlich mir erzeiget hat /erkenne zugleich die mir heut geleistete Rettung billich / und daß ich davor euer Liebe hoch verschuldet bin. Dafern auch die Götter mir Gnade verleihen werden / daß neben euer Liebe ich auff meines Herr Vaters Schloß und in seine Gewarsam anlange / wil nach eingenommenem Raht und Willen meiner Eltern /Brüder und Fr. Schwester / auff euer Liebe freundliches gesinnen mich dergestalt zuerklären wissen / daß verhoffentlich dieselbe mit mir wird können friedlich seyn. Dieses brachte sie aus gutem Bedacht vor / umb zuerforschen / ob er ihre eheliche Versprechung biß dahin könte anstehen lassen / welche sie ihm alsdann zugeben / schon entschlossen wahr / weil an ihrer Eltern und Verwanten Einwilligung sie nicht zweifelte. Dieser aber erinnerte sich / dz die Großfürstin ihn etliche mal seiner Blödigkeit wegen zimlich angegriffen / nebest Ermahnung / er solte in allen ehrliebenden Teidungen / so wol beym Frauenzimmer als Mannesbildern sich frischer finden lassen / damit er durch gar zu tieffe Blödigkeit nicht einen Argwohn eines unädlen Herzen erweckete. Dieses munterte ihn zu weiterer Ansuchung auff / weil ohndas nach art der Liebe er das ärgeste fũrchtete / ob suchete das Fräulein durch diese ungewisse Antwort ihn nur hinzuhalten / auff daß sie hernähst den ihrigen selbst an deuten könte / wessen sie sich ihrem Willen erklären solten; fassete demnach ihre[517] Hände auffs neue / küssete dieselben / und fing also an: Mein allerschönstes Fräulein / ich bedanke mich vorerst ganz demühtig / daß ihre Liebe dieses mein anmuhten mit geduldigẽ Ohren angehöret / und mit keinem äusserlichen Unwillen auffgenommen hat; und wolte Gott / daß meine Seele mit der gegebenen Antwort sich könte befriedigen lassen / uñ dieselbe mich nicht anstrångete / ihrer Liebe weiters noch beschwerlich zuseyn; aber die Furcht /welche allemahl rechtschaffene Liebe begleitet / zwinget und nöhtiget mich / umb eine beständige Erklärung auff mein inbrünstiges ansuchen anzuhalten /damit ich der hefftigen Peinigung / welche die Ungewißheit in mir erwercket / entrissen / nach so langer Angst und quahl in ruhe gesetzet werden / und Erleichterung empfinden möge. Es erwäge doch mein Fräulein in ihrem hochvernünfftigen Herzen / was unleidliche Schmerzen heut unter den Händen ihrer Räuber / und hernach wegen des Alten anzeige sie empfunden / da sie anfangs durch Ohmacht vom Pferde herunter geworffen / und wegen des lezten in solche Erschütterung gerahten ist / daß sie ihrer eigenen Gliedmassen nicht mächtig seyn mögen. Nun beteure ich aber bey meinen ritterlichen Ehren / daß die Liebesangst in mir ungleich grössere Pein und Schmerzen verursachet / als wann mein Leib von Räubern und Mördern in hundert tausend Stũcken zerhacket würde; Ja solte die Hoffnung welche meine Durchl. Fr. Schwester durch ihren Trost biß daher in mir geetzet und erhalten / nunmehr ersterben und ganz abe seyn / wolte ich lieber gleich diese Stunde mich in die Hände der mörderischen Baurẽ ergeben / damit nur mein Jammer dereins zur Endschafft gelangen möchte. Mit welchen Worten er als ein todter Mensch bey ihr niderstürzete / und ihr daher schier ein gleichmässiges begegnet währen; ruffen durffte sie nicht / weil sie sich dadurch in Lebensgefahr stürzen möchte; so hielt auch anfangs die Blödigkeit sie abe / dem Fürsten Hülffe zuerzeigen / biß sie endlich durch Liebe überwunden / ihn nach vermögen schüttelte; hernach etwz mehr sich erkühnend / ihm das Wammes auffrisse / und da solches noch nicht helffen wolte / ihm des überbliebenen Biers unter das Angesicht streich / wodurch et endlich wieder zu sich selber kam / da er mit schwacher Stimme sagete: Ach mein Gott / was sanffter Tod würde mirs seyn / wann in den allerschönsten Armen ich sterben solte / von denen lebendig umfangen zuwerden ich vielleicht gar zu unwert bin; fing hierauff an seinen dreyfachen doppelten Reim mit leiser Stimme herzusagen / wiewol mit einer geringen Verenderung der beyden lezen im ersten Satze / auff diese Art:


O du klare Sonne du /

O erleuchte meine Sinnen /

Wende deine Gunst mir zu /


Und laß gelten mein beginnen /

Wo nicht / muß in einem Nuh /

Mein verliebter Geist zerrinnen.


Das Fräulein / die solcher strången anlåuffe allerdinge ungewohnet wahr / antwortete ihm mit sehr trauriger Rede: Ach mein Fürst / sagte sie / was vor Ursach hat eure Liebe / sich über mich zubeschweren / ja sich und mich in so herzlichen Kummer zuversenken? ist es nit schon unglüks gnug / daß wir unserer Fürstlichen Hocheit vergessen / und umb eines schändlichen Mörders willen / unsere Lebensfristung in einer elenden Bauren Hütten suchen müssen? und wollen uns durch unnöhtige Gedanken uñ falsche einbildungen selbst ersticken / da doch wildfremde zu unserer Erhaltung bemühet sind? wird mein Fũrst solcher gestalt fortfahren / so bestelle er nur bey dem Alten / daß etliche Mörder herzugeruffen werden / die k \nnen[518] uns mit leidlichern Schmerzen abschlachten / als daß wir uns selbst durch langwierigen herzängstenden Jammer algemehlich verzehren; und O wie wol hätte mein Fürst an mir getahn / wann er mich nur heut bey erster Erlösung in meiner Ohmacht hätte ersticken und vergehen lassen. Sie wolte weiter reden; so wahr auch Arbianes schon mit einer guten Antwort fertig: Sie höreten aber / daß jemand mit hartem Ungestüm ins Hauß trat / und den Alten zurede steilete / ob er wahnwitzig worden währe / daß er das schöne Rind umb so ein liederliches verkauft hätte. Der Alte gab zur Antwort; biß zu frieden / lieber Sohn / ich wil keinen Pfennig davon zu Beutel stecken; meine grosse Schwacheit nöhtiget mich darzu / und wann ich nur die zween empfangene Gũlden davon verzehre /magstu das übrige alles einfodern / und nach deinem Willen anlegen; kanstu auch ein mehres davor bekommen / gönne ich dirs gerne / und wil dich nicht auffhalten / wann du liebere Geselschaft als deinen alten schwachen Vater hast; nur laß Wolfgang meines Bruders Sohn zu mir kommen / der heut aus der Stad hieselbst angelanget ist / daß er mir ein wenig handreichung tuhe; ich sehe doch wol / daß dir kein sonderliches Glũk bescheret ist. Der ungerahtene Sohn wahr mit dieser Antwort sehr wol zufrieden / rieff Wolffgangen herzu / und ging wieder nach der Schenke /soffe und spielete vier Tage und Nachte aneinander /biß das verkaufte Rind verzehret wahr. Wolffgang aber kam geschwinde gelauffen / und fragete seinẽ alten Vetter / was er von ihm begehrete / erboht sich auch zu aller auffwartung / als lange er von seines Herrn Dienst abseyn könte. Der alte antwortete ihm: Lieber Sohn / nachdem mein leibliches Kind das bevorstehende Glük nicht erkennen kan / noch dessen wirdig ist / so warte du mir diese Nacht nur wenig Stunden auff / des wil ich dir lohnen / daß du mirs Zeit deines lebens solt zu danken haben: dann wie Arm ich mich gleich bißher gestellet / bin ich doch der allerreicheste in dieser ganzen Dorffschaft / und wil dir / wann ich sterbe / meinen heimlichen Schaz zum Erbe vermachen. Der junge Knecht wuste umb seine kurzweiligen Schwänke sehr wol / lachete darüber / und sagete: Ja lieber Vetter / seid meiner eingedenk bey auffsetzung eures lezten willens / daß ich des vergrabenen Schatzes mit geniesse / welcher bißher ungezählet und unsichtbar gewesen ist. Was? sagte der Alte / meinestu / es sey mein Scherz? sihe /da gebe ich dir alsbald fünf Kronen zum neuen Kleide / damit du wissest / was du schier heut oder Morgen von mir zugewarten habest. Wolffgang nam sie zu sich / in meinung es währen einzelne Groschen; und als er sie beim brennenden Kreusel besahe / weil er des Goldes gute erkäntnis hatte / sagte er mit nicht geringer verwunderung; lieber Vetter / woher kommen euch diese wunder schöne Kronen / dergleichen ich bey meinem Herrn nie gesehen habe? Was gehets dich an / woher ich sie habe? anwortete der Alte / laß dirs gnug seyn / daß ich sie habe; nim sie zu dir / und lege sie zu deinem besten an / unter der Versicherung / dz du deren noch vielmehr von mir erben wirst. Dieser bedankete sich des gar zu grossen Geschenkes / und erboht sich aller mögligkeit. Ja umsonst schenke ich sie dir auch nicht / sagte der Alte / sondern daß ich deiner Dienste dagegen geniessen wil / welche doch also beschaffen sind / daß sie dir weder unmöglich noch beschwerlich seyn können; nur nim diese Groschen / gehe nach der Schenke / und hohle mir Wein und Speise / so gut es zubeko en / und als viel auff drey hungerige Menschen gnug ist; hast aber nicht nöhtig zu sagen / wem du es hohlest / damit nicht jemand wegen meines Reichtuhms Argwohn fasse; dann diese[519] Verschwiegenheit fodere ich von dir am allermeisten. Dieser wahr willig / ging hin / und verrichtete den Befehl. Arbianes hatte sein herzliebes Fräulein auff seiner Schoß sitzen / lehnete sein Häupt an ihres / und horcheten miteinander fleissig zu. Unterdessen nun Wolfgang nach der Schenke wahr / fing Arbianes an / da ers zuvor gelassen hatte / und sagte zu ihr: O du allersũsseste Vergnügung der glükhaften Liebe! O wann werde ich mich deiner dereins auch zuerfreuen haben? mein auserwähltes Fräulein / gönnet bitte ich / eurem bereitwilligsten Knechte / daß durch betrachtung eurer vortreflichsten Volkommenheit er seine Gedanken / welche fast leztzügig sind /ergetzen möge / und labet doch seine verzweiffelten Geister mit dem allersüssesten erquikwasser eurer kraftbringenden Barmherzigkeit und güte / damit meine schwachen Glieder gestärket / und zur Reise /welche wir diese Nacht werden tuhn müssen / düchtig und bestand seyn mögen; kan aber dieses mein inbrũnstiges ansuchen nicht erhöret werden / so freue ich mich doch / daß der junge Baur sich ohnzweiffel bemühen wird / mein Fräulein zu den lieben ihrigen sicher durchzubringen. Dieses redete er mit so schwacher Stimme / und abgebrochenen Worten; daß daher gnug erschiene / wie heftig seine Geister von der Liebe geplaget wurden. Dem Fräulein ging diese Rede sehr zu herzen / kunte doch schamhalber ihm die vergnügliche Versprechung nicht leisten / ob gleich ihr Herz darzu willig wahr / sondern fing also an: O wehe mir armen verlassenẽ Tochter! wil mein Fürst so unbarmherzig mit mir handeln / und in dieser allerhöchsten Gefahr / meine Ehr uñ Leben einem groben unverständigen Baurenflegel anvertrauen / der umb eines Groschen willen mich verrahten und verkäuffen dürfte / da doch seine so wol schrift-als mündlich mir getahne verheissungen viel anders klungen; so hätte er weit besser an mir getahn / daß er mich mit samt den Räubern erschlagen hätte / dann so währe ich ja dem Unglük auff einmahl entgangen /und dürfte mich nicht aufs neue einiger Entfuhrung und angedräueten Schande befürchten. O Träue / O Glaube wo bistu? schwebestu auch nur in der mächtigen Fürsten Feder und Munde / und bist von ihren Herzen so weit entfernet? Mit welchen Worten die Trähnen håuffig aus ihren åugelein hervor drungen /daß sie über Arbianes Hände flossen / aber sein Herz viel stärker traffen / als die allerheftigsten Meerswellen / wann sie gegen die Felsenschlagen / und ganze Fuder Steine hinweg reissen. O ihr allerschönsten Augelein; sagte er / wollet ihr dann durch diese Trähnen-Bach mein bißher lichterlohe brennendes Herz nun ganz und gar ersäuffen? O stillet stillet euch / und lasset meine Augen dieses verrichten. Aber O ihr Trähnen / bin ich eures fliessens Ursach / so machet mirs kund / damit wegen dieses unverantwortlichen frevels ich mich gebũhrlich abstraffe. Nein / sagte sie / kein lebendiger Mensch ist dieser Trähnen Ursach / nur das leidige Glük / welches mich in diese Gefahr gestürzet / dem boßhaften Wendischen Räuber mich überliefert / und einen solchen Fürsten mir zum Erretter / zugeschicket hat / welcher ohn Ursach mich in der einsamen Fremde verlassen / und mich einem unflätigen Bauren anvertrauen wil. Arbianes wischete ihr mit seinem Tüchlein die Trähnen ab / und sagete: Ach Gott / ich bekeñe willig / daß meine unvorsichtige Reden ihre Durchl. veranlasset haben / meine Träue und Glauben in zweiffel zuzihen / und wåhre ungleich besser gewesen / ich hätte meines Herzen mattigkeit verschwiegen gehalten / und meine Reise so weit fortgesetzet / als mein Leben mich begleiten wird / wann ihrer Liebe ja nicht gefallen kan / durch eine beständige Erklärung meine arbeitende[520] Geister auffzurichten. Küssete hiemit ihre annoch nassen Augelein / und traff zu unterschiedlichen mahlen ihr Mündichen / gleichsam als aus Irtuhm / so daß / wie geherzt er sich zuerzeigen bedacht wahr / doch alles sein beginnen entweder in einer gar zu kühnen Furcht / oder zu furchtsamen Kühnheit bestund; wodurch er dannoch so viel schaffete / daß sich das hochbekümmerte Fräulein im Weinen mässigte / und zu ihm sagete: Ach mein hochwerter Fürst; wie froh werde ich seyn / wann ich uns nun aus dieser Gefahr wissen sol; mein Herz aber trägt mir eigen zu / wir werden so leicht nit entgehen / doch es gerahte nach der Götter Schluß / so danke ich ihnen dannoch / daß sie mich aus des Wendischen Råubers Fäusten erlöset / und dieses Fürsten Kundschaft mir gegöñet haben / auff welchen meine Fr. Schwester so hoch hält (wie aus deren Schreiben euer Liebe ich hoffe zuerweisen /) ja welcher meiner wenigkeit viel höhere Gunst und Liebe zugewendet / als mit alle meinem vermögen ich nicht ersetzen kan / und doch nach vermögen zuersetzen / mich stets werde befleissigen. Dieser Rede gebrauchete sie sich zu dem Ende / ihm seinen zweiffel zubenehmen / schaffete auch hiedurch so viel bey ihm / daß er seiner schwermühtigen Gedanken einen grossen Teil fallen ließ / und ihr solcher gestalt antwortete: Durchleuchtigstes Fråulein / ist es wol möglich /daß ihre vortrefligkeit wegen des unwerten Arbianes Kundschaft einige vergnügung haben solte? O mein auserwählter Seelen Schaz / verfolget / bitte ich / dieses holdselige erbarmen / bekräftiget diese mitleidige Gunst durch eine ehrenverbündliche Erklerung / die meinem fast abgezehreten Herzẽ mehr stärkung als das kräftigste Korallen-oder Perlen Wasser mitteilen wird. Als er dieses redete / griffe das Fräulein in ihren Busem / und fragete den Fürsten / ob dann das heut ihr eingelieferte Schreiben von ihrer Fr. Schwester selbst durchhin geschrieben währe / oder sie nur die Auffschrift mit eigener Hand verfertiget hätte; auch /was doch der eigentliche Inhalt seyn möchte. Daß sie es selbst geschriebẽ / antwortete er / kan ich wol beteuren / wird auch die Hand schon ausweisen; den Begrieff aber weiß ich in wahrheit nicht / nur als ich gestern Abend in meinem Herzen beschlossen hatte /mich vornehmlich in ihrer Liebe Erlösung zugebrauchen / baht ich die GroßFürstin / sie möchte mir einen kleinen Schein zustellen / bey welchem mein höchstwertes Fräulein mich erkennen könte / da mir etwa der almächtige Gott die Gnade verleihen würde / sie aus Räuber Händen zuerretten / und sie vielleicht aus Furcht mir nicht trauen würde; da sie dann alsbald in ihrem Zelte sich nidersetzete / dieses Brieflein schrieb / und nach versiegelung zu mir sagete: Sehet da /mein Bruder / göñet euch Gott das Glũk / meine Frl. Schwester in meinem abwesen anzutreffen / so gebet ihrer Liebe / wann ihr so viel raum allein haben könnet / dieses Brieflein / und das ich nähst vermeldung Schwesterlicher Liebe und Träue sie herzlich ersuchen und bitten lasse / diesen Brieff selbst zu lesen / den Inhalt keinem Menschen / als dem Einhändiger zuverständigen / und dafern sie ein tröpflein Blut in ihren Adern zu meiner Liebe ubrig hat / meinem Schwesterlichen ansuchen genüge zu tuhn. Diese Werbung /Durchl. Fräulein / hätte bey einreichung / ich herzlich gerne verrichtet / dafern beydes ihr Kummer und die Eile fortzureiten es nicht verhindert hätten. Das Fräulein antworte ihm: Daß müste gar ein unmögliches seyn / und über meine Kraft sich erstrecken / welches bey so hoher Errinnerung ich meiner werten Fr. Schwester versagen solte / nachdem ich mir ohndas vorgeno en / ihr in allem schlechter dinge / als einer gebietenden Mutter[521] zugehorsamen / weil nach ihrem hochgewogenen Herzen sie mir nichts unmögliches /viel weniger unanständiges zu muhten wird noch kan. Ach mein Gott / sagte der Fürst / daß wir doch nur so viel Licht hätten / dieses Schreiben zu lesen / ob vielleicht etwas drinnen enthalten währe / daß zu meiner Vergnügung könte ersprießlich seyn. Dem Fräulein kam schon die Reue / wegen gar zu offenherziger Erklärung / daß sie sagete: O mein Fürst / wiewol wird Euer Liebe der Inhalt bewust seyn / solte er auch meiner Fr. Schwester den Brief selber in die Feder gesaget haben / welches mich dann bald zum Wiederruff bewägen solte / sintemahl das Schreiben solcher gestalt mehr euer Liebe / als meiner Fr. Schwester begehren an mich fodern würde. Dieser hingegen bekräfftigte mit sehr teuren Worten / es währe ihm kein Wörtlein daraus bewust / nur daß er aus der GroßFürstin frölichen Geberden gemuhtmasset hätte / es würde seinem hefftigen Seelen-Wunsche nicht allerdinge zuwider seyn. Das Fräulein fing an / ihre getahne Erklärung in gewisse Schranken der Jungfräulichen Zuchtbedingungen einzuzihen / und sagete: Meiner Fr. Schwester Sin zur gebührenden Keuscheit ist mir schon gnug gerühmet / daher sie derselben zuwider an mich nichts begehren wird / und solte gleich ihr Schreiben wegen etlicher Redearten auff etwas mehres / als ein schamhafftiges Fräulein leisten kan / durch gelehrte Ausdeutelungen können gezogen werden /getraue Eurer Liebe ich dannoch ohn bösen Argwohn zu / sie werde meiner Fr. Schwester Scherz Schreiben als ein Zuchtliebender Fũrst schon zuverstehen wissen. Arbianes wolte hierauff Antwort geben / hörete aber / daß Wolffgang wieder kam / und mit dem Alten ein heimliches Gespräch hielt / auch bald darauf mit einer alten dunkelen Leuchte zu ihnen hinauff flieg /und neben einem guten Kruge Wein / Brod kalt Gebratenes und etliche Kähse ihnen mit diesen Worten vorlegete: Hochgeehrter Ritter / verdenket es meinem alten Vettern nicht / bitte ich demühtig / daß er mir unwirdigen ihre Anwesenheit offenbahren wollen; ich gelobe ihnen bey fester unbrüchiger Träue / daß ich weder durch Gewalt noch Geschenke mich bewägen lassen wil / euch gegen einigen Menschen zumelden /sondern mich hiemit zu allen ihren Diensten verbunden haben / dann unter dieser ausdrüklichen Bedingung habe ich ihres Geldes 5 Kronen von meinem Vetter gehoben / welche ich nicht anders als MietGelder rechnen wil. Guter Freund / antwortete Arbianes / uns wil nicht gebühren / an eines redlichen Menschen Auffrichtigkeit und Träue zuzweifeln / möget euch aber wol versichern / daß da ihr euer Versprechen haltet / ihr vor einen kurzen Dienst dergestalt sollet belohnet werden / daß ihr zeit eures Lebens solche Glükseligkeit nicht hättet hoffen können. Ach ja /guter Freund / sagte das Fräulein / lasset euch keine unbilliche Gedanken zur Verrähterey bewägen / und nehmet diesen Ring von mir an / als ein Zeichen der künfftigen Belohnung / welchen ihr umb 400 Kronen verkäuffen könnet. Davor behüten mich die Götter /antwortete er; Ihrer Gnaden Zusage ist mir Versicherungs gnug der zukünfftigen Leistung / unb bitte ich untertähnig / sie wollen sich zu mir aller Träue versehen / die ich nimmermehr zubrechen / bey Straffe aller himlischen und hellischen Götter verheissen wil. Ließ ihnen hierauff die Leuchte / bittend / sich vor Feurschaden zuhühten / und mit den geringen Speisen vorlieb zunehmen; womit er von ihnen hinweg ging. Fräulein Klara wahr von Herzen hungerig / schikte sich zum essen / und mit ihrem kleinen Brodmesser schnitte sie ihrem lieben Fürsten Brod und Fleisch in die Hand / sagend: Hochwerter[522] Freund / Eure Liebe wird mir zu sonderlichem gefallen dieses wenige zu sich nehmen / und die erste Mahlzeit mit mir halten /unter dem Wunsche / daß deren mehr und bessere erfolgen mögen. Er hingegen hielt inständig an / weil das Glük ihm so viel Licht gegönnet / das Schreiben erst zulesen / ob etwa er daher seiner hungerigen Seelen hochbegehrete Speise zunehmen hätte / alsdann wolte er der Leibes Kost gerne etliche Tage entbehren; über welche Worte sie eine sonderliche Liebes bewägung in ihrem Herzen empfand / daß sie zusagẽ sich nicht enthalten kunte: Mein hochwerter Fürst /wessen besorget er sich doch widriges an meiner Seite / da er mich auff seiner Schoß hält? findet sich etwas in meinem Schreiben / daß ihm behäglich und zuträglich ist / wird es ja unter so kurzer Zeit weder schädlich werden noch verschwinden; Dafern er aber die angebohtenen Speisen verschmähet / und im essen und trinken mir nicht Geselschafft leistet / wil im rechten Ernste ich den Brieff vor morgen Abend nicht lesen / oder ihn wol gar ungelesen zureissen. Ey mein Fräulein / antwortete er; wie könte eure Liebe eine solche Grausamkeit an den allerliebsten Buchstaben verüben / die von so angenehmer Hand in schwesterlichem Vertrauen geschrieben sind? Jedoch bin ich schuldig einen bereitwilligsten Gehorsam zuerzeigen /und wil über mein Vermögen essen und trinken / auff daß in dessen Wegerung Eure Liebe hernähst nicht gelegenheit uñ ursach suche / des lieben Briefes Lesungs weiter aufzuschieben. Mein Freund antwortete sie / hat sehr grosse Hoffnung auff diesen Brief gesetzet / und möchte vielleicht wol ein solches darinnen enthalten seyn / welches zuleisten / uns / wegen abwesenheit von den unsern beiderseits unmöglich währe. Solches kan nicht seyn / antwortete er / in Betrachtung / daß unsere Fr. Schwester bey Auffsetzung solches Briefes der gewissen Hoffnung gelebete wir würden diesen Abend bey ihr und der ganzen Fürstlichen Geselschafft anlangen. Zum wenigsten hat sie nicht muhtmassen können / daß wir beyde uns allein in solcher Einsamkeit beyeinander finden würden. Ein solches gestehe ich / sagte sie / werde auch desto williger seyn / des Briefes Inhalt mir wolgefallen zulassen. Fingen hierauff beyderseits an mit gutem Lust der Speisen zugeniessen / und rühmete Frl. Klara daß die ganze Zeit ihrer Gefängniß ũber / ihr die Speisen nicht den tausendsten teil so wol geschmäcket hätten. Bald ergriff sie auch das Trinkgeschir / und brachte ihm eins auff Großfürstin Valisken Gesundheit und Wolergehen / wiewol ich nicht zweifele / sagte sie /alle die meinen neben ihr / werden unsers aussebleibens herzlich bekümmert seyn / wo sie uns nicht wol gar als erschlagene oder doch als gefangene beweinen. Sie hielten eine frische Mahlzeit mit einander / bey welcher Arbianes sich immerzu an ihren liebreichen Augelein speisete / so viel er dieselben bey der tunkelen Leuchte beschauen kunte. So bald das Fräulein rühmete / daß sie sich allerdinge gesättiget hätte /hielt er auff ein neues an / das Brieflein zuverlesen /dessen sie nur zum Scherze / umb sein Vornehmen zuerforschen / sich wegerte / vorgebend / sie hätte bey dem tunkeln Wasser- oder Knatterlichte kaum die Speisen erkennen können / wie sie dann so klein geschriebene Buchstaben dabey lesen solte? Aber weil sie sahe / daß nach kurzgebehtener Verzeihung er sich erkühnen wolte / den Brief aus ihrem Busem hervor zulangen / kam sie diesem mit einem freundlichen lachen (welches die ganze Zeit ihrer Entführung das erste wahr) selber zuvor / nam das Schreiben in die Hand / und entschuldigte sich / daß sie so viel Herzens nicht hätte / es zuerbrechen. Ließ auch gerne geschehen / daß er solches[523] verrichtete; da er nach Eröffnung denselben Brief kũssete / und ihn solcher gestalt anredete: O du allerliebstes Briefelein / hastu einige Glũkseligkeit in dir / so teile doch dem bißher allerunglükseligsten Arbianes etwas mit / auff daß er in seinem Leiden nicht gar untergehe / noch dieses Häu sein Todten Bette seyn möge. Reichete ihn hie mit dem Fräulein ganz ehrerbietig über / und baht mit freundlicher Umfahung / diesem Schreiben die Lesens-wirdigung anzutuhn / in betrachtung der Herz Schwesterlichen Liebe / damit die GroßFürstin ihr zugetahn währe. Dieses ist eine hohe und kräfftige Ermahnung / sagte sie / derẽ ich mich nicht zuwider setzen weiß; legete den Brief von einander und lase / da Arbianes ihr leuchtete / folgenden Inhalt / ohn einiges Wortsprechen.

Herzallerliebste Fräulein Schwester; nach dem der gütige Gott uns ingesamt wieder nach Hause geleitet / auch unsern Lieben Eltern und Euer Liebe Rettung zutuhn /Gelegenheit bescheret hat / haben Euer Liebe Herren Brüder und ich / den Durchleuchtigsten GroßFürstlichen Herren auß Meden / Fürst Arbianes / dessen hefftiger Verliebung gegen eure Vortreffligkeit / keine andere gleichen mag / mit über bringen / und ihr denselben als ihren versprochenen Bräutigam und Gemahl zuführen wollen /nicht zweiffelnd / dieselbe werde unserm festgemachten Schlusse keines weges wiedersprechen / sondern / wann dem lieben Fürsten seine vorgenommene Bemühung /Eure Liebe aus Räuber Händen zureissen / glücken solte /ihn dessen nach seinem ehrliebenden Begehren geniessen zulassen / uñ nicht anders gedencken / als daß sie in Begleitung ihres versprochenen Bräutigams sich befinde /massen wir unsers Orts gar nicht zweiffeln / es werden eure liebe Eltern in diese Heyraht einwilligen / und ihrer Herren Söhne / wie auch meinen wolgemeineten Vortrag gelten lassen; daher wir der gänzlichen Zuversicht zugleich leben / Eure Liebe werde / ehe sie bey uns anlanget / also bald nach Lesung dieses Brieffleins / ihr Herz und Willen dem unsern gleich stimmend machen / und diesen Lieben ihr gantz und gar zu eigen ergebenen Fürsten ihr Herz zur steten Wohnung einräumen / dafern sonsten noch ein einziges Blutäderchen an ihrem Leibe übrig ist /welches ihren Herren Brüdern und mir mit Schwesterlichem Willen zugetahn verbleibet. Inzwischen bewahre der Allmächtige Gott eure Ehre / Leben und Gesundheit vor den boßhafftigen Räubern / und bringe uns in wenig Stunden wieder zusammen / wie solches wünschet und hoffet / Euer Liebe inbrünstig-ergebene Schwester und geträue Freundin


Valiska.


Der Fürst gab fleissige Achtung auff ihr Gesichte /weil sie den Brieff lase / und auß ihren unterschiedlichen Verenderungen merkete er / daß seiner Sache bester massen darinnen würde gedacht seyn / baht daher inständig / dafern möglich / ihm des Brieffes Inhalt wissen zulassen. Ja warumb nicht Durchl. Fũrst? sagte sie / legte inzwischen das Schreiben wieder zusammen / steckete es an den vorigen Ort / und fuhr in ihrer Rede fort / sie würde / von ihrer Fr. Schwester wegen glüklicher Wiederkunfft ihrer Herrn Brüder berichtet und daß ihre Liebe auß guter Gewogenheit gegen ihre Wenigkeit mit ũberkommen währe / umb bey ihren lieben Eltern zuvernehmen / ob einige Heyraht zwischen ihnen könte gestifftet und verabredet /auch über etliche Zeit / wann sie zu den verständigen Jahren würde kommen seyn / volzogen werden; da dann ihre Fr. Schwester bey ihr ansuchete / sich hierin gegen ihrer lieben Eltern und Brüder Willen nicht zu wiederspenstigen. Dieses ist der ganze Inhalt / Hochwerter Fürst / sagete sie / welchem nachzukommen /ich mich schon im Anfange von mir selbst erkläret habe. Sie brachte dieses mit einer angenommenen Ernsthafftigkeit vor / und gedachte nochmals / ihn damit hinzuhalten / würde auch in ihren Gedanken nicht betrogen seyn / wann sie nur der weiten Außstellung des Beylagers nicht gedacht hätte; welches dem verliebeten Fürsten allen Glauben benam / sintemahl die Großfürstin ihm[524] viel andere Verheissungen getahn hatte / und er daher / nach freundlicher Umfahung / die ihm züchtig gegönnet ward / diese Antwort gab: Mein Fräulein / ich bedanke mich sehr der beschehenen Erzählung deß schrifftlichen Inhalts; habe aber durch Einlieferung des Briefes meiner Fr. Schwester Befehl und Willen nur zur helffte erfüllet / nachdem sie mir ernstlich aufferleget / ich ihr auch mit einem Handschlage mich verbindlich machen müssen / alle Mittel zugebrauchen / daß / nachdem ihre Vortreffligkeit das Schreiben würde gelesen haben / ich solches auch zu lesen bekommen möchte; zweiffele nicht / es werde Eure Liebe ihr solches gefallen lassen / und mir dasselbe zuzeigen unbeschweret seyn. Ich weiß nicht / Durchl. Fürst / antwortete sie / ob meine Fr. Schwester diesen Befehl erteilet habe / wiewol Euer Liebe vorbringen der Unwarheit zubeschüldigen / mir nicht gebühren wil; nur dieses weiß ich wol /daß die Auffschrifft nicht zugleich an Eure Liebe mit /sondern nur allein an mich gerichtet ist / es währe dann / daß mein werter Fürst an meiner auffrichtigen Erzählung zweiffel tragen / und der Ursach wegen das Schreiben selbst lesen wolte / welches ich doch nicht eins fürchten noch gedenken wil. Dieses sey ferne von mir antwortete er; nur muß ich dem Befehl meiner Fr. Schwester geträulich nachkommen / dafern ich sonst nicht in ihre schwere Ungnade / die mir gar zu unerträglich seyn würde / fallen wolte. Bitte demnach von Herzen / mein Fräulein wolle umb eine frevelhaffte Bemühung zu hinterhalten / mir das Briefflein unbeschweret zeigen / nachdem ich so auffrichtig gespielet / daß / ob ichs gleich brechen müssen / mich dannoch der ersten Lesung gebührlich enthalten habe. Ach nein mein Fürst / gab sie zur Antwort / dann ob er dieses gleich noch so ernsthafftig vortragen würde /versichere ich ihn doch / daß ohn außdrüklichen schrifftlichen Beweißtuhm ich solches ihrer Liebe gar nicht trauen werde. Diesem nach stehe er nicht so hart auff des Briefes Besichtigung / sondern glaube meinen Worten / weil ich ja nicht hoffen wil / daß er mich von Anfang her dieser unser gemachten guten Kundschafft falsch gespüret haben solte. Nicht rede oder begehre ich solches / meiner Fr. Schwester / oder deren Willen mich zu widersetzen / wann es ja von ihr also solte geordnet seyn / sonden weil nur etliche wenig Worte darinnen enthalten sind / die mir eine Röhte abjagen könten / bitte ich nochmahls freundlich / seine Lesungs Begierden einzustellen / und wil Eure Liebe ich versichern / daß meine Fr. Schwester deßwegen gar keine Unganst auff ihn legen sol. Ach mein Fräulein / sagte er / sie wolle / bitte ich / ihren ergebenen Knecht durch solche Wegerung nicht zu hoch betrüben / dafern sonst meine Hoffnung ich nicht auff ungewissen und betrieglichen Trieb Sand sol gebauet haben / sondern meiner gebehtenen Verzeihung stat geben / damit sie nicht schier heut oder morgen mir meine Blödigkeit vorzulegen und schimpflich auffzurücken habe; umfing sie damit sehr inbrünstig / und nam die Kühnheit den Brieff in ihrem Busem zu suchen / wogegen sie sich / als viel Höffligkeit leiden wolte / sehr sträubete / aber endlich doch gewonnen geben muste / da er das Schreiben mit den spitzen Fingern ergriff / und zu sich nam. Als dieser Raub erhalten wahr / wolte dannoch das Fräulein sich einer schlauheit gebrauchen / und griffe nach der Leuchte /in Meinung das Licht auß zulöschen; aber der Fürst kam ihr zuvor / baht auffs neue um verzeihung / nam einen Abtrit und durchlase den Brief mit guter Bedachtsamkeit / löschete nachgehends daß Licht auß /setzete sich vor ihr in die Knie / und hielt folgende bewägliche Rede: Allerschönstes Fräulein / Euer Liebe händige[525] ich dieses Schreiben gebührlich wieder ein / dessen Inhalt ich weder loben noch schelten darff / so lange Eure Liebe ihre Wolmeinung darũber außzulassen bedenken träget; nur bitte ich nochmals um hochgünstige Verzeihung / daß ich mich der Gewaltsamkeit gebrauchet / und es durchzulesen / ihrer Liebe hinweg geraubet habe. Zwar ich gestehe ja willig und allemahl / daß der Liebe und Gunst ich unwirdig bin / welche von Euer Liebe mir erzeiget zuwerden / meine Durchl. Fr. Schwester unter so hoher Erinnerung ansuchet / daher ich forthin nicht weiters als noch dieses letzemahl / mich unterstehen wil / Eure Vortreffligkeit mit meiner inbrunstigen Bitte anzuliegen / daß / wofern möglich / dieselbe mir unbeschweret anzeigen wolle / ob von ihrer Gnade ich meine Vergnügung zugewarten / oder wegen meiner gar zu hoch gefasseten Gedanken / welche meine Fr. Schwester in mir ernähret / die endliche Urtel meines verbrechens anzuhören habe / dann wo dieselbe meinen würde / mich etwa in fernerer Ungewißheit hinzuhalten / muß ich zwar in ihren Willen mich schicken; weil ich aber über mein Herz und dessen Wirkungen weiter nicht zugebieten habe / als wann durch ihre tröstliche Erquickung / das geringe übrige Fünklein des Lebens darinnen auffgeblasen wird / so hoffe ich /es werde Eure Liebe nicht über wüterichs Art mit mir handeln / und mir nicht befehlen zuleben / wann alle Lebens Mittel mir entrissen sind / die einig und allein in diesem bestehen / und erhalten werden / was meiner Durchl. Fr. Schwester freundliches gesinnen von ihrer Durchl. bittet. Hiemit entging ihm alle Krafft /sich länger auff den Knien zuerhalten / legte sich sanfft neben ihr nieder / und gedauchte ihn nicht anders / als daß ihm die Seele außfahren wũrde. Das liebe Fräulein kunte wegen der Tunkelheit seine Mattigkeit nicht erkeñen / und befahrete sich doch deren /deßwegen sie ihm die Hand fassete / und als er dieselbe als ein Todter Mensch hangen ließ / empfand sie daher seine harte Ohmacht / welche sie mit Trähnen beweinete / und bald darauff allen möglichen Fleiß anwendete / ihn mit den Wein aufzumuntern / welchen sie ihm nicht allein unter das Gesichte sprützete / sondern nachdem sie ihm das Wammes gar auffgerissen / in den Busem goß / dz er dessen Krafft endlich emfindend / seine Entwerffung durch einen schweren Seuffzen zu verstehen gab / da sie zu ihm sagete: Hat mein Fürst so grosse Beliebung / sich und mich zutödten / warumb hat er solches dann nicht heut bald anfangs mit seinem blutigen Schwerte verrichtet? dann also hätte ich dieser Angst ja noch entũbriget sein können. Ach davorbehüte mich Gott / allerschonstes Fräulein / antwortete er / daß zur Verkürzung ihres Lebens ich behülfflich seyn solte; nur bitte ich dienstlich / sie wolle doch eines so unwerten Menschẽ halben / als ich bin / sich weiters nicht bemühen / sondern ihn den Unglüks Lauff dereins endigen lassen / weil nach dessen leztem ihn bißher stets / aber unter viel sũsserer Hoffnung / verlanget hat. Mein Fürst hat durchauß keine Ursach / sagte sie / dergleichen Rede zuführẽ / es währe dann / daß er mir gar verbieten wolte / meine Erklärung auff meiner Fr. Schwester begehren außzulassen / auff welchen fal ich mehr ihn / als er mich vor einen Wüterich anklagen müste; solches nun abzuwenden / wolle mein Fürst Zeit nehmen / sich zuerhohlen / und mir auch selbige zugönnen / damit ich mich ein wenig bedenken möge. Hierauff richtete er sich wieder in die höhe / drückete und küssete ihre Hände mit solcher inbrünstiger Bewägung / daß sie es länger mit stilschweigen nicht ertragen kunte / ein Herz ergriff / und ihm diese Erklärung gab: Durchleuchtigster Fürst; wann die Jungfräuliche Blödigkeit und[526] Schahm / die mein Herz bißher stets unter ihrem vollen Gehorsam gehabt / mir so viel Kühnheit zugeben wolte / daß der Mund außreden dürffte / was das Herz ihm gnug bewust ist / alsdann würde ich nicht allein hie in dieser Einsamkeit /sondern vor der ganzen Welt frey öffentlich bekennen / daß Eurer Liebe ich mehr als aus einer Ursach / zu alle seinem ehrliebenden Willen ohn Ausrede verbunden bin. Vor erst sehe ich an die Vertrauligkeit / wel che zwischen Euer Liebe und meinen Herrn Brüdern /auch meiner Fr. Schwester ist / die allein gnug währe / mich Euer Liebe willen zu unterwerffen. Hierzu kömt die hohe Bedienung / welche dieselbe meinen ietzgedachten nähesten Blutsverwanten Zeit ihres Elendes erzeiget / welche von Leches und Neklam mir grosses teils erzählet sind. Aber wañ solches alles schon nicht währe / meinet dann mein Fürst / daß ich so unempfindlich seyn / und nicht mit Dankbarkeit erkennen würde / daß er bloß durch das anschauen meines unachtsamen Brustbildes sein Herz mir zugewendet / und darauff alsbald so wol bey mir als bey meinen lieben Eltern gebührliche und mehr als gebũhrliche Ansuchung getahn? was wirds dann erst seyn und gelten / wann ich der heutigen Erlösung eingedenk bin / die weder Zeit noch Unglük noch wolergehen auß meinem Gedächtniß reissen sol? muß ich dann nicht gestehen / mein Fürst / daß ich schũldig bin /mich vor die Eure zuhalten? aber ich vernehme über diß alles / daß meine Herren Brüder / und Fr. Schwester / die mir zugebieten haben / den Schluß schon abgefasset / ich solte des Durchleuchtigsten Großfũrsten auß Meden seine verlobete seyn; da sie zugleich die Versicherung hinzu tuhn / meine Herzliche Eltern werden solches vorgenehm halten / wie ich dann an deren Willen zu zweiffeln keine Ursach habe / zugeschweigen / daß inkünfftig mir noch dergleichen Gefahr zustossen möchte (ach ja / ich fürchte sehr / sie werde nicht aussen bleiben) auß welcher ohn ihrer Liebe Hülffe und Beistand ich nicht errettet werden könte; und also mein hochwerter Fürst mich noch mehr ihm verbunden machen dürffte wann ich gleich anjetzo aller Vergeltungs-Schuld frey wåhre; hätte schier wegen Menge meiner Pflichten ausgelassen /daß ohn gegebene endliche Erklärung ich meiner hochgeliebeten Fr. Schwester Hulde und Liebe schwerlich würde erhalten können. Dieses alles und jedes / Durchl. Fürst / dränget mich nicht weniger als sein mündliches bitten / und ängstiges verhalten / seiner Liebe dessen völlig und ohn alle Bedingung zuversprechen / was einer geträuen verlobeten Braut ihrem Bräutigam und künfftigen Gemahl schuldig ist /wil solches auch hiemit und krafft dieses / Euer Liebe mit gutem Wolbedacht unwiederruflich geleistet haben / jedoch mit diesem billichen und ernstlichen Vorbehalt / daß Eure Liebe mit mir als seiner verlobeten Braut zugeberden / zwar freye Macht haben / aber doch meiner Jungfräulichen Zucht und Keuscheit nicht weniger wider sich selbst / als wider andere Schuz haltẽ / und dieselbe in keinerley weise anfechten / viel weniger beleidigen oder kränkẽ sol / biß dahin aus freyem ungezwungenẽ willen / uñ ungenöhtigter einwilligüg ich in unsere endliche Heiraht gehehlẽ werde / welche dañ ũber die gebühr ich nit auffschiebẽ / sond'n hierin meiner Fr. Schwester willen / uñ der meinigẽ Anordnung gerne folgẽ wil. Also hat nun eure Liebe / hochwerter Fůrst uñ Bräutigam / von mir alles / wz ein züchtiges Fräulein über ihr Herz und Zunge bringen kan; und solte er mir die hinangesetzete Bedingung / die nur auff kurze frist sich erstrecken möchte / zweiffelhaftig machen wollen / so wil und kan ich ihn nicht anders als einen muhtwilligen Feind meiner wolgebührlichen[527] Zucht / ja als einen boßhaftigen Freveler / der kein Häärlein als die vorige Räuber besser sey / vor allen meinen Anverwanten anklagen / und was Dienst er mir gleich tuhn möchte / doch alles vor nichts rechnen / sondern vielmehr umb Rache wieder seine (wie ich nicht verhoffe) geũbete Boßheit / bey allen Göttern und Menschen inständig anhalten / wo zu doch mein allerliebster Fürst und versprochener Bräutigam / weiß ich gar gewiß /keine Ursach geben wird. Arbianes aus ůbermässiger Freude bezwungen / kunte seine hohe vergnügung länger nicht einhalten / umfing sie mit inniglichen ehrliebenden küssen / deren ihm etliche in züchtiger Scham bezahlet wurden / und fing nachgehends also an: Durchleuchtigstes herzallerliebstes Fräulein / mit was dũchtigen Worten sol odẽr kan vor diese überhohe Gunst und Gnade ich mich bedanken? Ach nehmet von mir das begierige Herz / welches bereit ist / viel lieber alle Welt Angst auszustehen / als zu gönnen /daß in meiner gegenwart ihrem Leibe oder Willen einige Wiederwertigkeit angetahn wũrde. Ich gestehe zwar / mein unvergleichlicher Schaz / daß der hinzugesetzete Vorbehalt meinen hitzigen Liebesbegierden sehr zuwieder ist / nachdemmahl ihre Liebe dasselbe vor ein ungebührliches hält / und anklagen wil / was Gott den jungen Eheleuten selbst gönnet und frey gibt; jedoch aber wil ich mich auch in diesem Stük ihrem Willen gemäß verhalten / mit angehängter sehr demühtiger bitte / mir eine gewisse Zeit zubestimmen / zu welcher diese Bedingung sol auffgeruffen seyn. Ach mein Schaz / antwortete sie / dringet nicht weiter in mich / sonst werde ich gezwungen / mich vor euch mehr zufürchten / und zuverwahren / als euch zu lieben; Zeit zu berahmen / stehet keinem Fräulein zu /und fürchte sehr / meine Fr. Schwester werde mehr eilen als mir lieb seyn wird; aber dessen sey mein Fürst und wahrer herzens Freund versichert / daß wo ich meinen lieben Eltern nicht in reiner jungfräulicher Keuscheit wieder geliefert werde / wil ich demselben nun und ni ermehr / weder geträu noch hold seyn /der mir solches hindern und abzwingen wolte. Sonsten hat mein Fürst sich gar zu weiter aussetzung unser Heyraht so groß nicht zubefürchten / weil er mit meiner Fr. Schwester so wol und brüderlich daran ist /daß dieselbe ihm allen Vorschub tuhn wird. Dieses sagete sie mit grosser Scham / nur daß sie seiner heftigkeit durch solche gemachte Hoffnung einen Zaum anlegen möchte; wie er dann sich hierauff erklärete /sich selbst zu überwinden / und in den Schranken ihres Willens sich zuverhalten; welches dann das liebe Fräulein so froh und kühn machete / daß sie ihm mannichen Kuß lieferte / biß ihr endlich die müdigkeit den Schlaf brachte / da sie ihn höchlich baht /seine Ruhstete von ihr absonderlich zunehmen / wo er sonst ihr die Freyheit ohn Furcht zuschlaffen gönnete. Ja mein auserwähltes Seelichen / antwortete er / ich erkenne mich allerdinge schuldig / ihrer Liebe hierin zugehorsamen; hielt doch noch umb ein Viertelstündichen an zum Gespräch / und daß er sich aller ehrliebenden ergetzung an ihrer unsäglichen Schönheit / als ein versprochener Bräutigam gebrauchẽ möchte; welches sie ihm nach vorgeschriebener gemässigter Weise einwilligte. Ehe dann diese kurze Zeit verfloß /wurden sie etlicher Reuter auff der Gasse hin uñ wieder reitend gewahr / welche vor der Inwohner Hauß Tühren anklopfeten / deren einer auch mit zimlichem ungestüm an ihr Tührlein stieß / und eingelassen zu werden begehrete. Worüber das Fräulein so heftig erschrak / daß sie als ein Espinlaub zitterte. Wolfgang machte die Tühr alsbald auff / und fragete nach seinem begehren; da dieser von ihm wissen wolte / ob nicht ein[528] junger Ritter in blau angelauffenem Harnische mit güldener Verblümung / eine schöne adeliche Jungfer im himmelblauen Silberstük bekleidet / in oder durch / oder neben dieses Dorff hinweg geführet hätte; welches das Fräulein hörend / nicht anders meinete / als der Wendische Råuber hätte sie schon wieder in ihrer gewalt; rückete auch gar hart an ihren Liebesten und sagete mit sanfter wehmühtiger Sti e und zitterndem Leibe; Ach mein auserwåhlter Freund uñ Lebensschaz / ach schützet die eurige; gewiß gewiß lässet der alte Räuber mich suchen / dem ich doch lebendig nicht zuteile werden wil. Mein Seelen Schaz /antwortete er / gebt euch doch zu frieden / und erschrecket nicht so hart / wir sind ja nicht alsbald gefunden / ob man uns gleich nachfraget; dann des jungen Bauren Antwort gibt uns anzeige gnug / daß er uns zuverrahten nicht gemeinet ist. Wie er dann dem Reuter diesen bescheid erteilete; er hätte den ganzen Tag biß in die sinkende Nacht hart vor dem Dorffe in einem Garten ohn unterlaß gearbeitet / aber dergleichen Leute nicht vernommen / würde auch ausser allem zweiffel hieselbst vergeblich nachfragen / massen eine Stunde vor Abends ein vorübergehender Bohte / welchen er kennete / berichtet / er hätte ein sehr schönes Weibesbild mit einem geharnischten Ritter nach dem Iselstrohm zureiten sehen / und wie ihn gedäuchte / währe sie mit gutem willen von dem Ritter geführet worden. Wo ist diser Bohte dann geblieben? fragete der Reuter. Davon weiß ich nichts zu melden / antwortete er / nur daß er wegen seiner Reise grosse Eile vor gab / und noch vier Meile diese Nacht zu lauffen hätte / wohin er sich nun gewendet / kan ich gar nicht wissen. So höre ich wol / sagte der Reuter / ich werde meinem Fürsten das Bohtenlohn nicht abverdienen; kehrete sich hiemit zum Dorffe hinein und ritte seinen Gesellen nach / deren Wolfgang 10 gezählet hatte / und sie alle miteinander / wie fleissig sie auch nachfrageten / gar keine weitere Nachricht erhalten kunten. Unsere Verliebeten zweiffelten nicht /es würden des Wendischen Fürsten Ausspeher seyn /welcher etwa mit etlichen Völkern aus der Schlacht entrunnen / und an einen sichern Ort sich gelagert håtte; woran sie doch sehr irreten / und dadurch sich in grosse trübseligkeit und angst stürzeten. Dann es wahren die von Herkules ausgeschikte Reuter / mit welchen sie fein sicher hätten können überkommen; aber die himlische Versetzung wolte ihnen ihre Vergnũgung so frühzeitig nicht zuschicken / sondern sie musten zu ihrer besserung zuvor scharff bewehret werden / und einen herben Becher der Wiederwertigkeit austrinken / wie hernacher folgen wird.

Wir wenden uns aber wieder hin nach dem sieghaften Kriegsheer / bey welchem der alte GroßFürst mit seinen Kindern sich in aller fröligkeit finden ließ /weil sie annoch gute Hoffnung hatten / Arbianes würde sich schier einstellen; wie dañ dazumahl seine 150 Reuter mit dem erschlagenen jungen Wendischen Fürsten / wiewol zimlich späte ankahmen / uñ den Bericht einbrachten / ihr Oberster hätte diesen mit eigener Hand nidergehauen / und nachgehends nicht geringe mühe gehabt / das flüchtige Fräulein / welche ihn vor einẽ Feind gehalten / zuerhaschen / und aus der Ohmacht wieder zurechte zubringen / da er inzwischen ihnen hart befohlen / nicht zuseumen / sondern mit dem erschlagenen fortzugehen; doch hätten sie ihn endlich gesehen das Fräulein vor sich auff dem Pferde führen / und als sie in die 400 flüchtige Feinde durch den Strom gesehen hindurchsetzen / und durch winken ihm solches zuverstehen gegeben / währen sie gewahr worden / daß er mit ihr den sichersten Weg[529] Südwerz genommen / worauff sie ihn bald aus dem Gesichte verlohren / weil sie selbst umb gefahr willen den Strom auffwarz gehen müssen / und den gar zu häuffig herzu dringendẽ flüchtigen Feinden sich entzihen. Worauff Valiska die Anwesende tröstete / und zu ihnen sagete: So wollen wir uns zufrieden geben /dann Arbianes ist ein so verständiger Fürst / welcher mit Gottes hülffe schon Mittel und Wege finden wird / entweder durch zuko en / oder sie auff eine kurze Zeit in gute gewahrsam zubringen. Die alte GroßFürstin ward hiedurch in etwas getröstet / daß sie bey ihren Schwieger Töchtern sich frölicher erzeigete /weder vorhin / zwischen welche sie sich gesezt hatte /und es nicht wenig beklagete / daß sie mit Fr. Lukrezien nicht Unterredung halten kunte / weil sie kein Teutsch verstund / wiewol Valiska sich als eine Dolmetscherin bey ihnen vielfältig gebrauchen ließ. Es meldete sich abermahl ein Teutscher Kriegs Knecht an / vorgebend / man hätte mit dem gefangenẽ Wendischen Obersten Niklot viel Mühe / welcher nicht allein seine verbundene Wunden auffrisse / sondern alle Gelegenheit suchete / sich selbst zuentleibẽ; würde demnach das beste seyn / daß er fest gebunden würde. Der alte GroßFürst antwortete: Dieser wird ohn zweifel der verrähterische Bube seyn / welcher mich nicht allein mit List von meinem Schlosse gelocket / sondern hand an mich gelegt / und gleich einem gemeinẽ Bauren mich gebunden fortgeschleppet massen ich mich erinnere / daß derselbe von seinen Leuten Herr Niklot geneñet ward. Also ward ernstlich befohlen /man solte ihn fest an einen Pfal oder Leiter binden /den Wunden auffs beste Raht schaffen / und ihm allerhand Labung beybringen / dann es müste ihm seine Boßheit andern zum abscheuchlichen Beyspiel vergolten werden. Da wusten nun die Kriegsknechte ihm schon recht zutuhn / daß er gezwungen / Speise und Trank nehmen / und ihres willens geleben muste. Den unsern wolte die Zeit ohn Gespräch zu lange wehren /weil sie willens wahren / der Fräulein Ankunfft biß an die Mitternacht zuerwartẽ; Weil dann die alte Groß Fürstin gerne gewust hätte / durch was gelegenheit ihr lieber Herkules zu dem neuen Glauben kommen währe / welchen er so hoch und über alles schätzete /und sich gleichwol erinnerte / wie lieb ihm ehemahls ihr landüblicher Gottesdienst gewesen / bey dem er so manniches andächtiges Opffer vor sich hätte verrichten lassen / begehrete sie an ihn / ihr die ursach und gelegenheit solcher seiner Glaubensverenderung anzuzeigen. Herkules hörete ihr begehren mit sonderlicher Freude an / und taht einen inniglichen Seuffzer zu Gott / er möchte seinem Donner durch seine unverständige Zunge Krafft uñ Nachdruk verleihen / und die Herzen seiner lieben Eltern rühren / daß sie zur Erkäntniß der Warheit gebracht würden. Wie er in diesem andächtigen Wunsche stilleschweigend saß /gedachte sein Gemahl / er trüge dessen etwa bedenken / daher sie ihn in Persischer Sprache erinnerte / diese gute gelegenheit zu seiner Eltern Bekehrung nicht vorbey zulassen / sondern vielmehr mit beyden Händen zuergreiffen; vielleicht schickete es Gott also /daß seine Fr. Mutter selbst anlaß darzu geben müste; fuhr nachmahls fort / und sagete auff Teutsch zu ihm: Mein allerwerdester Schaz / lieber wegert euch nicht /unser Fr. Mutter begehren zu erfüllen / dann ich selbst habe vorlängst gerne wissen wollen / wie sichs mit euer Bekehrung zu dem seligmachenden Glauben begeben hat. Herkules gab durch ein freundliches Lachen seinen guten Willen zuverstehen / und fing also an: Gnädigste herzallerliebste Fr. Mutter; euer mütterliches Herz ruffet mir eine solche unaussprechliche Freude in mein Gedächtniß /[530] welche mich des zeitlichen pfleget vergessen zumachen / so daß meine Seele nichts höhers wünschet / als diesen sündlichen unnützen Leib zuverlassen / und mit allen außerwählten Kindern Gottes der himlischen Wollust in ihres Heylandes Gegenwart zugeniessen / deren Herligkeit keines Menschen Zunge beschreiben kan. O was elender Mensch und nichtiger Erdwurm würde ich seyn /wann ich zu dieser Erkäntniß der göttlichen allein seligmachenden Warheit nicht kommen währe / welche nunmehr mein Herz in dem Vertrauẽ zu Gott dermassen fest geankert hat / daß alles ũbrige / wie hoch es von der Welt mag gehalten seyn / mich nur wie ein unflätiger Koht anstinket. Nicht sage ich dieses / ob verachtete ich Gottes zeitliche Gaben / die er mir in kurzer Zeit häuffiger als einigem Menschen mag mitgeteilet haben / und ich / wann ein mächtiges Königreich zu kauffe währe / solches mit Golde wol an mich bringen könte / nachdem meines geträuen Bruders / Königes Ladisla / und meine Gelder fast nicht zuzählen sind / als die nach Silberwerd angeschlagen / an die 70000 Zentner oder Hundert schwehr sich belauffen; zugeschweigen aller zeitlichen Ehre und Herschafft / die mir unwirdigen im Parthischen / Persischen und Römischen Reiche aufgetragen sind / und zum teil fast auffgedrungen werden wollen. Noch wolte ich solches alles verfluchen / und als einen Wust in des Meeres Abgrund versenken / wann ich das allergeringste der zur Seligkeit notwendigen himlischen Erkäntniß davor entrahten solte. Mir zweifelt nicht / Gn. Fr. Mutter / diese meine Reden dünken euch kindisch / ja lächerlich seyn; und zwar eben so ist mirs anfangs mit meinem Bruder Ladisla auch gangen / daß er mich vor einen aberwitzigen Menschen hielt / welches ihn sider deß offt gereuet hat /aber es dazumahl nicht endern kunte; dann ehe Gottes Geist in des Menschen Seele den Glauben wirket /hält er göttliche Weißheit vor ein kindisches Affenwerk; und solches alles kömt von dem argen Menschen-Feinde dem leidigen Teufel her / als der nicht leiden kan / daß dem Menschen das Licht der Erkäntniß Gottes scheine / und dadurch sein schändliches Reich verstöret oder doch verringert werde; wie er dann ein Hasser und Verleumder alles guten ist. Wo aber die Furcht Gottes sich nur zuregen beginnet / so daß der Mensch gedenket und nachsinnet / was doch nach diesem kurzen vergänglichen Leben seyn werde /weil unsere Seel nicht verschwindet / sondern ewig bleibet / dann ist er schon bemühet / etwas zufassen /worauff er sich eigentlich verlassen / sein Gewissen befriedigen / und sein künfftiges höchstes Gut fest gründen und bauen möge / weil doch in dieser Sterbligkeit nichts gewissers ist / als die Ungewißheit unsers wolergehens; nichts beständigers / als des falschen Glückes Unbeständigkeit. Diese Gedanken /herzliebe Fr. Mutter / haben in meinen kindlichen Jahren mich offt angefochten und gereizet / auch in eurer Gegenwart (wo ihrs euch erinnern könnet) zu wünschen / wie gerne ich wissen möchte / was eigentlich Gott währe / wie er von uns wolte geehret seyn /und womit er nach diesem Leben die wahre Frömmigkeit beseligen wolte. Ein solches aber lehrete mich weder Krodo noch die Irmen Seul / noch die vermeinete Göttin / die man zu Magdeburg verehret. Fragete ich dann die Pfaffen darum / lacheten sie mich noch darzu höhnisch aus; warumb ich durch die Wolken steigen / und in der himlischen Götter geheimen Raht mich einmischen wolte; Ich solte mich an ihren Gottesdienst halten / dem Vaterlande gute Dienste leisten / und der Tugend mich befleissigen / dann würde mir nach diesem wol seyn / und könte ich wol gar dadurch erwerben / daß ich dereins[531] unter die Zahl der Götter auffgenommen würde; an welcher lezten Rede ich ein Greuel hatte / und mit den ersten muste ich mich abspeisen lassen / ohn daß wol etliche hinzu setzeten /ich solte mich der Fröligkeit dieses Lebens gebrauchen / und mit guter Geselschafft lustig und guter dinge seyn. Andere; ich solte nur frey auff die Feinde der Teutschen Freyheit streiffen / und von der eingehohleten Beute der Pfaffheit milde Opffer zukommen lassen / alsdann würde ich eine hohe Stuhffe im Himmel erwerben; Und also ging ich unwitziger und verwirreter von ihnen / als ich kommen wahr. Mein damahliger Römischer Lehrer Tibullus / gab mir des Römischen Bürgemeisters Tullius / und anderer gelehrter Heiden Schrifften von der Götter Wesen zulesen / in welchen ich gleichwol noch etwas fand / aber in Warheit / nur ein Fünklein / welches unter der Vemunfft-Aschen ein wenig gli ete und hervor blickete / und ich dannoch dadurch auffgemuntert ward /den Sachen etwas fleissiger nachzudenken; sahe und befand / dz gewißlich ein Gott seyn müste / der dieses grosse Rund erschaffen hätte / und in unverrükter Ordnung / welche wir vor Augen sehen / erhielte /auch demnach seine Herschafft ungleich weiter / als über das enge Teutschland reichen wũrde. Mein Bruder Ladisla wird sich erinnern können / wie offt ich mich gegen ihn vernehmen lassen / daß weder Krodo /noch Irmen Seul derselbe Gott seyn könte / welcher die Welt in ihrem Stande und Wesen erhält; und daß ichs vor einen Unverstand hielte / daß man Gott unter so ungestalter Bildung schnitzen und mahlen dürffte. Wie offt hat dieser mein Bruder / wann wir mit einander zur Luft ausritten oder gingen / mich gefraget /worauff ich so emsig gedåchte / und was ich so viel und offt hinauff sähe gen Himmel / daß ich alles Gesprächs drüber vergässe; ich ihm aber allemahl zur Antwort gab: Ich betrachtete entweder der Sonnen Wunderlauff / oder etwas anders am Himmel; wiewol alsdann meine Gedanken sich immerzu nach dem mir unbekanten Gott richteten / und ihn herzlich anfleheten / er wolte sich mir gnädig offenbahren / damit ich ihn erkennen / und nach seinem Willen leben möchte /weil ich keinen Menschen zusuchen noch zufinden wüste / von dem ich dessen könte berichtet werden. Lieber Sohn / sagte hieselbst die Großfürstin / warumb aber stundestu so hefftig nach solcher Erkäntniß und Wissenschafft? Gn. Fr. Mutter / antwortete er; ich wahr dessen versichert / daß unsere Seelen nicht umkommen / wann sie von dem Leibe durch den zeitlichen Tod abgeschieden werden / sondern daß ihnen hernach von Gott also gelohnet werde / wie mans in diesem Leben verdienet hat; solte ich dañ nicht geflissen seyn / mich umb mein künfftiges / das ewig wehret / mehr zubekümmern / als umb das hiesige / dessen wir keine Stunde lang versichert sind? Nun sahe ich aber / daß ich meiner Seele nicht füglicher noch beständiger rahten könte / als wann ich des wahrẽ Gottes Erkåntniß erlangete / unter dessen Gewalt wir alle sind; auff daß ich hernach eigentlich lernete / was derselbe Gott von denen erfodert und haben wil /denen er das höchste Gut nach dieser Sterbligkeit gedenket mitzuteilen. Zwar es bekümmern sich leider wenig Menschen umb dieses / aber mit ihrem unaussprechlich grossem Schaden / welches sie in dieser Welt nicht empfinden / aber es ihnen doch nicht aussebleiben wird. Nun auff mich selbst wieder zukommen / ob ich gleich dazumahl des einigen wahren Gottes Erkäntniß annoch nicht hatte / so erstrecketen sich dañoch so weit meine kräfftige Nachsinnungen /daß demselben die Unfläterey / Unreinigkeit / Ungerechtigkeit und Bosheit nicht gefallen könte / weil er[532] selbst das volkommenste Gut seyn / und nichts als gutes / das ist / Erbarkeit und Tugend / von uns Menschen begehren müste; daher ich weiters schloß / es würde eine vergebliche Hoffnung seyn / wann man Gottes Zorn wider die Gottlosigkeit durch Opffer und der unvernünfftigen Tihre Blut versöhnen und stillen wolte / sondern es müste das b se hinweg getahn /und nach Ordnung der löblichen Gesetzen gestraffet werden / welches mich dañ jensmahl bewägete / den frechen unzüchtigen Buben Ingevon / wiewol vor freyer Faust zufelten / wodurch ich schier in Lebensgefahr hätte gerahten dürffen. Ich muß mich aber erinnern / was vor eine Erzählung meine Gn. Fr. Mutter vor dißmahl von mir gewärtig ist / damit ich deren /und anderer anwesenden Geduld mich zuhören / nicht mißbrauche; welche ingesamt an mir ein Beyspiel vor Augen haben / an dem die Barmherzigkeit GOttes so wunderlich und kråfftig hat wollen erscheinen lassen /daß niemand von der Seligkeit solle ausgestossen werden / der ihr herzlich nachtrachtet / und der allerhöchste GOTT sich keinem Menschen wolle verbergen / der ihn von herzen zuerkennen begehret; dann ich bin dessen in meinem Glauben versichert / Gott habe meine Seuffzen / die in meinem Heydentuhm ich ihm zuschickete / gnädig erhöret / wiewol auff solche Weise / die ein Unverständiger mehr vor eine Straffe /als vor eine Woltaht schätzen würde / und ist doch meine allergröste Glükseligkeit gewesen / so mir jemahls begegnet ist / und in dieser Welt begegnet kan; nehmlich / da ich im Böhmer Walde von den Pannonischen Räubern gefangen / von Römischen Buschklöpfern ihnen wieder abgenommen / und von ihnen in der Stad Rom vor einen Leibeigenen verkauffet ward. O der glükseligen Leibeigenschaft! dann dieselbe hat mich nicht allein zu der Erkäntnis Gottes fein geschikt gemacht / in dem sie den hohen Muht des stolzen fleisches in mir gebrochen / und zur Demuht mich angehalten / sondern mir auch anlaß gegeben /meine Seuffzer je mehr und mehr nach Gott zu wenden / welche auch nicht vergebens noch umbsonst vor der Himmelstühr angeklopffet haben. So vernehmet nun / Fr. Mutter / was Gott an mir vor ein Wunder getahn hat / und erkennet daher seine Liebe damit er uns armen Sündern zugetahn ist. Ich dienete dazumahl meinem Herrn zu Rom geträu und fleissig / mich schämend / daß ich meinen elenden Zustand den lieben meinigen zuschreiben und offenbahren solte; dann ich gedachte / es würde mir schimpflich seyn /wann ich nicht vor mich selbst Mittel und Weise ergreiffen könte / mich wieder in freien Stand zu setzen; welches sich doch nach meinem Willen nicht fugen wolte. Ich hatte anfangs einen harten Herrn / dessen Tochter bald darauff mir gar zugeneiget ward / und endlich sein Eheweib mich noch schlimmer liebete; ich aber baht den wahren mir annoch unbekanten Gott / daß er mich vor aller Unzucht und Schande gnädiglich bewahren / und mich wieder in mein Vaterland geleiten wolte. Als ich nun einsmahls mit solchen Gedanken des Abends auf meinem schlechten Lager einschlieff / kam mir in derselben Nacht dieses Gesichte im tieffen Schlaffe vor; Ein kleiner schöner Engel Gottes trat vor mir / mit überaus freundlichen Geberden / hatte in der rechten Hand einen offenen Brieff /an welchem ich diese Worte lase; Gottes Erkäntnis gehet über alles. In der Linken hatte er eine kleine Ruhte / daran hing ein Brieflein mit dieser Schrifft: Diese züchtiget und heilet. Als ich solches alles mit grosser herzensfreude (wie mich schlaffend däuchte) ansahe uñ betrachtete / redete der Engel mich also an: Mein Bruder / Gottes erbarmung beut sich allen Menschen[533] an / und wirket bey denen die ihn suchen und seine Erkäntnis begehren; so mache dich nun früh mit dem Tage auff die Strassen / da wirstu einen Mañ antreffen / welcher dir des Himmels Schlüssel zeigen /und auff deine Bitte gerne mitteilen wird. Nach welcher Rede endigung / däuchte mich / er in einen Winkel getreten / und unsichtbar worden währe. Bald hernach stellete sich ein heßlicher ungestalter Teuffel vor mir / mit feurspeiendem Rachen / und scheußlichen Geberden / ohn zweiffel / den die unwissende Teutschen unter dem nehmen Krodo verehren; derselb dräuete mir mit einer grossen Keule / uñ ließ sich zugleich vernehmen / dafern ich diesem falschen und verführischen Bilde (so nennete er den Engel) folge leisten würde solte mit seiner Straffkeule ich Zeit meines lebens geschlagen werden. Er währe derselbe wahre Gott / welcher bisdaher den Teutschen Königen und Fürsten wieder alle ihre Feinde Schuz geleistet /und des Landes Freyheit erhalten håtte. Kaum kunte er diese Dräuungen ausreden / da ging vorgedachter Engel auff ihn loß mit einem feurigen Schwert / vor welchen er sich im geringsten nicht schützen kunte /sondern unter zitternder Furcht davon lauffen muste. Gleich hierüber erwachete ich / hörete meine Pferde wrinschen und kratzen (dann ich schlieff im Mahrstalle) empfand anfangs etwas grausen wegen des teuflischen Gespenstes / aber bald darauff eine herzliche Freude / mich auff des Engels Trostund beystand verlassend / daher ich des lieben tages mit grossem verlangen erwartete / welcher kaum hervor ragete / da ich meine Kleider anlegete und mich auff die Gassen hinaus machete / die eine ab / die andere auff ging / wie mirs vorkam / der gewissen Hoffnung / Gott würde mir den durch seinen Engel verheissenen Lehrer zuschicken; stund auch nicht lange an / daß ein alter und hagerer Mann / ehrbahres ansehens mir auffsties /welcher unter einem langen Mantel ein zimlich grosses Buch verborgen trug. Diesen grüssete ich freundlich / und fragete ihn / was vor ein Buch das währe; dann der Mantel schlug ihm ohngefehr vorne auf / dz ich dasselbe eigentlich sehen kunte. Er aber nach geschehenem Wiedergrusse antwortete mir; Lieber Sohn / wer seid ihr / uñ warumb fraget ihr darnach? Ich bin ein Leibeigener Knecht / antwortete ich / wie meine Kette ausweiset / und durch blossen unglũksfal aus Fürstlichen Stand in dienstbarkeit gerahten; habe sonst vor diesem auch meine Lehrer gehabt / und liesse mich noch gerne in allem guten / sonderlich in göttlichen Sachen unterrichten / hoffe auch schier einen solchen anzutreffen / der meinen Begierden / die nach der erkäntnis des wahren Gottes streben / ein genügen tuhn werde; massen ich dessen versichert bin /daß / wann ich nur dessen Erkäntnis haben möchte /wolte ich durch unablässiges Gebeht schon bey demselben erlangen / daß ich aus der Knechtschaft wieder in freien Stand gesetzet würde. Der alte sahe mich an als in höchster verwunderung / weiß nicht was ihm an mir gefallen möchte / und gab mir zur Antwort: Schönster ädler jũngling / ich halte euch in warheit mitten unter eurer knechtischen Kette vor einen solchen / und wũnsche euch des almächtigen wahren und einigen Gottes Gnade zu eurem Gottseligen vorhaben / kan auch inbetrachtung eures äusserlichen wesens /nicht gläuben / daß ihr aus Spot oder verachtung solches redet; darumb folget mir unvermerket nach /dann dieses (auff sein Buch zeigend) ist des Himmels Schlüssel / und die einige geöfnete Pforte zur heilsamen erkäntnis des wahren Gottes / der allein Gott ist; dann alle Götter der Heyden sind falsche Götzen /aber der HErr / der einige / ewige almächtige Gott hat den Himmel gemacht /[534] und uns denselben zum ewiglichen Sitze erworben. O mein lieber Vater / antwortete ich; des Himmels Schlüssel ist mir hint diese Nacht im Gesichte verheissen / und zweifele nicht / eben ihr seid derselbe / welcher ihn mir mitteilen sol. Der Alte boht mir einen Kuß / und sagete: Lieber Sohn / nehmet von mir an den Kuß des Friedes / uñ folget mir nach / der Himmels Schlüssel sol euch mitgeteilet /und das Geheimnis der erkäntnis Gottes zur Seligekeit offenbahret werden. Ich wahr hierzu gar willig / und ließ mich von ihm in ein Hauß führen / da wir miteinander auff ein Gemach allein gingen / und er anfing mich zu unterrichten / was zur erkäntnis des wahren Gottes zu wissen und gläuben nöhtig ist; und als ich ihn fragete / woher ihm diese Wissenschaft und himlische Lehre kähme / davon ich noch nie etwas gehöret / auch in andern Bũchern nichts davon gelesen hätte /sagte er: Dieses Buch / welches ihr bey mir auff der Gassen gesehen / hält diese göttliche Weißheit in sich / und ist das aller älteste Buch und dz allerheiligste auff der ganzen Welt / in welchem durchaus nichts falsches kan gefunden werden / sintemahl es nicht aus Menschlichem Gehirn entsponnen / sondern etlichen wenigen sehr heiligen Männern von Gott selbst eingeblasen ist / auff dessen Befehl sie auch haben schreiben / und diese Lehre zu unser unterrichtung und Seligkeit hinterlassen müssen / da zwar die Feinde der Warheit allen Mensch- und möglichen fleiß angewendet / wie sie dieses Buch samt der darinnen enthaltenen Lehre möchten vertilgen und aufheben / ist ihnen aber unmöglich gewesen / und wird ihnen wol / so lange die Welt stehet / unmöglich bleiben / nachdem unser Gott selbst uns die versicherte Zusage getahn hat / daß weder Teuffel noch Menschen diese Lehre ausrotten / oder dieses Buch vertilgen sollen. Hierauff fuhr er fort / mich in den ersten Häuptstücken der Christlichen Lehre zu unterweisen / und vermahnete mich endlich / wañ ich des vorhabens währe / den wahren Gott aus der Christlichen Lehre zuerkennen /müste ich zugleich auch den steiffen Vorsaz haben /die wahre ungefärbete Gotseligkeit in meinem ganzen Leben fortzusetzen / aller Gottlosigkeit / Untugend /Unzucht / Völlerey / und andern Lastern / wie sie nahmen haben möchten / mich zuenthalten / und hingegen die Warheit / Keuscheit / Gerechtigkeit / Versöhnligkeit / Geduld / Mässigkeit und insgemein alle Zucht und Erbarkeit zu lieben und nach äusserstem vermögen zu üben geflissen seyn; insonderheit müste ich an der einmahl erkanten Warheit fest und beständig halten / und weder durch Wollust / noch Noht /weder durch Gefahr noch Leyden / weder durch Lebensbegierde noch Todesfurcht mich davon abtreiben lassen; welches da ichs ihm aus gutem Herzen versprochẽ hatte / führete er mich mit sich in die Christliche Versamlung / woselbst ein ander Lehrer aufftrat /etliche Christliche geistreiche Gebehter ablase / und darauff etliche Worte aus obgedachtem heiligen Buche / welches man die heilige Schrifft / oder Gottes Wort nennet / erklärete; nachgehends die Anwesenden zur beständigkeit im Glauben / zur Geduld / Gottesfurcht und frömmigkeit vermahnete / das Gebeht wiederumb zu Gott hielt / und damit die Versamlung von einander gehen ließ / ihnen daneben vermeldend /welches Tages / und zu welcher Stunde die zusammenkunft zum Gebeht uñ zur unterrichtung solte wieder gehalten werden. Mein erster Lehrer aber schenkete mir ein Gebeht- und Glaubens-Büchlein / welches man die Christliche unterrichtung neñet / befahl mir /alle tage eine Stunde zu ihm zuko en / uñ tröstete mich herzlich in meiner Leibeigenschaft / unterrichtete mich auch täglich / und zeigete mir die unbewäglichen Grundfeste /[535] auff welche diese Lehre gebauet ist / und fest bestehet / daß die Pforten der Hellen selbst sie nicht überwältigen noch erschüttern können / da ich dann in Erkäntniß dieses heilsamen Glaubens wol zunam / und dem frommen Lehrer zeit meines Lebens werde zudanken habẽ. Ich gestehe auch gerne / daß bloß allein die Liebe zu dem Christentuhm mich abgehaltẽ hat / meinen lieben Eltern den Zustand meiner Knechtschafft zuzuschreiben / weil ich mich gar zeitig fürchtete / man würde mir diesen unbekanten Glauben in meinem Vaterlande schwerlich zulassen / wie ich dann dessen gnug zu funde kommen bin; ja mein liebster und geträuester Ladisla selbst durffte mir bedraulich gnug zuschreiben / wie er mich wegen meines Christentuhms anklagen / und zum Wiederruff zwingen wolte; nachdem er aber sahe / daß alles vergebens wahr / geduldete er meinen Glauben / und ich seinen Unglauben / biß ihn Gottes Barmherzigkeit erleuchtete / daß er seine nichtige falsche Götzen fahren / seiner armen Seele rahten ließ / und den wahren einigen Gott bekennete. Also sehet ihr nun / Gn. Fr. Mutter /daß meine damahlige Leibeigenschafft / welche die meinen vor einen sonderlichen Unfal und Straffe rechnen / mir ungleich besser und heilsamer / als meine Freiheit und Fürsten Stand / ja als mein zeitliches Leben gewesen sey / weil eben dieselbe mich an solchen Ort gebracht hat / wo selbst mir die heilsame Lehre zur künfftigen himlischen Seligkeit hat können mitgeteilet werden / und hat mein Gott an mir erfüllet / was ein grosser Christlicher Lehrer Paulus genant /an einem Orte schreibet / daß denen / die Gott lieben /alle Dinge / dz ist / nicht nur die glüklichen / sondern auch die wiederwertigen Dinge zum bestẽ dienen müssen. Sehet / herzliebe Fr. Mutter / also hat mein wunder-gnädiger Gott mich geführet / uñ sich über mich erbarmet / welches mir doch der hellische Feind nicht gönnen wollen / der sich durch seine Werkzeuge die leidigen Pfaffen bemühet hat / mich und meinen heiligen Glauben bey meinen lieben Eltern in Verdacht zubringen / ob hatte ich mich zu einem häuffen gottloser frecher Buben gesellet / welche nichts als üppigkeit und Schande begehen / abscheuhliche Vermischungen / heimlichen Mord und zäuberische Künste: reiben / die wahre Gottheit verachten / und mit kurzen zusagen / die ärger als das tumme Vieh leben /und nit werd seyn / daß sie der Erdbodem trage und ernähre. Nun stelle ich euch aber diese meine Geselschafft dar / umb nachzusinnen / ob jemand unter ihnen allen sey (dann wir sind Gott Lob / alle eines Christlichen Glaubens) von dem ihr solchen gottlosen teuflischen Sinn euch auch nur vermuhten köntet /und hoffe zu meinem Gott / er werde den boßhafftigen Pfaffen auff ihren Kopff vergelten / was sie mir zugerichtet / und ihnen doch / Gott sey ewig Lob / nit hat gelingen müssen; dann ich vor mein Häupt bin ganz nicht willens / mich im geringstẽ an ihnen zurächen /weil ich dem / der über alles herschet / vorlängst schon alle Sache und Rache befohlen und heimgestellet habe. Hierauf fing Baldrich an: Ja mein Herr Bruder; freylich hat das teuflische Pfaffengeschmeiß alle Lügen-mittel hervor gesuchet / Eure Liebe bey unsern geliebten Eltern schwarz und verhasst zumachen / und kenne ich die Redlensführer sehr wol / denen mit der Hülffe Gottes kan gelohnet werden. König Ladisla mischete sich mit ein / und fing also an: Großmächtigster GroßFürst / Gn. Herr Vater; ich erinnere mich / was Gestalt ich der erste gewesen bin / der Euer Liebe meines Herkules Christentuhm zuwissen gemacht / und seine Schreiben von Rom übergeschicket / auch dazumahl grosses mißfallen an solcher seiner Enderung getragen; aber niemahls habe[536] ich mir einbilden können / daß seine Tugendhaffte Seele einen solchen Glauben solte angenommen haben / in welchem man zu allen Lastern Freiheit suchete und fünde; dann ich bin seines Lebens und Wandels bester Zeuge; so gedenke mein Herr Vater nicht / daß dieser sein Sohn / den alle Welt liebet und ehret / des wegen nach seinem Vaterlande verlangẽ getragen hat /daß er dereins die Herschafft daselbst überkähme /wiewol er von Gottes und Rechtswegen der billiche Erbe ist / dafern er überleben sol; sondern bloß die Begierde seine Eltern zusehen / und deren Wolfahrt zusuchen / hat ihn über Meer und Land gefũhret / da er sonst das trefflichste Fürstentuhm Morgenlandes /nehmlich Susiana wol besitzen möchte / in welchem mehr Goldgülden / als in Teutschland Pfennige zuheben sind / welches ihn auch so lange er lebet / vor seine Obrigkeit erkennen / und ihm jährlich und alle Jahr / drey Toñen Goldes übermachen wird / ob er sich gleich dessen zuentbrechen / äusserste Bemühung angewendet hat. Und wann gleich dieses nicht währe / so stehet ihm zu Rom der gleichmässige Gewalt- und Ehren-Stuel neben dem Käyser schon fertig / wann er sich nur darauff setzen wolte. In betrachtung dessen alles / wolle nun mein Herr Vater den Unwillen gegen seinen Sohn gänzlich fallen lassen; da er auch durch falsche Verleumdungen hintergangen ist / wird er mit Gottes Hülffe erfahren / wann er meinem und der ganzen erbaren Welt Zeugniß nicht gläuben kan / was vor einen Sohn er allen fro en zum besten an diese Welt gezeuget hat. Der GroßFürst hatte diese ganze Zeit ũber sich des Königlichen Ansehens sehr verwundert / welches Ladisla zuhalten wuste / hörete auch aus seinen ernstlichen Reden / daß ihm sein Vor bringen von Herzen ging / und antwortete ihm also: Großmåchtigster König / geliebter Herr Sohn; es ist nicht ohn / daß mein Vaterherz aus Mißverstand meinem Sohn der Gebühr nicht begegnet ist / aber bloß aus Furcht der Götter / deren Ehre ein jeder Mensch ihm billich låsset angelegen seyn / als lange er sie vor Götter achtet. Meinen Sohn habe ich nie vor einen Freund der Laster gehalten / aber wol dieselben / welche ihn zu dem neuen Glauben verleitet / weil man mirs dazumahl einmühtig also vorgetragen hat / und ich dessen nunmehr viel eines andern berichtet werde. Nun kan ich zwar den begangenen Irtuhm nicht allerdinge entschuldigen / dann ich hätte der blossen Anklage und Verleumdung nicht sollen alsbald Gehör geben / sondern der Verantwortung erwarten; jedoch kan mein Fehler / wie ich meyne / leicht verbessert /und das unterlassene ersetzet werden. Vor dißmahl hat meine Seele ihre völlige Vergnügung / daß der gütige Gott mir meine Söhne / Töchter und Anverwanten auff einmahl hat wollen zuschicken / von denen ich meinete / keinen nimmermehr wieder zusehen; Insonderheit aber / und vor allen andern / bin Euer Liebe ich hoch verpflichtet / daß dieselbe meinem lieben Sohn Herkules so geträue Geselschafft / und ein besser Herz / als seine Eltern selbst / hat erzeigen wollen / werde mich auch äusserst bemühen / es nach allem Vermögen zuersetzen. Nachdem es aber sehr späte ist / wil mir nicht gebühren / Eure Liebden ingesamt von der Ruhe noch länger auffzuhalten / in betrachtung / sie heut in der Schlacht ihre volle Arbeit gehabt / und ich selbst deren in etlichen Nachten sehr wenig genossen / ich auch nicht gläuben kan / daß in 24 Stunden einiger Schlaff in ihre Augen kommen sey; überdas werden wir geliebts Gott morgen zeitig gnug beyde Hände vol zurahten und zuschaffen finden. Dem Frauenzimmer wahr solche Erlassung nicht unangenehm / und begab sich ein jeder nach seinem Schlaffzelte / die Ruhe[537] einzunehmen / wiewol die GroßFürstin ihrer lieben Tochter wegen die ganze Nacht schlafloß blieb / und ihrer Trähnen nicht schonete.

Inzwischen lag dieses Fräulein mit ihrem lieben Fürsten auff dem Häu in grosser Herzens Angst / und hätte ohn Zweiffel vergehen müssen / wann der verliebte und nunmehr zimlich befriedigte Arbianes sie nicht mit allerhand TrostReden gestärket hätte. Dann die auß geschikten Reuter gingen schier die ganze Nacht / und kahmen vier unterschiedliche Hauffen an / da einer in der Güte / der ander mit pochen wissen wolte / ob nicht die in Himmelblau gekleidete Jungfer des weges hergeführet währe / aber von Wolffgang alle einerley Bescheid bekahmen / worüber dem lieben Fräulein der Schlaff bald verging / daß sie zu Arbianes sagete; ach mein teurer Schatz / hülffen uns doch die Götter nur auß dieser Gefahr / alsdann wolte ich an weiterem glüklichen Verfolg nicht groß zweiffeln. Hingegen stellete er sich geherzt und baht sehr /sie möchte ihr doch gefallen lassen / ein stündichen oder etliche zuschlaffen / damit sie durch Müdigkeit an der künfftigen Reise nicht verhindert würde; worin sie ihm endlich gehorchete / legete sich neben ihn /wickelte die Kleider fest um sich / und schlieff immerhin biß an den lichten morgẽ. Ehe dañ der Tag anbrach / trat Wolfgang zu Arbianes / und sagete in aller stille zu ihm; er fürchtete sehr / die Jungefrau würde in ihren schönen Kleidern schwerlich durchkommen / es liessen sich im Felde hin und wieder zustreuete Völker ohn Waffen sehen / als ob sie flüchtig währen / welche dann der Beute am meisten pflegeten nachzutrachten / daher hielte sein alter Vetter vor rahtsam / daß er Pferd und Harnisch nach der Stad brächte / und daselbst schlechte Bürger Kleider entlehnete / in welchen sie den geringen Weg zu Fusse gingen / welcher in anderthalb Stunden wol könte geendiget werden; wũrden demnach diesen Tag sich alhier auffhalten müssen / biß gegen Abend / dann wolte er sie im langen Korn biß vor die Stad bringen /da sie nach-gehends keine Gefahr mehr zufũrchten hätten. Arbianes lies ihm den Vorschlag wolgefallen /reichete ihm 20 Kronen / davon er alte Kleider und gute frische Speisen bezahlen solte / und legete sich noch eine Stunde schlaffen / biß die Sonne am klaren Himmel schiene / und durch den offenen Giebel ihre Strahlen auff sie warff / wodurch ihm der Schlaff gebrochen ward / daß er sich recht gegen sein Fräulein übersetzete / und die volko ene Schönheit ihres Angesichts betrachtete / dessen er so eigentlich noch nicht wahr genomen hatte. Das Brustbildichen stellete er neben sie / umb zu erforschen / ob es eigentlich getroffẽ währe / da er als ein Kunstverständiger einẽ zimlichen Mangel befand / dann die lebendige Farbe ihres zarten Angesichts wahr ungleich schöner als des Gemäldes / daß er endlich anfing: O du allerschönstes Engelchen / ist dann nur Böhmen und Teutschland so glũkselig / die volkommene Zier hervor zubringen / so muß ich ja billich von den glükseligsten mich mit rechnen daß ich in Teutschland kommen / und so hohe Gunst und Liebe bey diesem wunderschönen Fräulein erhalten habe. Das Fräulein erwachete / da er diese Rede anhuhb / stellete sich doch als schlieffe sie / um zuvernehmen / was vor eine Endschafft er seinem Wunsche geben würde; da er also fort fuhr: O mein Gott / wie sol ich doch der unvergleichlichen GroßFürstin Valiska gnug danken / daß sie mein Herz auffgemuntert / und die Kühnheit in mich gebracht hat / um dieses allerschönste Tugend ergebene fromme Fräulein zuwerbẽ / der ich mir sonst vorgenommen hatte / mich in meiner verborgenen Gluht selber zu verzehren /[538] und dieses Gemälde / welches doch den tausendsten Teil an ihre Schönheit nicht reichet / Zeit meines wenigen übrigen Lebens zuverehren. O aller liebreichstes Fräulein / wann wird die höchst gewünschete Stunde erscheinen / da an dieser volkommenen Schönheit / nach so langen unaußsprechlichen Liebes Schmerzen / in züchtiger ehelicher Liebe und vergnügung ich mich ersättigen werde? er wolte weiter reden / aber das Fräulein / welche ohn das sehr mitleidig wahr / kunte ihm ohn Bewägung länger nicht zuhören; so hatte sie auch ihren lieben Fürsten noch nicht recht beschauet / wie er ungeharnischt von Leibe und Angesicht eigentlich gestaltet währe / schlug deßwegen ihre klare Augelein auff / und empfand wegen getahner ehelichen Zusage nicht geringe Schahm im Herzen. Als sie ihn nun in seiner dünnen Kleidung vor sich in den Knien sitzen / und das Gemählde in der Hand halten sahe / richtete sie sich auff / daß sie gegen ihn zusitzen kam / und nach Wünschung eines frölichen morgens rühmete sie / wie sanfft und wol sie nach außgestandenem Schrecken auff diesem Häu geschlaffen hätte / auch sonsten sich sehr wol befünde Aber mein Hochwerter Fürst / sagte sie mit einem freundlichen Anblik / hat auch Eure Liebe etwas Ruhe gehabt? ach in was grosse Sorge / Angst und Gefahr ist er doch meinet wegen gerahten / da sonst / wann ich nicht währe / er in seinem trefflichen Großfürstentuhm wol ruhig und sicher sitzẽ / und aller zulässigen Wollust geniessen möchte. Hierauff setzete er sich zu ihr an die Seite / umfing sie mit inniglichen küssen / daß sie ihm einzureden nicht umhin kunte / hernach antwortete er ihr also: O Sonne aller Schönheit / O einiger Glanz und wärmender Strahl meiner Seele! schätzet mein Fräulein mich diese Stunde vor unglükselig / in welcher ich der allergrössesten Wollust genossen / und das volkommene Meister Stük des gütigen Himmels / an der Vortreffligkeit ihres wunderschönen Angesichts betrachtet habe? Mein Seelen Schätzchen / gläubet mir / daß mein Herz in grösserer Freude niemals geschwebet hat. Mein Fräulein / ihr / ihr seid mein Großfũrstentuhm; ihr seid meine sichere Wollust / und die einzige Ruhe aller meiner auffwallenden Gedanken / ohn welche nach diesem ich keine Stunde werde ruhen können. Ja hette der Himmel Eure Liebe gleich im nidrigen Baurẽ Stande lassen gebohren werden / und nur dieses Hütlein ihr eigentuhm wäre / wolte ich mein Medisches GroßFürstentuhm gerne damit vertauschen /und mich zum Haußknechte hieher vermieten / nur daß ich der allerdurchdringendesten Strahlen dieser voll-schönen Augelein (die Er zugleich kũssete) in meiner Seele empfinden / und gegenwärtig geniessen möchte. Die innigliche Liebe wolte ihm nicht mehr worte gönnen / sondern er saß als ein gehauenes Bilde mit unverwendeten Augen / dem allerschönsten Angesichte seiner Herzgeliebeten Fräulein gerade entgegen; wodurch das keusche fromme Herz durch mitleiden der Gestalt bewogen ward / daß sie selbst wünschete / schon bey ihren Eltern zuseyn / damit sie seine Seele in keuscher ehelicher Liebe völlig befriedigen könte; vor dißmahl aber boht sie ihm einen züchtigen Kuß / legte ihr Häupt an seines / streich ihn mit der zarten Hand über seine Augen und Angesicht her / und sagete; ihr mein ehren-höchstgeliebeter Fürst und Erretter / was finden doch eure Augen an mir sonderliches / welches eine solche unerhörete Liebe in eurem Hochfürstlichen Herzen erwecken solte / daß ihr um meinet Willen den Großfürstlichen Stand verlassen / und in bäurischer Knechtschafft euch zubegeben einwilligen woltet? vielleicht hat Libussa Euer Liebe etwas von mir erzählet / welches sich doch im wenigsten bey[539] mir nicht finden lässet; es sey aber wie ihm wolle / so befinde ich mich nicht allein unwirdig solcher gar zugrosser Liebe / sondern auch hart verpflichtet / dieselbe nach äusserstem vermögẽ mit allem Gehorsam / und was meinem Fürsten kan behäglich seyn / zuersetzen / dessen ich auch / sobald wir bey den lieben meinigen ankommen werden /mich in keinem begehreten und mir zuleisten möglichen Stücke entbrechen wil. Arbianes hatte sich wieder erhohlet / zog das Fräulein auff seine Schoß / und betrachtete ihr Angesicht mit sonderlicher Anmuht; hernach erinnerte er sich ihrer Reden / daß sie sich vor unwirdig so grosser Liebe gescholten hätte / und beantwortete es folgender Gestalt / in dem er sie immer steiff ansahe; O du unvergleichlicher Pracht aller Schönheit / sagete er; ja du volkommenes Muster der jungfräulichen Tugend und Wirden; könnet ihr beyde zugleich der Zungen es so gar ungestraffet hingegen lassen / daß sie sich an euch so hoch vergreiffet / und eure Werdigkeit in zweiffel zihen darf? mein löbliches und liebliches Seelichen / höret auff / euch selbst zuverachten und gebet nicht Ursach / daß ich etwas an euch hassen solte / welches mir doch unmöglich ist / gläubets bey meinem äide / daß es meinem Herzen lauter tödliche Stiche sind / wann ich solches anzuhören gezwungen werde / daß ihr unbarmherziger Mund wider die herliche Volkommenheiten wütet; lasset / bitte ich / die Warheit meiner Reden frey gehen / und tadelt nicht / was Gott selbst über andere weit erhoben hat. Was solte mir Libussa vorgeschwätzet haben? zwar ich lasse sie in ihren Wirden /als eine adeliche verständige Frau / aber von meiner Liebe hat ausser meiner Fr. Schwester kein einiger Mensch ein Wort auß meinem Munde gehöret / auch GroßFürst Herkules selber nicht. Ach mein teurer Fürst / antwortete sie; eben als wann auff diesem unachtsahmen Häu ich mich von ihm zu solchem Stolze würde auffblasen lassen / daß ich mich wirdig schätzete / um deret Willen wol Großfürstliche Herren zu Bauer Knechten gedeien solten; nimmermehr wird mein Schaz ein solches bey mir erhalten / ungeachtet ich mich schon zu allem möglichen Gehorsam / wie billich / verbunden habe; dann ein solches würde mich unwirdiger machen / als kein Ding in der Welt; aber wie mein Fürst; werden wir uns nicht schier zur Reise fertig machen / oder müssen wir den starken Grase Geruch uns noch heut den ganzen Tag unser Häupter füllen lassen? Arbianes erzählete ihr was gestalt sie vor abends wegen Unsicherheit nit auffbrechen dürften / würden auch ihre Kleider mit bũrgerlicher schlechter Tracht verwechseln müssen / damit sie ohn angefochten in die Stad kähmen. Ach ach! antwortete sie / es währe alles wol angelegt / wann nur meine wenige Schönheit / wie geringe sie auch ist /mich nicht verrahten möchte daß ich etwas mehr als Bürger-Standes bin. Darauff habe ich mich bey Zeiten geschikt / sagte er / und mit einem Kunstpulver mich versehen / damit ich mein Fräulein unkäntlich gnug machen / und der Farbe nach / sie wie ein heßliches Bauren-Mägdlein zurichten wil / daß ihre Eltern selbst sie nicht kennen sollen; nur scheue ich mich /ihrer außbündigen Schönheit diesen Schimpf anzulegen / und möchte die Sonne am Himmel selbst auff mich zürnen / daß ich ihr das anschauen eurer trefflichen Zierde / durch diesen Nebel entzihen wolte. Ach nein ach nein mein Fürst / antwortete sie / wie würde ich ihm hernähst in solcher heßlichen Gestalt gefallen können? hat Eure Liebe eine zimliche vergnügung an meiner wenigen Schönheit / so beraube er mich derselben nicht / es sey dann daß die unvermeidliche Noht es erfodern würde. Der Fũrst merkete ihren Irtuhm /[540] und sagete; solte ich ihrer Schönheit Abbruch zutuhn mich unterstehen können? ehe müste meines Lebens Fadem selbst gebrochen werden. O nein nein mein Fräulein / diese Meinung hat es durchauß nicht; sondern mein Pulver streichet ihr eine heßliche Farbe zwar an / aber die ich / wann michs geliebet / abwischen und vertreiben kan. Ey das währe ein gutes mittel durchzukommen / antwortete sie / daß wir aber die lange Zeit vertreiben mögen / so wolle mein Fürst / bitte ich / mir unbeschweret erzählen /wie mein lieber Bruder Baldrich zu so schleuniger Heyraht kommen sey / und was vor ein Fräulein er gefreyet / dann ich erinnere mich / daß er gestriges Tages seiner Gemahl gedacht hat. Arbianes wahr ihr hierin gerne zugefallen / wiederhohlete alle begebnissen zu Padua / und mischete zugleich Siegwards Heyraht ein; wodurch sie die Zeit biß an den Mittag verzehreten / da Wolffgang wiederkam / gute Speise und Trank in einem Trage Korbe neben alter Kleidung herzubrachte / auch dabey berichtete / es streiffeten hin und wieder Wendische und Friesische Reuter /mehrenteils hart verwundet / welche einhellige Zeitung brächten / die Sachsen und Böhmẽ hätten ihr ganzes Heer erleget und den alten Wendischen Fürsten im Streite lebendig gefangen / daß zubefürchten stünde / es würde gantz Frießland und andere einverleibete Landschafften in ihre Gewalt gerahten. Ey Gott Lob / sagete das Fräulein / so wird der gottlose Räuber zweifels ohn mit dem Halse bezahlen müssen. Schwerlich kan ich solches gläuben / antwortete Arbianes / wofern er sonst nur demütig seyn / und zum Kreuz kriechen kan; dann GroßFürst Herkules und sein Gemahl sind viel zu barmherzig / und ihren ärgesten Feinden zuvergehen so willig / als boßhafftig jene immer seyn mögen / sie zubeleidigẽ / dessen ich so mannichen Beweiß mit meinen Augen angesehen /daß jederman sich ũber solche Gelindigkeit zum höchsten verwundern muß. Ey so wünsche ich dem verwägenen Menschendiebe ein auffgeblasenes trotziges Herz / sagte sie / daß er nicht ungestrafft uñ mit dem Leben davon komme / er dürffte sonst dereins gelegenheit suchen / sein Schart wieder auszuwetzen /und möchte der lezte Betrug wol ärger werden als der erste. Ich wil nicht hoffen / antwortete er / daß wir uns dessen vor ihm werden zubefürchten haben / dann zum wenigsten wird man ihm die Finger dergestalt beschneiden / daß er des kratzens nicht mehr machen kan; nur möchte ich wol wissen / wie seines Sohns Tod ihm gefallen werde. Sehr lieb / sehr angenehm wird ihm derselbe seyn / antwortete sie; dann über einem Raub / der ihrer / dem Himmel sey Dank / keinem bescheret wahr / entstund eine solche unversöhnliche Feindschafft zwischen Vater und Sohn / daß wo meine Brüder und Freunde diese scheidung nicht gemacht hätten / würden sie ausser allem Zweifel sich unter einander auffgerieben haben / massen aus des Sohns Munde ich selbst gehöret / es müste ihm sein Vater in der Liebe / oder durch den Tod weichen /oder aber er wolte seinen Kopff dran strecken. Es verließ sich aber dieser auff der gemeinen Kriegsknechte und der Häuptleute Gunst und Beistand / welche er als einen Mann auff seine seite gebracht hatte; hingegen verfuhr der Vater mit Troz und Verwägenheit /welcher / nach meines Herr Vaters Meynung / den Sohn in kurzer frist mit eigener Faust erwürgen / oder durch einen Meuchelmörder es verrichten würde. Ich vernehme / sagte Arbianes / der Sohn sey schon einmal mit meinem Fräulein auff der Flucht gewesen /und wieder eingehohlet worden. Ja / antwortete sie; so bald er auff der Reise verstund / daß sein Vater selbst willens währe / mich zuheirahten / suchete[541] er gelegenheit / mir solches zuoffenbahren / nebest dem Vorschlage / dafern ich sein Gemahl mit gutem Willen werden wolte / hätte er ein Mittel erdacht / mich davon zubringen; welches mein Vater mit einer zweifelhafften Zusage beantwortete / und von ihm die äidliche Verheissung nam / daß er mich / ehe wir ingesamt in völlige Freiheit gesetzet währen / nit berühren wolte. Worauff er zwar mit mir davon ging / des Vorsatzes / mich in der Römer Gebiet hinzuführen /aber er ward von seines Vaters Leuten zu frũh an ausgekundschaffet / und zurük gehohlet. Wir werden uns aber vor dißmahl in solchem Gespräch mässigen / uñ uns an die Speisen machen / weil es hohe Zeit ist / das Mittagsmahl einzunehmen. Er ließ sich darzu leicht bereden / legte dem Fräulein vor / und assen mit gutem Lust; Hernach setzeten sie allerhand Unterredungen fort / biß es zeit wahr / sich zu der Reise oder Wanderschaft fertig zumachen.

Unsere Fürstliche Geselschaft feirete desselben Tages auch nicht / dañ so bald der Tag anbrach / ward zu allererst durch das ganze Lager ausgeruffen / daß der GroßFürsten älterer Sohn / Fürst Herkules aus der Fremde wieder zu Lande geschlagen / und bey der Fũrstlichen Versamlung sich befünde / währe eben der ertichtete Persische Gesanter / Valikules / unter angenommener fremder Gestalt / welcher die Schlachtordnung gestellet / die Völker an den Feind geführet / und durch seine Tapferkeit die überwindung erhalten hätte; und ob dieser trefliche Held gleich vor diesem bey seinem Herr Vater währe angetragen / als ob er einen schändlichen Glauben angenommen / der Tugend abgesaget / und ein Feind aller Erbarkeit / des Vaterlandes / und der Teutschen Freyheit worden währe / so hätte doch sein H. Vater nunmehr das Wiederspiel gnugsam erfahren / und daher diesen seinen lieben Sohn gerne und willig zu Gnaden auff und angenommen / welcher hingegen sich gnug und übergnug verpflichtet / seine unverschuldete Verleumdung / als welche aus unwissenheit / und falschem Geschrey entstanden / an keinem einigen Menschen zurächen / ungeachtet ihm sehr wol bewust währe / daß ihrer gar wenig Ursach und Schuld daran trügen / denen doch ohn Nachfrage solte verzihen und vergeben seyn. Diesen Raht gab Herkules selbst /damit die anwesende Pfaffen / die sich bey dem Heer funden / keinen Auffstand seinetwegen erwecken und aus furcht der Straffe uneinigkeit machen solten. Das Heer / welches gleich umb erläubnis zur Plunderung anhielt / erfreuete sich dieser Zeitung sehr / insonderheit die gemeinen Knechte / als denen wol bekant wahr / was gestalt Herkules vor acht Jahren die Gewaltsamkeit etlicher ädlen von ihnen abgekehret / und sie in gute Freyheit gesetzet hatte / stelleten ein grosses Freudengeschrey an / Unser junge GroßFürst Herkules lebe; und begehreten untertähnig / daß er sich ihnen zeigen möchte / als welchen sie vor ihren Erlöser hielten / und ihn in langer Zeit nicht gesehen hätten. Er wahr hierzu willig / ritte neben seinem H. Vater und Bruder Baldrich hinaus / da ihnen alle Völker entgegen jauchzeten / er aber nach gegebenem Wink / daß er gerne von ihnen möchte gehöret seyn /also anfing: Ihr ädle und freie Teutschen alhie versamlet; was vor herzliche Vergnügung ich an eurem guten Willen trage / kan ich mit Worten nicht aussprechen; gläubet mir aber / als einem redlichen Ritter und gebohrnen Teutschen Fürsten / daß ich nimmermehr unterlassen werde / vor das Vaterland und die Teutsche wolher gebrachte / und bißher löblich erhaltene Freyheit / wieder alle und jede Feinde / Römische und Unrömische zu fechten / und aller deren Anfal und feindseligkeit[542] abzutreiben / als lange ich einen warmen Blutstropffen bey mir verspüre. Ich bin noch niemahls meines Vaterlandes oder der der Teutschen Feind worden / dessen ich mein Gewissen / und denselben Gott zum zeugen nehme / welcher Himmel und Erden beherschet; wie auch die wenig Teutschen / so mit mir aus den fremden Låndern wieder zu Hause angelanget / und sich unter euch befinden / bezeugen werden. Darumb so bleibet auch ihr hinwiederumb beständig / und eurem GroßFürsten / meinem Gn. Herr Vater / auch uns seinen beyden Söhnen getråu /als angebohrnen Untertahnen in ihrer ungestöreten Freyheit gebühret / und versichert euch / daß ihr an uns dreyen habet / welche vor euer Heyl und Wolfahrt ihr Blut zuvergiessen / und ihr Leben in die Schanze zuschlagen sich nimmer wegern werden. Der alte GroßFũrst fing darauff an: Ihr meine redliche auffrichtige Teutschen / und liebe geträue; in diesem Ritterzuge habt ihr mir eurem GroßFürsten euer Herz dargelegt / und augenscheinlich sehen lassen / wie fest ihr mir anhanget und zu meiner Rettung gefliessen gewesen seid / welches euch mit allen väterlichen Gnaden sol vergolten werden. Diesen meinen Sohn Herkules hat mir der Himmel wieder zugeschikt / welchen ich frey und unschuldig finde aller falschen und lügenhaftigen aufflagen / deren ihn etliche haben zeihen wollen / welches weil es aus unverstand und unwissenheit geschehen ist / sol ihnen nochmahls durchgehend verzihen seyn; vor dißmahl gehet hin die Beute einzusamlen / welche ihr gestriges Tages durch eure sieghaften Fäuste habt erstritten; inzwischen werden wir dasselbe abzuhandeln vornehmen / was zu unsers Teutschen Reichs Wolfahrt / Ehre und Auffnahme dienet. Es erhub sich abermahl ein grosses Freudengeschrey / welches sehr wüste durcheinander ging / und machte das Heer sich darauff nach der Wahlstat / da sie mehr bey den Erschlagenen funden / weder sie gehoffet hatten. Die gesamten Fürsten aber / denen Fr. Valiska auff des alten GroßFũrsten begehren beywohnen muste / hielten Raht / was weiter würde vorzunehmen seyn / da sie einhellig schlossen / man solte gleich mit dem Heer in Frießland gehen / sich aller feindtähtligkeit enthalten / und bey den Stånden des Landes vernehmen / ob sie sich gutwillig bequemen /und einen von des GroßFũrsten Söhnen vor ihren König annehmen / oder des wolbefugeren Kriegszwanges wolten gewärtig seyn. Wũrde das erste stat haben / alsdann solten des Landes schwere aufflagen alsobald und wirklich abgeschaffet / und alle Inwohner ein ganzes Jahrlang aller gewöhnlichen Schatzung erlassen seyn; ihre Gerechtigkeiten solten bestätiget /die Zölle geringert / die Frohndienste auss leidlichste gemässiget / uñ alles in den uhralten Stand gesetzet werden. Im wiedrigen würden ihre Dörffer verbrennet / ihre Städte verstöret / ihre Güter geraubet / die Weibsbilder geschändet / sie selbsten in harte Dienstbarkeit hinweggeführet / und das Land mit neuen Inwohnern besetzet werden / weil ohn alle gegebene Ursach / sie den mit ihrem lezten Könige auffgerichteten Frieden gebrochen / indem sie mit dem Wendischen Erzräuber ihre Macht zusammen gesetzet zu / nicht allein der schåndlichen Entfũhrung / sondern auch der Schlacht beygewohnet / und alle feindliche bezeigung vorgenommen hätten. Nach gemachtem diesen Schlusse ward umbgefraget / was mit dem gottlosen Råuber Krito wũrde vorzunehmen seyn; da Herkules vor gut ansahe / dz der Bube Niklot allererst vorgeno en / und nach befindung gestraffet würde / welches in des alten GroßFũrsten abwesenheit geschahe / als welcher ihn seines ausschauens nicht wirdigen wolte. Als derselbe vor dieses Hochfürstliche[543] Gericht gestellet werden solte / begehrete er zuvor vergünstigung /mit seinem gefangenẽ Fürsten zu reden / welches alle Fürsten ihm zu wegern willens wahren / ohn daß Ladisla riet / man könte ihm solches gönnen / jedoch daß es in Leches und Prinsla gegenwart geschehen solte. So bald Niklot zu seinem Fürsten nahete / empfing derselbe ihn also: Sihe da mein lieber geträuer /sind wir also beyderseits unter der Feinde Ketten und Banden gerahten? es ist mir sehr lieb / daß du zu mir komst / nach dem ich ein und anders in diesem Unfal mit dir zubereden habe; ihr beyden aber / sagte er zu Leches und Prinsla / tretet mit der ũbrigen Wache etwas ab / damit ich diesem meinen Geträuen anzeigen möge / was meinetwegen eurem GroßFürsten sol vorgetragen werden. Wir sind unter des gefangenen Wendischen Fürsten gehorsam nicht / sagte Leches /sondern bereit und schuldig unsern gnädigsten Herren zugebohte zustehen / deren ausdrũklicher befehl ist /daß wann sie miteinander reden wollen / solches laut /und in unser gegenwart geschehen solle. Wil man mir verbieten / mit meinen Leuten zu reden? sagte Krito /daß würde ein ungütlicher handel seyn. Fürst Krito hat keine Leute mehr / antwortete Leches / sondern sie sind unter des Teutschen GroßFürstẽ Gewalt; so haben wir uns darüber nicht zuzanken; befahl auch den Steckenknechten / mit Niklot wieder davon zugehen. Welcher aber also anfing: Mein Herr / sagte er zu Leches / gönnet mir zuvor ein Wort mit meinem Gn. Fürsten zu reden / wie mir solches von euren Gnn. Fürsten erläubet ist. Wendete sich hernach zu Krito / und sagete: Gn. Fürst uñ Herr / eure Hochfürstl. Durchl. weiß uñ sihet / wie unglüklich unser Anschlag gerahten ist / in welchem ich mich als ein geträuer und gehorsamer Diener habe lassen gebrauchen / und nichts über Befehl getahn / fürchte aber sehr / man werde solches nicht ansehen / sondern allerhand Ursachen / mich hart zustraffen / hervorsuchen; doch helffen die Götter / daß Eure Hoch-Fürstl. Durchl. einen guten und ehrlichen Vergleich erhalten mögen / alsdann wil ich mit Freuden vor ihre Wolfahrt sterben. Mein Kerl / sagte Leches / ob du würdest sterben müssen / wird solches gewißlich nicht vor eines andern Wolfahrt / sondern wegen deines befindlichen Verbrechens geschehen / würde euch auch beyderseits die Demuht und Anruffung der Gnade viel zuträglicher seyn / als solcher Stolz und eigene Rechtfertigung. Als auch Leches des Wendischen Fürsten weiteres Großsprechen nicht anhören wolte / eilete er mit Niklot davon / welcher als er vor die Versamlung der Fürsten trat / fragete er ohn einige Ehrerbietung /ob sich geziemete / einen redlichen gefangenen Ritter und freyen Herren des ädlen Wendischen Volkes mit Hundes Ketten zubelegen. Worauff Ladisla ihm antwortete: Du stolzer und verwägener Tropff wirst ohn mein erinnern wissen / daß du deine wolverdienete Ketten nicht als ein Ritter / oder freier Herr / wie du dich nennest / sondern als ein gefangener Räuber /Menschendieb / und Beleidiger eines grossen freyen Fürsten trägest. Hastu nun etwas einzuwenden / welches dich von solcher kurzen aber sehr harten Anklage frey machen kan / wird man dir mehr Gnade erzeigen / als du gedenken magst. Ein Diener / antwortete Niklot / wann derselbe tuht und verrichtet / was seine höchste Obrigkeit ihm aufleget und anbefihlet / sol und muß wegen seines Gehorsams vielmehr gerühmet / als gescholten werden / woher wird man dann ursach finden köñen / ihn zustraffen? Wann ein Diener auff seines Herrn Befehl etwas gutes und löbliches verrichtet / wiederantwortete Ladisla / ist es lobens wert; aber die Bosheit und übeltaht muß so wol an dem[544] Knechte / der sie verrichten hilfft / als an dem Herrn /der sie anstifftet / gestraffet werden; wiewol man sich hierũber mit dir einzulassen nicht gesinnet ist / sondern weil du nicht leugnen kanst / was vor grosse und unverschämte Beschimpfung du nichtwerter Tropf dem Großmächtigsten herschenden GroßFürsten der Teutschen durch Verrähterey / Meinäid / und schändliche eigentähtliche Beleidigung angetahn hast / soltu einen kurzen Abtrit nehmen / und deiner wolverdienten rechtmässigen Urtel gewärtig seyn. Er wolte in seiner Großpralerey fortfahren / fing auch schon also an: Ein redlicher Diener ist seinem Herrn gehorsam wider alle seine Feinde und Beleidiger; und weil der Sachsen GroßFürst sich als einen solchen / durch Unwerdhaltung der Heyraht mit seiner Fräulein Tochter / gegen meinen mächtigen Fürsten. Aber es ward ihm alhie gebohten zuschweigen / und musten die Häscher mit ihm hinweg eilen / da dieser Bube noch wol über Gewalt / und Gehörs Verwegerung sich beschweren durffte. Die Fürsten fasseten eine geschwinde Urtel in die Feder / gingen davon / und hinterliessen Neda / dieselbe dem gefangenen vorzulesen / und ohn Verzug / auch ungeachtet alles einwendens /selbe an ihm zuvolstrecken; Welcher dann den gefangenen vor sich foderte / und ihm diesen Todes Spruch vortrug: Demnach des Wendischen Fürsten Kriegs Bedieneter / Nahmens Niklot / nicht allein freiwillig gestehet / sondern es noch als eine lobwirdige Tahtrühmet / daß er den herschenden GroßFürsten aus Teutschland durch falschen äidschwuhr von seinem Schlosse gelocket / und wider versprochene Träue / nebest seinem Gemahl und Frl. Tochter / nicht ohn spötliche Verhönung gefänglich angenommen /auch seine Diener mördlich erschlagen / und man überdas gnugsame Nachricht hat / daß er solches unredliche Vorhaben nicht allein gut geheissen / sondern es seinem Fürsten selbst an die Hand gegeben / und dessen alles ungeachtet gar keine Demuht und Reue erscheinen lassen / noch einige Gnade begehret / Als sol ihm auch das gestränge Recht ohn Gnade wiederfahren / und sein hohes Räuberisches und Menschendiebisches Verbrechen dergestalt eingebracht werden /daß man ihn zwanzig Schrit von dieser Gerichtsstelle nach dem Lager zu / lebendig spiessen sol / und solches von Rechtswegen / andern dergleichen gottlosen Buben zum Beyspiel / uñ ihm selbst zur wolverdienten Straffe. Der Räuber entsetzete sich über dieser Urtel / daß er zitterte und bebete / dann er hatte ihm nicht einbilden können / daß ihm ein hårteres als das Richt Schwert dürffte angemuhtet werden. Zwar er wolte nunmehr anfahen sich zustellen / als währe ihm sein Verbrechen leid / und hielt umb Gnade an / aber es wahr zu spåht / dann Neda wahr mit Leches und Prinsla schon davon gangen / und seumeten die Henkers Buben nicht / die Urtel zuvolstrecken / da sie ihm anfangs die Hände auff den Rücken bunden / ihn oben auff den spitzigẽ Pfahl setzeten / und ihn darauff zogen / daß die Spitze ihm zur rechten Schulder ausging / und er etliche Stunden lang unsäglichen Jammer trieb. Unterdessen berahtfragete sich unsere Fürstliche Geselschafft / mit was vor Straffe der Verrähter Krito solte beleget werden / da von König Ladisla an / welcher seine Meynung zuerst sagẽ muste /biß an den alten GroßFürsten / welcher ihm den Schluß vorbehielt / alle Stimmen dahin gingen / es solte / könte und müste das grobe Verbrechen nicht gelinder als mit dem Leben gebůsset werden; womit der GroßFũrst einig wahr / und dabey anzeigete / wie er willens währe / diesen Menschendieb mit sich nach Teutschland gefangen zuführen / und ihn auf der Stelle enchäuptẽ[545] zulassen / woselbst er den verrähterischen Raub begangen hatte. Welches alle anwesende in des GroßFürsten freyen Willen stelleten /ohn allein Valiska hielt solches nicht vor rahtsam /und brachte dagegen dieses vor: Gnädigster Herr Vater; ich bin zu jung und unverständig / Eurer Gn. Willen und Vortrag zutadeln oder zuverbessern / erinnere mich auch meines weiblichen Geschlechtes / daß mir nicht geziemen wil / in dergleichen Gerichtligkeiten mich einzumengen; aber eure väterliche Gewogenheit gegen mich / gibt mir die Kühnheit / meinem Herr Vater dieses zubedenken vorzustellen; obs nicht vorträglicher seyn würde / daß der boßhaffte Räuber vor unserm Auffbruche seinen Lohn empfinge; dann also würden die Land Stände dieses Reichs nicht vorzuschützen haben / ihr Reichs-Verwalter / dem sie mit äid und Pflichten verbunden / lebete noch / und ob er gleich gefangen währe / hätte man doch Hoffnung zu seiner Erledigung / welches die Handelung gewaltig auffzihen und hinterhalten / und wol ursach zu aller hand Ungelegenheit geben dürffte. Ja wie bald könten sich etliche zusammen rotten / einen sonderlichen Dank / nicht allein bey ihm / sondern auch bey dem Dänischen Könige seinem Schwager zuverdienẽ / als welcher schon damit schwanger gehet seinem Sohn dieses Königreich / nicht ohn Nachteil und Gefahr des Teutschen Reichs / in die Hand zuspielen / wie er darzu vermeynet nicht wenig ursach und recht zuhaben / nachdem der ohn Leibes Erben verstorbene König seiner Schwester Sohn gewesen. Ich geschweige / daß es von allenthalben her an Vorschrifften / den Räuber zubegnaden / nicht ermangeln wird / denen man offt / wie ungerne auch / weichen muß. Hingegen / wann er kalt ist / bricht sich solches fast alles auff einmahl; Die Untertahnen / als von ihrem äide hiedurch entlediget / werden unsere Macht scheuhen /und vor unsern Waffen sich demühtigen; ja vielleicht der Dänische junge Fürst selber / als ein berümter friedliebender und gerechter Herr / dürffte seine Festung / darinnen er sich auffhält / in der Gũte abtreten / nach dem man ihm vielleicht da es eurem väterlichen Willen also gefiele / mit dem Wendischen Fürstentuhm an die Hand gehen könte. Der GroßFürst verwunderte sich zum höchsten ihrer vernunfftreichen Anführungen / umfing sie mit einem Kusse / und gab zur Antwort: Meine herzgeliebete Fr. Tochter hat recht und wol geurteilet / und kan ich mir solches sehr wol gefallen lassen. Ward demnach Prinsla abgefertiget / nachdem Niklot eine gute halbe stunde zuvor gespiesset war / dẽ gefangenẽ Krito diese Urtel mündlich vorzutragẽ: Nachdem er Krito der Wenden Fürst sich sehr wol eriñern würde / und durchaus nit leugnẽ könte / wie unredlicher / verrähterischer uñ räuberischer weise er den Großmächtigsten GroßFürsten /samt seinem Königl. Gemahl und Frl. Tochter / unabgesaget / und unter dem schein einer freundlichen Beredung / durch seinẽ meinäidigẽ Niklot hintergangẽ /gefangẽ geno en / uñ aus seinem eigenẽ Reiche hinweg geschleppet / auch sonst allerhand unverantwortliche Händel vorgenommen / die keinem ehrliebenden Menschen / geschweige einem Fürsten und Königlichen Vorsteher zustũnden / so hätte er sich dadurch nicht allein der Königlichen Verwaltung dieses Friesischen Reichs / sondern auch feines eigenen Wendischen Fürstentuhms / ja seines Leib und Lebens verlustig gemacht; solte demnach auff ernstlichen Befehl des großmächtigsten Großfũrsten der Teutschen /Herrẽ Henrichs / und Beltebung des auch Großmåchtigsten Königes auß Böhmen / Herren Ladisla / dann auch der beyden Durchleuchtigsten Großfürstlichen Herren als Herrn Herkules[546] und Hern Baldrichs / und endlich des auch Durchleuchtigsten Königlichen Schwedischen Fürsten Siegwards / sich zum willigen Tode gefasset halten / und nicht unerschrockener zur empfahung der Straffe seyn / als verwägen er gewesen / solche zuverdienen / wie dann nach Endigung einer Stunde er durch des Nachrichters Hand als ein gewaltähtiger Strassen Räuber und Menschen Dieb vom Leben zum Tode mit dem Schwerte solte hingerichtet werden. Der Fũrst erschrak der gesträngen Urtel hefftig / machte aber doch ihm Hoffnung / es würde zum Schrecken angesehen seyn / daß er seiner Königlichen Verwaltung sich desto leichter begäbe / daher er diese Antwort gab: Gehet hin Ritter / uñ nähst Vermeldung meiner Dienste und Grusses / zeiget der hochgedachten Fürstlichen Geselschafft an / daß ob ich gleich auß Liebes Zwang habe eine Taht begangen / die ich nicht aller Dinge zuverantworten weiß / so ist sie dannoch der Wichtigkeit bey weitem nicht / daß sie nicht auff andere Weise / als mit meinem hochfürstlichen Blute solte können / abgetragen und gebüsset werden; vielmehr zeiget ihnen an / sie haben wol und fleissig zuerwägen / was vor ein Gewaltiger und mit vielen Königen und mächtigen Fũrsten nahe befreundeter Fürst ich bin / dessen Blut auff unerhörete Weise von den Pannoniern / Pohlen / Dänen / Wenden / und andern Völkern würde an ihnen sämtlich / und an ihren Helffers Helffern gerochen werden; dann auch daß ich nicht der erste Fürst bin und gefunden werde / der auff solche Weise / die ehmals vor rühmlich und Tapffer gehalten worden / ihm ein wirdiges Gemahl gesuchet hat; daher ich bey ihnen bitlich begehre / sie wollen mich dieser schmählichẽ Hafft entnehmen / ihrem Väter-Brüder- und schwägerlichen Willen mir zuneigen / und durch freundwillige Außfolge des Durchleuchtigsten Fräuleins mich vor einen Schwieger Sohn / Bruder und Schwager auff und annehmen / alsdann wil ich nicht allein dem Großfürsten oder seiner Herrẽ Söhne einem die Verwaltung dieses Königreichs willig abtreten / sondern auch die gar zu kühne Entfühung mit einer ansehnlichen Geldbusse ersetzen / welche sie mir nach ihrer Höffligkeit aufflegen werden. Prinsla wolte ihm diesen Dienst nicht versagen / vermahnete ihn gleichwol / seines verbrechens etwas bessere Erkäntniß sehen zulassen / und hinterbrachte diese Werbung an behörigen Ort / deren sich die Fürstliche Geselschafft nicht gnug verwundern kunte /gaben ihm endlichen Bescheid / und liessen ihn wieder hingehen / welcher nach empfangenem Befehl den Gefangenen also anredete; Krito / euer anmuhten ist sehr stolz und unverschämt / welches keine Stat finden kan / und lassen vor höchstgedachte meine allergnädigste und gnädigste Herren euch hiemit schließ-und unwiederrufflich andeuten; ob ihr euch darauff beruffet / erstlich / daß ihr Fürstliches herkommens /und mit hohen Häuptern nahe befreundet seyd / hättet ihr eben dasselbige ja auch von dem Großmächtigsten Großfürsten wissen und bedenken sollen / als an dessen Hochheit ihr gewaltsahme Hand unverwarnet legetet. Hernach / daß dergleichen boßhaffte Raub- und Entführung wol ehemals vorgangen und von unverständigen Gewalttähtern gelobet / sey dieselbe auch wol ehemahl am Leben gestraffet / wann man des Räubers hat können bemächtiget seyn; und gesetzet /daß frevelmühtige Wüteriche solche gottlose Art zu heyrahten vortrefflich mögen geschätzet haben / können sie doch dessen sich nicht bereden lassen / solches mit gut zuheissen; vernehmen aber noch nicht /wie ihr dieses verantworten oder beschönen wollet /daß ihr einen so mächtigen Beherscher Teutschlandes[547] nicht allein Verrähterlich hintergangen / sondern ihn nebest seinem Gemahl als Hunde fort schleppen / und kaum nöhtigen Leibes Unterhalt habt abfolgen lassen / wie sie dann gestriges Tages ungegessen und ungetrunken auff euren außdrũklichen Befehl haben in der Hitze zubringen müssen / welcher Schimpf von ihnen höher als die Ermordung selbst gerechnet wird / daher es weder mit Abtretung einer Verwaltung (deren ihr schon wirklich entsetzet seyd) noch Außzahlung etlicher Gelder / wans gleich etliche hundert Tonnen Goldes währen / sondern durchauß mit eurem Blute muß außgesöhnet werden / wornach ihr euch zurichten /und nach verlauff einer halben Stunde den Tod so willig antreten werdet / als wolbedacht und vorsetzlich ihr die Freveltaht an so Großfürst- und Königlichen Hocheiten begangen / und überdas noch neulich den Großmächtigsten König in Böhmen nicht wenig beschimpffet habt / welches mit eigener Faust an euch zurächen er keines weges unterlassen würde / wann ihr nicht als ein Ubeltähter schon verdammet währet. Das wil ich nimmermehr gläuben / antwortete Krito /daß man mit einem herschenden Fürsten und Königlichen Verwalter dergestalt verfahren wolle. Ich weiß nicht anders / sagte Prinsla / als daß der Stab schier über euer Håupt solle gebrochen werden / und alle fernere Einrede nur ein Uberfluß sey. Ging hiemit davon / und ließ den Gefangenen in erschreklicher Herzensprast sitzen / welcher nunmehr den Ernst spürend / einen von der Wache absendete / Prinsla zurũcke zuruffen / welcher aber zuvor nach der Fürstlichen Geselschafft ging / und neben getahner Antwort berichtete / daß Krito ihn hätte zu sich fodern lassen. Also gab man ihm zum drittenmahle Unterricht / und ließ ihn gehen / ward auch von dem Gefangenen mit neuer Hoffnung empfangen / welcher inständig um Gnade anhielt; er wolte sich seines Fürstentuhms auff ewig verzeihen / und in Polen weichen / daneben äidlich angeloben / keine Ansprach nimmermehr an sein Fürstentuhm zuhaben; hoffete gänzlich / man würde ihm hierin zu Willen seyn / weil mit einer Hand vol Blut ihnen wenig / ja gar nichts gedienet währe. O nein / gnädiger Herr / sagte Prinsla / ein solches darff ich meinen allergnädigsten Herrn nicht hinterbringen / massen dieselben mit euch in keine Handelung sich einlassen / sondern als einen auff scheinbahrer Ubeltaht ergriffenen euch bestraffen wollen /als welcher durch seinen Raub zu so grosser gestriger Blutstürzung Ursach gegeben / daß ganze Bächlein Menschen-Blutes haben müssen rinnen / und demnach ihr so gewiß mit dem Kopfe bezahlen müsset /als gewiß ich lebe / weil derselbe euch zu dieser unverantwortlichen Taht verleitet hat. Die Hochfürstliche Geselschafft würde auch eurem äyde wenig zutrauen haben / sondern mit Polen ein neues Feur befürchten müssen / angesehen eures Vaters Bruders Sohn / welcher doch ein redlicher Fürst ist / daselbst die Herschafft führet; so ist über das nunmehr schon bey Leibes Straffe verbohten / daß kein Mensch eurer Begnadigung gedenken sol; man hat euch vor der Schlacht billiche Vorschlåge getahn / die habt ihr hochmühtig verachtet / und dadurch die Gnaden Zeit versessen. Demnach verzeihet mir / daß ich euch nicht gehorsamen kan. Als Krito hierauß merkete / daß seine ertichtete Demuht nicht helffen wolte / ließ er seinen Trotz hören und sagete; Was solte man einem Herschenden Fürsten des Henkers Schwert anbieten /und um einer Liebetaht Willen ihm den Tod ansagen /der bißher ein Furcht und Schrecken aller seiner Feinde / auch der Römer selbst gewesen ist? dahin müste es noch in langer Zeit nicht kommen / sondern zuvor dz[548] oberste zu unterst gekehret werden / dürffte auch eine solche Rache drauff erfolgen / daß Kindes Kinder darüber zuklagen hätten; darum gehet hin / und warnet eure Herren / daß sie sich nicht selbst in das unvermeidliche verderben stürzen / welches auff meinen Tod nohtwendig erfolgen muß. O mein Herr dräuet ja nicht / sagte Prinsla / ihr habt gewißlich nicht mit Kindern und furchtsamen Memmen / sondern mit Fũrsten und Tapffermuhtigen Helden zutuhn / deren Muht und Macht unüberwindlich ist; bedenket demnach vielmehr wie ihr wol sterben möget / weil euch zuleben nicht mehr möglich ist. Wie nun zum Henker / antwortete Krito / nennestu Lecker mich nur schlecht hin einen Herrn / und weist daß ich der Großmächtige freie Beherscher des unüberwindlichen Volkes der Wenden bin? Er wolte in seinem Trotze fortfahren /aber Prinsla fiel ihm in die Rede und sagete: Du bist aber auch ein boßhafftiger Räuber und Menschendieb / und viel zu wenig in deinen Banden / daß du einen redlichen Ritter beschimpffen / und vor einen Lecker schelten soltest; hast dich auch zuversichern / daß wann du dem Henker nit schon zugesprochen währest / ich bey meinem allergnädigsten Könige leicht erhalten wolte / es mit dir durch einẽ ritterlichẽ Kampf auszutragen / worzu ich dich aber nunmehr / nicht als einen gewesenen Fürsten / sondern als einen schmäh süchtigen schändlichen Räuber / der seiner übeltaht überwiesen ist / unwerd halte. Hiemit ging er von ihm hinweg / vol Zorn und Grimmes / daß er diesen Schimpff muste ungerochen über sich gehen lassen. So bald er den Fũrsten solches hinterbrachte / ward das Gericht gehäget / Siegward / Fabius / Leches und Neda zu Richter verordnet / uñ Gallus befohlen / mit dem Scharff Richter und seinen Steckenknechten hinzugehen / welcher die gesprochene Urtel an dem boßhafften Räuber ohn verweilen volstreckẽ / auch wañ er mit willen nicht nach der Richtstat gehen wolte /ihn durch sechs Kriegsknechte dahin schleppen lassen / und ihm den Schedel herunter schlagen solten. Der Scharff Richter / als er zu dem gefangenen in das Zelt trat / ward er von ihm ganz verwägen gefraget / was sein begehren währe. Worauff er antwortete: Der Fũrst würde ihm gnädig verzeihen / und sichs gefallen lassen / die Volstreckung der Urtel von seiner Hand gutwillig anzunehmen / weil es anders nicht seyn könte. Was? sagte Krito / woltestu ehrloser Schelm einen herschenden Fürsten berühren? geschwinde packe dich hinweg aus meinen Augen / und sage deinem GroßFürsten / ich lasse ihn wegen dieses unleidlichen Schimpffs zum Kampffe auff Leib und Leben ausfodern. Dessen habe ich keine Volmacht / sagete dieser / sondern ich frage nochmahls / ob der Fũrst willig mitgehen wolle / alsdann wil ich oder meine Diener keine Hand an ihn legen; wo nicht / ist mir aufferlegt / den Fürsten hinzuschleppen / und das Nachrichter Amt zuvolstrecken / da der Fürst wählen kan / was ihm beliebet / dann ich bin schuldig meines Gn. Herrn Befehl nachzukommen. Hier fing Krito an zuzittern und zu beben / drängete sich in einen Winkel / und rieff ohn unterlaß bald über Gewalt / bald umb Gnade. Gallus redet ihm etwas tröstlich zu / und ermahnete ihn / sich des mitgehens nicht zuwegern /es möchte leicht bey der Gerichtsstat durch bitte mehr Gnade / als hieselbst durch Widerspenstigkeit zuerhaltẽ seyn. Also ließ der erschrockene Mensch sich bereden / und ging hin. Er ward aber auff Befehl des Weges hergeführet / woselbst Niklot am Spiesse steckete / und ein über alle masse grosses Elende betrieb /kennete ihn doch nicht / und fragete Gallus / was dieser arme Mensch so schwer verbrochen hätte / daß man so grausam mit ihm[549] verführe. Mein Herr / antwortete er / es ist der verwägene Schelm / welcher meinen gnädigsten GroßFürsten durch falschen Schwuhr in die Gefängniß gebracht. Was? sagte er /ist das mein getråuer Niklot? So sol sein Nahme seyn / antwortete Gallus. Krito entsetzete sich über der harten Straffe / daß ihm alle Krafft entging / trat ihm näher / und sagete: Du mein geträuer Niklot / dein Jammer gehet mir sehr zu herzen / weil ich dir aber nit helffen kan / wünsche ich dir einen schleunigen Tod zu Abhelffung deiner unleidlichẽ Pein. Dieser sahe zwar seinen Fürsten an / aber weil ihm die Vernunfft aus übergrosser Pein schier vergangen wahr /antwortete er nichts / sondern brüllete vor Angst immerhin wie ein Ochse / trieb auch mit den gebundenen Händen und freyen Füssen solchen Jammer / daß alle Zuseher ein Abscheu daran hatten / und doch bekenneten / er hätte noch wol ein mehres verdienet. Krito kunte seine wehmühtige Trähnen nicht einzwingen /uñ begehrete an Gallus / daß dem redlichen Ritter seine Pein verkürzet würde. Aber er antwortete ihm: Währe er ein redlicher Ritter / dürffte er nicht am Pfale stecken / weil aber sein begangener hoher Verraht solches verdienet / muß er andern zum Abscheuh und Schrecken ihm diesen Lohn gefallen lassen / biß ihm Gott den Tod zuschicket; und nimt mich wunder über wunder / daß der Fürst nicht erkennen kan noch wil / wie hohe Beleidigung dem Großmächtigsten GroßFürsten in seinem eigenen Reiche / unter dem schein eines guten Willen / von ihm und diesem seinem verrähterischen Niklot angetahn ist. Dieser schwieg stille darzu / taht gleichwol als wann ers beantworten wolte / aber als er sahe / daß er schon bey dem Gerichte angelanget wahr / stellete er sich vor die obgedachte Richter / und fragete / wer sie währen / dz sie sich unterstehen dürfften seine Richter zuseyn / da er doch keines Menschen Oberbotmässigkeit unterworffen währe. Siegward gab ihm zur Antwort: Es könte ihm gleiche viel seyn / wer sie währen / nachdem er leicht zuerkennen hätte / daß sie von dem Großmachtigsten GroßFürsten verordnet währen /ihm seine wolverdiente Straffe anzusagen. Ich höre eurer keinen / wiederantwortete er / sondern wil und muß den GroßFürsten selber sprechen / dem ich durch meine entschuldigung ein solches Vergnügen geben werde / daß er meines Blutes nicht begehren wird. Habt ihr / Krito / so erhebliche entschuldigungen sagte Siegward / die sollet und müsset ihr vor uns euren Richtern anmelden / oder in dessen verwegerung die Endurtel über euch nehmen / massen der Großmächtigste GroßFürst seinen frechen / unbefugten und meinåidigen Räuber vor seinen Augen nicht dulden kan. Er wolte antworten / sahe sich aber ohngefehr nach der linken Hand umb / und ward gewahr /daß seines Sohns Leichnam daselbst in der nähe auff dem Rücken lage / welches ihn wunder nam / und zu den Richtern sagete: Ehe ich mich weiter mit euch einlasse / begehre ich zu wissen / auff was weise dieser mein ungerahtener Sohn / welcher ohnzweiffel meines Unglüks und der erlittenen Niederlage die gröste Ursach ist / umbkommen sey. Leches gab ihm auff Siegwards befehl zur Antwort; Dieser sein Sohn /weil er Zeit wehrender Schlacht sich hätte dũrffen gelüsten lassen / dz Durchleuchtigste Fräulein als einen Raub über den Iselstrohm davon zu führen / hätte man ihn verfolget / ertappet / und als einen Räuber nidergehauen / daß er noch also dem wolverdienetem Henkersschwert entgangen währe. Ihm ist recht geschehen / antwortete Krito / massen er seinem leiblichen Vater das Herz hat stehlen und die Seele rauben wollen. Euch aber ihr vermeineten Richter frage ich nochmahl / was[550] euch hat können so verwågen machen / daß ihr einen freyen mächtigen Fürsten vor Gericht zu fodern / und einige Urtel anzudräuen / euch unterstehen dürffet / noch ehe und bevor seine Sache erörtert ist? Siegward gab ihm zur Antwort: Was bedarff eure Sache des erörterns? stehet eure freche ũbeltaht nicht Sonnenklar vor Augen? so müsset ihr demnach billich leiden / was ihr dem Großmächtigsten GroßFürsten / welcher euch und die eurigen niemahls beleidiget hat / zugemässen habet / welchen ihr ausser zweiffel umb keiner andern Ursach willen diebischer weise aus seinem Reiche hinweg geführet / als daß ihr durch seine schändliche ermordung alle Rache von euch abkehretet / und euch wol gar zum GroßFürsten über die Teutschen machetet / nachdem ihr den Wahn hattet ergriffen / daß keine Teutsche junge Herschaft mehr im Leben währe. Dieses ist ja eine solche Taht die ohn allen zweifel das Leben verwirket / und an deren bestraffung andere eures gleichen ein Beyspiel nehmen und sich spiegeln müssen / auff daß sie hin fort sich scheuhen / solcher boßheit sich zu unterfangen. Weil ihr dann gleich jetzo die Urtel selbst ũber euren Sohn gesprochen habt / daß ihm recht geschehen sey / und derselbe doch viel bessere entschuldigung einzuwenden gehabt hätte / so werdet ihr ja erkennen / daß euch als vornehmsten Uhrheber dieser schändlichen Entführung / weder unrecht noch gewalt geschehe / wann ihr mit gleichmässiger Straffe beleget werdet. Daß ihr aber auff euren freien Fürstenstand euch beruffet / so müsset ihr bedenken / das Gott und das Schwert euer Oberherr sey / welche euch als einen Räuber und Menschendieb aus solchem Stand gehoben und in die Fessel gelegt / auch gleich jetzt fertig sind / eure begangene schli e Boßheit abzustraffen. Krito redete ihm ein / er solte sich mässigen einen so grossen und gewaltigen Fürsten vor einen boßhafften / und desgleichen auszuruffen / seine Taht währe bey weitem so schlim und unverantwortlich nicht / als man sie ihm aus egen wolte / würde ihm auch leicht seyn / daß auffgebürdete von sich abzulehnen / uñ der ganzen erbaren Welt darzutuhn /daß er keines weges mit mörderischen Gedanken umbgangen / und also den Tod nicht verdienet hätte; dero behueff er keine längere / als sechswöchige Frist begehrete / welche man ihm keines weges würde versagen können. Krito / antwortete Siegward / ihr suchet Zeit und weile / nicht eure Taht zurechtfärtigen /welches euch unmöglich ist; sondern euren Kopf zu retten / welches nicht geschehen kan; lase ihm demnach die Urtel vor / also lautend. Der gewesene Wendische Fürst Krito / weil er an dem Großmåchtigsten GroßFürsten der Teutschen die allerschelmichste Verrähterey begangen / so jemahls von einem Fürsten ist erhöret worden / und der gerechte Gott ihn in des verrahtenen Hände und gewalt zur Straffe überliefert hat / sol und mus der Gerechtigkeit / allen seines gleichen Verråhtern zur Warnung und abscheuh / ein genügen geschehen / und dieser Verrähter durch des Henkers Schwert vom leben zum Tode gebracht werden. Krito wolte sich dawieder bedingen / aber Leches winkete dem Scharfrichter / welcher hinter dem Verurteileten stund / daß er mit der Volstreckung verfahren solte; derselbe nun zohe ganz leise das Richtschwert aus /und schlug ihm also stehend den Kopf vom Rumpfe glat hinweg / daß er ohn sonderliche Todesangst dahin fuhr. Worauff seinem Sohn der Kopf auch abgeschnitten / und beyde auff Spiesse gestecket wurden / da sie von dem ganzen Heer und allen Gefangenen musten beschauet werden; es wurden sonst noch 36 vornehme Wenden an Bäume / nach empfangener harten Geisselung / auffgeknüpffet / als welche bey[551] der Verrähterey sich hatten wirklich gebrauchen lassen /und weil der Tod den Niklot nicht durch die Spiessung so bald würgen wolte / ward endlich ein Stec kenknecht befehlichet / ihm das Herz abzustechen. Drey Stunde vor Abends brach der GroßFürst mit dem Heer auff / und ging damit Nordwerz nach der Vechte auff Frießland zu / blieben auff der Grenze liegen / und enthielten sich aller tähtligkeit / sendeten aber an die Stände und Städte / daß nach empfangener angebohtenen schrifftlichen Gnade sie sich stündlich erkläreten / oder des Ernstes gewärtig seyn solten. Als sie auff dem Zuge wahren / kahmen die ausgeschikten Reuter Schaarsweise wieder an / aber kein einiger wuste das geringste von Arbianes oder dem Fråulein zu sagen / dessen die Fürstliche Geselschaft von herzen betrübt ward / ohn Valiska hatte noch gute Hoffnung / und fragete / vor was Leute sie sich im nachfragen ausgegeben hätten; uñ als sie antworteten /weil es in Feindes Land wåhre / hätten sie sich vor Wendische Reuter angemeldet; ward sie dessen sehr unwillig / und sagete: Hiedurch habt ihr trauen die allergrösseste Narrey und Tohrheit begangen; dann meiner ihr nicht / daß der Fürst mit dem Fräulein sich etwa in einem Dorffe heimlich verstecket habe / und bey seinem Wirte durch Geschenk und Verheissungen es leicht dahin gebracht / daß sie ihn ungemeldet gelassen? Hättet ihr euch vor die ihr seid / angegeben /was gilts / ihr würdet sie schon angetroffen haben. O nein mein Schaz / sagte Herkules / so leicht glåubet man einem nachforschenden Reuter nicht / daß man umb eines Worts willen sich ihm alsbald vertrauen solte; der almächtige Gott nehme sie in seinen väterlichen Gnadenschuz / sonst könten sie leicht in ungelegenheit / und unter die flüchtigen Wenden gerahten; gelebe aber der gänzlichen Hofnung / sie werden sich etliche Tage verbergen / biß die flüchtige Schaaren vorbey gangen sind / die sich nicht lange pflegen auffzuhalten. Baldrich scherzete drũber / und sagete: Ohn zweifel sitzet mein Bruder Arbianes mit meiner Frl. Schwester an Ort und Enden / welche er umb diß Königreich nicht vertauschete / nachdem ich mich nit erinnern kan / jemahls einen verliebetern Menschen gesehen zu haben. Sie sitzen / wie es ihnen beyden beliebt / sagte der Vater / wann sie nur frisch und gesund wieder bey uns anlangen; das übrige sey der göttlichen Versehung heimgestellet / und meiner geliebten Tochter Fr. Valiska / als deren ich sie in meinem herzen geschenket habe / sie nach ihrer wilkühr zuverheyrahten. Ich bedanke mich dessen kindlich und demühtig / antwortete sie / und wünsche nähst meiner herzallerliebsten Frl. Schwester Gesundheit nicht mehr / als daß mein Bruder Arbianes / das aufrichtige geträue Herz / diese Worte anhören möchte.

Diese beyde Verliebeten aber sassen denselben Tag noch immerzu auff dem starkriechenden Häu / und unter ihrem Liebes Gespräch und unnachlässigen kũssen beklageten sie dannoch / daß die ihrigen ohn allen zweifel ihres aussenbleibens sehr betrübt seyn würden / daher das Fråulein zu ihrem Liebsten sagete: Höchster Schaz / wir lassen uns unser Unglük wenig anfechten / und gedenken nicht eines auff das zukũnfftige; meynen vielleicht auf dieser Sträu immerhin zufaulenzen / oder im nähesten Städlein das Ende unsers Kummers zufinden / da es wol erst recht angehen möchte / massen unter der Vergnügung eurer herzlichen keuschen Liebe / mir dannoch mein Herz so schwer als ein Stein unter der Brust lieget / und mir nicht viel gutes verspricht; Ach daß doch meine liebe Eltern und Brüder nur wissen möchten / wo wir uns auffhalten / zweifelt mir nicht / sie würden schon ein zimlich[552] fliegendes Heer ausschicken / uns abzuhohlen / und dafern solches nicht geschihet / sehe ich nicht /wie wir durch die verschlagenen Völker sicher kommen werden / unter denen sehr wenig sind / die mich nicht kennen solten. Ja wer weiß / ob nicht unsere lieben Freunde uns ehe als erschlagene beweinen / als daß sie errahten solten / wir hätten auff diesem Häu unsere Heiraht abgeredet; auch dürffte ich allem ansehen nach / fast gläuben / die nächtlichen Reuter sind unsers Volks gewesen / und uns zum besten ausgeschikt / massen sie sich ja nicht als flũchtige anstelleten / und aber der Feind ja gänzlich sol geschlagen seyn / wie Wolfgang berichtet. Mein allerschönstes auserwähltes Fräulein / antwortete er / sie mögen Freund oder Feind gewesen seyn / der Almächtige Gott wird uns dannoch helffen / dem wir vertrauen wollen; Und O mein Gott / göñe uns beyden doch /unsere keusche Liebe durch schleunige Heyraht zuergetzen hernach beschere uns dereins die ewige Seligkeit / die dein Sohn uns armen Sündern erworben /und durch sein Verdienst zuwege gebracht hat; Inzwischen habe Geduld mit unsers Fleisches Schwacheit /und leite Zeit unsers Lebens uns auf dem Wege / den du uns selbst in deinem Heiligen Worte vorgeschrieben hast. O das ist wol ein guter und köstlicher Wunsch / sagte das Fräulein; was mich betrifft / wil meinem Fürsten ich wol äidlich versprechen / mich nach aller Mögligkeit der Zucht und Tugend zu befleissigen / und wolle Eure Liebe mir nur diese Gesetze vorschreiben / nach denen ich wandeln sol / und wie er meynet / ich unter des wahren Gottes Gnade verbleiben könne / denen wil ich zufolgen mich nimmermehr beschwerlich finden lassen. Ach mein herzgeliebeter Schaz / antwortete er / ich nehme ein solches erbieten von ganzem Herzen frölich an / wann euer Liebe mir nur in diesem Stük folgen / und den allein seligmachenden Christlichẽ Glauben ihr gefallen lassen wolte / welcher von euren Herren Brůdern und deren Gemahlen / auch von mir gutwillig und zu unser Seelen Wolfahrt angenommen ist / alsdann hätte Eure Liebe ich nichts mehr anzufodern / weil an ihrem Tugendergebenen Herzen mir zu zweifeln durchaus nicht gebühren wil. Solte ich mich dessen wegern? sagte sie; solte ich andere Götter ehren als mein Gemahl / oder einem andern Glauben anhangen? Ich nehme ja billig ein Beyspiel von meiner Fr. Schwester / und wie dieselbe sich alsbald nach meines Herrn Bruders Willen gerichtet / also wil ich ebenmässig mich hierin verhalten / insonderheit / weil zu diesem Glauben ich von der Zeit her grosses belieben getragen / wie Leches denselben meinem Herr Vater zu Prag so sehr rühmete; und noch mehr / nachdem Neklam dessen gegen mich absonderlich gedachte. Arbianes nam dieses erbieten mit herzlicher Vergnügung auff / und beteure / daß ihren Herren Brüdern und Frauen Schwestern diese Erklärung erfreulicher als ihre leibliche Errettung seyn würde; unterrichtete sie doch dabey / sie mũste nicht ihm / als ihrem Bråutigam zugefallen / sondern bloß aus Liebesbegierde zu der Erkäntniß des wahren Gottes / und zur Erlangung der ewigen Seligkeit solche Enderung ihres Glaubens vornehmen / dann sonst würde sie in ihrem Christentuhm keinen festen fuß setzen / sondern in stetem Wankelmuht bleiben / und nach Menschen Willen ihren Glauben endern und umwechseln / welches eine grössere Sũnde wåhre / als wann man aus Unwissenheit im Unglauben verbliebe. Hierauff unterrichtete er sie gar einfältig in den vornehmsten Stücken des Christlichen Glaubens / wie nur ein einiger wahrer Gott währe / und derselbe doch dreyfaltig; hiesse Vater / Sohn / uñ Heiliger Geist;[553] Dieser Gott hätte Himmel / Erde / Meer / und alles was drinnen ist / vor ohngefehr 4000 und mehr Jahren erschaffen /und den ersten beyden Menschen grosse Volkommenheit mitgeteilet / sie auch zu Erben der Seligkeit eingesetzet / welche aber von dem Teuffel zur Sünde sich verleiten lassen / und darüber unter Gottes Zorn zur ewigen Verdamniß / mit allen ihren Nachkommen /denen die Sũnde angebohren würde / gerahten währen; aber der ewige Sohn Gottes hätte sich über alle Menschen wieder erbarmet / und sie durch eine sonderliche Gnugtuhung wieder zu Gnaden gebracht /daß wann sie an denselben gläubeten / und im Christlichen gottseligen Wandel verharreten / ihnen die Seligkeit wiederum solte mitgeteilet werden. Diesen kurzen einfältigen Begriff trug er dem Fräulein vier oder fünff mahl nach einander vor / biß sie ihm denselben fast von Wort zu Wort (wie sie dann ein überaus herlich Gedächtniß hatte) nachsagen kunte / dabey sie unterschiedliche Fragen taht / umb alles desto desser zubegreiffen / und von ihm / so viel sein Vermögen kunte / guten Unterricht bekam. Hernach behtete er ihr dz Vater Unser / den Christlichen Glauben / und die Heiligen zehen Gebohte offt vor / daß sie solches alles gleicher gestalt ohn Anstoß hersagen kunte / jedoch wünschete / daß das Gebeht des HErrn ihr möchte etwas deutlicher erkläret werden / weil wegen der kurzen Bitten / so darin begriffen / es ihr etwas schwer vorkäme. Mein Herz / sagte er / ihr tuht sehr wol uñ weißlich / dz ihr begehret dasselbe zuverstehen / was ihr behtet / massen / wo ein Gebeht ist ohn Verstand /da ist keine Andacht / wo aber keine Andacht ist / da ist auch kein Gott wolgefälliges Gebeht / und erfolget auch darauff keine Erhörung noch Hülffe. Versichert euch aber / daß wann alle Menschen in der ganzen Welt / sie mögen so heilig / und in Gottes Wort und Erkäntniß so erfahren seyn / als sie immer wollen / sie doch kein besser / noch kũnstlicher noch volkommener Gebeht machen köñen / ja auch keines / welches in solchen Stũcken diesem gleich sey; massen in diesem kurzen Gebeht alles dasselbe begriffen ist /wessen wir von Gott zubitten bedürffen. Da wir anfangs sprechen: Unser Vater / der du bist im Himmel; anzudeuten / daß unser Gebeht nicht an irgend ein Geschöpff / sondern allein an den Schöpffer / an Gott muß hingerichtet werden / der in dem Himmel der Herligkeit / seine Almacht und Herschafft führet / und doch allenthalben gegenwärtig ist; denselben nennen wir unsern Vater / und solches aus Befehl unsers Heylandes / auff daß wir durch solchen süssen liebreichen Vater Nahmen sollen versichert werden / der allerhöchste Gott trage gegen uns ein Vaterherz / und wolle uns keine Fehlbitte tuhn lassen / gleich wie ein Vater seines lieben Kindes Bitte / nach seinem Willen angestellet / unerhöret nicht lassen kan. Also müssen wir durch diesen Vater Nehmen in dem Vertrauen zu Gottes Güte / gestärket werden / damit unser Gebeht nicht aus Zweifelmuht herrühre / welcher alles behten undüchtig machet. Hierauff folgen nun die sieben kurze Bitten in einer wolgefügten Ordnung. Dann sehet / mein Schaz / unsere höchste bemühung / ja alles unser tichten und trachten sol vornehmlich und vor allen Dingen dahin gerichtet seyn / daß es zu Gottes Ehren gereiche; daß nun solches von uns geschehen möge / bitten wir von Gott in der ersten Bitte: Du unser lieber himlischer Vater / gib und verleihe uns diese Gnade / daß dein Heiliger Nahme von uns nimmermehr geunehret / oder geschändet / sondern allemahl gebührlich geehret werde; daß wir in allem tuhn und lassen deine Ehre suchen. Das heisset: Geheiliget werde dein Nahme. Nähst dieser Bemühung[554] nach der Ehre Gottes / muß dieses unser vornehmstes seyn / daß wir mögen in der Gnade Gottes stets verbleiben / also / daß wir in diesem Leben wahre Gliedmassen seines Gnaden-Reichs / oder der Christlichen Kirchen; und in dem künfftigen ewigen Leben wahre Gliedmassen seines herlichen Reichs oder der himlischen Seligkeit seyn. Dieses bitten wir von Gott /wann wir in der andern Bitte sprechen: Zukomme dein Reich. Weil wir schwache sündige Menschen aber durch uns selbst nicht wissen uns also zubezeigen in unserm tuhn und lassen / als Gottes Wille erfodert /und wir allemahl wider Gottes Ehre handeln / wañ wir wider seinen Willen handeln / auch die angebohrne Sünde uns immerzu reizet / dasselbe vorzunehmen und fortzusetzen / was den fleischlichen Lüsten und Begierden lieb und angenehm ist / welches dann allemahl wider Gottes Willen / und folgends wider Gottes Ehre streitet / so müssen wir Gott den HErr bitlich ersuchen / daß wie die Heiligen Engel / und die Seelen der verstorbenen gläubigen Menschen nicht sündigen / sondern dem Willen Gottes sich in allem gemäß bezeigen / also wolle unser gnädiger himlischer Vater uns mit seinem Heiligen guten Geist erleuchten und fũhren / daß wir ja nicht wider seinen heiligen Willen handeln / das ist / daß wir ja nicht sündigen / sondern uns von Sũnden enthalten / und nach seinem Willen unser Leben anstellen und fũhren mögen. Sehet mein Schaz / dieses bitten wir von Gott in der dritten Bitte /wañ wir sprechen / Dein Wille (du lieber Himlischer Vater) geschehe / (werde bey uns und von uns im heiligen Wandel geleistet) wie im Himmel (von den Engeln und von den in die Seligkeit auffgenommenen Seelen) / also auch auff Erden (von uns annoch hieselbst lebenden Menschen). Darauff fahren wir fort / und bitten von unserm himlischen Vater / weil wir durch unsere eigene Krafft und Vermögen uns nicht können die leibliche Nahrung schaffen / sondern dieselbe als arme dürfftige Kinder aus Gottes Gnadenhand empfangen müssen / dz er uns solche Nahrung / als viel wir zu unsers Lebens Unterhalt bedürffen / alle Tage /biß an unser Lebens Ende bescheren wolle / und solche Lebens Nohtturfft heissen wir das tågliche Brod /da wir in der vierden Bitte sprechen: Unser tägliches Brod gib uns heute; Oder; gib uns alle Tage / wessen wir Zeit unsers Lebens zu unser Unterhaltung bedürffen. Weiters / so müssen wir uns erinnern / daß weil wir die Erbsünde an uns haben / und wir dieselbe nicht gänzlich ablegen können / so lange wir in dieser Schwacheit leben / sondern solche Erbsünde uns täglich zu sündigen anreizet / so daß wir nicht allerdinge uns von den Sünden der Schwacheit enthalten können; und aber auch solche Sünden uns die Verdamniß zuwendetẽ / wann sie uns nicht von Gott aus Gnaden vergeben würden; Gott aber dieselben niemand vergeben wil / als welche ihn in wahrer Busse herzlich darumb ersuchen; sehet so haben wir hoch von nöhten /daß wir unsern himlischen Vater anflehen / er wolle nicht mit uns handeln nach unsern Sünden / und uns nicht vergelten nach unser Missetaht / sondern uns dieselben um seines lieben Sohns JEsus Christus willen (welcher vor unser Sünde hat gnug getahn) gnädiglich vergeben; daher bitten uñ sprechẽ wir in der fünften Bitte: Und vergib uns unsere Schulde; unsere Sündenschuldẽ / auch diese / damit wir O Gott dich täglich aus schwacheit beleidigen. Wir setzen aber ganz merklich diese Wort hinzu: Als wir vergeben unsern Schuldigern. Gott hat uns befohlen / daß wann wir von andern beleidiget werden / sollen wir denen solches gerne vergeben / und sie deswegen nicht hassen noch anfeinden / so gar / daß wo[555] wir diesem Befehl Gottes zur brüderlichen Versöhnligkeit nicht nachstreben /sondern uns suchen aus eigener Bewägung zurächen /so wil uns Gott unsere Sündenschuld auch nit vergeben / damit wir ihn täglich beleidigen / sondern er wil uns unsere Sünde vorbehalten zur ewigen hellischen Verdamniß. Und solches hat uns unser Gott nicht allein in seinem Heiligen Wort gedräuet / sondern auch hieselbst in diesem Gebeht befohlen / daß wir uns selbst Gottes Straffe über den Halß bitten sollen /wann wir unsern Beleidigern nicht vergeben wollen; dann wir müssen ja außdrüklich sprechen: Gleich wie wir unsern Beleidigern ihre Beleidigung vergeben /also wolle und solle unser Gott uns unsere Sünde auch vergeben. Und eben dieses treibet uns Christen an / daß wir langmühtig sind / und unsern Feinden gerne vergeben. Das Fråulein fiel ihm hieselbst in die Rede / und sagte: Ich habe Gott Lob alles wol verstanden / was mein Schaz mir an stat einer Erklärung mitgeteilet hat / und ich solchen Verstand von mir selbst nicht würde gefunden haben. Aber es fält mir bey dieser fünften Bitte eine Frage ein / ob wir dann den Wendischẽ Räubern / Krito / Gotschalk / uñ ihren Gehülffen auch die Beleidigung vergebẽ / und sie des wegẽ ungestrafft lassen müssen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit selbst / daß solche Räuber und Gewalttähter gestraffet werden. Der Fürst antwortete: Mein Fräulein tuht wol / daß sie diesen Einwurff auffgelöset zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Sünde / welche vorsezlicher muhtwilliger weise begangen werden / als da sind / Mord / Raub / Diebstahl / Ehebruch und dergleichen / hat Gott in seinem Wort ernstlich gebohten / daß sie von der Obrigkeit gestraffet werdẽ / so gar / daß wo dieselbe inbestraffung solcher Boßheit nachlåssig ist / wil Gott diese Nachlåssigkeit hart und schwer an der Obrigkeit straffen; aber solche Straffe mus nit ergehen aus Nachgier oder sonderlicher Feindschafft wieder denselben der solche Boßheit verübet hat / sondern es mus geschehen aus Liebe zur Gerechtigkeit / und aus gehorsam gegen Gott; und mus doch inzwischen / wann die Obrigkeit selbst durch solche Ubeltähter beleidiget wird / mus sie zwar die Ubeltaht an den Tähtern straffen / aber doch so viel an ihnen ist / es dem Beleidiger vergeben / der dannoch dasselbe zur Straffe ausstehen mus was ihm Gott aufferlegt hat. Ein Mensch aber / der nicht Obrigkeit ist / und von seinem Nähesten beleidiget wird / mus nicht sein eigen Richter oder Rächer seyn /sondern der Obrigkeit es klagen / derselben es als Gottes Dienerin in die Hand geben / und in allem ohn Rachgier verfahren. Jedoch ist niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn / wann er von einem andern mördlich überfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden /sagte das Fräulein / und ist mir mein zweifel dadurch benommen / wolle demnach mein Schaz in Erklärung der übrigen zwo Bitten fortfahren. Die sechste Bitte /antwortete Arbianes lautet also / Und führe uns nicht in versuchung. / Die versuchung ist zweyerley; Eine heilsame / und eine schädliche Versuchung. Die heilsame rühret her von Gott / und ist diese / wann er uns zeitliches Unglük zu schicket / durch welche er uns von den weltlichen Lüften abzihen / und zu seinem Gehorsam leiten; oder dadurch er unsere Geduld und Beständigkeit im Glauben prüfen und bewehren wil. Welche Versuchungen / weil sie uns gut und zur Seligkeit beföderlich sind / müssen wir von Gott willig annehmen / und nicht wieder seine Schickungen murren / sondern nur bitten / daß Gott gnädig seyn /und dieselben uns nicht zu schwer machen wolle. Die andere Versuchung ist die schädliche / da ein Mensch versuchet oder angetrieben wird zu einer oder[556] andern groben Sünde / oder wann er wegen der begangenen Sünde versuchet und angetrieben wird zur Verzweifelung; welche aber nicht von Gott herrühret / sondern von dem Teuffel / von den gottlosen verführischen Leuten / und wol von unserm eigenen bösen willen des üppigen Fleisches. Daß wir nun in dieser sechsten Bitte sprechen: Du lieber himlischer Vater / führe du uns nicht in Versuchung / ist also zuverstehen; du gnädiger Gott / gib es doch dem Teuffel / oder den gottlosen Menschen / oder unsern sũndlichen Begierden nicht zu / daß wir von ihnen durch schädliche Versuchungen zur Sünde / noch hernach zur Verzweifelung verführet werden / sondern steure und wehre denselben / und wende solche Versuchungen gnädiglich von uns abe. In der siebenden und lezten Bitte fassen wir nun alles zusammen / daß uns Gott von allem schädlichen übel Leibes und der Seele erlösen wolle / und solches alles wolle er nach seiner Gnade durch seine Kraft an uns verrichten. Welches wir mit einem gläubigen Amen beschliessen / durch welches Wort wir bezeugen / wir haben den ungezweifelten Glauben / und die Hoffnung zu Gott unserm himlischen Vater / er werde uns umb seines lieben Sohns willen erhören / und uns die Bitte geben /die wir von ihm gebehten haben. Nach geendigter dieser Auslegung des Vater unsers / ermahnete er das Fräulein / daß wann unser Gott uns Unglũk und Wiederwertigkeit zuschickete / müsten wir nicht unwillig auff ihn werden / oder gar von ihm abfallen / sondern wann er uns gleich gar tödten und umbkommen liesse / müsten wir ihm doch nicht umb ein Haar weniger /als in der höchsten Glükseligkeit anhangen / und solche zeitliche Straffen vor eine väterliche und gnädige Züchtigung erkennen / als welche zu unser besserung uns allemahl angelegt würde / damit wir in dieser Welt gleichsam als durch ein Feur geläutert / an der ewigen Seligkeit nicht Schiffbruch erlitten. Schließlich beschrieb er ihr die unsägliche Freude des himlischen ewigen Lebens durch Gottes eingeben (wir ers dann ehmahls in den Predigten gehöret hatte) so fein und anmuhtig / daß sie daher eine sonderliche Wollust in ihrem Herzen empfand / und sich verpflichtete / sie wolte alles Unglük / was ihr auch begegnen würde / geduldig ertragen / und zu Gott das feste vertrauen haben / es währe ihm ja so leicht / sie von diesem Häu / da es ihm gefiele / wieder auff ihres Herrn Vaters GroßFũrstliche Schloß zubringen / als sie durch räuberische Entführung davon auff dieses Häu gerahten währe. Daß ist recht und wol geredet / mein herzgeliebtes Fräulein / sagte er; zweifele auch nicht /der barmherzige Gott werde uns mit seinen Gnaden-Augen ansehen / und erinnere ich mich GroßFürst Herkules täglichen trostes / da er stets zu sagen pfleget: Ich bin gewiß / und dessen versichert; daß unser Gott geträu ist / der uns nicht lässet versuchen über unser vermögen / sondern schaffet endlich / daß die Versuchung also ein Ende gewinne / daß wirs können ertragen. Ja wann uns Gott gleich eine Kreuzes- oder Unglüslast wegen unser Sünde aufflege / so helffe er doch allemal uns dieselbe tragen / lege seinen Gnaden Hand unter und hebe selbst nach; und wann wir müde sind /alsdann nehme er sie gar von uns hinweg / und werffe sie ins Meer. Mit diesen und andern tröstlichen Reden machete er das liebe Fräulein so standfeste / daß sie sich erklärete / wann es eine solche beschaffenheit mit dem Unglük hätte / daß uns Gott solches nicht aus Zorn / sondern / wie er sagete / unsern Gehorsam zu prũfen aufflegete / so möchte sich ja ein Mensch glükselig schätzen / wann ihn Gott zu seiner selbst eigenen bessserung dergestalt mit der väterlichen Zuchtruhte heimsuchete. Aber sie redete noch zur[557] Zeit als eine Unerfahrene / wiewol sie sich dessen hernach zu ihrem besten oft erinnerte / und ihr betrübtes Herz dadurch gewaltig stärkete. Sie gerieten endlich wieder auf das Andenken ihrer Verwanten / und wolte das Fräulein gerne berichtet seyn / wie sichs eigentlich mit König Ladisla Heyraht zugetragen hätte / dessen Gemahls löbliche Tugenden und Schönheit Libussa ihr sehr gerühmet / daß sie nicht wenig verlangen trüge / in ihre Kundschaft zukommen. Ja mein Fräulein / sagete er / die Römerinnen tragen auch hohe begierde / sie zu sehen / aber heftig beklagen sie es / daß eure Liebe mit ihnen nicht werde unterretung halten können / nachdem jenen das Teutsche noch zur Zeit unbekant ist / und neulich erst den Anfang gemacht haben / in dieser Sprache sich unterrichten zu lassen. Je mein Fürst / antwortete sie / weis seine Liebe dann noch nicht / was vor eine gelehrte Braut dieselbe an mir bekommen? dann meine Brüder / und König Ladisla selbst haben in meiner Kindheit mich immerzu in der Lateinischen Sprache geübet / daß ich solche nicht allein verstehen / sondern auch zur Roht mit reden kan / ob ich mich gleich zuzeiten auff die Worte und deren zusammen fügung etwas bedenken mus. Ey so mus mein Fräulein das Latein fleissig treiben /sagte er / dann also kan sie mit meinem Herr Vater und Fürst Pharnabazus unterredung pflegen / welches ihnen sonderlich lieb seyn wird / biß sie etwa unsere Sprache wird gefasset haben / die ungleich leichter zu lernen ist / als die überaus schwere Teutsche. Auch wollen wir / da euer Liebe es gefället / nach diesem mehrenteils Lateinisch miteinander reden / wann wir allein sind / weil das Teutsche mir ohndas saur genug wird. Die reine Warheit zusagen / antwortete sie /mus ich bekennen / daß mein Fürst die Teutsche Fertigkeit noch nicht gefasset / wiewol er seines herzens anliegen noch mehr als zu deutlich an den Tag geben kan. Aber wie hat er doch immer und ewig das Reimen- tichten so wol gelernet / daß er sie gar dreyfach schränken kan? Mein Seelichen / sagte er / darzu währe ich eben so geschikt als der Esel zum Lautenschlagen / wann ich mich dessen unterwinden würde; aber meine Fr. Schwester hilft mir damit zu rechte / ja daß ichs eigen sage / sie setzet sie über / aus meiner Medischen oder Lateinischen Tichterey / sonst würde es über die masse elende Reimen und abmässung der Wörter geben; und wann ich wissen solte / das meinem Fräulein belieben könte / eines anzuhören / welches ich ehmahls in meiner Mutter Sprache gnug verwirret / ihr zu ehren und Gedächtnis getichtet / die GroßFürstin aber hernach in das Teutsche gebracht /würde ich mich erkühnen / es herzusagen / weil doch hieselbst keine Singenszeit ist. Das Fräulein hielt alsbald eiferig an / ihr diesen freundlichen Willen zuerzeigen / weil das erste ihr sehr wol gefallen hätte. Worauff er dieses vortrug.


1

O Grausame Furcht im Lieben /

Wie ist deine Glut so heiß?

Die noch keiner recht beschrieben /

Keiner zubeschreiben weiß!

O du gar zu herbes Quälen;

Mus ich dann ohn Ruh und fehlen

Bald nur Feur seyn / bald nur Eiß?


2

Meine Lust ist weit entsessen;

Ja bin ich dann wol so wehrt;

Das die / so ich ganz vermässen

Liebe / meiner auch begehrt?

O grausame Furcht im Lieben /

Die noch keiner recht beschrieben /

Er mag fahren wie er fährt.


3

Freilich mus ich rund bekennen /

Daß ich gar zu freche bin.

Darumb mus ich schier verbrennen /

Und doch kan ich meinen Sinn

Nicht von dieser Sonnen wenden /

Hätt' ich gleich an andern enden

Einen sicheren Gewin.


[558] 4

Nun es gehe wie es wolle /

Meine Liebe brech' ich nicht /

Ob gleich auff der Parken Rolle

Meines Lebens Fadem bricht.

Dann ohn dieser Sonnen Strahlen /

Die mein Herz so schön bemahlen /

Hab ich weder Schein noch Licht.


5

Fräulein / deren hohe Gaben

Selbst der Himmel zeuht hinan /

Weil sie mehr als Menschen haben /

Ach nehmt euren Sklaven an /

Der durch eurer Bildnis blicken

Noch vor Liebe mus ersticken /

Und sich kaum mehr kennen kan.


6

O du klarheit laß dich finden /

Brich die Dunkelheit in mir /

Meine Geister die verschwinden /

Meine Seele berstet schier /

Und die Kräfte sind erlegen /

Weil vor harten Liebes-Schlägen

Ich mus seufzen für und für.


7

Nun ich wil des Glückes warten /

Gibt das warten mir gleich Pein;

Vielleicht dürfte sichs noch karten

Daß der klare Sonnenschein

Mein Anschauen wird erleiden /

Alsdann werd' ich voller freuden

Und durchaus vergnüget seyn.


Wol zufrieden mein allerschönstes Seelichen; wol vergnüget mein aller teurester Schaz / fuhr er weiter fort / nach dem die Hoffnung mich nicht ganz verlassen / sondern schon in so weit besehliget hat / daß ich die mündliche Zusage erhalten / und die höchst gewünschete Volstreckung nicht ferne zu seyn hoffe; daher mich forthin nicht gereuen wird / ob gleich ihretwegen ich mannichen schweren Herzensprast außgestanden habe. Ach mein allerwerdester Fürst / antwortete sie; billich rechne ich mich unter die glükseligen / daß von ihm ich dermassen herzlich geliebet /und über Wirdigkeit hoch geschätzet werde / und hat er sich nicht zubefahren / daß ich einem solchen geträuen Liebhaber einige Vergnügung solte auf zuschieben Willens seyn / so bald ich mich nur bey meinen lieben Eltern und Verwanten finden werde. Ich gelebe der tröstlichen Hoffnung / sagete er / und wil in guter Geduld erwarten / wann das Glük mir die vollige Niessung ihrer Gunst und Liebe in ehelicher träue und zulässiger Belüstigung gönnen wird. Weil aber die Sonne ihren Lauff schier zum Ende gebracht / und sich unter die Erde verstecken wil / werde ich mein Fräulein bitten / mir zugönnen / daß ich sie mit meiner Kunst Farbe anstreiche / und den herlichen Sonnenschein ihres liebreichsten Angesichts unter dieser Wolke verberge; endlich ihr auch diese bäurische Kleidung anlege / um zubesehen / wie stolz dieselben sich werden dünken lassen / daß sie diesen ihren allerwolgestaltesten Leib zubedecken gewirdiget werden. Das fromme Fräulein hatte vor diesem dergleichen verliebete reden nie gehöret / viel weniger der Liebe Anmuht ihr einbilden können / die anjetzo ihr mit überhäuffetem Masse eingeschenket ward /daher sie allerdinge sich darein nicht zuschicken wuste; dañ ihr auffrichtiges unbetriegliches Herz meinete nicht / daß etwas an ihr wåhre / wodurch ein solcher Fürst zu dergleichen hohen Neigungen solte können gereizet werden / daher baht sie ihn / er möchte sie nicht über Wirdigkeit erheben / noch mit dergleichen Lobreden belasten / die nur eine Schahm in ihr erwecketen / daß sie gedenken und argwohnen müste /es wåhre zum Auffzuge angesehen / und wolte vielleicht er sie erforschen / ob eine töhrichte Einbildung und närrischer Ehrgeiz hinter ihr steckete / daß sie in unverdieneten Ruhm gehehlen könte; welches er mit traurigem Gesichte beantwortete / O ihr meines Lebens Meisterin / sagte er / kan mein Fräulein so wiedrige Gedanken von ihrem ergebenen Knechte fassen /oder hat sie dessen irgends an mir gespüret was zu ihrer Großfürstlichen Hocheit Verkleinerung gereichen möchte? und warumb[559] wil sie ihre Vortreffligkeit doch nicht erkennen / oder vielmehr mir verbieten /solche zuverehren / und ihr den gebührlichen Preiß zuzulegen / welches doch weder ich noch einiger Mensch völlig leisten kan? Umfing sie hiemit inniglich / und baht mit beweglicher Rede / ihn hinfüro des ungleichen verdachts zuerlassen / welcher ihn mehr als der Tod selber schmerzete. Wann es dann so seyn muß / antwortete sie / daß mit aller Gewalt ich mich einer sonderlichen Schönheit und anderer beywohnenden Volkommenheiten in meinem grossẽ Mangel sol bereden lassen / wil ichs meinen allerliebsten Fürsten zugefallen so lange mit gläuben / biß er sich eines andern besinnen / und mir solches hernach selber wieder auß dem Sinne schwatzen wird; vor dißmahl aber wolle mein liebster mit der Verstellung meines Angesichts fortfahren / damit ich hernach auch mein ehrbahres Kleid anlegen könne. Arbianes hieß Wolffgangen Wasser herauff geben / womit er die Farbe zurichtete / und vor erst ihr Goldgelbes Haar bräunlich machete / über welche Veränderung sie sich nicht wenig verwunderte; hernach streich er ihre Hände und Arme biß zu den Ellenbogen an / und zulezt ihr Gesicht / Hals und Kehle / da sie ihren kleinen Spiegel hervor suchete / und in dem selben sich besehend /hochbeteurete / sie kennete sich selbst nicht mehr. Endlich verfügete sie sich in einen absonderlichen Winkel / zohe ihre Fürstlichen Kleider ab / und legte die wolzuflicketen an / schürzete sich in Gestalt einer Dienstmagd zimlich auff / zohe grobe wüllinne Strümpffe / und breite Schuch an / in welchen sie einen guten Teil Häu stopffen muste / damit sie ihr nicht von den Füssen fielen. Inzwischen stũrzete ihr Arbianes eine weisse Mütze auff / und über dieselbe eine schwarze vierdraten / mit wöllinen Frenseln umher besetzet / hängete ihr leztlich ein weisses grobes Leilach umb / dessen hinter Zipffel ihr biß an die Waden herab hing / und als sie der gestalt bäurisch gnug außgeputzet wahr / sagte sie zu ihm; jezt erinnere ich mich der vorigen Rede meines Fürsten / daß er sich nicht wegern wolte / in diesem Hütlein vor einen Knecht zudienen / wann ich Magd oder Tochter drinnen währe; ey so betrachte er mich doch nun recht eigen / ob ich nicht vor eine grobe Bauren Dirne mit lauffen kan. Ja / sagte er / nach der jetzigen Kleidung und angestrichenen Farbe zwar wol; wie aber / mein Fräulein / wann ihr die Kleider außgezogen würden! Ach davor bewahre mich der Almächtige Gott / antwortete sie / und lasse mich ja lieber auff dieser Stelle die Seele außblasen. Ich bin aber des starkriechenden Häues von Herzen überdrüssig / und möchte wünschen / daß wir alsbald fortgehen solten / weil ich mich sehr wol zufusse befinde; ist mir auch insonderheit lieb / dz das heutige heisse Wetter sich in einen Regẽ zu verendern wollen scheinet / und in solcher Witterung man umb soviel weniger auff uns acht haben wird / wil auch lieber durchhin naß werden /als im finstern gehen / dann bey Nacht Zeit ist es gar zu grauhafft / und wann uns alsdann jemand auffstossen solte / dürffte man allerhand wiedrige Gedanken wegen unser nächtlichen Reise fassen. Der Fürst ließ ihm solches wolgefallen / rieff Wolffgangen und fragete / ob sie noch zeitig gnug in die Stad kommen könten / wann sie sich jezt mit dem Regen auffmacheten. Ja mein Herr / sagte er / nun währe wol die gewünschete Zeit / wann nur eure Fr. Schwester sich im nassen behelfen und den Regen leiden könte; ob wir dann gleich etwas späte nach geschlossenem Tohr kommen würden / habe ichs schon mit einem Trinkgelde bey dem Tohr Hüter bestellet / daß wir sollen eingelassen werden. Arbianes machte sich alsbald in seine Kleider / nam sein[560] Geld und Kleinote / deren er unterschiedliche bey sich hatte / zu sich / hing die Bauren Plötze an die Seite / und hatte mit dem Fräulein mühe gnug / ehe er ihr von der steigerẽ Leiter helfen kunte. Als sie hinunter kahmen / gedauchte den Alten / das Fräulein währe ihm gestern Abend im dunkeln ungleich schöner vorkommen / wolte doch nach ihrer Verenderung nicht fragen / sondern reichete ihr ein weisses Stäblein / wo bey sie gehen solte /welches sie mit diesen Worten hinnam: Lieber Vater /ihr habt wol als ein Vater bey mir gehandelt / welches ich auch als eine dankbahre Tochter erkennen wil /und vor diesen Stab euer Stab im Alter seyn / so und dergestalt / daß ihrs nicht besser wünschen sollet. Würde sich nun alhie bey euch meinetwegen weitere Nachfrage begeben / die von dem Teutschen Großfürsten oder seinen Söhnen herrührete / so stellet ihnen meine auff dem Häu hinterlassene Kleider zu / und berichtet alles was ihr von mir wisset / insonderheit /da inwendig sieben Tage ihr von uns keine Botschafft haben soltet / so schaffet euch Fuhre umb dieses Geld (dann sie legete ihm 20 Kronen in die Hand) fahret hin / wo das Teutsche Heer sich auffhalten wird / und bringet meine Kleider hochgedachten Herrn über / die werden euch schon des Weges zulohnen wissen. Dieser euer Wolffgang aber sol mein Diener seyn / und sein künfftiges Glũk noch zur Zeit nicht außrechnen können. Ach liebe junge Frau / antwortete der Alte /so hohes erbietens bin ich nicht wirdig / und möchte nur wünschen zuwissen / was vor liebe Leute ich beherberget habe / welches bey mir sterben solte. Das Fräulein fragete den Fürsten auff Lateinisch / ob sie ihm etwas Nachricht geben dürffte / und auff Erläubniß nam sie ihn absonderlich / und sagte zu ihm; Sehet Vater / daß ihr vor erst meinen guten Willen spüret / versichere ich euch in hohem vertrauen / dz ihr Braut uñ Bräutigam beherberget habet / welche Gott wunderlich zusammen gesellet hat / und ihres Standes so hoch sind / als einiger Mensch in diesem Königreiche. Der Alte erschrak dessen höchlich / baht um Gnade und Verzeihung / wünschete ihnen Glük und sichere Reise zu den ihrigen / und befahl sich ihrer beharlichen Gewogenheit. Arbianes nam auch freundlichen Abscheid von ihm / bedankete sich der erwiesenen Träue / und versprach ihm gnugsahme Vergeltung neben der Erinnerung / er solte seine und seiner Liebsten Kleider beyeinander lassen / und sie /wann er etwa abgehohlet würde / mit sich bringen. Welches er willig versprach / auch zugleich eine Vorbitte wegen seines ungehorsamen Sohns einlegete /damit derselbe auch dereins seiner Befoderung möchte zugeniesen haben; dann er währe jung / und von böser Geselschafft verleitet / würde alsdann das böse wol ablegen / und alle Mögligkeit leisten. Worauff Arbianes ihm allen freundlichen Willen verhieß; nam einen Springstecken zur Hand / ließ Wolffgang mit dem Fräulein ein wenig voran gehen / und folgete gemehlig nach / Gott den HErrn von Herzen anstehend /er möchte ihr Geleitsman seyn / und sie in kurzen zu den ihren bringen. Als sie in das offene Feld kamen /und zwischen dem Korn / welches gleich in der Blüte stund / daher gingen / erhub sich ein überaus ungestümes Ungewitter / da nicht allein ihnẽ der Wind gerade entgegen stund / welcher den scharffen Regen mit zimlichen grossen Schlossen vermischet / ihnen ins Gesichte schlug / sondern der Bliz und Donner sich dergestalt sehen und hören ließ / daß auch ein Herzhafter dadurch in Furcht und Schrecken gesetzet ward. Das Fräulein beschirmete ihr Angesicht mit dem Leilach so best sie kunte / und wurden sie ingesamt in kurzer Zeit so pfützenaß / daß ihnen kein trockener Fadem übrig[561] blieb. Arbianes beklagete das Fräulein sehr / und führete sie stets unter dem Arme / welche sich aber keine Ungelegenheit verdriessen ließ / vorgebend / sie hätte nie keinen angenehmern Lustgang verrichtet / und könte das Wetter so ungestüm nicht seyn / daß sie es nicht schärffer wünschete / wann sie nur hiedurch vor Unfal gesichert würde; aber als sie den Weg zur Helffte gebracht hatten / ließ der Regen nach / und gingen neben etlichen grossen Bäumen her / hinter welchen sich drey verschlagene Wendische Fußknechte wegen des Regens aufhielten / deren einer ein Schwert bey sich fũhrete / die andern beiden aber mit langen Prügeln sich versehen hatten. Sie macheten alsbald einen Anschlag auff die unsern / ihnen / wz sie etwa bey sich hätten / abzunehmen / weil sie sonst keine Leute im Felde spüreten / insonderheit hatten sie Lust / Arbianes umb seine Baurenplötze zubringen / und sich damit zuwapnẽ / daher sie alle drey mit einander loßbrachen / und der eine sein Schwert /noch ehe sie gar nahe kahmen / entblössete / welches Arbianes ersehend / dem Fräulein einẽ Muht einredete / sie solte sich wegen dieses überfalles durchaus nicht fürchten / sondern bey Wolffgangen bleiben / oder /welches das beste / sich nur an den einen Baum nidersetzen / massen da diese Räuber ihnen etwas wũrden anmuhten seyn / sie es bald gereuen solte. Hernach hieß er Wolffgangen ein gutes Herz fassen / und mit seinem Springstecken sich dem einen frisch entgegẽ setzen / oder nur abwehren / daß er von ihm mit dem Prügel nicht getroffen würde / er wolte mit Gottes Hülffe den andern beiden Mannes gnug seyn. Kaum hatte er solches ausgeredet / da rieffen jene ihnen zu /sie solten stille stehen / oder alsbald niedergemacht werden. Das Fräulein verließ sich auff Gott und ihres Fürsten Herzhafftigkeit / daher sie ohn einige Wehklage sich nidersetzete / nicht zweifelnd / dieser Streit würde bald geendiget seyn. Arbianes aber gab den Ansprengern zur Antwort; was sie ihnen zugebieten hätten zu stehen oder fortzugehen? sie solten sich bald packen / und der eine das Schwert in die Scheide stecken / oder es würde noch vor abends mit ihnen dreckicht gehen werden. Diese liessen auff solche Dräuung sich trotzig vernehmen / weil sie keine Gnade erkennen könten / mũsten sie ohn alles erbarmen in grüner Heide das Leben verlieren; da dañ der eine mit dem Prügel auff Wolgang loßging / der andere sich auff die Huht stellete / ob diesen etwa ein Entsaz zukommen würde / der mit dem Schwerte aber sich an Arbianes machete / des festen Vorsatzes / ihn alsbald niderzumachen; welcher aber mit seiner kurzen Plötze sich zum rechtmässigen Gefechte stellete /und seines Feindes getrost erwartete. Dieser erkennete hieraus / daß der vermeynete junge Baur der Fecht Kunst nicht allerdinge unwissend seyn müste / gedachte doch / weil er selbst ein guter Fechter wahr /ihm etliche blutige Streiche zuversetzẽ / biß er ihn würde auffgerieben haben / da er sich dann nicht wenig auff sein langes Schwert verließ. Arbianes aber achtete sein nit / gab nur acht / wie es Wolffgang mit seinem Manne ergehen wũrde / und als er merkete /daß diese beiden einer dem andern gewachsen wahrẽ /hielt er seinen Feind mit Worten auff / und fragete ihn / was ihn so kühn machete / die Inwohner dieses Landes auff freyer offener Landstrasse zuüberfallen / und möchte gerne wissen / ob er ihn vor einen Mörder und Räuber / oder vor einen abgestrichenen Landsknecht halten solte. Diesen verdroß der Spot / und begunte hefftig auff Arbianes loßzudringen / welcher mit einem kurzen Lager ihm auffwartete / auch nicht lange anstund / daß er ihm einen Schnit über das Maul gab / daß die rohte Suppe mildiglich hervor flosse / welches diesen[562] zum wütigen Eifer verursachete / daß er ihm auch wol einen Tod durch Pein dräuen durffte; worüber sich Arbianes erzürnete / ihm eintrat / und mit einem quehrhiebe ihm den Unterbauch öfnete / daß ihm das Gedärme zum Leibe heraus floß / und vor Ohmacht das Schwert fallen ließ; Arbianes machte sich alsbald hin nach dem dritten /der auff die Huht gestellet wahr / welcher schon mit flüchtigen Gedanken umging / weil er seines Gesellen Unfall von ferne sahe / und über das unbewehret wahr; sein Feind aber saß ihm zu zeitig auff der Haube / dem jener sich mit seinem grossen Prügel entgegen setzete / aber denselben mit samt der abgehauenen rechten Hand bald fallen ließ / und ihm bald darauff mit einem hiebe der Schedel geöffnet ward /daß das Gehirn samt dem Blute heraus flosse. Der Obsieger kehrete hiemit umb nach Wolffgangen /umb zuvernehmen / wie es ihm ginge. Derselbe hatte nun anfangs mit seinem Ansprenger sich rechtschaffen zudroschẽ / und sehr herbe trockene Schläge ausgeteilet und angenommen; Weil er aber merkete / daß der Wende ihm mit Fertigkeit / die Streiche auszunehmen und zuversetzen zu gescheid wahr / unterlief er ihm / und fing an mit ihm zuringen / da sie dann sich mit einander bey ben Haaren wol zuzauseten / biß es Wolffgangen durch seine Leibesstärke geriet / daß er diesen zur Erden niederwarff / sich auff ihn setzete /und ihm die Augen im Kopfe dergestalt zerschlug /daß sie ihm zuschwollen. Derselbe aber gedachte an sein Brodmesser / und suchte es hervor / ihn damit zuerstechen / gleich als Arbianes herzu nahete / welcher solches sehend / ihm im Augenblicke vorkam /und die Hand begriffe / als er gleich den Stich vollenden wolte / schnitte ihm auch mit der Plötze über die Finger / daß er das Messer fallen lassen muste / und in dieser Angst fragete / obs recht währe / daß zween sich ũber einen macheten. Arbianes aber lachete dessen / reichete Wolffgang die Plötze / und befahl ihm /den Räuber damit hinzurichten / welches er mit dreyen Hieben leistete / und die erschlagenen Buben hinter eine Hecke schleppete. So bald das Fräulein des völligen Sieges inne ward / stund sie auff von ihrem andächtigen Gebeht / dankete Gott mit kurzen Worten / und eilete hin zu ihrem lieben Fürsten / welchen sie umfahend / also anredete: Gott Lob und Dank / mein Schaz / daß wir dieser Gefahr gesund und unverwundet entgangen sind; lasset uns aber unsern Weg eilig fortsetzen / damit nicht andere Buben über uns kommen / und die Gefahr vergrösseren. Mein Fräulein redet wol / sagte er; dann ob wir gleich solcher Uberwindungen mehr erhalten würden / sind sie doch unrühmlich / und dũrffte dem guten Wolffgang das Fell gar zu hart gegerbet werden / dann wo ich nicht irre /hat er des Räubers Prügel zimlich gekostet. Ja mein Herr / antwortete er / ich werde der empfangenen Stösse wol etliche Tage mich zuerinnern habẽ / danke aber eurer Gn. vor mein erhaltenes Leben / welches der Mörder bedacht wahr / mit dem Messer mir zunehmen. Derselbe hat seinen Lohn empfangen / und wird hinfort ruhig seyn / antwortete er; gingen also fort / und fragete ihn Arbianes / ob er ihm nicht könte eine bequeme Herberge zuweisen / woselbst ihm ein eigen Gemach mit einem Feurheerd und zwey bereiteten guten Betten eingeråumet würde. Welches er beantwortete; Er dienete bey einem Gastwirt vor einen Haußknecht / welches ein Witwer und guter Mann /aber sehr geizig währe / hätte ein feines Hintergemach / und würden sie bey demselben besser als bey keinem andern können bewirtet werden. Welches das Fräulein gerne vernam / ging mit ihrem lieben Fürsten immer fort / und gelangeten noch vor Tohrschliessens bey der[563] Stad an / gleich da eine Geselschafft trunkener Bauren heraus schwärmeten / und Arbianes zurechtfertigen begunten / woher er kähme / und wer er währe; welcher aber sich mit ihnen in kein Gespräch einlassen wolte / sondern Wolffgangen das Wort überließ / wickelte sich also fein von ihnen loß / ohn mit dem lezten währe er schier in ein schlimmes Bad gerahten; dann als dieser sich an das Fräulein machete / und mit ihr zutanzen / sie bey der Hand fassete /weil der Sakpfeiffer vor ihnen herging / verdroß ihn solches so hart / daß er schon im vollen Werke wahr /von Leder zuzihen / und den Schimpf zurächen / dafern Wolfgang sichs nicht angenommen hätte / welcher den Bauren kennete / und ihn erinnerte / diese fremde Jungefrau unbeschimpffet zulassen; dieser aber mit hohen Flüchen (sie steiff bey der Hand haltend) beteurete / er wolte der Dirnen kein Leid antuhn / nur sie müste einmahl mit ihm tanzen / und möchte hernach wol ungehindert ihres Weges gehen. Arbianes sich besiñend / lachete endlich des Handels / weil das Fräulein / um Unheil abzuwenden / sich zum Tantze anerboht / da sie sich äusserst bemühete / ja so unhöflich zuspringẽ / wie sie wol ehmals es von den Sachsischen Bauren Mägdlein gesehen hatte / wiewol dieser Tanz ihre verstellung leicht hätte verrahten mögen / wann daß nüchterne Zuseher sich dabey angefunden / massen der Baur seiner tölpischen Gewohnheit nach sie dergestalt herumb schwänkete / daß die Kleider ihr zimlich in die höhe flogen / und man das zarte ihres Beins nähest ober dem Knie sehen kunte / fehlete auch wenig / sie währe mit samt dem Tänzer ũbern hauffen gefallen / welcher im springen wegen des glatten Erdbodems ausglitschete / und sich mitten im Koht rechtschaffen umbwälzete / das Fräulein aber bloß durch ihre leichte geradigkeit sich des Falles entledigte. Wolfgang nahm ihres Beines entblössung wahr / und aus der zarten Haut muhtmassete er / sie müste unter dem Angesicht und an den Händen mit einer Kunstfarbe verstellet seyn / weil der Alte ihm von ihrer Schönheit gesagt hatte. Der Baur machete sich aus dem stinkenden Lachen wieder hervor / und weil der Sakpfeiffer noch immerzu auffspielete / wolte dieser noch weiter an den Tanz; aber Wolfgang / auff Arbianes anmahnung machete den Spielman durch verehrung eines Groschen auffhören /da der Baur das Fräulein schon wieder bey der Hand gefasset hatte / und mit diesen Worten abscheid von ihr nam: Dirne / du must deine Tage wenig mit den Händen gearbeitet haben / dann niemahls habe ich so weiche Finger angerühret / als die deine sind. Das erschrockene Fräulein wuste hierauf so bald nicht zu antworten / endlich sagete sie: Sie währe eine Nähterin / darumb hätte sie keine schwelle in den Händen; zog sich hiemit von ihm nach ihrem Liebesten / welcher zu ihr sagete: Dieses wahr gleichwol noch übrig /mein Fråulein / daß ich sie nicht hatte tantzen sehen. Verzeihe es euch Gott / mein Schaz / amwortete sie /daß zu meinem grossen Unglük ihr mich noch auffzihen dürffet; niemahls habe ich in grösser angst uñ ungemach getanzet / und behüte mich Gottes Barmherzigkeit ja hinfort / daß dergleichen Tänzer ich nimmer wieder an die Hand bekomme; aber lasset uns schleunig fortgehen / daß ich nicht weiter ansprach von den Trunkenbolzen bekomme / und Wasser haben möge /meine besudelten stinkenden Hände abzuwaschen. Fassete ihn bey der Hand / und ging mit ihm zum Stadtohr ein / klagend / es hätte der grobe Baur mit seiner steinharten Faust ihr die Finger dergestalt zerdrücket / daß sie ihr rechtschaffen schmerzeten. Als sie in das Wirtshaus anlangeten / sagte Wolfgang zu seinem Herrn; Hie sind fremde Leute auff dem Wege[564] zu mir kommen / und haben mich umb nachweisung einer guten Herberge gebehten / wo ihr sie nun am besten lassen könnet / werdet ihr wissen. Sein Herr fing an mit ihm zuschelten / eb er Kost und Lohn mit müssiggehen verdienen könte / möchte er sich nach einem solchen Herrn umbsehen; er hätte ihm diesen Tag über durch versäumnis einen Gulden schaden getahn /welches er bey der Ablohnung wol finden wolte. Ich habe es nicht endern können / antwortete Wolgang /und wañ ichs nicht nachhohlen kan / bin ich zu frieden daß ihr mirs abkürzet. Der Wirt wolte noch weiters auff ihn loßzihen / aber Arbianes fiel ihm in die Rede / sagend: Guter Freund / ich und diese meine Wase / sind vom Regen getroffen und zimlich naß worden; in was Gemach weiset ihr uns / daß wir uns fein abtroknen mögen? Da gehet in die Gesinde-Stube / antwortete er / ich werde hinte kein grosses Feur anlegen / die Haut machet euch die Kleider wol wieder trocken / wann ihr über Nacht drinnen schlaffet. Solches schlimmen Ruhbettes sind wir ungewohnet /sagte Arbianes; und weil er merkete / daß die Schuld ihrer verachtung an den Kleidern lage / sagte er weiter: H. Wirt / urteilet uns nicht nach der Kleidung; ich bin ein wolhabender Kauffman / und habe mich also verkleiden müssen / weil ich vom Reinstrom herkomme; gebet mir / und meiner Wasen ein gutes abgelegenes Gemach / ich wil euch täglich eine Krone davon geben / und auff drey Tage voraus bezahlen. Legte ihm damit solches Geld in die Hand / womit der Wirt nach dem Liechte lieff / es zubesehen; kam bald wieder / zohe seinen Huht demühtig ab / und verhieß alles / was in seinem vermögen wahr / ihnen gerne zu leisten. Ey so lasset uns ein gutes Feur anlegen / sagte Arbianes / und die besten Speisen zurichten / mich aber vor die bezahlung sorgen. Der Wirt führete sie selber nach dem begehreten Gemache / und fragete ob sie einen steten Auffwarter haben wolter. Ja / sagte das Fräulein / aber keinen andern / als diesen euren Knecht / mit dem wir bereit Kundschaft gemacht /und in seiner Geselschaft ankommen sind, hat er euch dann / weil ich ihn auffgehalten / etwas verseumet /habe ich schon mittel / es zuerstatten. Davon ist nichts zu sagen / antwortete dieser; rieff seinen Wolfgang herzu / uñ befahl ihm / sich sonst an nichts zu kehren / als bloß diesen Fremden auffzuwarten. Da ging es nun dem Fürsten nach seinem willen; er machete sich mit dem Fräulein sein trocken / uñ ergetzeten sich nach der mũhseligen Reise / mit guter Speise und Trank. Nach gehaltener Mahlzeit fragete der Fürst Wolfgangen / ob er die schon angelobete Verschwiegenheit auch gedächte redlich zu halten / alsdann solte er in der elenden Knechtschaft nicht lange mehr zubringen / sondern in kurzem ein solcher Herr werden / der selber Pferde und Diener halten könte. Dieser versprach bey Bauch und Halse / sich durch keines Henkers zwang zur Verrähterey und Träulosigkeit bringen zu lassen / sondern was ihm vertrauet würde / mit sich in die Grube zunehmen. Wolan sagte der Fürst / so soltu wissen / daß du jezt einer Großmåchtigen Fürstin / und einem Fũrsten auffwartest /welche dich in kurzer Zeit zu solchem Ehrenstande erheben wollen / dahin du dein lebenlang nicht hast können gedenken. Wolfgang erschrak hierüber / fiel vor ihnen in die Knie / und gelobete freiwillig an / vor ihre Wolfahrt gerne zusterben / weil er lange gnug gelebet hätte / nachdem er das Glük gehabt / daß hohe Fürsten Häupter ihn vor ihren Knecht anzunehmen gewirdiget hätten. Nein / sagete das Fräulein / ihr sollet wils Gott nicht sterben / sondern mit uns wol leben / dafern ihr nur euren Worten redlich nachkommen werdet; solte euch aber leichtfertigkeit verführen /[565] meinäidig zu werden / könnet ihr uns damit zwar keinen Schaden / sondern nur Wiederwillen tuhn; aber wir würden solches dergestalt an euch rächen / daß das ganze Land daran ein Beyspiel und Abscheuh haben würde; wiewol ich mich dessen zu euch nicht versehe / daß ihr die wolangefangene Tråue so schåndlich soltet überschreiten. Arbianes befahl ihm darauff / er solte haussen nähest vor dem Gemache seine Schlafstelle nehmen / damit er ihn allemahl bey der Hand hätte / wann er seiner Dienste benöhtiget währe. Das Fräulein hatte ihre alte Lumpen noch an /schåmete sich auch in des Fürsten gegenwart ihren Leib zu blössen / daher sie ihn freundlich baht / ihr die unhöfligkeit nicht zuverargen / daß sie an ihm einen kurzen Abtrit begehrete / nur so lange / biß sie sich entkleiden / und ihr Bette einnehmen könte. Der Fũrst erkennete hieraus ihre Schamhaftigkeit / wahr gehorsam / und fand bey seiner kurzen Wiederkunft sie im Bette / vor welches er sich noch ein Stündichen nidersetzete / Sprache mit ihr zuhalten / da sie ihn baht / er möchte Morgen geringe Zeug zu Kleidern einkäuffen lassen / daß sie nicht so gar lumpicht gingen / sie währe ihrem zulappeten Rocke so gram / daß sie ihn an ihren Leib nicht wieder legen wolte. Hierzu wollen wir bald raht schaffen / antwortete er / taht mit ihr den Schlafftrunk / und nach gewũnscheter glükseliger Ruhe / legte er sich an sein absonderliches Bette. Des morgens da sie beyderseits wol ausgeruhet hatten / machete sich Arbianes auff stellete Wolfgangen einen köstlichen Ring zu / welchen er bey dem Goldschmiede umb 1500 Kronen ausbieten solte. Dieser ging zuvor nach einem reichen der ädlen Steine wolerfahrnen Manne / vorgebend / es währe ein ådelmann bey ihnen zur Herberge / welcher aus noht seinem Herrn diesen Ring verkäuffen wolte / der aber keinen verstand von solchen Waaren hätte / und ihn bitten liesse / ihm den Wert ohngefehr anzuzeigen. Mein Kerl / antwortete dieser / nach genauer besichtigung; diß ist trauen keines schlechten ädelmannes Ring / der ihn aus noht verkäuffen müste / sondern er kömt zweifels ohn aus einem Fürstlichen Schatze hervor /und weiß ich gewiß / daß seines gleichen in diesem Königreiche nicht zu finden ist / massen seine kostbarkeit über die 6000 Kronen austräget. Was wollet ihr mir aber davor geben / fragete Wolfgang / ich wil euch die Warheit sagen / daß ich ihn ohngefehr auff dem Felde gefunden habe da eine Schaar verschlagener Wendischer Reuter vor mir hinjagete. Der Schätzer hätte sein Wort gerne wieder zurücke gehabt / besahe ihn aufs neue / und gab vor / weil der Ring nur von einem Reuter herkähme / müsten gewißlich die drey eingefasseten Demant nicht echte seyn / sagete auch bald darauff / er befünde es schon an unfehlbaren Zeichen / daß es keine Morgenländische / sondern geringe Bömische Steine währen. Aber Wolfgang merkete den Kauffmansstreich / und sagete / es währe zu späht / ihn zuhintergehen / nachdem er ihn schon anderswo / doch unter einem andern vorgebẽ hätte besehen lassen / da ihm schon 4000 Kronen davor gebohten währen. Dieser besahe ihn darauff zum drittenmahl / und sagete: Er müste zwar bekennen / daß er nunmehr seiner gültigkeit innen würde / aber solche kostbare Sachen währen nicht jedermans kauff /und mũste er die Gefahr stehen / ob er in etlichen Jahren ihn an seinen Mann bringen könte; doch wann er ihm den Ring vor einem andern gönnen wolte / währe er erbötig / ihm 3500 Kronen davor zu geben. Er hat mir eben das meiste auch nicht gekostet / antwortete Wolfgang / nur daß ich gleichwol mein Glũk nit verschenken mus; ists euch aber ein ernst zu käuffen / so leget noch 800 Kronen zu / und schaffet[566] mit dem Ringe euer bestes. Nach kurzem gedinge wurden sie der Sachen einig / uñ nach träuer angelobeter verschwiegenheit an beydẽ Seiten / empfing Wolfgang 4200 Kronen / welche er ohn verweilen in einem zurissenen Futtersacke dem Fũrsten brachte / und allen Verlauff ihm erzählete / der ihm diese Träue so wol gefallen ließ / daß er ihm alles übrige schenkete / uñ nur die begehreten 1500 Kronen davon behielt; gab ihm auch urlaub / die Gelder alsbald seinem alten Vetter zu bringen / der sie zu seinem besten in verwahrung nehmen solte; welcher grossen Schenkung aber dieser sich åusserst wegerte / uñ doch annehmen muste / daher er alles geschwinde überbrachte / und dem Alten die Freiheit gab / ihm selbst nach freien willen gũtlich davon zu tuhn / er hätte einen so reichen und vornehmen Herrn / daß er wol merkete / er würde von ihm mit grossem Reichtuhm begnadet werden. Der Alte entsetzete sich wegen des vielen Goldes / und gelobete Wolfgangen an / er wolte schon wissen es zu seinem besten zuverwahren / hätte aber gerne gewust / wer sein Herr eigentlich währe; aber bekam doch keinen andern / als diesen bescheid / er müste sich gedulden / biß die Zeit kåhme es zuoffenbahren /sein Gelũbde wåhre zu stark / solches zumelden / und seinem Vetter damit nichts gedienet / ob ers gleich wũste; nam des Fürsten Pferd und Harnisch zu sich /weil alles im Felde stille war / uñ brachte es mit über / hatte aber schon zuvor etlich schwarzgefärbetes Zeug / Wöllin und Leinen durcheinander gewebet /eingekaufft / wovon sie alle drey sich schlecht und bürgerlich kleideten / auch neue Hemder und ander leinen Gerähte aus mittelmässiger Linnewand machen liessen; welches alles gegen Abend erst fertig ward /und das Fräulein den ganzen Tag über in den Federn liegen muste / da der Fürst ihr die Zeit zuverkürzen /alle Begebniß erzåhlete / was zeit seines anwesens sich in Italien zugetragen hatte / wobey er des Christlichen Glaubens nicht vergaß / sondern auff ihr begehren die vorige Unterrichtung zu unterschiedlichen mahlen wiederhohlete / daß sie zimlich weit in der Erkäntniß Gottes und ihres Heylandes kam / und die Lehre fein begriff. Hernach erinnerte er sie / was gestalt die zarte Haut ihres Beines sich unter dem Tanzen hätte merken lasse; weil man nun nicht wissen könte / was einem auff der Reise zustossen möchte /wünschete er / daß der mehren teil ihres Leibes / wo er am leichtesten könte entblösset werden / mit der Farbe angestrichen seyn möchte; welches das Fräulein anfangs vor einen Scherz auffnam / aber endlich selbst vor rahtsam hielte / foderte die gemachte Salbe von ihm / und in seiner Abwesenheit richtete sie sich fast überal heßlich gnug zu / daß sie vor sich selbst abscheuh trug. Gegen Nachmittage breitete das Gerücht hin und wieder in der Stad aus / der Wendische Fürst Krito währe in der Schlacht gefangen / und durch Büttelshand hingerichtet / sein Sohn erschlagen / und nachgehends enthäuptet / und würden die Sachsen das ganze Königreich einnehmen / weil sie keinen Widerstand hätten. Bey spätem Abend kam ein reitender Bohte / bekräfftigte nicht allein dieses / sondern brachte mit / die Sachsischen Völker gingen alle zum Reich hinein / und hätten die vornehmsten örter alle auffgefodert. Arbianes ließ nachfragen / an was Ort sie sich gelagert hätten / und erfuhr / daß sie wol 14 Meile von hinnen seyn würden / und i er weiter ins Land gingen / damit sie sich aller Seehafen bemächtigten / auff daß aus Dännemark oder Engeland dem Dänischen jungen Fũrsten keine Hülffe zukommen solte. So wird es zeit seyn / sagte Arbianes zu dem Fräulein / daß wir uns auff den Weg begeben / dann je ferner das Heer von uns lieget / je unsicherer die[567] Strassen zureisen sind / offenbahrete darauff dem Fräulein / auff was Weise er die Reise vorzunehmen bedacht währe; er wolte morgen eine Karre und ein Pferd davor / einkauffen / allerhand geringe leichte Waaren / von Korallen / Tockenwerk und dergleichen Sachẽ von den Krämern einlösen / in ein Kram Faß vermachen / und mit ihr sich darauff setzen / da Wolffgang ihr Fuhrman seyn solte. Der Anschlag gefiel dem Fräulein sehr wol / taht noch hinzu / wie sie in ihrer angestrichenen Farbe sich vor ihrer Fr. Schwester Großfürstin Valisken wolte als eine Krämerin stellen / und die schönen Waaren feil bieten; durffte auch schon erzählen / wie sie ihr Wort machen / und das Frauen Zimmer auffzihen wolte. Wie sie den Abend ihre neue Kleider bekam / legte sie dieselben an / und gefielen ihr recht wol / weil sie ja noch renlich und ganz wahren; saß diesen Abend zimlich lange hin mit ihrem Fürstẽ und erzählete ihm / wie hefftig die Teutschen Pfaffen es ihnen biß daher hätten lassen angelegen seyn / ihren Herr Bruder Herkules bey ihrem Herr Vater anzutragen / als einen Gottlosen / Unreinen / und geschwornen Feind aller Teutschen Götter / welcher überdas mit den Gedanken umginge / wie er sein eigenes Vaterland verrahten /und dessen Herschafft den Römern vollends in die Hand spielen wolte; welches auch ihr Herr Vater eine gute Zeit her also gegläubet / aber nach Neklams Abzuge hätte er angefangen daran zuzweiffeln / insonderheit / weil sie ihren lieben Bruder so abscheuhlicher Unzucht beschuldigten / deren ihr Herr Vater wol wüste / diesen seinen Sohn von Herzen feind und zuwieder zusein. Sonst führeten sie ihr Liebesgespräch miteinander gar freymühtig / dann sie wahr in dieser kurzen Zeit ihm zimlich geheim worden / daß sie mit ihm als einem leiblichen Bruder umging. Des folgenden morgens verschaffete Wolffgang alles / was sie zu der Reise bedurfften / daß es gegen Abend seine gute Richtigkeit hatte / dann sie wolten des nähstfolgenden sehr früh auffbrechen / damit sie des dritten Tages hernach / wo möglich / bey den ihrigen seyn möchten; aber diese Rechnung macheten sie II ganzer Wochen zu früh / und musten diese beyde neu und erst angehende Kinder Gottes zuvor ihres himlischen Vaters Zuchtruhte zimlich scharff schmecken / daß das Blut drauff folgete / ehe sie seiner Gnaden Gũter recht und ohn Angst geniessen kunten. Die Zeitung von des Wendischen Fürsten Niederlage und schmehlichen Tode ward diesen Tag von allenthalben her bekräftiget / daß die unsern daran nicht mehr zweifeln durfften / daher ihr Schluß wegen der schleunigen Reise desto fester gemachet ward. Arbianes sprach diesen Abend seinen Haußwirt an / er möchte ihm seinen Wolffgang zum Diener überlassen / wo vor er ihm ein Stük Geldes geben wolte. Dieser machte sich anfangs gar geschäfftig / er währe ihm in der Haußhaltung sehr nöhtig / köme so bald keinen andern bekommen / der ihm anstünde / weil es ausser der Miete Zeit wåhre / und was des einwendens mehr wahr / doch als ihm der Fürst 20 Kronen zum Abtrit anboht / und ihn überdaß 12 Kronen vor die Speisung bezahlete / wahr er zufrieden / erboht sich auch / des Fürsten Leibpferd wolzufuttern / und seine Waffen in Verwahrung zunehmen / biß nach Verlauff 14 Tage /zum längsten / ihrer Abrede nach / es abgehohlet würde; nach welcher Abhandelung die unsern sich an die Ruhe legeten / des folgenden Tages zur Reise erwartend. Nun trug sich aber ein grosses Unglük in der Nachbahrschafft zu / in dem bey Dörrung des Malzes / auß des Brauer Knechtes Unvorsichtigkeit / kurz vor der Sonnen Auffgang eine Feuersbrunst im allernähesten[568] Hause entstund / deren unsere verliebeten nicht eins gewahr worden währen / sondern darinnen elendig hätten umkommen und zu Aschen verbrennen müssen / wann nicht Wolffgang mit vielem klopffen und ruffen sie auß dem harten Morgen Schlaff erwecket hätte / da ihnen kaum so viel Zeit übrig wahr / die Kleider anzulegen; dann weil die helle brennende Lohe schon zu ihrem Fenster hinein schlug / gedachten sie an nichts / als nur ihr Leben zuretten / liessen alle ihre Gelder und Kleinot liegen weil wegen der Hitze man dabey nicht wol kommen kunte / so gedachten sie auch nicht eins daran in der Angst / sondern sprungen mit ihren annoch unzugemachten Kleidern zur Kammer Tühr herauß / da ihnen Gott sonderlich halff / daß sie unverletzet auff die Gasse kahmen / woselbst Arbianes sich erst des hinterlassenen besan / jedoch es wenig achtete / weil er des vorigen Abends in sein Kleid 100 Kronen / und in der Fråulein ihres 60 Kronen zum Nohtpfennig vermacht hatte. Die Strassen wahren schon vol Volks / die Brunst zulöschen / und ward jederman angemahnet / zuzulauffen und Wasser zutragen; welches aber den unsern ungelegen wahr / sondern gingen mit Wolffgangen nach dem Stad Tohr / da sie herein kommen wahren / in Meinung dahinauß zulauffen / und ihre alte Herberge wieder zusuchen / weil sie es aber verschlossen funden / gingen sie nach dem andern Tohre / welches nahe an einem fliessenden Wasser lag / woselbst die Bürger das Wasser schöpffetẽ / und weil Wolffgang ihnẽ bekant war / ihm und seiner Geselschafft den Außgang nicht wehreten. Das Fräulein empfand grosse Angst in ihrem Herzen / und baht den Fürsten / so viel möglich fortzueilen / dann der Sin trũge ihr nichts gutes zu; lieffen also miteinander alle drey zimlich fort / daß in kurzer Zeit sie die Stad einen guten Weg hinter sich legeten. In der Stad fragete jederman / bey wem das Feur außkommen währe / da der Rechtschuldige nicht allein sich statlich außzureden wuste / sondern auch die Schuld eigentlich auff seinen Nachbar /Arbianes Wirt / legete / dessen Hauß dann in ja so grossen Flammen als sein eigenes stund. Jederman rieff hierauff / man solte ihn ins Feur werffen und lebendig verbrennen / weil durch seine Vewahrlosung dieser Jammer und Schade entstanden währe; aber der gute unschuldige Mann ward gewarnet / daß er sich versteckete / und sein Leben erhielt / nachdem er nicht ohn Lebens Gefahr bald nach der unsern Abscheid in ihre Kammer gangen / und die Kleinot samt dem Golde / über 1000 Kronen baar noch zur guten Beute davon brachte / daß er nach dem Brande reicher wahr als vorhin. Es fand sich aber einer auff der Gassen /welcher überlaut rieff; sein Knecht Wolffgang müste Zweiffels ohn der rechtschuldige Tähter seyn / dann er hätte sich zeitig zum Tohre hinauß gemacht; man solte ihm mit etlichen Pferden schleunig nachsetzen /als dann könte man ihn leicht erhaschen und nach verdienst abstraffen. Bald fielen vier verwägene Bürger auff Pferde / nahmen ihre Schwerter zu sich / und jageten ihrer Spuhr nach / die man wegen des gefallenen Taues sehr wol sehen kunte. Arbianes ward ihrer zeitig innen / und daß sie ihre blossen Schwerter um den Kopff kommen liessen / daher sagte er zu Wolffgang: Diese haben gewiß nicht viel gutes im Sinne /darum halte dich fertig / daß wann du sehen wirst / sie auff uns anfallen / alsdann biß nur darauff bedacht /wie du mit meiner Liebsten auffs geschwindeste davon lauffest / und sie in Sicherheit bringest; ich wil diese schon wissen auffzuhalten / nam etliche pfũndige Steine von der Erden auff / und wie er im werffen sehr geschwinde wahr / gedachte er sich bester[569] massen zuwehren. Nun wahr Wolffgang diesen Verfolgern von Angesicht unbekant / uñ setzeten deren zween vor den andern aus / sahen Wolffgang mit dem Fräulein davon lauffen / und Arbianes stehen bleiben / und sich zur Gegenwehr bereiten / daher meyneten sie / sie hätten den Rechtschuldigen angetroffen / und stürmeten grimmig auf ihn zu. Es wahr sein Glük /daß er sich neben einen Baum gestellet hatte / und sie ihn nicht überrennen kunten / fassete daselbst gewissen Stand / und richtete die Hand zum Wurff / ob sie ihn anfallen wũrden. Diese rieffen ihm alsbald zu: Du schändlicher Mordbrenner / jezt werden wir dir den wolverdienten Lohn geben / damit du dich deiner Boßheit nicht berühmen könnest / wie viel armer Leute du gemacht habest. Hilff mir Gott / sagte Arbianes bey sich selber / als wahr ich unschuldig bin; rief ihnen hernach zu: Er währe kein Mordbrenner /und hätte nie solchen bösen Willen gehabt. Aber diese kehreten sich daran im geringstẽ nicht / sondern setzeten gleich auff ihn zu / daß er genöhtiget ward /sein bestes zutuhn; da er dann dem ersten die Stirn einwarff / daß er reine tod vom Pferde stürzete. Der andere dieses eriehend / wolte seines Mit Bürgers Tod rächen; aber mit dem andern Steine ward er gleich vor das Maul getroffen / daß ihm die Vörder Zähne heraus sprungen / und er in Ohmacht vom Pferde fiel. Arbianes nicht faul / nam des ersten Schwert zur Hand / und hatte noch einen Stein ũbrig zu seiner Beschützung / aber der dritte wahr ihm zu nahe auff der Hauben / welcher ihm / da er sich nach dem Schwert bückete / eins über den linken Arm versetzete / daß der rohte Schweiß darauff folgete / wolte ihm auch den andern Hieb beybringen / aber er weich ihm aus /und mit einem Nachhiebe schlug er ihm das rechte Bein im Knie-gelenke rein abe / daß auch dieser zur Erden stürzete / und ein klägliches Geschrey trieb /biß ihm die Seele ausfuhr. Ehe nun dieser verschiede /kam auch der vierde herzu gesprenget / und war willens ihn zuüberrennen / ward aber auch mit dem Steine dergestalt getroffen / daß ihm der Kopff borste /und kein Wort mehr redete. Der andere mit dem zuworffenen Maule kam wieder zu sich selbst / fassete sein Schwert / und lieff ganz verwägen auff Arbianes zu / trieb es auch mit seinen unauffhörlichen Streichen / daß ihm anfangs durch Fechterkunst nicht zubegegnen wahr / aber endlich hieb ihm Arbianes die rechte Faust hinweg / daß sie mit samt dem Schwerte auff die Erde fiel / mid im andern Streiche spaltete er ihm das Häupt mitten von einander. Das Fräulein hatte anfangs des Streites gar ein wenig zugesehen / kehrete sich aber bald umb / und vor grosser Angst lief sie dergestalt fort / als ob sie Flügel gehabt hätte / daß auch Wolffgang ihr schwerlich folgen kunte / und /welches das ärgeste war / verließ sie den vorgeno enen Weg / und setzete zur Seiten aus über das quere Feld. Wolffgang lief ihr nach / was er Leibes und Kräffte hatte / rieff ihr auch zu / sie möchte dem Wege folgen; aber sie wahr vor Angst nicht bey sich selber / und gedäuchte sie nicht anders / als ob ihr lauter Feinde nachlieffen / welches sie schüchtern machte / daß sie nur suchte weit von der Landstrassen abzukommen / biß sie an ein hoch aufgelauffenes fliessendes Wasser kam / durch welches sie ohn weiteres bedenken hindurch watete / und sie darinnen hätte ersauffen müssen / wann nicht Wolffgang sie (nicht ohn grosse Gefahr) hindurch gebracht hätte / massen ihr dasselbe biß an die Gurgel reichete. So bald sie auff das Ufer trat / gedachte Wolffgang / sie würde sich nun zur Ruhe begeben / aber sie fing den Lauff von neuen in ihren nassen Kleidern an / triebs auch noch eine gute halbe Stunde / biß sie endlich vor grosser Mattigkeit[570] zur Erden stürzete / da sie allen Odem verlohren hatte / und nicht anders schien / es würde ihr alsbald die Seele ausfahren. Arbianes befand / daß ihn die Armwunde schmerzete / legte seine gewöhnliche Salbe drauff / die er zu allem Glük zu sich gestekt hatte / und band sein Schnupfftuch darumb / daß er gute Linderung fühlete; weil er aber mit dem Gefechte schier eine halbe Stunde zugebracht hatte / wahr ihm sein herzgeliebtes Fräulein gar aus dem Gesichte kommen; doch trabete er anfangs ihrer Spuhr nach /und hatte das eingestekte Schwert in der Hand / weil es ihm am Gehänge mangelte. Ihm wahr fast angst /dz er seinen Schaz nicht erblicken kunte / ging doch immer des Weges fort / und hatte nicht mehr acht / ob er frisch betreten wahr / sondern richtete seine Augen gen Himmel / und baht inständig / Gott möchte ihn samt dem Fräulein zu den ihrigen verhelffen / und vor weiterem Unfal gnådiglich bewahren; in welcher Andacht er anderthalb Meilen ging / ehe dañ drey Stunden verlieffen / geriet endlich an ein Dörflein / und fragete / ob nit ein junger Knecht mit einer jungen bräunlichen Frauen / gleich wie er gekleidet / da eingekehret / oder hindurch gangen währen / bekam aber zur Antwort von einem Manne: Er hätte fünff Stunden lang aneinander vor seiner Hauß Tühr gearbeitet /aber keinen einigen fremden Menschen gesehen vorüber gehen / da doch nur diese einige Strasse währe /und alle durchreisende nohtwendig hier vorüber müsten. Arbianes hoffete / sie würden noch zurücke seyn / und sich etwa hinter einer Hecke verberget haben /deswegen er ihrer daselbst in die sechs Stunden wartete / und inzwischen nohtdürfftige Speise und Trank zu sich nam. Als sie aber gar nit ankahmen / ward er herzlich betrübet / und behtete inniglich zu Gott / er möchte das unschuldige fromme Fräulein durch den Schuz seiner lieben Heiligen Engel geleiten / daß sie nicht von ihm getrennet würde. Aber sie wahr schon ferne von ihm / und hatte sich zur Ruhe niedergesezt /nachdem Wolffgang Mũhe gnug mit ihr gehabt hatte /sie wieder zuerquicken / wiewol ihre Herzensangst so groß und die Mattigkeit so stark wahr / daß die Zunge kein verständiges Wort hervor bringen kunte / da Wolffgang endlich zu ihr sagete: Ach Frau (dann anders wolte sie von ihm nicht genennet seyn) wie so gar übel haben wir getahn / daß wir uns von dem rechten Wege abgewendet / und dadurch meinem Herrn uns gar aus dem Gesichte gebracht; wie wollen wir doch immermehr ihn wieder antreffen? Ach mein lieber Wolffgang / antwortete sie; meynet ihr / daß euer Herr noch wol solte im Leben seyn? Ach nein /ach nein / er ist ohn zweifel schon ermordet. Fing hierauff an / so erbärmlich zu weinen / daß es einen Stein in der Erden jammern mögen / wolte auch durchaus sich nicht trösten lassen / wie viel gleich Wolffgang ihr vorsagete / und sie demühtig eriñerte /sie möchte doch nicht aus blossem Argwohn sich selbst durch Sorgen ermorden; die Götter hätten ihn ausser zweifel geschützet / wie er dann mit seinen Augen gesehen / daß er den ersten und andern durch zween Würffe zu grunde gerichtet hätte / und weil der Verfolger nur viere gewesen / wũrde er der übrigen zween sich durch gleiches Mittel leicht erwehret habẽ / nachdem es an Steinen ihm daselbst nicht hätte mangeln können; währe demnach nichts rahtsamers / als daß sie wieder umkehreten / und auff den vorigen Weg sich begäben. Ach nein ach nein / sagte sie / das Herz träget mir viel ein ärgers zu / daß er hart verwundet oder wol gar erschlagen ist. So werde ich demnach den Rükweg zugehen mich nimmermehr bewägen lassen / daß ich den Mördern ins Schwert lieffe / und wann ich gleich wolte / so hat weder[571] mein geängstetes Herz Krafft sich zuerheben / noch meine ermüdeten Beine einiges Vermögen mich weiter zutragen; fiel damit zum andern mahl in tieffe Ohmacht /und lag nicht anders / als ob sie verschieden währe. Wolffgang wahr über die masse betrübt / wuste nicht / was er zu ihrer Erquickung vornehmen solte / rieb ihr den Schlag an beyden Händen / bließ ihr in den Mund / schriehe ihr in die Ohren / und wendete alle Mögligkeit an / daß er sie endlich wieder zurechte brachte / da sie eine starke Trähnen Bach aus ihren betrübten Augelein hervor brach / daß er den Jammer långer nicht ansehen kunte / auch so verwirret sich befand / daß ihm alle Erkäntniß entging / welches Weges sie kommen wahren. Endlich redete er sie mit Ernst an / und sagte: Verzeihet mir / geehrte Frau /daß ich die Kühnheit gebrauche / euch einzureden /welches bloß allein zu eurem besten geschihet; Es wird in Warheit höchstnöhtig seyn / daß wir uns auff die Beine machen / nachdem wir über zwo Stunden schon alhier zugebracht haben; auffs wenigste müssen wir uns erheben / daß wir zu Leuten kommen / und uns in Sicherheit bringen / dann es scheinet an den ungebaueten Sand-Hügeln / daß in der nähe kein Dorff werde anzutreffen seyn; und was wollen wir durch unnützes klagen uns selbst verzehren? ich sage noch / und bleibe beständig dabey / die Götter werden meinen Herrn behütet haben / welcher tausend mahl bekümmerter umb euch / als umb sich selbst ist; ja welchen ihr durch euren Tod gewiß umbbringen würdet. Ach wolte Gott / sagte sie / daß er nur bekümmert währe / alsdann könte sein Kummer noch gebrochen werden / ist er aber schon kummerloß / so muß der meine sich auch durch den Tod endigen. Damit ging das weinen von neuen an / daß Wolffgang wegen mitleidens ihm selbst den Tod wünschete. Doch endlich nach Verfliessung fũnff Stunden / welche sie daselbst zubrachten / ließ sie sich noch bereden / daß sie auff stund und ihm folgete / da Sie sich dann in etwas begriff / ihre Augen gen Himmel kehrete / und Gott /den sie kaum vor vier Tagen erkennet hatte / mit überaus herzlicher Andacht anflehete / er möchte nicht zugeben / daß der fromme Fürst erschlagen würde / welcher bloß ihretwegen sich in diese Gefahr begeben hätte; tröstete sich auch zugleich dessen / daß Arbianes ihr vorgesagt / Gott schickete den Gläubigen zwar Unglük zu / aber liesse sie nicht drinnen stecken und verderben.

Wir wollen aber diese beyde verliebten ihr Elend bauen lassen / uñ zu der HochFürstlichen Geselschaft uns wenden / welche dann nicht feireten / die Friesen unter das Joch zu bringen / nah en eine Stad nach der andern ein / und erzeigeten sich den Willigen gnädig /den Wiederspenstigen aber / deren doch wenig wahren / sehr hart und scharff / wodurch die übrigen gewitziget / alle Wiedersezligkeit fallen liessen. Nun hatte der lezte erblose Friesen König des Königes in Däñemark einigen Sohn und Reichserben / seinen Landstånden / als einen künftigen König und seinen Nachfolger vorgeschlagen / der Hoffnung / daß wañ beyde Königreiche unter einem Herrn seyn würden /es ihnen allerseits umb so viel solte ersprießlicher seyn. Aber den Ständen wahr solches durchaus nicht mit / durften doch bey ihres Königes lebzeiten nicht dawieder reden / aber so bald er todes verbliechen wahr / lagen die vornehmsten dem Wendischen Fürsten an / er möchte sich ihres Reichs als ein Verweser geträulich annehmen / weil die Stände über der Wahl und Krönung des Dänischen Fũrsten sich so schleunig nicht vergleichen könten / und würde er ihnen solches nicht versagen / inbetrachtung / daß ihr König seiner Gemahl leibliche Schwester zur Ehe gehabt hätte.[572] Währe dann dem Dänischen Fürsten das Reich bescheret / würde es ihm hiedurch nit entzogen. Fürst Krito wolte diesen angebohtenen Vogel nicht gerne aus der Hand fliegen lassen / wie er ohndas sehr ehrgeizig wahr / und ihm schon die Hoffnung zur erblichen Friesischen Krone gemacht hatte / trat die Verwesung an / und gelobete den Ständen bey seinen Ehren / daß er ihren befehl und freien Willen nicht ein Haar überschreiten wolte; ließ darauff dem Dänischen Fürsten anmelden / wiewol im Nahmen der Stände /daß er eine Zeitlang das Königreich räumen solte /biß er durch eine freie Wahl zur Herschafft gefodert würde. Dieses fiederten die Vornehmsten des Reichs /dañ ihnen grauete vor der Dänischen Herschaft / welche sie wol ehmahls mit ihrem grossen Schaden erfahren hatten; wiewol sie viel ein härter Joch an dem Wenden würden gehabt haben / wann derselbe ihr volkommener Meister und König solte worden seyn. Der Dänische Fürst roch den Braten gar zeitig / klagete es seinem Herr Vater / bey welchem er schon zimlich wieder ausgesöhnet wahr; der beydes die Stände und seinen Schwager Krito schriftlich erinnerte / sie möchten sich des vorigen Königes gemachter sorgfältigen Versehung gemäß bezeigen / und nicht Ursach zu grosser unnöhtiger Blutstürzung geben / nachdem sie / und die ganze erbare Welt leicht ermässen würde / wie schimflich es der Dänischen Kron anstehen wolte / wann dieselbe ihres Königs Sohn ohn alle gegebene Ursach aus dem wolbesugten Sattel ausheben liesse. Welches dann Krito nicht anders als eine Ankündigung des Kriegs auslegte / gleich da er mit den Gedanken schwanger ging / das Teutsche Fräulein zu rauben; kunte auch den Landständen die Sache so gefährlich machen / daß sie auff sein unnachlässiges anhalten einwilligten / ein Heer von 68000 Mann auff die Beine zu bringen / worzu er verständige Befehlichshaber aus seinem feinem Fũrstentuhm / und 40000 Reuter und Fußknechte verhieß; aber ehe noch solche Anzahl beyeinander wahr / verrichtete er obgedachte Entführung. Der Dänische Fürst wahr solcher Macht nicht gewachsen / und wegerten die Dänischen Stände sich gegen ihren König ausdrüklich / eine so harte Fehde mit Frießland anzutreten / da sie zwar zur Ursach einführeten / daß man nicht wüste wie man mit der Kron Schweden stünde; aber ihr Häuptbedenken wahr dieses / daß sie nicht gerne ihren König gar zu mächtig haben wolten / welcher sich der ausländischen Macht zu ihrem Zwange und ihrer Freyheiten verkleinerung gebrauchen könte; jedoch gönneten sie / daß der junge Fürst in dem Dänischen Reich 1500 tapfere Kriegsknechte werben / und über See zu sich gehen ließ / wozu er noch 1400 geträue Friesen hatte /mit welchen er die Hauptfestung / die in seiner Gewalt wahr / zu aller Nohtturft besetzen kunte / auch auff Anderthalbjahr allerley Vorraht an Früchten /Holz / Salz und Fleisch hineinbrachte / nicht zweifelnd / die Stände würden des wüterischen Wenden bald überdrüssig werden. Nun vernam dieser Dänische Fürst gerne / daß der Wende Krito erleget / und des Königreichs Macht geschwächet wahr / aber daß der GroßFũrst aus Teutschland es gar einnehmen /und unter sich bringen wolte / dauchte ihm gar zunahe getreten seyn. Derselbe aber kehrete sich an ihn und seine Festung nicht im geringsten / biß er die übrigen Orter alle unter seinem Gehorsam hatte / welches doch jenem den Argwohn nicht benam / sondern taht seinem Vater alles bey schleuniger Bohtschafft zu wissen / man hätte sich vor den Teutschen wol vorzusehen / daß sie nicht zu mächtig würden / und die ehmaligen Uberzũge / von den Dänen geschehen / zu rächen sucheten; aber ehe[573] er sichs versahe / lag der GroßFürst ihm vor der Nase / und belagerte den Ort zu Lande dergestalt / daß kein Mensch weder aus noch ein kunte / des gänzlichen vorhabens / von dannen nicht zu weichen / biß die Festung gewonnen /und alles in Friede und Ruhe gesetzet währe; sendete demnach einen Trometer zu ihnen hinein / und foderte den Ort als eine unstreitig Frisische Festung auff / mit angehängter bedräuung / dafern inwendig dreyen Tagen sie sich nicht ergeben würden / solte ihnen hernach der Zutrit zu aller Gnade versperret seyn. Insonderheit wurden die Frisischen Häuptleute und Knechte vermahnet / sich von dem Dänen abzuzihen / und der Stände Schluß anzunehmen / weil der Dänische Fürst durchaus keine rechtmässige Ansprache zu dem Königreiche hätte; dann nachdem keine Erben von des verstorbenen Königes Geblüt und Stamme übrig /währe damit der Stuel erlediget und den Ständen heimgefallen / einen König nach freiem willen zuerwählen / also daß der verstorbene dasselbe nicht hätte können nach belieben verschenken. Aber dieses wolte nichts verfangen / sondern der Däne / Fürst Olaff gab zur Antwort: Es befremdete ihn sehr / daß der Teutsche GroßFürst ihn in seiner Festung belagern dürfte /da er ihm doch nicht eins abgesaget / noch einige Ursach der bestreitung / als seinen in den rechten ungegründeten Willen einführen könte; hätte er mit dem Wendischen Fürsten / seinem selbst eigenen Feinde /und etlichen Frisischen Ständen / so jenem wieder Recht angehangen / etwas zu fechten gehabt / ginge weder ihn noch dieses Königreich ichtwas an / solte ihm auch nimmermehr mit Warheit überbracht werden / daß er in ihr Vorhaben eingewilliget / einigen Vorschub darzu gelegt / oder wolgefallen daran gehabt hätte. Nun währe aber ja die angelegete Unbilligkeit seines ermässens zur gnüge gerochen / nicht allein an dem ganzen Heer / sondern an dem Wendischen Fürsten selbst / welchen man (eine fast unerhörete Straffe) durch Büttels Hand håtte abschlachten lassen; währe dann der Teutschen Grim auch durch Blut noch nicht versöhnet / je warumb erholeten sie sich dann nicht an Wendland welches an der Ostsee /nicht an der Westsee belegen währe. Man dürfte ihm vorwerffen / er hätte kein recht an diesem Reiche /währe auch von den Ständen nicht beruffen / als denen die Wahl heimgefallen währe; er möchte aber gerne wissen / ob dann die Sachsen Recht daran hätten / oder ob die Stände sie zur Herschaft eingehohlet. Mit dem Schwerte / und durch harte dräuungen währen sie darzu gezwungen / sonst würden sie sich wol hüten / daß sie denen sich nicht unterwürffig macheten / die ihnen wol ehmahls unabgesagt ihr Land durch und durch geplündert hätten. Jedoch hette vor den Sachsen er sein Recht oder Unrecht nicht zu streiten; der lezte Friesen König hette ihn an Kindesstat erwählet und angenommen / auch den Landständen es frühzeitig gnug zu wissen getahn / welche überdas durch ihr nicht wiedersprechen ihre einwilligung gnug zuverstehen gegeben; daß sie aber nach des Königes Tode währen rũkfällig worden / solte der Teutschen GroßFürst / wann er löblich handeln wolte / vielmehr straffen als unterstützen helffen. Er sässe auff seinem Schlosse / und in seiner Feste / davon wolte er sich trauen nicht durch einen Trometer herunter blasen /noch von einem Schreier herunter predigen / sondern durch unüberwindliche Fäuste heraus stürmen lassen /und solte der Sachsen GroßFürst erinnert seyn / daß Dänische Herzhaftigkeit noch wol so groß / und so fest gesenket währe / daß sie Frießland über Meer nicht allein beschützen / sondern aus unrechtmässiger Gewalt wieder loßzureissen / eine Schanze wagen dürfften;[574] wie dann der Großmächtigste König in Dännemark sein Gnädigster Herr Vater ihn in seiner gerechten Sache nicht hülff-loß oder unentsetzet lassen würde / dabey man sich zuerinnern hätte / daß wol ehe die Sachsen der Dänischen Kron hätten müssen ein Knie beugen. Inzwischen / da es dem GroßFürsten also gefallen würde / könte er sich an seiner Festung versuchen / vielleicht sünde er mehr / als er gemeynet hätte. Er wolte zwar vor dißmal dem Trometer seinen unbesonnenen Frevel übersehen; wũrde aber noch einer nach ihm kommen / und sich unterstehen / ihm seine Leute abspenstig oder anfrührisch zumachen /wolte er ihm den gebührlichen Lohn geben / und ihn über die Maur hinaus henken lassen. Die unsern vernahmen solche Erklärung ungerne / sahen auch / daß es viel Zeit und Blut kosten würde / die Festung mit Gewalt anzugreiffen; so ward ihnen des Dänischen Fürsten Herzhafftigkeit und ritterliche Erfahrenheit von allen Ständen hoch gerühmet. Herkules betrachtete am meisten / daß er gleichwol ein zimliches Schein Recht vor sich hätte / insonderheit / weil die Stände anfangs ihm nicht widersprochen; daher er in der Fürstlichen Versamlung also anfing: Ich habe nie keinen Krieg mit grösserem Unwillen / als diese Belagerung / geführet / und däucht mich / mein Gewissen werde dadurch in etwas beleidiget; am besten währe es / man könte den Fürsten / der uns ohndas verwand ist / in der Güte bewägẽ / daß er sich der Ansprache dieses Reichs begäbe / welches mich däucht auff diese weise wol geschehen könte. Erzählete hierauff seine Meinung / und bekam von allen Beifall und Volmacht zuhandeln. Also setzete er sich / und nach kurzem bedenken schrieb er folgenden Brief an den Dänischen Fürsten.

Ich Herkules / gebohrner Großfürst und nähester Erbe / des freyen Teutschen Reichs / erwähleter Fürst zu Susa in Asien / und Obrister Feld Herr der Königl. und Großfürstlichen Verbündnis in Asien wieder den Parther König Artabanus / entbiete dem Durchleuchtigsten Fürsten / und nähesten Erben des Königreichs Däñenmark /Fürsten Olaff / meinem geliebeten Oheim / meinen Gruß und alles gutes / und lasse dessen Liebe hiemit wissen /welcher gestalt nach Erlegung des boßhafften Menschen Räubers Krito / die sämtlichen Stände dieses freyen Königreichs Frießland / meinem Gn. Herrn Vater / dem Großmächtigsten Großfürsten auß Teutschland die Beherschung dieser Länder einhellig auffgetragen / und die Krone ohn Abbruch ihrer uhralten wol hergebrachten Freyheiten auffzusetzen / sich anerbohten / mit dem außdrüklichen Vorbehalt / daß sie lieber alle miteinander zum Lande außzihẽ / als der Dänen Herschafft über sich nehmen wollen / und könte sie nichts hindern / daß ihr gewesener lieber König / ihnen den Dänischen Fürsten vorgeschlagen / welchen anzunehmen sie nie Willens gewesen / wie wol sie / Unruhe zumeiden / ihrem Könige b y dessen Lebzeit nicht außdrüklich wiedersprechen wollen /auch dessen blosser Vorschlag dem Dänischen Fürsten kein Recht zu disem entledigten Reiche geben konne. Wann nun mein Herr Vater mich seinen ältern Sohn mit dieser Kron gnädigst anzusehen Willens ist / und kein Mensch / als Eure Liebe / mir dieselbe streitig machet /ungeachtet dieselbe weiß und sihet / daß mit der Stände Bewilligung sie ihren Vorsatz nicht heben / noch dieses Reich erhalten kan. Als wil dieselbe ich Oheimlich ermahnet haben / sich wol zubedenken / ob sie mit gutem Gewissen die Beherschung dieses Reichs wieder der Untertahnen Willen durch Blutvergiessung erhalten können / und ihr nicht rühmlicher anstünde / sich ihres vorhabens willig zubegeben. Mein Oheim traue mir zu als einem auffrichtigen Fürsten / daß wann meine Wahl nicht schon geschehen währe / ich mit ihm mich den Ständen stellen /und wann die Stimmen auff seine Liebe fielen / der erste sein wolte / der ihm hierzu von Herzen glük wünschete. Lasset uns demnach / Durchl. Oheim / nicht ohn noht Blut stürzung anrichten / meldet die Gefahr / welche von euren Friesischen Knechten die kaum des Ernstes erwar ten werden / euch zustossen könte / und begebet euch euer vermeinten Ansprach / alsdann wil ich[575] mich hiemit erbieten und verpflichtet machen / Euer Liebe Freund und Bruder zuseyn / auch es dahin zu bringen / daß Euer Liebe die volkommene freie Beherschung des Wendischen Fürstentuhms erblich eingeräumet werden sol. Welchen Vorschlag Eure Liebe verhoffentlich wählen /und weitere Ungelegenheit abwenden wird; auff welchen Fal ich dann Zeit meines Lebens bin und verbleibe / Euer Liebe zudienst und Freundschafft bereitwilligster und ergebener Oheim


Herkules.


Als Fürst Olaff dieses verschlossene Schreiben empfing / und diese Auffschrifft lase: Dem Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn Olaff / nähestem Erben des Königreichs Dänenmark / meinem freundlichen lieben Oheim; wahr er willig / es zuerbrechen / und nach Verlesung beredete ers mit seinen Befehlichshabern / welche es vor eine Kleinmühtigkeit an Seiten Herkules außlegeten / und vorgaben / es währe ihm rühmlicher angestanden / den Fürsten zu einem absonderlichen Kampf außzufodern / als freundliche Bit Brieffe zuschreiben / insonderheit / da er sich vor einen Kriegs Held und bestalten Feld Herrn außgäbe. Riehten demnach mit einhelliger Stimme / er solte seiner guten Sache trauen / und es in der Götter Nahmen dem Schwert anbefehlen / weil man billich zweiffeln müste / ob die Dänischen Stände dem sieghafften Sachsischen Heer sich entgegen setzen / und mit ihnẽ den Krieg auffnehmen würden. Und als der Fürst fragete / auff was weise sie es dann vor best hielten / tahten sie den unvorgreiflichen Vorschlag / sie wolten die wehrhaftesten Dänẽ 600 Mann / und die tapffersten Friesen / 400 stark / außlesen / sich mit dieser Schaar unter ihres lieben Fũrsten Anführung ins Feld setzen /und den Feind mit gleicher Anzahl zur Schlacht fodern /unter der von beiden seiten gegebenen gnugsamen Versicherung / daß / welcher Teil unterliegen und das Feld räumen würde / dem andern alle Ansprache zu diesem Königreich abtreten solte. Fũrst Olaff lachete dieses vorschlages / und gab ihnen zur Antwort; ob sie den Teutschen Großfũrsten und andere Anwesende Fürsten so Kindisch hielten / daß sie ihres grossen vortels sich begebẽ / und um die Frisische Kron noch erst 1000 Knechte fechten lassen wolten / welche sie schon so gut als in Händen håtten / oder doch zu haben vermeineten. Er vor sein Häupt wolte durch einen solchen ungereimten Vortrag sich ihnen nicht zum gelächter vorstellen / sondern in freundlich-abschlägiger Beantwortung dem berümten jungen Großfürsten Herkules / so viel zuverstehen geben / daß wann er bereit währe / er sich willig wolle finden lassen / mit ihm in einem absonderlichen Kampf sein Heil zuversuchen / unter der Bedingung / daß auff den fal seines Sieges / die Sachsen abzihen / seine Festung unangefochten lassen / und ihm Freyheit gönnen solten / mit den Friesischen Ständen sein Recht außzufũhren / und ein grosses wird es seyn / sagte er / wañ ich solches von ihnen erhalten werde; setzete darauff dieses Antwort-Schreiben in der eyle auff.

Olaff / gebohrner Fürst und Erbe des Königreichs Dänenmark / erwähleter und angenommener Erbe und Nachfolger des Königreichs Frießland / entbeut dem Durchleuchtigsten Großfürstlichen Herrn auß Teutschland / Herrn Herkules / Fürsten zu Susa / und Obersten Feld Herrn der Königlichen und Großfürstlichen Verbündniß in Asien / seinem geliebeten Oheim / freundlichen Gruß und alles gutes; füget dessen Liebe zuwissen /daß dero Schreibens Inhalt er gelesen und reifflich erwogen habe / selbes aber gründ- und umständlich zubeantworten / noch zur Zeit unnöhtig und unfruchtbar achte / jedoch vor angebohtene Freund-Oheim- und Brüderschafft sich hoch bedanke und ein gleichmässiges mit auffrichtigem Herzen anerbiete / ohn daß er in Abtretung eines Königreichs so leicht / und ohn vorwissen seines gnädigsten Herr Vaters und Königes nicht gehehlen können / würde ihm auch[576] fast unrühmlich und ehren-verkleinerlich anstehen / wann mit freundlichen Brieffen er seine wolversehene / und vor Feindes Anfal gnug verwahrete Festung solte stürmen und einnehmen lassen. Hätte er eine gleiche oder etlicher massen bestante Macht auff den Beinen / währe er unerschrocken / dem Glük im offenen Feldesein gutes Recht anzuvertrauen / aber in Mangel dessen ist er biß dahin gezwungen sich von Wahl und Mauren zuwehren; giebet gleichwol seiner Liebe daneben zubedenken / obs uns beiderseits zuverdenken währe / wann wir um ruhige Besitzung eines so schönen Reichs / Schwert an Schwert setzeten und Leib an Leib wageten / damit die Götter zu Richtere gesetzet / den Außschlag im kurzer frist und ohn Blutstürzung der unschuldigen geben möchten. Welches Euer Liebe zur WiederAntwort zugeben / auch vor angebohtenes Fürstentuhm zudanken sich schuldig erkennet hat / und im übrigen / als lange erlebet / ist und sein wil / Euer Liebe zu dienst- und Freundschafft-bereitwilligster und ergebener Oheim


Olaff.


Ekhard wahr dißmahl der Heerhold / welchem der Däne eine statliche güldene Kette schenkete / und das Antwort Schreiben mit großmühtigen Geberden zustellete / sagend: vermeldet meinem Oheim dem trefflichen Helden Fürst Herkules meinen Gruß und Dienste / und daß von seinen preißwirdigen Tahten mir in Spanien und Engeland etwas vorkommen ist; möchte wünschen / daß dieser Span zwischen uns nicht entstanden währe / dann würde ich mein Schwert / wie leicht es auch ist / lieber wieder seine Feinde als ihn selbst entblössen; und verlanget mich nach nichts so sehr / als die Ehre zuhaben / sein tapfferes kämpfen anzusehen / ja auch seiner Streiche selbst zuempfinden; ich gelebe aber zu einem so hoch beschriehenen Helde der ungezweifelten Hoffnung / seine Liebe werde meine Frage einer Antwort wirdigen. Durchleuchtigster Fürst / antwortete Ekhard / mir zweifelt nicht / ihre Durchl. werde mit meinem Gnädigsten Herrn / Großfürst Herkules / dereins in gute Kundschafft gerahten / dessen Durchleuchtigkeit einem solchen tapfferen Fürsten und lieben Oheim ein Königreich zuschenken / sich nicht lange bedenken würde /wann es mit der Stände Einwilligung geschehen könte; massen dessen Durchl. weder nach Herschafft noch Hocheit fraget / und dessen zum Beweißtuhm /den Käyserlichen Stuel / darauff der jetzige Römische Käyser seine Dũrchl. hat setzen / und zum Gleichwaltigen Mit Herscher annehmen wollen / außgeschlagen hat. Weil ich aber merke / daß Eure Durchl. Begierde träget / meines Gnädigsten Großfürsten Schwert zuprüfen / mag sie dessen sich wol gänzlich versichern /daß sie des Wunsches inwendig einer Stunde wird gewehret seyn / dafern dessen sonst in diesem Schreiben einige Meldung geschehen ist. Ich weiß wol / Ritter /sagte der Däne / dz Euer Fürst mein Oheim / seines Gegners Speer und Schwert wol leiden mag / das übrige werde ich schon zuvernehmen haben. Ließ ihn hiemit zimlich bezechet zihen / und gab ihm einen Trometer mit. Herkules verlaß den Brieff in der Fürstlichen Versamlung / da Fürst Baldrich sehr anhielt /daß der Kampf ihm möchte übergelassen werden /dessen sein Vater wol zufrieden wahr / und er sich dessen schon freuete / aber Herkules wolte durchaus nicht einwilligen / sonderlich da er die mündliche Werbung vernam / einwendend / es müste ihm ja billich zur Kleinmühtigkeit gerechnet werden / wann er einem Fũrsten auff Ausfoderung nicht selber stehen /sondern einen andern an seinen Plaz stellen würde. Doch trug er der Geselschafft dieses vor: Ob er zwar willens währe / im fal er unterliegen würde / sich dieses Königreichs zubegeben / so könte er doch den Ständen dieses Reichs nicht auffbürden / daß sie wider ihren Willen diesen Fürsten annehmen solten /[577] wiewol / da er im Leben bliebe / er nicht unterlassen wolte / ihnen solches zurahten. Weil dann ihnen solches beliebete / verfassete er dieses in ein kurzes Schreiben / und als er den Trometer mit einer köstlichen Kette / daran sein Brustbilde wahr / geschenket hatte / sagte er zu ihm: Reitet hin / mein Freund / und nach Anmeldung meiner Dienste und Grusses / saget meinem Oheim: Ich nehme seine ritterliche höfliche Ausfoderung willig an / hätte zwar lieber auff freundlichere weise mich mit seiner Liebe abfinden wollen; weil aber solches nicht hafften mag / ist mirs dannoch lieb / daß unser Span durch absonderlichen Kampff kan ausgetragen werden / jedoch solcher gestalt / daß der überwundene sich aller Ansprache zu diesem Königreiche schlechter dinge begebe / und solches Fürstlich verbriefe / welches an meiner seiten schon bündig gnug geschehen ist / und ihr in diesem Schreiben (welches er ihm einreichete) zuũbergeben habet. Ob mirs dann in meiner guten Sache nicht glücken solte /muß ichs dahin rechnen / daß es meinem Arme sehr zuwider seyn wird / mein Schwert wider meinen Oheim zukehren / dem ich gewißlich lieber in andern Diensten auffwärtig seyn wolte. GroßFũrstin Valiska stund dabey / und taht dieses hinzu. Trometer / vermeldet eurem Fürsten / einen Gruß von seiner unbekanten Wasen Valisken aus Böhmen / uñ daß ich ihn erinnern lasse / er wolle mit besserm Gewehr als Recht sich gefasset halten / wañ er Hoffnung zum Siege haben wil; ich vor mein Häupt wolte es in dieser so guten Sache wider ihn mit dem Schwerte zu Roß und Fuß wagen / und an der überwindung wenig zweifeln. Der Trometer verwunderte sich nicht allein solcher Erklärung / sondern auch ihrer übermässigen Schönheit / machte sich fort / und hinterbrachte alles; welches Fürst Olaff lieb und angenehm wahr / kunte es auch Herkules nicht verübeln daß er den Ständen das Recht ihrer Wahl vorbehalten wolte / dann er gedachte / wann nur die Teutschen würden abgewiesen seyn / solte sein Herr Vater den Stånden schon so nahe treten / daß sie ihn annehmen müsten; wiewol auff solchen fal die Wahl auff Fürst Siegward ohn allen zweifel würde gefallen seyn / welches sie ihm nachgehends ausdrüklich zuerkennen gaben / doch dabey unangezeiget nicht liessen / daß ihm nichts schaden tähte / als daß er der Dänischen Kron ungezweifelter Erbe währe / ausser welcher Betrachtung er von den Ständẽ alsbald würde beliebet / angenommen / und noch bey ihres Königes Lebzeit gekrönet worden seyn; mit welcher Erklärung er dann völlig in seinem Herzen zufrieden wahr. Vor dißmahl aber dauchte ihm schimpflich seyn / daß ein Weibesbild ihn im Kampffe bestehen wolte. Worauff der Trometer zu ihm sagete: Durchl. Fürst / ob sie mit dem Schwerte wider Eure Durchl. hafften würde / solches weiß ich nicht / wiewol sie scheinet muhts gnug zuhaben /mehr als ich mir bey einigem Weibesbilde habe einbilden können; aber ihrer Augen Schwerter / Spiesse und Pfeile sind scharff und hurtig gnug / alle Mannesbilder zu überwinden / dann ihres gleichen an Schönheit und freundlichen Geberden / lebet in der ganzen Welt nicht; so kan ich auch wol mit warheit sagen /dz ein Fürst von grösser Schönheit und tapffermuhtigen Bezeigungen / als Herkules / mir nie vorkommen ist / aus dessen Reden und Sitten wol erscheinet / daß er im Felde und auf der Streitbahn sich rechtschaffen zutummeln wisse. Ein anwesender Schmeichler / welcher sonderliche Gnade hoffete zu verdienen / wolte dem Fũrsten liebkosen / uñ fragete den Trometer / ob er nicht in seiner kühnen Erzählung dem Fürsten zu nahe getreten wåhre. Aber derselbe wolte es selbst beantworten /[578] und sagete: Mein Kerl / laß du mir diesen und jedermänniglich die Warheit reden; oder meinestu / daß ich in einer Narrenhaut stecke / und einem tapfferen Ritter sein gebührliches Lob nicht gönne? Er wolte aber / seine Herzhafftigkeit zuerzeigen / den Kampff nicht långer auffschieben / setzete die schrifftliche Einwilligung nach begehren auff / suchte seine besten Waffen hervor / und machte sich zum Kampffe fertig; und weil er wuste / daß Fürstliche Mannes-und Weibesbilder zusehen würden / putzete er sich gar zierlich / nam einen starken Friesischen schwarzen Hengst mit einer Hi elblauen Decke / mit Perlen reichlich gesticket / und einen schwarzen mit Golde eingegossenen Harnisch; die Feldbinde wahr gleicher art mit der Pferdedecke; im Schilde stund ein Königliches Mannesbilde / hatte eine Kron auff dem Häupte /und umb sich her diese güldene Buchstaben: Regni Lex, Honesta Regis Voluntas. Des Königes ehrlicher Wille ist des Landes Recht. Womit er seinen Anspruch behåupten wolte. Auff dem Helme führete er einen güldenen Löuen / welcher eine Schlange zerdrückete / daß ihm der Gifft ansprützete / hatte aber in ber Tatzen ein Täffelein mit dieser Auffschrifft: Fraus Fortitudinem non frangit Betrug bricht die Stärke nicht. Diese Waffen hatte er machen lassen /der Meynung / sich deren wider den Wenden Krito oder dessen Sohn Gotschalk im Kampffe zugebrauchen. Herkules muste auff seiner Valisken begehren sich folgender gestalt ausrüsten. Er ritte einen starken schneeweissen Hengst (aber nicht seinen ädlen Meden) dessen Decke ein zartes Persisches gülden Tuch wahr / mit den schönsten grossen Zahl Perlen besticket / und umher die scheinbaresten Demanten /zwo Reihen ũber einander. Der Sattel blänkete von allerhand ädlen Steinen; sein Harnisch war stark übergüldet / mit geetzetem schwarzen Blumwerk; Im Schilde wahr seine Valiska gemahlet / und umher diese Worte: In Cœlo DEVS, in terra HÆC meus amor est; Gott im Himmel / und diese auff Erden ist meine Liebe. Auff dem Helme hatte er auch einen güldenen Löuen / welcher sich aber von einem Schäflein leiten ließ und an seiner Brust diese Worte stunden: Effectus Amoris. Diß ist der Liebe Wirkung. Seine Feldbinde wahr von gleichem Zeuge mit der Pferdedecke / uñ saß an seinem Schwerte / welches stark ũber uñ über vergüldet wahr / ein treflicher Demant oben auf dem Knauffe / welcher Strahlen von sich warf. Olaff hielt zwischen zween vornehmen Dänischen Herren / seinen Anverwanten / welche ihn zubesuchen / vor weniger Zeit kommen wahren / hatten etliche Jahr der Ritterschaft in der fremde obgelegen / und mannichen guten Preiß erworben; der eine hieß Harald / der ander Hunibold. Neben Herkules ritten König Ladisla und Fũrst Baldrich. Das Fürstliche Frauenzimmer hatte sich auff den Elefanten gestellet / dem Kampffe zuzusehen / woselbst Valiska als eine Sonne unter den Sternen hervor leuchtete / und erwieß ihnen Fürst Olaff / so bald er sie sahe / mit abgezogenem Helme grosse Ehrerbietigkeit / ward auch über Valisken Schönheit ganz bestürzet / daß ihn schier gereuete /den Kampff begehret zuhabẽ; doch gedachte er in seinem Herzen; wie wann du Herkules erlegetest / und durch eine einzige überwindung zugleich dieses Königreich und das Reich aller versamleten Schönheit erstrittest? sendete auch einen zierlichen ädelknaben an das Frauenzimmer / bey welchem er sich anfangs entschuldigen ließ / daß er die unbilliche Entführung des GroßFürstlichen Fräulein weder befodert noch gut geheissen hätte; hielt demnach umb Erläubniß an /daß ihm der Kampff mit ihrem guten Willen möchte zugelassen seyn; und ließ sich ihren ingesamt /[579] und jeder absonderlich gehorsamen Knecht und bereitwilligsten Diener nennen. Herkules gefiel die Höfligkeit sehr wol / und nam ihm gänzlich vor / so viel möglich / sein zu schonen. Valiska aber / welche ihren Köcher mit übergüldeten Pfeilen / und den Bogen angehengt hatte / gab dem Knaben diese Antwort: Reite hin /und melde deinem Herrn / dem Dänischen Fürsten /unserer sämtlichen Ehren-gewogenheit an / und daß ich ihn träulich warnen lasse / das Schwert in so schlimmer Sache nicht zugebrauchen / da ihm weder Gott noch Recht Beystand leisten wil; kan er nun meinem Raht folgen / werde ich mich bemũhen / ihm dergestalt zubegegnen / daß ihm nach der Friesischen Kron nicht verlangen sol; bringe ihm auch diesen Ring meinet wegen zum Pfande / daß wann er meinem allerliebsten Gemahl im Streit angewinnen solte /ich ihm zwar dieses Königreich nicht streitig machen / aber ihn doch ausgefodert haben wil / daß er ungeharnischt / mit Schild und Schwert / oder auch wol ohn Schild / umb Leib und Leben den Kampff mit mir antreten muß. Fürst Olaff entsetzete sich der ernstlichen Ausfoderung von einem Weibsbilde / wolte auch den Ring mit solchem bedinge nicht annehmen / sondern schickete ihn wieder zurũk / und ließ ihr sagen: Er währe bereitwilligst / in allen möglichen Dingen ihr zugehorsamẽ / aber seiner Ausfoderung sich zubegeben / würde ihm unertäglicher seyn / als der Tod; sein Schwert aber wider eine solche trefliche Fürstin auffzuheben / wolte er lieber unbewehret sich von ihrer Hand niderhauen lassen / wie herzlich gerne er auch die Ehre haben möchte / diesen Ring zu ihrem unsterblichen Gedächtniß zubehalten. Zeit dieser Handelung schickete Baldrich an Olaffs Gefärten /und ließ ihnen sagen: Sie hielten alhie beyderseits gegen einander gewapnet / nicht als Feinde / sondern als Zuseher / uñ verzöge sich der Kampf in etwas; währe demnach nicht unabgeneiget / mit ihrer einem ein ritterliches Speer / nit aus Feindschafft / sondern zur Lust / und dem anwesenden Frauenzimmer zur Ergezligkeit zubrechen / wann es ohn Unwillen könte eingewilliget werden. Olaff wahr dessen wol zufrieden / und erläubete seinem Gefärten Herrn Harald solches gar gerne; welcher es ohn auffschieben annam /und den Saz mit ihm anging; hielt sich auch im ersten Treffen wol; im andern schwankete er; und im dritten muste er seine alte Mutter die Erde küssen; dessen er sich nicht ein geringes schåmete / weil er sahe / daß sein Obsieger unbewäglich sitzen blieb. Ladisla hatte auch belieben mit dem andern einen Versuch zutuhn /welcher nicht allein ehrenhalben es nicht ausschlagen kunte / weil es bloß dem Fürstlichen Frauenzimmer zugefallen geschehen solte; sondern hatte auch die Hoffnung gefasset / seines Gesellen Schimpf einzubringen / welches ihn aber sehr betrog; dann ob er gleich den ersten Stoß etlicher massen aushielt /schwankete er doch davon als ein trunkener / muste auch im andern Gange einen solchen Sprung nehmen /daß er den rechten Schenkel zubrach; massen ihn Ladisla mit samt dem Pferde über und über warff. Olaff kennete der seinen Rittermässigkeit / und wunderte sich nicht wenig / daß sie dergestalt beschimpffet stunden / daher er auch die Rechnung ihm leicht machete / er würde aller seiner Kräffte uñ Erfahrenheit in diesem Kampffe wider Herkules bedürffen; zu welchem ende er sich fertig machete / da er von der jungen GroßFũrstin gleich diese Antwort bekam: Sie erkennete sein ritterliches Gemüht aus dem / daß er das versprochene vor unwiederruflich hielte / und weil ihm ihre Bestreitung so gar unangenehm währe / sie auch nicht hoffete / daß ihres Gefechtes es bedürffen solte /[580] möchte er dessen erlassen seyn / und dannoch den Ring / weil es ihm also gefiele / zum Zeichen ihrer künfftigen Gutwilligkeit behalten; welchen er alsbald an seinen kleinen Finger steckete / und gleich willens wahr / Herkules mit einem Speerwinken zuverstehen zugeben / daß er zum Treffen fertig währe; Er sahe aber / daß Valiska ihren Bogen zum Schuß anlegete / umb nach einer Taube zuschiessen / deren drey hoch oben her in Lüfften schwebeten; und lachete / seiner Meynung nach / ihrer Tohrheit bey sich selbst / daß sie einen so unmöglichen Schuß in Gegenwart so vieler Fũrsten wagen / und sich dadurch nur in Spot setzen wolte; aber als er gewahr ward /wie geschwinde sie die eine getroffen / dz sie mit samt dem Pfeil tod herunter fladderte / verwunderte er sich dessen über alle massen / insonderheit / als sie fast im Augenblik darauff die andere / und endlich / ehe man sichs versahe / auch die dritte / ohn einigen Fehlschuß herunter hohlere; sagte auch zu einem Ritter / der hinter ihm hielt: Dafern dieses Wunder Bild so fertig mit dem Degen / als mit dem Bogen ist / würde ich mich nicht unterwinden / einen Gang mit ihr zutuhn / und wann ich diese drey Schüsse mit meinen Augen nicht hätte angesehen / würde ichs vor eine lautere Unmögligkeit halten; wiewol ich bey wir anstehe / obs eine warhaffte Taht / oder eine Augen-Verblendung ist. Dieser verwunderte sich darüber nicht weniger / erinnerte aber den Fürsten / es schiene / daß sein Gegener auff ihn wartete. Es ist mein Vorhaben durch diese Wunderwirkung mir schier aus dem Gedächtniß gefallen / antwortete er; gab auch Herkules ein Zeichen /daß er loßbrechen wolte. Derselbe pflegte sich nun in dergleichen Geschäfften nicht gerne zweymal ansprechen zulassen / legete ein / und begegnete dem Dänischen Fürsten sehr artig / traff ihn auch dergestalt /daß er hinter sich bog / und wenig fehlete / er hätte sich auff der Erden ausstrecken müssen; dessen er sich gleichwol entsetzete / und schon merkete / daß Speer würde ihm die Friesische Kron nicht erstreiten /weil sein Wiedersacher fest im Sattel blieb; jedoch hoffete er im andern Treffen sich besser zuhalten / da es Herkules bald ungleich ergangen währe; dann als er meynete den Stoß anzulegen / ward sein Pferd schüchtern / sprang zur seiten aus / und lief wider seinen Willen mit ihm eine zimliche Ecke hinweg / biß er endlich wieder Meister ward / sich aber des Fehls /der ihm sonst nie begegnet wahr / sehr schämete / und dannoch das Pferd umzuwechseln bedenken trug /sondern sich wieder auff die Bahn setzete / und seinen Feind dergestalt empfing / daß er ihn mit samt dem Rosse zur Erden warff. Sein Vater sahe den gewaltigen Rit / und sagte: Hilff Gott / wie können eines Jünglings Arme solche Macht volbringen! Nun glückete es gleichwol dem Dänen / daß er weder unter das Pferd zuliegen kam / noch sonst einigen Schaden empfing / sondern da ihm sein Leibdiener ein frisches Roß zuführete / setzete er sich darauff / und mit dem entblösseten Degen hielt er sich fertig / weil er lieber zu Pferde als zu Fusse kämpffen wolte. Herkules schickete Neda an ihn / und ließ ihn warnen / er möchte den Streit lassen auffgeruffen seyn / nachdem er sähe / daß das Glük ihm in dieser Sache nicht beypflichten / noch nach willen fugen wolte / alsdann solte er sein Freundes Gemüht in der Taht spüren; welches erbieten ihn etwas schimpflich dauchte / und zur Antwort gab: Ob sein Pferd lieber fallen / als zur seite aussprengen wollen / könte er nicht endern hoffete / das angefangene zuvollenden würde ihm Fürst Herkules nicht versagen. Wol dann / antwortete er hierauff / so kan es ja nicht anders seyn; Setzete auch dergestalt auff ihn zu / daß Valiska fürchetete / der Dåne[581] würde mit dem Leben bezahlen mũssen / daher sie zu dem Großfürsten sagete: Ich sehe ungern / daß der Dänische Fürst keine freundliche Anmuhtung /weiß nicht / aus Tapfferkeit oder Verstockung / wil gelten lassen / und dürffte ihm vielleicht die Reue zuspaht kommen. Das Gehacke ging unter diesen beyden rechtschaffen an / und ließ Olaff wol spüren / daß er muht und herzens gnug hatte / umb ein Königreich das Schwert zuführen / meinete auch / in dem ersten Anfal der überwindung einen festen Grund zu legen; aber Herkules betrachtete / daß er in seiner Eltern und des ganzen Kriegsheers gegenwart stritte / wolte demnach sehen lassen / daß das Gerüchte von seinen Tahten nicht aus blosser gewogenheit erschollen wåhre / daher er alles mit Doppelhieben dem Dänen dergestalt zusetzete / daß er in kurzer Zeit an unterschiedlichen Orten seines Leibes die blutigen Merkzeichen der empfangenen Verwundung von sich gab /wiewol wegen güte seiner Waffen es nicht tieff durchgangen wahr. GroßFürst Henrich / der bey dem Frauenzimmer auff dem Elefanten wahr / fing an: die Streiche hat mein Sohn in Teutschland nicht gelernet /noch von einigem Kämpfer gesehen. Gn. Herr Vater /antwortete Valiska / ich achte dieses Gefechte fast vor nichts; aber wann man ihn unter einem ganzen Hauffen solte mätschen sehen / wũrden die Hiebe wol anders zischen und krachen / versichere auch meinen Herr Vater / daß mein Herkules noch Höfligkeit gegen Fürst Olaff gebrauchet / dann sonst würde er ihn schon längst vom Pferde gerissen und abgeschlachtet haben. Nun hielt sich dannoch der Dähne /daß ihn niemand tadeln kunte / und die Warheit zu sagen / würde ausser Herkules und Ladisla nicht leicht ein ander ihm überlegen gewesen seyn. Dann er ging sehr behutsam / versetzete so viel ihm möglich wahr / und gab sich nicht bloß / ohn wann er meinete / seinen Feind mehr zubeschädigen / als von demselben getroffen zu werden. Nachdem es aber Herkules verdroß / daß er so lange Wiederstand hielt / taht er einen heftigen Anfal / gleich da sein Gegener die Hofnung fassete / er wũrde sich nunmehr zimlich abgemattet haben / und doch dagegen seine Hiebe nur verzwiefältigte / ihm auch dergestalt den Helm zuhämmerte / daß ihm vor den Augen zu funkeln begunte /und er sich zuerhohlen / zur Seiten ausweich; aber Herkules setzete ihm auff dem Fusse nach / schlug den Helm auff / uñ rieff ihm zu; Fürst Olaff / lassets dereins gnug seyn gefochten / und gebet dem Streit anstand / dann ich wolte ungerne einen so guten Ritter / als ihr seid / tödlich beschädigen; ihr sehet ja vor Augen / daß es euch weder an gutem Herzen noch kräftigen Fäusten / sondern bloß an gerechter Sache mangelt. Dieser Schimpf / wie ers auslegete / schmerzete ihn mehr als die empfangenẽ Wunden / daß er derselben gar darüber vergaß / kehrete umb / und antwortete mit kurzen; O nein Fürst Herkules / diese Rechnung ist noch zur Zeit zu früh gemacht. Woldann / sagete er / so werde ich die Kreide zum andernmahl ansetzen müssen; damit erhub sich der Streit von neuen / ob hätten sie noch keinen Schwertschlag geführet; aber Glũk / Erfahrenheit uñ geschikliche Kraft hing nicht in gleicher Wage / sondern an Herkules Seite im grossen Ausschlage / der seinen Feind zu unterschiedlichen mahlen hätte niderstossen können /wolte aber nicht / sondern da er seinen Vortel ersahe /warf er ihn vom Pferde herunter und sprang ihm nach / wiewol er ihm selber auff die Beine halff / und ihm Zeit genug gönnete / sich zum Fußkampfe zubereiten / welcher auch ernstlich angetreten / aber nicht so gar lange geführet ward; und wahr wunderlich anzusehen / daß / nachdem die Kämpfer Sattellos wahren /[582] die Pferde einander so grausam anfielen / als währen sie rasend worden / schlugen und bissen sich so lange /biß sie beyde niderfielen / und das Leben einbüsseten; woraus etliche Zuseher ein Unglükszeichen nehmen durften / als würden die beyde Fũrsten sich ebenmässig hinrichten; aber Valiska weissagete viel anders /und zwar recht / es solten diese Pferde das Opffer vor ihre Herren seyn / wie dann bey denen die Gefahr nicht so groß wahr; massen / nachdem Herkules seinen Feind Schildloß gemacht / und ihm den Helm gelöset hatte / risse er ihm denselben gar vom Häupte /setzete ihm die Schwertspitze an die Kehle / und sagete; Ich ermahne euch nochmahls / mein Oheim / daß ihr Lebensfristung nicht muhtwillig ausschlaget / welches weder euch noch mir rühmlich seyn würde / uñ ich doch genöhtiget / etwas wieder meinen Willen tuhn mũste / welches mir eben so leid als der ganzen Kron Dänenmark seyn solte; ihr wisset daß man mit Gottes schickung mus friedlich seyn / welcher nur einem den Sieg gönnet / welchen ich doch an euch zubehäupten nicht begehre; begebet euch dieses Königreichs / welches lieber untergehen / als euch zum Herrn annehmen wil / und gedenket daß Dänenmark seinen künftigen Herrn und König wol ernehren könne; alsdann wil ich mein allererstes erbieten erwiedert haben / uñ diesen Kampf als ungeschehen rechnẽ. Olaff antwortete ihm mit geherzter Rede; besser im Streit geblieben / als gefangen hinaus geschleppet / und mißgönne ich meinem Obsieger das minste nicht / welches mein Blut ist / nachdem er das meiste / die Ehre davon getragen hat. Nicht ein Häärlein Ehre verlohren / sagte Herkules / werde auch nach auffhebung des Streits euch vor keinen Gefangenen oder überwundenen / sondern vor meinen brüderlichen Freund añehmen und halten. Welche Worte den Dänischen Fürsten / der ohndas der Tugend herzlich ergeben wahr / dergestalt bewägeten / daß er ihm sein Schwert willig darboht / und zu ihm sagete: Unvergleichlicher Held; eure Kräfte haben zwar meinen Leib / aber eure Höfligkeit meine Seele überwunden /schätze mich unwirdig einem solchen frommen redlichen Fürsten ein Königreich zuvorenthalten / wann es auch mein angebohrnes währe / und ist mir leid / daß aus unbedachtsamkeit ich eure Liebe zur Feindschaft wieder mich fast genöhtiget / welches aber wieder einzubringen ich mich bemühen wil / wünsche deroselben Glük und alle gedeiliche Wolfahrt zu dieser Kron / und verbleibe Zeit meines übrigen lebens zu deren wolgefallen. Als Herkules dieses hörete / legte er seinen Helm abe / umbfing ihn brüderlich / und sagte: Er solte mit ihm alle seine Glükseligkeit gemein haben; mag auch euer Liebe nicht bergen / setzete er hinzu /daß wir vordißmahl umb ein Reich gestritten / welches nunmehr weder eure Liebe noch ich begehren; nam ihn bey der Hand und ging mit ihm hin nach dem nähesten Zelt / daß seinen Wunden alsbald möchte raht geschaffet werden. Die gesamte Fürstliche Geselschaft machte sich hin / ihn zubesuchen / nachdem er verbunden wahr / und trat Valiska vor hinein / welche anfangs mit wenig Worten ihren Herkules (der von ihm noch nicht gewiechen wahr) anredete / und / wie sie sagete / sich von Herzen erfreuete / daß er unbeschädiget aus dem Kampfe getreten wahr; wendete sich hernach zu dem Dänischen Fürsten / und sagete zu ihm: Durchleuchtigster Fürst und Oheim; ich möchte von ganzem herzen wünschen / daß die Gelegenheit es håtte leiden wollen / auff andere Weise /als vor dißmahl geschehen ist / mit euer Liebe Kundschaft zu machen; jedoch / weil Gott lob aller Zwiespalt verglichen / und die Mißhelligkeit beygelegt ist /erfreuet mich höchlich / daß eure Liebe so wol /[583] als mein höchstgeliebter Gemahl den Kampf ohn tödliche Wunden geendiget haben / wovor ich dann nicht geringe Sorge getragen. Es hat in Warheit eure Liebe durch auffruffung des Kampfs und der ganzen Fehde /sich uns alle zu ihren verbundenen gemacht / und verspreche derselben ich meinesteils in künftig alle Dienste und Freundschaft / die ohn Ehren-verletzung von mir können geleistet werden; dessen ich euer Liebe dieses schlechte Pfand nunmehr selbst einliefern / und ihrer künftigen Königlichen Braut mit einer halben Million Goldes verfallen seyn wil / selbe Zeit des Beylagers auszuzahlen; nahm hiemit einen sehr köstlichen Ring / steckete ihm denselben an den Finger und sagete; Wann sie ein wichtigers als ein Königreich erdenken könte / wolte sie ihm darzu / als viel an ihr währe / schwesterlich behülflich seyn. Der Fürst vergaffete sich fast an ihrer Schönheit und freundlichen Reden / nam den Ring mit hoher Ehrerbietung von ihr an / vermeldend / daß noch nie kein angenehmer Geschenk ihm dargeboten währe / als dieser Ring; das übrige erbieten wüste er nicht zubeantworten / weil es gar über sein verdienst reichete; baht hernach / dz das vorgelauffene gänzlich möchte abgetahn / und als ungeschehen in vergeß gestellet werden nachdem er numehr aller Ansprach an dieses Königreich / sich willig begäbe / welches er niemand lieber als ihrer hohen vortrefligkeit gönnete /deren auch seine Festung einzuräumen / er alle Augenblik bereit und willig währe. Sie nam dieses Erbieten mit hohem Danke an / und versprach im Nahmen ihres Herkules / daß das grosse Fürstentuhm der Wenden ihm erblich solte erstritten und zugestellet werden / wurden auch dero behueff Siegward / Leches und Neda alsbald gevolmächtiget / mit 8000 Teutschen und Böhmen / denen 9000 Frisische Völker /und 7000 gefangene Wendische Reuter solten beygefüet werdẽ / nach Wendland / welches jetzo Mekelnburg heisset / zu gehen / die alte Fürstin ihrer Haft zuerlassen / und den Untertahnen anzutragen / ob sie mit gutem Willen / den Dänischen Fürsten / Herrn Olaff (welcher alle ihre Landes Freiheiten bekräftigen würde) zu ihrem Fürsten annehmẽ / oder der gänzlichen Verwüstung wollen gewärtig seyn. Sie muhteten zwar Fürsten Olaff an / ob ihm gefallen könte / als ein Feldherr mit zuzihẽ / aber er wegerte sich dessen /einwendend / weil er nichts höhers wünschete und begehrete / als mit den Königl. und Fürstlichen Helden in bessere Kundschaft zugerahten / båhte er sehr / ihm zu gönnen / daß er ihrer Geselschaft sich eine Zeitlang gebrauchen möchte. Niemand wolte ihm dieses versagen / deßwegen rieff Valiska Siegwarden zu sich / und baht / er möchte die mühe über sich nehmen /und seiner Frl. Schwester / Frl. Schulda das Heyrahtgut erstreiten / sie verhoffete zwischen ihr und dem Dänischen Fürsten eine glükliche Ehe zu stiften; die Wenden würden zweifels ohn erschrocken seyn /weil nicht allein ihre Fürsten / sondern auch ihre geůbete Mannschafft erschlagen und gefangen währen /daß also die Eile alles nach Wunsch erhalten würde. Siegward bedankete sich der schwesterlichen Vorsorge / wegen seiner Frl. Schwester / und machte sich fertig zum Auffbruch; nahm auch sein Gemahl mit sich / deren Libussa geselschaft leistete / unter geno enem Abscheide / daß inwendig sechs Wochen sie mit der hülffe Gottes zu Magdeburg seyn woltẽ. GroßFürst Henrich hielt sich insonderheit gar freundlich gegen Olaff / dann er hatte in der Jugend mit seinem Vater gute Freundschaft gepflogen / als sie miteinander in Engeland und Reussen der Ritterschaft obgelegen; daher er sich auch gegen den jungen Fürsten aller wilfahrung erboht; worauff er antwortete: Eure[584] Großfürstl. Hocheit erfreuen sich billich des glüklichen Sieges / aber tausendmahl billicher ihres Sohns Fürst Herkules / als den ich vor einen unvergleichlichen Held und bestẽ Kämpffer des Erdbodems schätze / mehr als von einigem Ritter ich mir niemahls einbildẽ können; und nachdem die Götter mir seine Kundschafft auff keine andere / als diese weise gönnen wollen / bin ich damit gerne friedlich / der ungezweifelten Gewißheit / wie dieses unser erster Streit gewesen / also solle er auch der lezte seyn. Nachgehends foderte er selber an / daß man ihm Schreibezeug hergeben möchte / da er folgenden Brief an seinen Oberhauptman der Festung auffsetzete:

Olaff / Fürst aus Dänenmark / entbeut seinem Verweser Erich / daß er straks angesichts dieses / mit der ganzen Dänischen und Friesischen Besatzung sich hieselbst bey mir in des Großmächtigsten GroßFürsten der Teutschen Heerlager einstelle / und die Schlüssel der Stad Tohre mit sich bringe / Zeigern dieses aber mit seiner Manschafft einzihen / Mauren / Wahl und Tohre nach seinem gefallen besetzen / und ihm nach alle seinem belieben schalten und walten lasse / als lieb euch meine Huld und Gnade ist.

So bald er dieses geschrieben hatte / begehrte er an Herkules einen Obersten mit ohn gefehr 1000 Mann nach der Festung abgehen zulassen / daß sie alsbald /wann seine Leute auff diesen Befehl abzihen würden /den Ort fleissig besetzeten / welches Prinsla und Klodius anbefohlen ward / die auch ohn seumen fortzogen / aber nicht eingelassen wurden. Dann ob gleich der Dähnische Obriste seines Fůrsten Hand und Siegel sahe / wolte er doch so bald nicht trauen / sondern argwohnete / er würde diesen Brieff zuschreiben gen \htiget seyn / gab demnach zur Antwort / es könte leicht geschehen / daß zween einerley Hand schrieben / und möchte seinem Gnädigsten Fürsten das Pitschafft wol abgehändiget seyn / daher er zuwilfahren bedenken trüge / wann aber Herr Harald / oder Herr Hunibold / ober sein Gnädigster Fürst selber zur Festung kommen / und ihm mündlichen Befehl erteilen würde / befünde er sich schuldig zugehorsamen. Olaff meinete / die Fürstliche Geselschafft würde ihm solches nicht gönnen / dahin zureiten / weil Harald mit Gallus und Ekhard auff die Jagt außgeritten wahr / als aber Valiska selbst anhielt / wann seine Verwundung es leidẽ wolte / ihm seines Dieners Vorschlag der auß redlicher Pflicht herrührete / gefallen zulassen / ritte er bis an den Graben / und rieff ihm zu seinem schrifftlich gegebenen Befehl nicht folge leisten / die Festung räumen / und wegen geschehener Wegerung bey der Durchl. Großfürstin Valiska um Gnade anhalten würde / solte er als sein Erzfeind sterben / wolte auch keine Antwort voll ihm anhören / sondern ritte alsbald mit seinem Diener wieder zurück. Erich / dem sein Gemüht wolbekant wahr / machte sich geschwinde fertig / führete die Völker mit weissen Stäben ab / und ging er selber ohn alles Gewehr / nur daß ihm sein Leib Diener das Schwert nachtrug / hielt die Tohr Schlüssel in der Hand / und als er vor Valisken nider fiel / legte er dieselben / wie auch sein Schwert zu ihren Füssen nider / baht vor sich und seine herbeygeführete Soldaten um Gnade / wegen Wegerung der Ubergabe / und erboht sich zu allem untertähnigsten Gehorsam. Valiska aber redete ihm mit diesen Worten freundlich zu: Stehet auff mein Freund / und gürtet alsbald euer Schwert an / dann ihr tuht euren eigenen Ehren unrecht / daß ihr mit einem Fußfalle euch als ein Ubeltähter einstellet / und doch nichts gehandelt habet / als was einem redlichen und geträuen Diener zustehet. Warff ihm damit eine güldene Kette um den Hals / und[585] versprach ihm daneben ein gutes Ritter Pferd / samt einem volståndigen Reit Harnischer und 6000 Kronen baar / welches dieser in unvermuhtlicher Freude mit untertähnigster Danksagung annam; seinen Völkern aber / deren 2900 wahren /ließ Herkules durch die Bank hin drey Monat Gold baar außzahlen / und musten hernach auff Olaffs Befehl sich mit den Friesischen Völkern / so nach Wendland solten / zusammen tuhn / daß er Willens wahr / deren nur 12 bey sich zubehalten / aber Herkules und Valiska lagen ihm hart an / daß er 400 alle gebehrne Dänen / zu seinem Leibschuz und Auffwartung unter seinem Leib Fähnlein zurük behalten möchte / welche alle von Valiska absonderlich beschenket wurden / und auff deren getrieb ihrem Fürsten aufs neue schwören musten ihm getråu zu seyn /und ihn in keiner Noht zuverlassen / dessen sich Olaff nicht gnug verwundern kunte. Als nun jederman der Meinung wahr / Herkules würde mit seinem Gemahl sich krönen lassen / und die Herschafft antreten / foderte er seinen Vater den Großfursten und seinen Bruder Baldrich zu sich / und in beyseyn der sämtlichen Landstånde hielt er diese Rede: Hochansehnliche Stände dieses Großmächtigen freyen Frisischen Reichs / geliebte Herren und Freunde; daß dieselben nach einhelligem Schlusse meinem Gnädigsten Herr Vater / dem Großfürsten und mächtigen Beherscher der Teutschen / auch du Erb Herschafft ihres Vaterlandes aufgetragen / und dessen Hocheit zu ihren König erwählen wollen / nach dem der Alte Königliche Friesische Stam abgangen ist / solches erkennet seine Hochheit mit gnädigster Gewogenheit / unter gleichmässigem gnädigsten erbieten / als ein geträuer König und Vater des Vaterlandes / ihre Rechte / Gerechtigkeiten / Freyheiten und löbliche Satzungen /auch wasdem allen sonst anhängig ist; wie dann alle und jede Einwohner samt und sonders / ädel und Unädel / hoch und nidrig / Bürger und Baur / in Schuz und Schirm zunehmen / und alles das zutuhn und zulassen / was von einem Friesischen Könige nach Uhralten Rechen und Gebräuchen erfodert wird. Wiederhohlet gnädigst die schon getahne Verheissung / daß alle Einwohner von heut anzurechnen / ein ganzes Jahr aller Schatzung / wie die Nahmen haben mögen /sollen enthoben / die in funfzig Jahren neu angelegete Landes Beschwerungen ewig abgeschaffet / die Frohndienste auffs leidligste angeschlagen / und alles in den uhralten Stand hiemit und Krafft dieses gesetzet seyn / welche Gnade die Einwohner mit dankbahrem Gemüht und Herzen erkennen werden. Nachdem aber höchstgedachte ihre Hocheit / ihr angebohrnes Teutsches Erbreich nicht übergeben / noch ihren Siz in Frießland versetzen kan sondern mit ihren Reichs Geschäfften vor sich gnug zutuhn hat; als wil ihre Hocheit den Herren Land Ständen einen von uns seinen beiden Söhnen gegenwärtig / zum Könige vorgestellet habẽ / wie solches diesem ihren Reiche am sichersten / zuträgligsten und erbaulichsten seyn wird /hat auch mir als dem ältern solches mit Beliebung der gesamten löblichen Landstände gnädigst Väterlich auffgetragen / welches ich dann um Ungehorsamkeit zumeiden / in Kindlicher Demuht über mich genommen habe / bedanke deswegen so wol gegen meinen Gnädigsten Herr Vater / als die sämtlichen Stände mich Kind- dienst- und freundlich / und wie ich darauß ihrer aller gute Gewogenheit verspüre / also erkenne ich mich schuldig und verbunden / es an jedem Orte nach gebühr / mit kindlichem Gehorsam und freundwilligen Bezeigungen / nach vermögẽ zuersetzen. Weil aber ich mich wol erinnere / daß die Teutsche Beherschung nach meines[586] Gn. Herr Vaters ableben (welches Gott lange Zeit gnädigst verhüten wolle) auff mich als den ältern Erben bestehen wird / und zwey Königreiche unter einem Herrn sich nimmermehr so ruhig befinden / als wann jedes seinen eigenen König hat / welcher sich seines einigen dergestalt annimt / daß er keinen fremden die hohen Bedienungen einraumet / und dadurch der einheimischen Haß und Wiederwillen (es geschehe dann mit deren freien belieben) aus sich ladet; als habe in Betrachtung dessen / ich vordißmahl meine Rede an ihre Großfürstl. Hocheit / meinen Gn. Herr Vater / an seine Durchl. meinen geliebten Bruder der Fürst Baldrich / und an die Hochansehnlichen gesamten Land Stände richten wollen / Kind Brüder-freundlich bittend / sie wollen allerseits dieses Reichs beste wol und fleissig beobachten und ohn Einrede darein gehehlen / daß die Beherschung desselben von mir abgenommen / und meinem jeztgedachten lieben Bruder Fürst Baldrich auffgetragen werde / welcher dann seinem Fürstlichen Verstande und begnadeten Gaben nach / diese Bürde wol wird tragen / und dem Reiche als ein löblicher König vorstehen können. Versehe mich dessen zu ihnen allen samt und sonders / und wiederhohle hiemit mein voriges erbietẽ. Der Alte Großfürst / welcher dieses sein vorhaben schon zeitig an ihm gemerket hatte / antwortete darauf; ob er zwar des Vorsatzes gewesen währe / ihn als seinen ältern Sohn ehe in eine wirkliche Herschafft einzusetzen / als den Jüngern / so wolte er dannoch ihm hierin seinen freien Willen gönnen / insonderheit / weil er betrachtete /daß den beiden grossen Herschafften besser mit unterschiedlichen / als einem Könige gedienet währe /damit die Friesẽ nicht ihr Recht und Schuz in Teutschland suchen dürfften / welches einen Schein einiger Dienstbarkeit und Unterwerffung haben könte / und mannichem unruhigen Kopffe Ursach zur Neuerung an die Hand geben; zweifelte also nicht / die Land Stände würden ihr und des Landes beste beobachten / und seinen jüngern Sohn Baldrich vor ihren König erkennen. Hie wahr nun der Land Stände Vorsteher und Worthalter fertig / gewierige Antwort zugeben; aber Fürst Balbrich winkete ihm / ein wenig zuverzihen / und huhb also an: Gnädigster Herr Vater / und freundlicher lieber Herr Bruder / ob sie wol allerseits gedenken möchten / mir geschähe durch diese Väter- und Brüderliche Hulde eine sonderbahre Annehmligkeit / so zeuget doch mein Gewissen / daß /wo diese nicht weniger wiederwärtige als unvermuhtliche Anerbietung mir solte bewust gewesen seyn / ich ohn genommenen Urlaub mich so lange wolte hinweg gemacht haben / biß die Krönung meines Herr Bruders würde geschehen seyn / sintemahl nicht allein wegen meiner Jugend und Liebe zu ritterlichen übungẽ ich dieser Reichs Last mich unbestand befinde /sondern würde mir auch zumahl verwägen und frech anstehen / wann meinem ältern Herr Bruder / der zum Reichs Stabe ungleich geschikter und begabter ist /ich vorgreiffen / und also eine Herschafft betreten solte / ehe und bevor dessen Liebe auff dem Gewalt Stuele sitzet. Ist es dann gleich / daß diese beyden Reiche von einem einzigen Könige nicht solten verwaltet werden / welches doch meines Herr Bruders Liebde ich von Herzen gönnen wolte / ey so nehme nur dieselbe die Herschafft bey unsers Gn. Herr Vaters Lebezeit über sich / alsdann wird sichs hernach schon schicken / wie es ferner wird anzuschlagen seyn; warum ich dann kind- und brüderlich anhalten /und die Land Stände / solches einzugehen und zuschliessen / gebehten haben wil. Nein geliebter Bruder / antwortete Herkules / du weist ohn mein erinnern / was vor[587] ein verwirretes Wesen aus solchem ümtauschen erfolgen / und wie gar beschwerlich es diesem Königreiche und mir fallen wolte; hoffe auch /dafern du mich liebest / wie ich dann daran im geringsten nicht zweifele / du werdest hinfüro dich dergleichen Entschuldigungen begeben / und dieses dir von Gott versehene Königreich nach seinem Willen annehmen / wie ich dann mich dessen versichert halte /die Land Stände werden in diesem falle des Landes Wolfahrt reiflich erwägen / und sich schließlich zuerklären wissen. Baldrich wolte seine Gegen Antwort tuhn / aber sein Herr Vater redete ihm ein; er solte sich nicht wegern / seines Bruders Willen und seinem gutheissen gemäß zuleben. Worauff der Friesische Worthalter diese Landes Erklärung ablegete: Gegen Eure GroßFürstliche Hocheit und Durchleuchtigkeiten bedanken sich die sämtlichen Land Stände dieses löblichen Königreichs untertähnigst / daß dieselben in hochweiser Betrachtung / was diesem Lande am vorträglichsten seyn möchte / uns einen Herscher und schierkünfftigen König auff unser einhelliges untertähnigstes Begehren / gnädigst bestimmen und setzen wollen / wie auch nicht weniger vor die mildreiche Erlassung der einjährigen Schatzung / dann endlich Auffheb- und Milterung der ungewöhnlichen Zölle /Auflagen und Frohndienste / untertähnigst gedanket wird; nehmen darauff den Durchleuchtigsten Groß Fürsten und Herrn / Herrn Baldrich / vor ihren herschenden allergnädigsten König untertähnigst auff und an / uñ sind bereitwilligst / über drey Tage die Erb Huldigung und gewöhnliche Krönung mit gebührlicher Feirligkeit ergehen zulassen; wünschen ihrem gnädigsten Könige Friede / Gesundheit / langes Leben / glükliche Herschung und alles Königliche Wolergehen / und ergeben demselben sich mit alle dem ihrigen ohn einige Ausrede und Bedingung untertähnigst / demühtigst bittend / Ihre Durchl. und Würden / ihrer aller gnädigster König seyn und verbleiben wolle. Hierauff ward von allen Seiten Glük gewünschet / und am bestimmeten Tage die Krönung vorgenommen / da Baldrich und sein Gemahl Fürstin Lukrezie mit treflichem Pracht gekrönet / auch dabey allerhand Freygebigkeit vorgenommen ward; aber die Fröligkeit wolte bey der Fürstlichen Geselschafft nicht recht loßdrücken; dann weil das Großfürstliche Fräulein schon 11 Tage verlohren wahr / und man nicht die allergeringste Zeitung von ihr erfuhr / beforgeten sie sich sehr / es müste nicht recht mit ihr und Arbianes stehen. Des ersten Tages nach der Krönung sassen die Fürsten und Fürstinnen ingesamt an einem Tische / da unter der Mahlzeit der alten Großfürstin die Klaren-Trähnen von den Augen herunter flossen /und sie zugleich also zu ihrer Schwieger Tochter Fr. Valisken anfing: Ach meine Herzen Fr. Tochter / wie frölich würde ich seyn / wann mir nur ein Mensch die Zeitung brächte / daß mein allerliebstes Kind Klärichen annoch am Leben währe / kan mir aber nunmehr keine Hoffnung darzu machen / dann mein Herz trägt mirs eigen zu / sie müsse entweder tod / oder in überaus grosser Trübsaal seyn. Mein Gott weiß / antwortete Valiska / daß ich bey keiner frölichen Geselschaft trauriger / als ebẽ bey dieser gewest bin / jedoch hat mein Geist annoch gute Hoffnung / der allerhöchste Gott werde das allerliebste grundfromme Herz neben den Gottfürchtigen Fürsten (dañ sein Christentuhm hatte sie ihnen allen schon zuwissen getahn) vor Lebens- und Ehren-Gefahr gnädiglich erhalten. Ich trage eben dieses Vertrauen zu meinem Heylande / sagte Herkules / wiewol ich mich nicht darein zufindẽ weiß / daß sie uns so gar nichts zuentbieten / welches kaum möglich seyn könte / wann sie in[588] der nähe währen. Als sie mit diesen traurigen Gedanken und Unterredungen sich also plageten / trat Neklam zu dem GroßFürsten / und meldete an / es währe ein alter abgelebter Mann auff einem Bauren Wagen ankommen /trüge einen volgestopften Sak auff dem Rücken / und gäbe vor / er müste den GroßFürsten aus Teutschland selber sprechen / dessen hätte er ausdrüklichen Befehl. Lasset ihn herkommen / sagete der Großfürst /wer weiß / was er vorzutragen hat. Neklam verrichtete diesen Befehl / wolte nicht lange nachfragen / von wannen er kähme / und was er suchete / sondern erinnerte ihn bloß / den Sak haussen stehen zulassen; Worauff dieser zur Antwort gab: Ich werde ja dasselbe nicht von mir legen / welches einzuliefern ich eigentlich überkommen bin. Also ließ ers gerne geschehen / daß er nach seinem Willen verfuhr. Als dieser mit seiner Bürde zur Tühr hinein trat / und den grossen Fürstlichen Pracht sahe / währe ihn schier geschwunden / setzete den Sak neben sich auff die Erde und lehnete sich dran / endlich erhohlete er sich wieder / zohe sein Hühtlein ab / lösete dẽ Sak ohn einiges Wortsprechen auff / zohe hernach der Fräulein rohten UnterRok / und das Himmelblaue Silber Stücken-Oberkleid hervor (dann er wahr der alte Wittho / bey dem sie auff dem Häu ihre erste Herberge hatten) trat vor den GroßFürsten / und wolte seine Erzählung ansahen / da er beyde Kleider im Arme trug; aber die alte GroßFürstin kennete dieselben straks ansehens /und fing an überlaut zuruffen: O du almächtiger Gott /das sind ja meiner lieben Tochter Kleider! bald saget mir / mein guter Alter / ob sie lebe oder tod sey. Der gute Mann erschrak der Rede / wuste nicht / was er antworten solte / und in der Verwirrung fing er an: Was weiß ichs / ob sie lebendig oder tod ist / wann sie hie nicht ist? Darauff fing die betrübete Mutter an zuklagen und weinen / daß ihr Gemahl ihr gnug einzureden hatte: Sie möchte doch in Geduld stehen /und dem alten einfältigen Manne Zeit gönnen / anzudeuten / was er davon wüste; befahl auch diesem /sein Wort vorzubringen / welcher also redete: Gnädigster Großfürst / ich habe des abends nach gehaltener Schlacht einen jungen Ritter und eine Jungfer in meiner Hütten auff dem Häu / umb Gefahr zu meiden / heimlich verstecket / welche sich anfangs vor Bruder und Schwester angaben / aber ich nachgehends wol merkete / dz es eine andere Beschaffenheit mit ihnen haben möchte / davon ich doch eigentlich nicht zusagen weiß / wiewol sie mir so viel anvertraueten / daß sie des höchsten Adels in diesem ganzen Königreiche währen; Diese haben nach ihrem Abscheide mir besohlen / wann inwendig sieben Tagen nicht Nachfrage kommen / oder sie mir nicht einen Wagen senden würden / solte ich mich nach dem GroßFürsten der Teutschen machen / ihm diese Kleider bringen / um zur Nachricht anzeigen / daß sie bey mir gewesen währen. Das ist mir ja wol eine recht wunderliche Sache / sagte der GroßFürst; ist dann diese Schwester mit ihrem lieben Bruder mutternacket davon gesprungen / und hat Unter und Ober Kleider verlauffen wollen? Nein / antwortete er; sondern sie durfften in diesen statlichen Kleidern im Felde nicht wanken /wegen der flüchtigen streiffenden Reuter / und hatten alte Lumpen angelegt / daß sie sicher durchkommen möchten. Das wird ihr wenig helffen / sagte der Groß Fürst; die Haut und Farbe wird sie bald verrahten /daß sie keine Bauren Magd ist. Davor hätte ich sie in dieser Kleidung leicht angesehen / sagte der Alte /dann wie zart und schön sie mir des ersten Abends bey ihrer Ankunfft vorkam / so heßlich und fahlbraun sahe ich sie im wegreisen / daß ich nicht wissen kan /wie sich ein Mensch[589] so schleunig verendern mögen. Valiska merkete bald / daß Arbianes sie würde angestrichen haben / und vermeldete solches den Eltern /fragete hernach den Bauren / wohin sie dann ihren Weg geno en hätten. Davon sagten sie mir nichts eigentliches / antwortete Wittho / nur daß aus allen Umständen ich wol merkete / sie wolten sich hieher begebẽ / wie mich auch des folgenden Tages ihr neuer Diener / meines Bruders Sohn Wolffgang berichtete /gegen weichen sie wegen seiner Träue sich sehr freygebig erzeiget / und ihm einen grossen Beutel vol güldener Pfennige / welche man Kronen nennet / verehret haben / die er bey mir nidergesetzet / und ich wol drey Tage darauff zugebracht / ehe ich sie alle zählen können / habe endlich durch fleissiges anmerken die rechte Zahl getroffen / als nehmlich 135 Stiege (eine Stiege aber ist 20) / davon ich / weil er michs geheissen /etliche wenige verzehret / und die übrigen mit mir gebracht habe. Es ist mir aber unlieb / daß ich sie hieselbst nicht finde / wil ja nicht hoffen / daß sie in der Feuersbrunst drauff solten gangen seyn. Ach mein Gott / sagte die alte GroßFürstin; sind sie dann in Feuersnoht gerahten? Ja / Gn. Frau / antwortete er /das Städchen / darinnen sie lagen / ist mehrenteils abgebrand / und sollen in die 30 und mehr Menschen im Schlaffe elendig umkommen seyn. Da ging es nun an einklagen / weinen und heulen / dann es wahr niemand / der ihm nicht gänzlich eingebildet hätte / sie währen zu Staub und Aschen verbrand / so daß Herkules selbst das ärgeste vor wahr hielt; endlich noch gab Valiska den Raht / man solte 100 schnelle Reuter ausschicken / und vernehmen lassen / ob kein Mensch von ihnen Nachricht zugeben wüste; welches alsbald zu werke gerichtet / und dem alten Wittho eine RennenGutsche angespannet ward / mit überzufahren. Prinsla und Ekhard musten ihre Hauptleute seyn / eileten geschwinde fort / und auff scharffe Nachfrage zogen sie den Bericht ein / Wolffgang währe mit einem unbekanten jungen Manne / und mit einer fremden jungen Frauen davon gestrichen / gleich als der Brand angangen / und hielte man gänzlich davor / das Feur währe von ihnen angelegt / daher vier Bürger auff Pferden ihnen nachgesezt hätten / welche man des andern Tages / teils mit Steinen zu tode geworffen /teils nidergehauen angetroffen hätte / und wüste kein Mensch zusagen / wo jene müsten geblieben seyn. Der alte Wittho widersprach dieser Beschuldigung /und erboht sich / sein Leben zulassen / dafern sein Oheim oder diese fremden solches Bubenstük verrichtet hätten; es möchte dann ohngefehr geschehen seyn /oder aus Unvorsicht: begehrete auch Nachricht / wo ihr Wirt anzutreffen währe. Man gab zur Antwort; weil man ihm wegen des Feurschadens mit dem Tode gedräuet / hätte er sich heimlich davon gemacht / und ginge das Geschrey / er hielte sich auff dem nähesten Dorffe auff / unter der Hoffnung / von der Obrigkeit Schuz und Freyheit zuerlangen / daß er sein abgebrantes Hauß wieder bauen möchte. Es musten alsobald 20 Reuter dahin jagen / welche in demselben Dorffe ihn antraffen / und begehreten / daß er unter ihrem Schuz und auff gutem Glauben mit nach seiner Stad zihen solte; welches er willig leistete / und den unsern alles offenbahrett / so viel ihm bewust wahr; taht endlich hinzu / wie bößlich sein Nachbar ihn wegen des Feurschadens verleumdet / welches aus dem Brauhause nohtwendig müste entstanden seyn / und erboht sich / daß er sich mit demselben auff Leib- und Lebensstraffe wolte setzen lassen / würde auch die Warheit bald an den Tag kommen / wann nur dessen Gesinde unter harter Bedräuung absonderlich befraget würde: welches auch erfolgete /[590] massen dieselben aus Furcht des Todes bekenneten / was gestalt ihr Herr es ihnen hart eingebunben / ihnen auch Geschenke versprochen / daß sie den Ursprung des Brandes seinem Nachbar zulegen solten; daher dann dieser unschuldige Mann nicht allein von der Bürgerschafft frey gesprochen / sondern sein Verleumder gefänglich gelegt / und nachgehends des Landes verwiesen ward. Prinsla freuete sich anfangs dieser Gewißheit / dz die unsern nicht im Feur drauff gangen wahren / hatte aber daran noch kein genügen / sondern ließ sich den Weg zeigen / welchen sie ohngefehr müsten gereiset seyn /da er dañ nicht irrete / sondern in dem Dorffe anlangete / woselbst Arbianes seiner Fräulein Ankunfft etliche Stunden erwartet hatte; ließ die Inwohner zusammen ruffen / und erfuhr so viel: Es währe des Tages /da der Brand sich zugetragen / ein junger sehr betrübter Mann daselbst angelanget / hätte nach einem andern jungen Manne und einer Jungefrauen ernstlich gefraget / ob sie daselbst nicht durchgereiset währen /und als er Nein verno en / hätte er ihrer etliche Stunden vergeblich gewartet / hernach mit Vergiessung vieler Trähnen sich wieder auff den Rükweg begeben / von dem sie fieder dem nicht das allergeringste vernommen; meldeten auch dabey / er hätte eine frische Wunde am linken Arme gehabt / welche er selbst verbunden. Ein mehres zuerforschen wahr den unsern unmöglich / deswegen sie wieder umkehreten / der Fürstlichen Geselschafft alles hinterbrachten / und dieselbe zimlich zufrieden stelleten / weil sie gewiß wahren / daß das Feur sie nit verzehret hätte / und demnach der Hofnung lebeten / Gott würde sie in ihrem vermuhtlichen Elende / und auff der Reise gnädiglich bewahren / und sie wieder zu Lande bringen; und wer weiß / sagte Valiska / ob sie nicht schon ihren Weg nach Magdeburg / oder wol gar nach Prag geno en haben. Der alte Wittho hatte Ekharten angezeiget / wessen das Fräulein / seine Unterhaltung betreffend / sich gegen ihn gnädigst erbohten hätte; deswegen gab man ihm eine bequeme Wohnung in einer Stad / und daß er die mitgebrachten Gelder sicher angreiffen / und nach belieben alle Wochen drey oder vier Kronen davon verzehren / nachgehend von der Obrigkeit ein mehres fodern solte; sein Oheim / wann er ankähme / solte das seine schon wieder bekommen. Unsere Fürstliche Geselschafft machte sich hierauff zur Heimreise fertig / welches Valiska aus verlangen nach ihrem Söhnlein sehr befoderte. Zwar die Land Stände des Königreichs hatten ihnen die Hoffnung gemacht ihr König Baldrich würde nunmehr bey ihnen bleiben / und das Reich selbst in guten Stand bringen / als sie aber vernahmen / daß er wieder mit nach Prag reisen / uñ doch bald sich wieder einstellen wolte /gaben sie sich zufrieden / dañ er hatte die Gerichts Stüle und hohen ämter alle mit den verständigsten auffrichtigsten Leuten bestellet / und dem Reiche aus eigener Bewägung diese Freyheit erteilet / daß er keinen einzigen Ausländer zu einem Amte im Königreiche befodern wolte / sondern lauter Land sassen / es währe dann / daß die Stände aus eigenem Wilkühr einen oder andern wolten befodert haben. Sie wolten ihn aber vor dißmahl nicht ohn seine eigene Leute zihen lassen / sondern gaben ihm 8000 Reuter mit zum Leib Schutze / und erbohten sich / da es nöhtig seyn würde / ihm und seinen Anverwanten mit des ganzen Landes Macht beyzuspringen. Die übrigen Teutschen und Böhmischen Völker bestanden annoch in 46000 Mañ / welche nicht allein alle zu Pferde wahren / sondern (gar wenig ausgenommen) ihre Hand-Pferde aus der Schlacht mit sich führeten. Prinsla wahr Feldmarschalk / dann die Fürstliche[591] Geselschafft hatte sich in Gutschen verteilet / daß jeder sein Gemahl bey sich hatte; wiewol der GroßFürst offtmahl mit Valisken und die GroßFürstin mit ihrem lieben Sohn Herkules fuhr / umb die Christliche Lehre recht zubegreiffen / welche mit gutem Willen anzunehmen / sie sich schon des andern Tages nach ihrer Erlösung erkläret hatten.

Wie nun der Abgesagte arglistige Menschen Feind der leidige Teufel der wahren Christlichen Gotseligkeit allemahl wiederstrebet / also fürchtete er sich vordismahl sehr / es möchte ihm durch unsere Fürstliche Helden sein Reich und Dienst in Teutschland /Schweden und Böhmen zerstöret / und die heidnische Abgötterey durch Einführung des Christlichen Glaubens abgeschaffet werden / welchem vorzubauen / es des Nachtes vor gehaltener Schlacht einem Teutschen Pfaffen bey dem Kriegs Heer in Gestalt der Göttin Freia erschien / und ihn folgender massen anredete; Lieber Sohn / verwundere dich nicht / meines ungestalten zitternden Leibes / Trähnen fliessender Augen und hochbetrübten Geberden / in welchen du mich anjetzo sihest / sondern biß einzig darauf bedacht / wie du deinem Vaterlande außhelfen / und ihre bißher fleissig bedienete / auch nit minder gnädige Schutz-Götter retten; ja den algemeinen Untergang des freien Teutschlandes durch deine Vorsorge abwenden mögest / und versichere dich / daß die schierkünftige blutige Schlacht den Teutschen Grund und Bodem umkehren / Städte und Dörfer verwüsten / und alle Einwohner zu Römische Leibeigene machen wird / dafern du nicht wirst bey Zeiten darzu tuhn / und alle Kriegs geübete Manschafft auffmahnen / ihrer selbst wahrzunehmen. Dann sihe / die jungen Fürsten / die sich den Römern zu Dienste ergeben / und ihre verführische Töchter geheyrahtet / welches bißher unerhöret / gehen mit diesem Vorhaben schwanger / nicht allein den Uhralten ädlen Gottesdienst gar auffzuheben / wobey ihr Pfaffen alle des Hungers sterben müstet / sondern alle Länder den Römern zinßbahr zumachen / welches Joch sie in Ewigkeit nicht werden von sich werffen können / dafern sie einmahl unterdrücket find. So reite nun eilend fort / wecke dein sicheres Vaterland auff vom Schlaffe / und nach Vermeldung meines unfehlbahren Schutzes und Beistandes / auch reicher Belohnung ihrer Träue / zeige ihnen an / des Großfürsten Kinder und Oheime seyn Willens / ihnen neue Römische Götter aufzudringen / und die alten wolverdieneten abzuschaffen. Werden sie nun ein solches einwilligen / alsdann wil ich mit zutuhn meiner Brüder / Krodo / Irmen Seul und anderer Gotter / alle umliegende Völker wieder sie in Harnisch bringen / die sollen ihre Manschaft erschlagen /ihre Güter und Vieh rauben / und die wenige so überbleiben werden / in ewige Dienstbarkeit hinweg schleppen / dann werden sie mit Schmerzen erfahren /aber gar zuspäht bereuen / daß sie ihren SchuzGöttern den Dienst und Gehorsam aufgekůndiget / und einen Gekreuzigten an ihre Stat angenommen haben. Nach Endigung dieser Rede fing die vermeinete Göttin an /des Teutschlandes Untergang von neuen zubeweinen /dräuete auch diesem Pfaffen alle Strafe und Verfolgung / dafern er nicht stündlich sich erheben und sein Vaterland warnen würde. Bald ließ ein ander Teufel in Gestalt des Abgottes Krodo sich sehen / welcher ihm ein schönes Land mit Städten / Dörffern / Wäldern / Ackern und Wiesen außgezieret vor Augen stellete / und dabey diese Rede führete: Sihe da du Teutschland / durch meinen Schuz und Beistand bistu so schön worden / da du zuvor eine Wüste und Einöde wahrest / der Wölffe und Füchse Wohnung / wirstu nun[592] meine Woltahten nicht erkennen / sondern meinen Gottesdienst aufheben und einen neuẽ dir aufdringen lassen / so wil ich dir hiemit zeigen / durch was vor eine grausame Straffe ich mich an dir rächen wil; nam einen Topf mit Sand gefüllet und streuete ihn auß über die Wiesen und Felder / wovon alles Gewächse im Augenblik verdorrete; über die Wälder goß er einen giftigen Dampf auß / welcher dieselben versengete und algemehlich verzehrete; über die Städte und Dörffer aber speyete er ein grosses Feur auß seinem Rachen / wovon sie biß auff den Grund verbrennet wurden / daß weder Stok noch Stiel davon übrig wahr. Worauff er zu der Freia sagete / sihe meine Schwester und MitGöttin / gleich also sol Teutschland zugerichtet werden / wo die Inwohner so frech und verwägen sind / daß sie von uns ab zu neuen Göttern treten. Ach nein / mein Bruder / schone schone / antwortete Freia / wir wollen ein besseres von den frommen Teutschen hoffen / und uns dieses unsers geträuen Dieners Siegwieß gebrauchen / welcher des Landes bestes wissen / und sein eigenes nicht unter die Füsse treten wird. Damit verschwand alles /und erwachete dieser auß dem Traum / voller Angst und kummers / wie er dann vor vielen andern ein Andächtiger Diener der Freia wahr / und bey dem gemeinen Volk wegen seiner äusserlichen Scheinheiligkeit in grossem ansehen: wolte demnach solchen vermeineten göttlichen Befehl nicht in den Wind schlagen /sattelte alsbald früh morgens sein Pferd / und begehrete von seinem Obersten Urlaub / nach Hause zureiten / unter dem einwenden / er hätte sein Weib daheime gelassen / welche der Geburt sehr nahe währe /und er auß seinem gestrigen Opfer und angemerketen Vogelgeschrey / gewisse Merkzeichen genommen /daß die Geburt sehr gefährlich zugehen dürffte / wann er nicht solte dabey seyn / welches Unglük von seinem Hause abzuwenden / er billich müste gefliessen seyn. Sein Obrister wolte ihm solches weder verbieten noch zulassen / gab ihm doch zum Bescheide / er als einer der bey der Schlacht das Schwert nicht führen wolte / wurde wol können Erlassung erhalten / nur müste er den jungen Fürstẽ Baldrich selbst darumb begrüssen. Dieser taht solches mit eben dem vorbringen / und ward von dem Fürsten mit freundlicher Antwort angesehen; es solte ihm seine Heimreise / und allen Pfaffen / die es begehren würden / nicht gehindert noch gehemmet werden; habt euch aber / sagte er / wegen eures lieben Weibes nicht so hart zubefürchten / dañ ich wil euch ihret wegen bessere Nachricht geben / als eure Opffer und lügenhaffte Vogel nicht getahn / nehmlich / sie hat einen jungen Sohn zur Welt gebracht / der nach verlauff eines Jahrs wird anfangen zu gehen und zusprechen. Dieses redete er auß blossem Scherze / und wahr doch in der Wahrheit also ergangen. Damit er aber keinem Pfaffen ursach geben möchte / ihn zuverleumden / gab er diesem 12 Kronen Zehr geld / mit dem versprechen / er wolte auff seine Ankunft in Teutschland ihm eine bessere Verehrung tuhn. Dieser bezeigete sich äusserlich zimlich demühtig / und setzete alsbald seine Reise fort. So bald er in Teutschland kam / suchete er hin und wieder die Pfaffen heim / erzählete ihnẽ seine gehabte Erscheinung / hielt ihnen alles mit einem sonderlichen Eifer vor / und unterließ nicht / es zum ärgesten außzudeuten / daß Baldrich von seinen Opffern und Vogelgemerk so verächtlich hätte reden dürfe; wobey er als ein sonderliches Wunderwerk vermeldete / daß sein Pferd / sonst von geringer Kraft / ihn auff dieser Reise täglich 12 Meilen fortgetragen / und kein Spier Graß oder ander Futter dabey gefressen / welches die unfehlbahre göttliche Begleitung ausser Zweifel[593] gewirket hätte / ihn in diesem seinem heiligen Vorsaz dadurch zustärken / und andere zuermuntern / daß sie ihrer Götter sich annähmen / damit das Land in seinem guten Wesen uñ Wolstande erhalten würde. Es bewågete dieses alle / zu welchen er kam / und ritten die Pfaffen mit Hauffen auß / allen Inwohnern des Landes zwischen Elbe / Weser und Rein / diese göttliche Warnung vorzutragen / da dann ihr Vorschlag allenthalben angenommē ward / daß man eine grosse Kriegsmacht versamlen / den Fürsten entgegen zihen /und ihnẽ weder den Einzug in das Land verstatten /noch sie vor ihre Obrigkeit erkennen solte / biß sie die neuen Götter verleugnet und abgeschaffet / dem Uhralten Gottesdienst volkommene Freyheit / und ihren Land Göttern Liebe / Gehorsam und Schuz versprochen hätten. Sie sendeten auch alsbald unterschiedliche Pfaffen nach Frießland / ein gleichmässiges bey dem Fürstlichen Heer vorzutragen / und wo möglich /den Fürsten alle Manschaft / so wol Böhmen als Teutschen abspenstig zumachen / welches dann von ihnen allerseits unverdrossen und nach Wunsch fortgesetzet ward / und kahmen diese des andern Tages nach dem Auffbruche bey dem Heer an / unter dem Schein / ob wolten sie ihrem Großfürsten wegen der geschehenen Erlösung und des erhaltenen Sieges Glük wünschen / da sie bey den vornehmesten Teutschen und Böhmischen Kriegsbeamten es so verschlagen zutreiben wusten / dz sie alles dessen / was sie begehreten / völlige Verheissung empfingen. König Baldrich merkete im fortzihen / daß die Völker den grösten Teil ihrer Freidigkeit abgeleget hatten / und so traurig / als überwundene daherzogen / und ob er ihnen gleich etlichemahl / insonderheit seinen alten bekanten freundlich zuredete / kehreten sie doch das Angesicht von ihm hinweg / und liessen gar kein Zeichen eines gewogenen Willens sehen / daher er zu der Fürstlichen Versamlung sagete; er könte sich über dem Unmuht des Heers nicht gnug verwundern / hielte gänzlich davor / die neulich herzugeschlichene Teufels Pfaffen / müsten durch hellischẽ Getrieb nichts gutes im Schilde führen; hielte demnach vor nöhtig /geträue Leute nach seinem Königreiche zusenden /und von den Ständen zubegehren / daß man ihnen eine starke bewehrete Mannschaft nachschickete /weil man sich einer Auffruhr / dem Friesischen Reiche sehr schädlich / befahrete. Aber sein Vater wehrete ihm solches / man müste auß blossem Argwohn nit so hefftig fahren / das Heer währe in Pflicht und Aiden / dagegen kein Mensch in Teutschland / welcher bey seiner Lebzeit nach der Herschafft streben dürfte. Aber bey Baldrich wolte solches nicht hafften /wie wol er sich weiters nicht merken lies / und nicht desto weniger etliche Friesen ingeheim zurük gehen hieß / daß ihm straks Angesichts 30000 bewehreter Mann biß an die Grenzen folgen solten / und noch 40000 auffgebohten würden / sich stets fertig zuhalten / welches er mit Königlichen Gnaden ersetzen wolte. Ekhard der Teutsche wahr mit unter den Abgefertigten / ritten Tag und Nacht fort / und funden alle Untertahnen hoch und niedrig / zu ihres Königes Diensten willig und gehorsam. Prinsla brachte seinem Könige auch zur neuen Zeitung / die Pfaffen gingen ausser Zweifel mit gefährlichen Sachen um / und dürfften wol fragen / wer den jungen Fürsten Herkules so verwägen gemacht hätte / in sein Vaterland zukommen / ehe und bevor er mit den Land Göttern völlig außgesöhnet währe; so gar / daß sie hinzusetzeten ihr Herschender Großfürst würde es schwer zuverantworten haben / daß er ihn auff und angenommen. Doch /sagte Prinsla / verwundert mich am meisten / daß auch unsere Böhmische Völker nicht viel anders / als[594] die Teutschen / scheinen gesinnet seyn. Die Fürsten nahmen dises nunmehr besser zu Herzẽ / wolten sichs aber bey den Völkern nicht merken lassen / und zogen algemach fort / biß sie auf drey Meilen die ersten Sächsischen Grenzen erreicheten / da ihnen 4000 Reuter von 20 Pfaffen angeführet / entgegen ritten /und im Nahmen des ganzen Teutschlandes / so viel dessen von der Römer Joche annoch befreyet währe /anfangs um Verzeihung bey ihrem herschenden GroßFürsten anhielten / nachgehends diese Werbung vorbrachten: Es wünschete das ganze Reich ihrem lieben Großfürstẽ Glük und Heil / wegen seiner Erlösung uñ erstrittenen Sieges / und erkenneten sich nach wie vor Ihrer GroßFürstl. Hocheit zu allem Gehorsam als geträue Untertahnen verbunden; nur eines müsten sie /des algemeinen Vaterlandes heischender Nohtdurfft nach / ungemeldet nicht lassen / was gestalt von den Land Göttern selbst angedeutet währe / daß der junge Großfürst Herr Baldrich / nebst den Böhmischen Könige / und Schwedischen jungen Fürsten ankommen währen / einen neue Gottesdienst einzuführen / und die uhralten Teutschen Götter abzuschaffen / welches dann nichts anders / als des algemeinen Vaterlandes äusserstes Verderben mit sich auff dem Rücken führete; solches nun abzuwenden / währen alle Einwohner von den Göttern selbst auffgemahnet / hätten einen grossen Ausschuß bewaffnet und ausgeschikt / ihrem lieben Großfürsten entgegen zuzihen / und denselben untertähnigst zubitten / ihre Hocheit möchte gnädigst geruhen / mit ihrem Heer ausserhalb den Grenzen sich zuhalten / biß sie ihren gehorsamen Untertahnen diese grosse herzklemmende Furcht gänzlich benommen /und dem uhralten Teutschen Gottesdienst Schuz und durchgehende Sicherheit versprochen hätten. Solten sie aber über alles verhoffen solches nicht erhalten können / müsten sie mehr des Vaterlandes Heil und Wolfahrt / als der jungen Fürsten Lüsternheit beobachten / und mit gewapneter Hand ihren gnädigen und hochverdienten Göttern beyspringen / auff daß durch deren Zorn sie nicht den Römern und andern gri igen Feinden zur ewigẽ Knechtschafft übergeben würden /wie auff solchen fall die Götter ihnen ausdrüklich gedräuet hätten. Der alte GroßFürst / ohndas ein eiferiger Herr / fragete alsbald / wer sie so kühn gemachet hätte / daß in seinem Abwesen sie sich in Harnisch begeben dürffen. Und als sie trotzig gnug antworteten; des algemeinen Vaterlandes Nohtdurfft / dem jeder mit seinem Blute verbunden währe / hätte sie auffgemahnet / vor welches zusterben sie alle miteinander bereit wahren; hieß er sie anfangs etwas harren / damit er mit seinem Sohn und Oheimen hievon reden könte / und fragete sie zugleich / ob etwa ein durchgehender Wahnwiz seine Teutschen durchwehet hätte / nachdem ja kein Mensch wegen Abschaffung des alten Gottesdienstes jemahls einigen Gedanken gefasset / vielweniger ein Wörtlein davon hätte entfallen lassen. Die Fürstliche Geselschafft trat zusammen / und bekümmerten sich wegen dieses gewaltigen Auffstandes nicht ein geringes / weil Adel / Pfaffheit und Bauren der Sachen ganz einig wahren. Jedoch wahr der alte Großfürst nicht willens / ihnen eine Antwort zu erteilen / sondern mit seinem Heer fortzurücken; welches aber schon zuruffen begunte: Hier müste man die Waffen niderlegen / biß ihre gütigen Götter gnugsame Sicherheit und Frieden hätten; im übrigen währen sie ihrem GroßFürsten mit Gut und Blut verpflichtet; Da dann die Böhmen mit den Teutschen durchaus ein Liedlein sungen / nur 350 Mañ / als seine ehmahlige ädelknaben / und andere / die er mit aus Persen gebracht hatte / nebest[595] den 50 Teutschen von derselben Persischen Reise / und alle Parther und Meden / samt Olaffs 400 Dänen / ingesamt 4300 Mann / sonderten sich von dem Heer / und machten sich hin zu den Fürsten / zu welchen sich alsbald die 8000 Friesen / uñ 6000 untergestekte Wenden hinbegaben / deren unsere Fürsten über die masse froh wahren / und ihnen alle Speise-Wagen zubeschützen untergaben / von welchen sie eine statliche Wagenburg macheten / in welche sich das Frauenzimmer mit begab; Nur mit 6000 Reutern ging der GroßFürst eilig wieder hin nach den abgeordneten 4000 Teutschen / und geboht ihnen bey Leib und Lebensstraffe daß sie straks angesichts eine gute halbe Meile zurük gehen / und daselbst guter und gnädigster Erklärung selten gewärtig seyn; dem sie alsbald gehorsamlich nachkamen / so daß ihnen keine gelegenheit gegönnet ward / mit dem ungehorsamen Fürstlichen Heer ein Wort zureden. Inzwischen musten die 12300 gehorsame alsbald anfangen / die geschlagene Wagenburg mit einem Wahl und Graben einzufassen / worzu bald die übrigen 6000 / so mit dem GroßFürsten den kurzen Rit getahn hatten / sich begaben, / und die Arbeit zum eiferigsten fortsetzeten / wobey die Wenden das beste tahten / welches Herkules so wol gestel / daß er ihnen allen die Freyheit / und LandGüter gnug in ihrem Vaterlande versprach / wovor sie sich demühtigst bedanketen. Unsern Fürsten wahr sonst nicht gar wol bey dieser Sache / dann sie sahen vor Augen /daß die algemeine Empörung nahe wahr / uñ stunden nicht in geringer Gefahr / die freche Pfaffheit würde ihnen zumuhten / den wahren Gott zuverläugnen / und den Teuflischen Abgöttern Opffer zutuhn / wovor sie lieber tausend Hälse verlohren hätten. Sie rieten aber dem GroßFürsten / er möchte sich zu dem Kriegsheer machen / und auffs best er könte / sie befriedigen und zum Gehorsam bringen. Weil nun demselben seiner Teutschen Hartnäckigkeit und verstokter Sin auff ihren Gottesdienst gar zu wol bekant wahr / hielt er solches genehm / und ließ dem Heer durch Prinsla andeuten / sie solten Teutsche Redligkeit und ihren äid beobachten / und durch heimliche Auffwiegeler sich ja nicht zum Auffruhr anführen lassen / wodurch sie dem Teutschen Namen eine unablöschliche Schande anhenken würden; Er wolte sich jezt unter ihnen finden lassen / und dergestalt sich erklären / daß ihnen ihres tuhns von sich selbst gereuen würde; folgete auch bald darauff / von wenig Friesischen Reutern begleitet / uñ begehrete anfangs / daß / weil er den Böhmen eigentlich nicht zugebieten håtte / solten bis Teutschen sich allein lagern; welche aber durch einen Obersten sich entschuldigten / sie wåhren biß daher ein Heer und ein Hauffe gewesen / und könten sich nicht trennen lassen / ehe und bevor sie wüsten / wie man bey ihren lieben Land Göttern halten wolte. Der GroßFürst ließ sich dieses nicht irren / hieß die Befehlichshaber ohn Unterscheid zusammen vor sich treten / damit sie seine Rede vernehmen könten / und trug dieses vor: Was vor Unglük / ihr meine lieben Söhne / hat sich zwischen euch und mich geleget? Welche Widersinligkeit hat euch an meiner väterlichen Hulde zweifeln machen können? Wisset oder erkennet ihr nicht mehr / daß ich euer alter GroßFürst bin / GroßFürst Henrich / der biß daher sich åusserst bemühet hat / wie er Teutsche Freyheit und Vaterlandes Wolfahrt erhalten / und der Römer Troz und anderer Feinde Wůten von unserm Reiche abwenden möge / welches ihm auch noch nie mißglücket hat? Was hat euch dann / und zugleich alle Landsassen bewogen / meine alle wolbekante Redligkeit in Zweifel zuzihen / als ob ich Teutschland zuverderben vorhabens wůhre?[596] Habe ich etwa solche Schelmenstücken von dem Bübischen Wenden Krito gelernet? Dem habe ich ja den Schedel herunter hauen lassen Oder haben meine Söhne und Oheime diesen unredlichen Willen aus fremden Ländern gebracht / und mir eingebildet? Ey die haben ja kein fremdes Kriegsvolk umb sich / sondern neben euch / ja vor euch ihr Leben in der Schlacht gewaget; und was wolten doch wir einzelne wider den Willen aller Inwohner beginnen? Habe ich etwa heimliche Werbungen in Feindes Gebiete? Lasset hervor treten / der mich dessen zeihet. Ich versichere ihn bey meinen Großfürstlichen Ehren /und bey diesem meinem grauen Håupte / daß da er mich dessen ichtwas überzeugen kan / ich als ein Verrähter mich binden und henken lassen wil. Nun wo bistu mein Ankläger / wo bistu? trit kühnlich hervor /du hast mit mir nicht als mit deinem Großfürsten /sondern als mit einem gemeinẽ Landsknechte / ja als mit einem schlechten Bauren zuschaffen. Sihe da / ich ermahne dich bey deiner Redligkeit / verbirge dich nicht länger / sondern zeige nur bloß an / was du aus meinen Geberden habest muhtmassen können / daß ich Teutschland zu beleidigen / oder ihnen ihre Götter wegzuschaffen solte willens gewesen seyn; ich wil deiner Anklage erwarten / und dieses mein Heer (welches ich doch durchaus nicht schuldig bin / auch nie kein Beherscher der Teutschen vor mir eingangen ist) gerne und willig zum Richter leiden. Hiemit schwieg er stille / legte sein Schwert abe / und setzete sich nider auff die Erde. Als nun keiner sich finden wolte /stund er wieder auff / und fing abermahl an: Bin ich nun nicht eins mehr wirdig / daß mir geantwortet werde? ey so bin ich schon gar zu lange euer GroßFürst gewesen. Ich meynete / man würde aus hochbewäglichen Ursachen mir zufolgen sich gewegert haben / so sehe ich aber / daß es nur ein frecher Stolz und verwägener Muhtwille ist / und wird demnach mein bestes seyn / daß ich mit meinem Sohn nach Frießland umkehre / und daselbst das Gnaden-Brod die übrigen wenig Tage meines Lebens fresse. Hierauff fing ein Unter Befehlichshaber an zuruffen: Wes zeihẽ wir uns / ihr Brüder? Warum treten die Hauptleute nicht zusammen / und vergleichen sich einer gebührlichen Antwort? Oder ist etwa ein Kläger verhanden / er sey geistlich oder weltlich / ådel oder unädel; der trete hervor / und versichere sich alles Schutzes /nachdem der gewaltige GroßFürst selber sich vor das KriegsRecht stellet / welches freilich unerhöret ist /und uns schier heut oder morgen von unsern Nachbarn fast schunpflich dürffte vorgeleget werden. Die Hauptleute folgeten diesem Raht / weil kein Kläger sich finden wolte / und nach kurzer Berahtschlagung redete der ansehnlichste unter ihnen also: Unüberwindlichster Großfürst / Gnädigster Herr; Euer Hocheit anwesendes Kriegsheer ist erbötig und bereitwillig / Leib und Blut vor dero Wolergehen einzubüssen; nur allein bitten sie untertähnigst / es wolle dieselbe darüber nicht ungeduldig werden / daß das gemeine Vaterland bemühet ist / ihren uhralten Gottesdienst unverendert zuerhalten / damit nebest Hinfallung dessen / nicht auch ihre Freiheit zugleich mit untergehe /wovor sie lieber alle mit einander tausendmahl sterben wollen. Wann nun Ihre Hocheit ihren Untertahnen solches versichern wird / ist alles Unwesen schon gänzlich auffgehaben. Man hat in Erfahrung bracht /ob solte unsere junge Herschafft neue Götter mit sich von Rom hergeführet haben / die so hochmühtig uñ stolz seyn sollen / daß sie keine andere Götter neben sich leiden oder dulden können / sondern alles allein seyn wollen / gleich wie der Römische Käyser alles allein seyn wil; Diese neuen[597] G \tter einzuführen / und die alten wolverdienten abzuschaffen / sollen die jungen Fürsten des gänzlichen Vorhabens seyn. Weil aber Teutschland so wenig der Römer Götter / als sie selbst zu Ober Herren leiden kan / als wird Ihre Hocheit sich in diesem Werke dergestalt gnädigst erklären / daß so wol sie selbst / als die Fürstliche junge Herrschafft und das ganze Land der Gefahr befreyet werde. Ey lieber / sagte hierauff der GroßFürst / sollen dann geschworne Untertahnen / umb eines blossen nichtigen Verdachts willen / sich ihrer höchsten Obrigkeit im algemeinen Auffruhr / mit Schwert und Spieß widersetzen / und ihr den Durchzug in ihr Erbreich gewaltsam verlegen und verbieten? Welche unsere Vorfahren haben sich jemahls unterstanden /wider ihre Könige sich auffzulehnen / und durch falschen nichtigen Argwohn zu dergleichen unerhörten Aufwiegelung sich reizen zulassen? ich muß aber anjetzo zweierley vernehmen / welches über meine Söhne geklaget wird / als vor erst / sie haben neue Römische Götter; vors ander / sie wollen solche den Teutschen vorstellen / die alten abschaffen / und zugleich das Vaterland umb ihre teur erkauffte / und bißher wol erhaltene Freiheit bringen. Niemand wird mirs verdenken / daß ich vor meine Söhne rede / dann sie sind mein Fleisch und Blut. So sey es nun also /daß meine Söhne einen Gott (dann mehr als einen Gott gläuben sie nicht) in der fremde erkennet haben /von dem sie vormahls nichts gewust; sol man sie umb solcher Erkäntniß willen dann des Landes vertreiben /welche keinem Menschen schaden kan? Ja sprechet ihr / sie haben Römische Götter / die können wir nicht dulden. Römische Götter? höret mir / bin ichs wirdig / biß einige nur / dann wird das übrige schon alles geschlichtet seyn. Meine Söhne haben den Christlichen Glauben angenommen / das gestehen sie; ist aber dieser der Römische Glaube? Ey sendet doch hin in der Römer Gebiet / und nur biß gen Köllen am Rein / fraget nach / ob die Römer Christen sind / ja ob sie der Christen ihren Gott verehren? Ich versichere euch bey meiner Redligkeit / ihr werdet keine andere / als diese Antwort von ihnen bekommen: Das Römische Reich / und dessen Vorsteher / sind der Christen abgesagete Feinde / wollen durchaus ihren Gott vor den wahren Gott nicht erkennen / vielweniger annehmen / sondern ihren Wiederwillen gegen denselben zubezeigen / verfolgen sie die Christen auffs härteste sie es nur erdenken können. Nun dann / ihr lieben Teutschen / haben dann nun eure junge angebohrne Fürsten Römische Götter angenommen? Römische Gelder haben sie mit sich gebracht / die wollen sie den Teutschen zum Beutpfennige außteilen; das sind die Römischen Götter / könnet ihr die nicht leiden /so müsset ihr ja die Geld Liebe in kurzer Zeit abgeleget haben. Aber ich muß nachfragen / ob dann die Erkäntniß eines neuen oder vorhin unbekanten Gottes einigem Menschen / wil nicht sagen / Königen und Fürsten in ungleichem außzulegen sey? Wer ist unter euch Teutschen / der nicht wissen solte / was vor Götter man in Dännenmark / Schweden / ja in Italien selbst verehre? hat euch jemand deswegen zu Rede gesetzet? Nein / sprechet ihr / solches ist die Frage nicht / sondern wir wissen solches zwar / aber daneben verehren wir dannoch die unsern / und stossen sie nicht von der Brücke in die Weser oder Elbe. Gut; ihm sey also; es wird euch solches auch niemand wehren; ihr ehret sie; und zwar billich / dann ihr haltet sie noch vor wahrhaffte Götter. Meine Söhne aber zweifeln an ihrer Gotheit / daher enthalten sie sich solches Gottesdienstes / biß sie von unsern Geistlichen eines bessern unterwiesen werden. Ja / werffet ihr ein / und[598] zwar als den schweresten Knoten: unsere junge Herschafft / ist daran nicht vergnüget / daß sie einen fremden Gott vor sich haben / sondern sie wollen denselben auch ihren Untertahnẽ auffdringen / und die alten Land-Götter abschaffen / auch zugleich die Teutsche Freiheit in Römische Dienstbarkeit und Leibeigenschafft verwandeln. Hilf Gott! wer hat eine solche erschrekliche schandbahre Verleumdung auff die Beine setzen dürfen? können dann meine Söhne ein solches durch sich selbst verrichten? oder haben sie euch darum jemals begrüsset / daß ihr ihnen hierzu möchtet behülfflich seyn? oder ist etwa Frießland in Bestallung genommen / solches ins Werk zustellen? O ihr nicht mehr beherzete / sondern furchtsame Teutschen! werden dann zween einzelne Männer / die den Jahren nach noch unter die Jünglinge zurechnen sind /euch und alle eure Götter zum Lande außjagen? Ich meine ja / Teutschland habe noch seine Grenz Völker liegen / die werdens ohn Zweifel nicht verschlaffen /wann etwa die Römer kommen / und uns als Leibeigene auß dem Lande schleppẽ wolten. Doch ihr lieben SpießGesellen / vielleicht möchte sich jemand finden / der meinen Söhnen solches zeihen dürfte / lasset deswegen den Schreier ankündigen / daß er hervortrete / als wahr ich ein ehrlicher Großfurst bin / und ein solcher zu sterben begehre / wil ich ihm wieder meine Söhne Schuz halten / und wann er nur die allergeringste glaubwirdige anzeige tuht / daß meine Söhne des einen oder andern sich nur haben verlauten lassen /wil ich sie dem Heer zur wilkührlichen Straffe übergeben. Verflucht sey / wer einem Römer / zum Nachteil des Vaterlandes hold ist / und solte ein solches von meinen Söhnen mit Warheit können gesagt werden / solte diese Faust sie vom Leben zum Tode richten. Aber O nein / diese haben der Freiheit süsse Wollust und Ergezligkeit viel zu tieff in ihr Herz gesenket / und würden sich lieber zehnmahl henken als unter der Römer Joch zwingen lassen. Drum so höret nun / wessen ich mich / und zugleich meine Söhne sich beständig erklären / dabey es auch sein verbleiben haben sol: In ganz Teutschland sol keinem einigen Menschen / er sey adel oder unadel / der alte gebräuchliche Gottesdienst verbohtẽ oder verwehret sein / sondern ein jeder mag dabey nach Gewohnheit seiner Vorfahren verbleiben. Eure Landes und Lebens Freiheit sol im wenigsten nicht gekränket werden / die jetzige Wiederspenstigkeit sol tod und vergessen seyn / ohn daß man die Redlensführer und ersten Auffwiegeler / andern zum Abscheu mit gebührlicher Straffe ansehen muß / deren doch / ob ihrer etwa viel währẽ /nicht über vier ihre Köpffe verlieren / die übrigen begnadet werden sollen. Habt ihr nun hieran ein Genügen oder nicht / so erkläret euch bald / auffdaß ich wissen möge / ob ich noch der Teutschen Großfürst /oder ihr Verbanneter sol genennet werden. Hierauff fing das ganze Heer / da es ihnen durchgehends kund getahn ward / an zuruffen: Der Großfürst und unsere junge Herschafft lebe / und halte her Teutschen Freiheit und ihren Göttern Schuz. Mit welcher Erklärung unsere Fürstliche Geselschafft vor dismahl wol zufriden wahr / wurden auch etliche Häuptleute außgewählet / welche mit Prinsla nach den abgeschickten 4000 Reutern sich hinmachen solten / daselbst anzuhören /was Gestalt derselbe jenen ihrer Großfürsten auffrichtiges erbieten anmelden solte / dañ erselbst vor sein Häupt wolte sich mit den Ausrührern in keinen Zank einlassen / viel weniger auff ihren ungegründeten Argwohn Rede und Antwort geben / und gleichsam vor ihrem Gerichte stehen. Als aber jenen die vorgemeldete gnädige Erklärung des Großfürsten von Prinsla vorgetragen[599] ward / dieselbe den ihrigen / so auff der Grenze in grosser Menge lagen / zuhinterbringen /mit dem ernstlichen Befehl / daß sie darauff alsbald in Ruhe stehen / und hinter sich in ihre Gewahrsam zihen solten / wolten die 20 Pfaffen damit durchaus nicht friedlich seyn / frageten die Gegenwertigen Häuptleute / so mit Prinsla kommen wahren / ob sie mit solcher Erklärung könten einstimmen; und als dieselben zur Antwort gaben / sie hätten zuvernehmen / wessen der grösseste Teil ihrer LandsLeute gesinnet währe / trugen diese Pfaffen im Nahmen des ganzen Teutschlandes vor / es müste sowol der Großfürst selber / als die Anwesende junge Fürsten / der Bömische König mit eingeschlossen / sich äidlich verpflichten /und schrifftlichen Schein von sich geben / daß sie nicht allein den alten Gottesdienst ihren Inwohnern frey lassen / sondern auch vor ihr Häupt denselben gut halten / die neuen Götter abschaffen / den Christlichen Glauben verleugnen und verfluchen / und die uhralten LandGötter vor die wahren und rechtmässigen erkennen wolten; würden sie dieses eingehen /alsdann währen sie nach wie vor ihre liebe Obrigkeit; wo nicht / würde man der Teutschen versamleten Macht es nicht verdencken / daß sie die Großfürstliche Erklärung vor gefährlich und als auff Schrauben gesetzet / halten müste. Daß auch der Großfürst so hart und strenge auf einen Ankläger drünge / währe nicht anzusehen / gestaltsam es klärlich am Tage läge / daß sein Sohn und Oheim sich öffentlich vor Christen außgäben / und nach des Großfürsten Anzeige ungescheuet gestünden / daß sie allein ihren einigen Gott vor den wahren Gott hielten. Nun würden sie ja nicht leugnen / daß die Christen alle andere Götter in ihren Herzen verflucheten / und vor Lügen-Teufel hielten; wie könte dann Teutschland zugeben / daß ihre Obrigkeit alle Inwohner in ihrem Gottesdienste verfluchen und vor einen Abscheu halten solten? könte dieses wol einige Vertrauligkeit setzen? ja könte es wol möglich seyn / daß unter dieser Mißhelligkeit das Teutsche Reich bestehen solte? Die abgeschikten Hauptleute fingen auf diese Rede schon wieder an zu wanken / ungeachtet sie sich Großfürstlich erkläret hatten / wegerten sich aber doch gleich so wol / als Prinsla selbst / diese Antwort dem Großfürsten zu hinterbringen / sondern begehreten / es möchten etliche ihres Mittels solches selbst verrichten; dessen sich diese gar nicht scheueten / wähleten 6. Pfaffen /welche mit fortritten / dieses Anmuhten mit gleich so dürren worten vorzutragen. Als diese ankamen / wahren des Großfürsten seine getreue Leute sehr geschäftig / die Schanze umb die Wagenburg aufzuführen /welche schon in solchem Stande wahr / daß man sich daraus aller ihrer Menge erwehren kunte / und hatte man bey diesem Graben unterschiedliche Quellen angetroffen / die ein kleines Wasser in guter Menge hervor gaben. Nun wusten die neu ankommende Teutsche Völker noch nicht / daß Herkules wieder zu Lande geschlagẽ währe / weil er / da der erste Pfaffe von dem Heere nach Teutschland gieng / sich den Völckern noch nicht kund gegeben hatte / daher wolte er auch noch dißmal sich von diesen 6. Pfaffen nicht sehen lassen / als sie vor die Fürstliche Geselschaft (denen Fürst Olaf stets beizuwohnen genöhtiget ward) sich stelleten / und ihre unverschämte Meinung mit eben den vorigen Worten verwägen gnug vortragen durften; ja der älteste unter ihnen grief König Baldrichen solcher gestalt absonderlich an: Großmächtigster König / ich erinnere mich dessen ehmahliger Teutscher Gottseligkeit / welche er mir zum öftern bey unserm uhralten köstlichen Gottesdienste hat sehen und erscheinen lassen / so gar /[600] daß er auch äidlich versprochen / sich davon nimmermehr abzuwenden / und mus ich dannoch mit grossem Unmuht und inniglichen Seelen-Schmerzen hören und vernehmen / daß derselbe solches so liederlich hindan gesetzet / und nach dem Beyspiel seines abtrünnigen Bruders den gekreuzigten falschen Gott und verführer angenommen; hätte nimmermehr gemeinet / daß ein solcher frommer tugendliebender Fürst zu einem so lasterreichen Unglauben sein Gemüht hätte können hinwenden: Er wolte in seiner verweislichen Schmachrede fortfahren / aber Baldrich ward durch die dreyfache schåndung / welche dieser Bube seinem Gotte / seinem Bruder und ihm selbst anlegete / zu so heftigem Zorn bewäget / daß ihm das Blut vor die Augen schoß / daher er ihn alsbald schweigen hieß / und die andern fünft Pfaffen fragete / ob diesem ihren Worthalter ausdrüklich befohlen währe / ihn dergestalt absonderlich vorzunehmen; welches sie aus furcht weder mit ja noch nein beantwortẽ durften / biß endlich dieser freche sich vernehmen ließ / ob ihm solches gleich so eben nie währe aufgetragen / so hätte er doch gnugsame Volmacht / die Warheit zu reden / und die Fürsten im nahmen des ganzen Volkes ihrer Schuldigkeit zuerinnern. Baldrich ergriff sich inzwischen in etwas /und antwortete ihm: Wolan / ich bin mit dieser dir gegebenen Volmacht zu frieden / daß du die Warheit reden solt; aber Lügen vorbringen / und deiner Obrigkeit selbe auffbürden stehet dir nicht frey. Also mustu nun deine ausgespeiete Reden wahr machẽ / oder als ein frevelmühtiger Lůgener und Verleumder deiner angebohrnen Obrigkeit / die Straffe leiden. Sol ich aber deine Rede vor wahr halten / so mustu anfangs Sonnenklar darlegen / daß mein Gott ein falscher und verfürischer Gott sey; hernach daß mein Glaube ein Lasterreicher sey / und endlich wie du vor diesem meinen Herr Bruder zu verleumden pflagest / daß derselbe in allerhand Unzucht und Unflätereyen sich mit andern Schand-ergebenen wälzete; und werde ich willig seyn / deinen dreyfachen Beweißtuhm anzuhören /aber auch / wann dirs daran fehlen wird / soltu mit mir in Unglüks Küche kommen. Dieser beantwortete es mit einem kaltsinnigen einwenden; was öffentlich am Tage läge / bedürffte keines grossen Beweißtuhms / dañ es währe schon Sonnen-klar; so währe er auch vor dißmahl nicht abgeschicket / sich in solche weitläufftigkeit hinein führen zulassen. Pfaffe Bertram /bedenke dich ja bald einer bessern Antwort / sagte Baldrich; ich sage / daß du alles dreyes schändlich gelogen hast; wiltu nun dein Leben retten / so führe Beweißtuhm / oder bekenne dem gottloses Verbrechen; dann bistu nicht ausgeschikt / dich in Weitläufftigkeit einzulassen / so wirstu viel weniger ausgeschikt seyn / meinen Herr Bruder und mich mit falschem lügenhafftem Maule zuverleumden. Der Pfaffe fing darauff an: Gn. König / dräuet mir und meinem Leben nicht / auff daß ihr euer eigenes nicht in gefahr setzet; was ich geredet habe / wil ich zu seiner zeit gnugsam verantwortẽ. Da kunte nun Baldrich seinen Zorn länger nicht einzwingen / sondern griff ihn mit dieser Rede an: Je du gottloser ehrvergessener Schelm und Verleumer; wer hat dir dann die Kühnheit und Gewalt erteilet / meinen Gott in meiner Gegenwart zuschmähen / meinen Herrn Bruder vor einen Abtrünnigen / und mich / einen herschenden König /vor einen Meinåidigen auszuschelten? ist dirs nicht gnug / was du vorhin schon gelogen / und bey meinem gn. Herr Vater hochgedachten meinen preißwirdigen Herr Bruder / als einen Tugend Feind und der abscheulichsten Laster ergebenen angetragen hast? Dieser wolte noch nicht zum Kreuz kriechen /[601] sondern blieb steiff dabey / er wolte die Warheit zu seiner Zeit vorstellen; welches dem erzürneten Fürsten zuverschmerzen unmöglich wahr / zog sein Schwert aus /und schlug ihm mit einem Hiebe den Schedel reine hinweg / sagend: Du wirst mir forthin die Auffruhr wol nicht weiter schüren. Die übrigen Pfaffen erschraken dermassen / daß sie kein Wort sprechen kunten; so wahr auch der GroßFürst selbst nicht allerdinge damit zufrieden / meinete / man hätte ihn allemahl noch finden können. Doch die Taht wahr geschehen /und numehr zubedenken / wie sie eine zeitlang vertuschet bliebe; wurden also die fünff übrige Pfaffen fleissig bewachet / und setzete Baldrich sich alsbald zu Pferde / ritte in Geselschafft 50 Friesischer Reuter zurücke / umb zubefodern / daß die begehrete Mannschafft aus seinem neuen Königreiche herzu eilete. Den abgeordenten Reutern und Pfaffen aber ließ der Großfürst andeuten / sie solten sich straks angesichts nach den ihrigen machen / und ihnen seine getahne GroßFürstliche Erklärung vortragen; die 6 Pfaffen müsten bey ihm in freier Hafft bleiben / biß man sich erkündigen würde / ob ihre hochmuhtige frevelhaffte Anwerbung nebest angefügeten gräulichen Schmach reden wider die jungen Fürsten / ihnen von seinen Untertahnen einhellig auffgetragen währe oder nicht. Zwar die annoch übrige Pfaffen durfften trotzig anhalten / daß sie ihre Amts Brüder auff freyen Füssen haben / und das Fürstliche Heer sprechen wolten; bekahmen aber von Prinsla zur Antwort: Das lezte würde man ihnen durchaus nicht gönnen / nachdem der Auffwiegeler schon mehr als zu viel unter dem Heer währen, das erste dürffte niemand als sie selbst bey dem Großfürstẽ werben / welches ihnen dann solte erläubet seyn, aber die guten Herren rochen Lunten / und nahmen mit ihren Reutern den Abzug / wiewol nicht ohn hefftige Dräuungen / welche doch Prinsla / wie ihm befohlen wahr / unbeantwortet ließ / als hätte er sie nicht gehöret. Ladisla wuste nicht / was er vor Zorn wegen seiner Böhmen Träulosigkeit anfahen solte / nam Prinsla und Neklam zu sich / ritte nach dem Heer / und hielt zu ihnen diese Rede: Ihr Teutschen; ich als Böhmischer König / habe euch wegen eures tuhns und lassens weder zubefehlen noch zuverbieten; nur mit meinen anwesenden Untertahnen des Böhmischen Reichs rede ich / und frage dieselben /ob sie auff mich auch etwas zusprechen haben / das der Auffruhr und ihres Ungehorsams wert sey; solches sollen sie alsbald durch einen Gevolmächtigten andeuten; Ich erinnere mich / daß ich den Kern meiner jungen Ritterschafft alhie bey mir habe; wie es nun ihren frommen redlichen Eltern und Anverwanten gefallen wird / wann sie dieses von ihnen erfahren sollen / stehet zu erwarten; Ich meyne / sie werden es empfinden / wann ihre Söhne erbloß gemacht / vor ihres Königes Verrähter ausgeruffen / des ganzen Königreichs von meiner Fr. Mutter und den sämtlichen Land Ständen in Ewigkeit verbannet / und vor Vogelfrey ausgeruffen / wo nicht wol gar die Ketten der Leibeigenschafft ihnen angelegt werden. Darum so vernehmet meine Königliche Gnade / und gebraucht derselben zu eurer Wolfahrt / wo euch sonst nicht aller Wiz entgangen ist; Ein jeder Böhme / der gleich diese Stunde zu mir treten / ein Zeichen der Reue an den Tag legen / mir auffs neue den äid leisten / und wie ein redlicher Untertahn sich nach diesem verhalten wird / sol volle Erlassung des jezt ergangenen /krafft dieses meines Königlichen versprechens haben /so gar / daß dessen / als währe es nie geschehen / in Ewigkeit nicht gedacht werden sol. Da hätte man ein elendes Geschrey hören sollen. Alles was Böhmisch wahr /[602] so bald des Königes Rede durch die Völker von einer Schaar zur andern lief / daß rief umb Gnade / Gnade / sonderten sich von den Teutschen ab / fielen von ihren Pferden / und tahten einen wehmühtigen Fußfal / einwendend / sie währen verleitet und hintergangen; die Teutschen Pfaffen währen Lügener und Bösewichter / und ihr König gerecht uñ from; trieben dabey ein solches Geheule / daß Ladisla selbst zu Mitleiden bewäget ward; gab ihnen einen freundlichen Wink mit dem abgezogenen Hute / daß sie auffstehen solten; und als er sie gestillet hatte / redete er sie also an: Nun ihr redliche auffrichtige Böhmen /und liebe Geträue; Ich weiß und sehe vor Augen / daß ihr nicht aus Boßheit / sondern blosser Einfalt gesündiget habet; stehet auff / setzet euch zu Pferde / und folget mir nach; wer des ergangenen gegen mich im guten oder unguten gedenket / sol mein Freund nicht seyn. Nam sie hiemit auffs neue in Pflicht und åide /und wahr sehr froh / daß er noch 28000 Böhmen zählete / da der Teutschen kaum 16000 mehr sich funden / weil die übrigen mit Siegward nach Wendland fortgangen wahren. Diese Teutschen nun erschraken der unvermuhtlichen Absonderung höchlich / dann sie sahen / wie leicht sie von den andern hätten können nidergemacht werden / welches auch auff ihre beharliche Widersezligkeit wol erfolget währe. Ladisla muhtmassete leicht / daß ihnen das Herz würde entfallen seyn / darumb redete er sie also an: Ihr bißher so redliche Teutsche Herzen / und gewesene liebe Spießgesellen; mich wundert nicht wenig / wie ihr so unbedachtsam verfahret / und von eurem liebreichen Vater dem GroßFürsten euch absondern könnet / welcher sich doch gegen euch dergestalt erkläret hat / daß ich nimmermehr ein gleiches tuhn würde / auch kein erbarer Mensch ein mehres von ihm fodern kan; und dannoch wisset ihr nicht / ob ihr ihn vor euren Herrn erkeñen wollet oder nicht; gedenket ihr nicht / daß er euch alle auff der Rolle hat / ja das Hauß weiß / aus welchem ein jeder entsprossen ist? ich sähe ungerne /daß euch etwas wiedriges zustehen solte / weil ihr in neulicher Schlacht euch so ehrlich und tapffer gehalten / und kan doch nit ersinnen / wie man euch zu hülffe treten sol / nachdem ihr die Gnadenzeit als recht unsinnige Leute vorbey streichen lasset; Trotzet ist aber etwa auff eure auffrührischen Landsleute / die sich ohn alle ursach wider ihre Obrigkeit setzen dürffen? Oder machet ihr euch Gedanken / euer Großfürst werde von allen Menschen verlassen seyn / weil seine Untertahnen ihn höhnen dürffen? O weit gefehlet! Ganz Frießland ist schon im Harnisch; der Schwedische Fürst ist mit seinem Heer zurük gefodert; nach Böhmen gehen meine Bohten Tag und Nacht ohn Ruhe fort / darinnen ich keinen wehrhafften Mann sitzen lassen wil / er sol auff das ungehorsame Teutschland angehen / wo sie sich nicht in kurzem eines bessern bedenken werden; alsdann werdet ihr aber gar zu späte beklagen / daß ihr meinen wolgemeineten Raht so unsinnig verachtet habet; wiewol / wo ihr eure Vernunfft nicht gar gefressen / ihr leicht euch die Rechnung machen werdet / daß man euren Muhtwillen die längste zeit schon geduldet habe. So höret nun meinen geträuen Raht / und folget demselben erstes Augenbliks; sendet etliche eures Mittels an eure annoch gutherzige Obrigkeit ab / welche euren Frevel verbitten / und umb Barmherzigkeit und Gnade anhalten; was ich zu eurem besten werde tuhn können / sol euch hiemit versprochen seyn; bleibet ihr aber aufrührisch nach wie vor / so wil ich unter euch hauen und stechen helffen / biß mir der Arm erstarret / und ihr alle werdet vertilget seyn. Hiedurch ward ihnen eine solche Furcht eingejaget / daß sie sich auff[603] ihren Pferden nicht halten kunten / wurffen das Gewehr von sich / fielen auff die Erde nider / rieffen nur umb Barmherzigkeit und Gnade / und daß der König ihr kräfftiger Vorbitter bey dem Großfürsten seyn wolte. Ladisla sendete seinen Prinsla geschwinde nach dem Großfürsten / mit Bitte / samt Herkules dem Heere zu nahen / stellete doch inzwischen seine Böhmen zum Schrecken in Schlachtordnung / und kahmen die Fürsten mit allen Parthischen und Wendischen Völkern darzu / nicht anders / als wolten sie gleich auff die Teutschẽ hinein setzen / und alles nidermachen. Ladisla rennete ihnen mit wenig Reutern entgegen / und nach kurzer Beredung kehrete er wieder umb nach dem Heer / da der alte Großfürst in vollem Harnische / und das Schwert in der Faust haltend / sie auff seinem Pferde also anredete: O ihr Unbesonnene / hätte schier gesagt / Ungetråue / welches der Teutschen Redligkeit gar zu unerträglich währe; ich meyne ja /ich euer herschender Großfürst habe mich gnug vor euch gedemühtiget / mein Schwert abgegürtet / und mich gar auff die Erde geleget; und dannoch kuntet ihr weder mein Vaterherz sehen / noch eure Sünde erkennen. Würde ich euch nun ungleich tuhn / wann mit diesem entblösseten (sein Schwert zeigend) ich euch niderschlüge / welches ihr in der Scheide so liederlich geschätzet habet? Sehet / diese redliche Böhmen /welche ihr schändlich verleitet hattet / finden sich alsbald wieder zu ihrem Könige / da sie sein Angesicht sehen / und seine Stimme hören / und ihr liesset mich in Ungewißheit von euch / da auff den fal meines Verbrechens ich mich euch zur Straffe dargestellt hatte. O ihr Undankbahren! betrachtet euer Verbrechen / und lasst hören / welches die geringste Straffe sey / die ihr verdienet. Sehet diese redliche und ehrliche Wenden an; die wahren anfangs meine Räuber / und nun sind sie mein geträuer Beystand worden wider meine Untertahnen / welche kommen wahren / mich aus Räubers Händen loßzureissen. Was sol ich aus euch machen? Wie sol ich euch nennen? Schåmet euch in euer Herz und Blut / daß ihr eurem ehrlichen Nahmen einen solchen schlimmen Schandflecken anhånget; schämet euch ihr äidvergessene / daß ihr von eurem Landes Fürsten abtretet / ohn alle gegebene ursach. Hier fing das Volk an / sich so jämmerlich zugeberden / daß dem Groß-Fürsten selbst die Augen übergingen / dann er sahe / daß etliche / die ihm nahe wehren / sich fertig macheten / sich selbst zuentleiben / welches er ihnen ganz ernstlich verboht. Herkules aber / der sich beliebt zumachen / gefliessen wahr /fing also an: Gnädigster Herr und Vater / ich bitte untertähnigst / mir zuverzeihen / daß ich die Kühnheit fasse / mich als ein Vorsprach dieser eurer Untertahnen anzugeben. Als sie dieses erbieten höreten / ging das algemeine Geschrey an: O GroßFürst Herkules tretet zu uns in dieser Roht / und erlanget uns Gnade; davor wollen wir euch unser Blut verpflichten. Herkules winkete ihnen / stille zu seyn / und fuhr in seiner Rede fort: Höret doch mein Herr Vater; ja hörets als ein Vater dieser eurer Untertahnen; höret wie sie ihr Verbrechen bereuen / und noch beyzeiten wiederkehren / ehe sie etwas wirkliches wider eure Hocheit vor geno en haben; Mein Herr Vater lasse doch vor dißmahl Gnade vor Recht ergehẽ / und vergebe ihnen allerdinge / gleich wie König Ladisla seinen Leuten vergeben hat. Ist gleich das jetzige verbrechen groß /so haben sie doch vor weniger Zeit sich rühmlich uñ wolverhalten / werdẽ auch durch die gegenwärtige Gefahr sich warnen lassen / nimmermehr deßgleichen vorzunehmen / wovor ich nicht allein mich als einen selbschuldigen Bürgen darstellen / sondern die verhoffete Gnade nicht anders /[604] als mir selbst geschehen /rechnen wil; stieg hiemit von seinem Pferde / und taht einen demühtigen Fußfal. Der GroßFürst aber gab ihm diese Antwort: Geliebter Sohn / das Verbrechen ist fast zu grob / es ohn Straffe hinstreichen zulassen; dann ob sie gleich zu meiner Rettung sich ehmahls haben eingestellet / mus ich doch aus diesem ihren jetzigen verhalten abnehmen / sie haben solches nicht mir zum besten / sondern aus begierde zur Beute getahn. Mit den redlichen Böhmen hats viel eine andere Beschaffenheit; die sind von den meinen verführet /und daher zimlichermassen zuentschuldigen; diese aber haben das Unheil gestiftet; da ich ihnen fortzuzihen befahl / hörete ich wol Teutsche / aber keine Böhmen schreiben / hier müste man die Waffen niderlegen. Jedoch mein Sohn / damit du sehen mögest / wie gültig deine Vorbitte bey mir sey / sihe da / so schaffe alles nach deinem gutdünken und belieben / ich wil solches genehm halten / und mit meinem Häuptschlusse bekräftigen / nur durchaus sollen sie anzeige tuhn / welche die ersten Uhrheber dieser Auffwiegelung sind / dieselben sollen und müssen sie melden /und gänzlich von sich absondern. Bald hierauff rieffen die Befehlichshaber; was Pfaffen Nahmen tråget /packe sich von dem Heer hinweg; ja sie fasseten sie bey den Armen / schleppeten sie hervor / und bekenneten öffentlich / diese währen die einige Ursach alles Auffstandes; welche der GroßFürst / an der Zahl 15 anpacken ließ. Ein gemeiner Fußknecht trat herzu und trug vor / es währen drey unter diesen Pfaffen / welche sich hätten verlauten lassen / man würde die Landgötter nicht befriedigen / noch ihren Zorn und Unwillen abwenden können / ehe und bevor vier Köpfe auff Stangen stecketen; und als ein ander gefraget / welches diese Köpfe währen / hätten sie zur Antwort gegeben / es währen die vier schweresten / fettesten /und teuresten. Alsbald wurden diese drey Pfaffen von einander gebracht / und absonderlich befraget / was vor Köpfe sie gemeinet hätten; da der eine diß / der ander daß zu seiner entschuldigung vorbrachte / und ihre ausflüchte gar nicht übereinstimmen wolten / biß endlich ihnen die Folter gedräuet ward / welcher zuentgehen / sie einmühtig bekenneten / die vier Köpfe hiessen / Henrich / Ladisla / Herkules / Baldrich. Diese Uhr gicht ward den Völkern vorgetragen / und umbgefraget / was diese drey verdienet hätten; denen der gröste Teil zusprach / daß sie lebendig solten gespiesset oder geviertelt werden / aber der GroßFürst ließ ihnen die Köpfe abschlagen / und auff Spiesse stecken; die übrigen 12 Pfaffen worden zu den andern fünffen geleget / die mit höchstem Schrecken des vornehmen Groß Pfaffen Bertrams Häupt auff einer Stange stecken sahen / und nicht anders meineten / es würde ihnen gleich also ergehen. Herkules erteilete den Völkern durchgehend völlige erlassung / allerdinge wie Ladisla seinen Böhmen getahn hatte / nur daß sie diese Nacht biß an den Morgen von 3000 Friesen und 2000 Wenden bewachet werden / wehrloß bleiben / und weder Speise noch Trank geniessen musten / welches alles sie gerne erduldeten. Die Böhmen hingegen tahten diese Nacht aus freiwilligem erbieten eine fast ungläubliche Arbeit / in dem sie den schon gemacheten Wahl / mit noch einem viel dickeren /und weiteren Graben umbschanzeten / so daß gegen Morgens das Lager mit einer doppelten Festung dergestalt eingeschlossen wahr / daß ihnen mit gewalt nicht wahr beyzukommen. Des folgenden Morgens wurden 20 Bömische und gleich so viel Teutsche Reuter mit harten äiden belegt / und unter gewissem befehl nach der Auffrührer Lager geschikt / als nehmlich sie musten dieselben von dem ganzen Fürstlichen Heer grüssen / sie aller[605] beständigkeit versichern / und anhalten / daß man ihnen auff drey Tage gnugsame Speise mitteilete / damit sie zu leben hätten / nachdem die Fürsten ihnen alles versageten / und aus dem fest umbschossenen Lager durch gewalt nichts zuerhalten währe. Der Anschlag geriet glüklich / und ward die Speise sein fortgebracht / da die Teutschen mit zutuhn der Böhmẽ / so viel deren sich willig anerbohten noch den dritten Graben und Wahl umb das Lager zogen /und es unüberwindlich macheten. Die 4000 Reuter samt ihren übrigen Pfaffen hatten des vorigen Abends den versamleten Auffrührern des GroßFursten Erklärung hinterbracht / und daß man die sechs abgeschikte Geistlichen in Haft zurücke behalten / welches die Pfafheit hoch empfand / und alle beredsamkeit anwendeten / die Völker auffzumuntern / daß sie auffs schleunigste den rechten Ernst darzu tähten / des GroßFürsten und die junge Herschaft zur schriftlichen Versicherung und ablegung des Christentuhms ansträngeten / und mit ihrer unüberwindlichen Faust / so wol des Landes Freyheit / als den uhralten Göttern zu hülffe kähmen / alsdann könte das Feur in der Asche gedämpfet werden / welches / wo es überhand nähme / und die Teutschen Grenzen überschritte / nicht würde zu löschen stehen: erhielten auch bey der Versamlung so viel / daß sie des folgenden Tages / bald nach abhohlung der obgedachten Speisen / andere 6000 Mann abfertigten / ihrem GroßFürsten anzuzeigen / die sechs Pfaffen hätten durch vortragung der Landeswerbung / und daß sie dem jungen Fürsten Baldrich etwa die Warheit in die Nase gerieben /nicht wieder befehl gehandelt / wie dann dem hochgelerten Geistlichen Herrn Bertram noch wol so viel Freyheit zustünde / daß er die jungen irrenden Fürsten von der Laster Bahn ab / auff den guten Weg wieder anführete; begehreten demnach / daß sie alsbald auff freien Fuß gestellet / und auff des Landes Vortrag bestendige Erklärung möchte gegeben werden / weil man mit der schon heraus gelassenen nit könte friedlich seyn. Würde dann der Großfürst sich dessen wegern / soltẽ sie nur ausdrüklich sich vernehmen lassen / dz das Land dẽ Göttern uñ ihrer Freyheit mehr / als dem GroßFürsten uñ der jungen Herschafft verbundẽ wäre. Insonderheit solten sie dz Kriegsheer zur beständigkeit vermahnẽ / und denẽ bey ihnen anwesendẽ Pfaffen es verweißlich gnug vorhalten dz wider geno enẽ abscheid sie ihnẽ so gar keine Zeitung zuentböhten. Sie setzeten dieses hinzu / weil die 40 Reuter / welche die Speisewagen abgeholet / ihnen auffgebunden hatten / die Pfaffen bey ihnen / währen ihrer Sachen uneins worden / und hätten die helffte sich wollen an die Fürsten henken / aus Furcht / es dürffte der Handel unglüklich ablauffen. Ja daß zuverwundern / hätten ihrer drey ausdrüklich vorgegeben das Christentuhm währe nicht so schnöde als mans austrüge. Jedoch hätten sich die vornehmesten Obersten zwischen ihre Streitigkeiten geleget / und sie mit einander wieder verglichen / da sie dann bey ihrem abreiten schon damit umgangen währen / drey ihres Mittels an die grosse Landes Versamlung abzuschicken / welche ohn Zweifel sich bald würden einstellen. Weil nun diese sich nicht anfunden / und sie die Erzählung der Reuter vor gewiß hielten / fürchteten sie / es würde eine Unlust sich zwischen ihnen zugetragen haben / da sie dann den dreien Christen-Freunden keine gelindere Straffe als den lichten Galgen dräueten. Als die unsern der Herzunahung obgedachter 6000 Reuter verstendiget wurden / muste Neklam ihnen mit allen Parthern und 3000 Wenden entgegen reiten / ihr Begehren zuvernehmen / und da sie auff ihren vorigen Troz verharren wurden / sie ab zuweisẽ.[606] Zwölf Pfaffen / welche dẽ Hauffen führete / stelleten sich ganz verwägen / so dz sie auch etliche Schmähe Worte mit einmengeten / und durchaus begehreten /man solte ihre sechs Amts Brüder (dann von den übrigen wahr ihnen noch nichts kund getahn) loß geben /sonst wolten sie sich von allem daraus entstehendem Unheil auffs zierlichste bedinget haben. Prinsla / welcher Neklam auff Herkules gutheissen / gefolget wahr / zeichnete die Redlens-Führer fleissig an / und antwortete; man hätte keinen Befehl sich mit ihnen zuzanken; stunde ihnen doch frey / selbst hin zureiten /und dem Großfürsten ihre Werbung vorzutragen. Sie nicht faul / ritten alsbald mit ihnen fort / und wurden geschwinde vorgelassen. Weil sie sich dann nicht weniger trotzig als zuvor im freyen Felde vernehmen liessen / ungeachtet sie vor Augen sahen / daß das ganze Heer sich zu dem Fürsten geschlagen hatte /sprach ihnen der Großfurst diese Urtel / daß den sechs Worthaltern der Grind solte herunter geschmissẽ werden; welches sie anfangs vor eine blosse Bedrauung hieltẽ / aber da der Scharf Richter bald darauff mit seinen Knechten zu ihnen nahete / ihnen auch der vier hingerichteten Häupter vor Augen gestellet wurden /begunte ihre frecheit sich in eine Reue zuverkehren /wiewol sie sich bedingetẽ / dz man nach aller Völker Recht mit ihnen handeln / uñ sie als des Landes Abgeordente ünbeschimpfet lassen solte; Aber Ladisla gab ihnen zur Antwort; sie währen nicht des Landes /sondern der Auffrührer Abgeordente / und zwar solche / die ihnen dieses Amt selbst erwählet hätten; weil sie dann an ihrer Obrigkeit sich nicht allein durch Empörung / sondern auch durch frevelmuhtige Schmach reden hart vergriffen hätten / solten sie alsobald zum willigen Tode niderknien / oder aber lebendig gespiesset werden; welches so viel bey ihnen wirkete / daß / weil es anders nicht seyn wolte / sie den gelindern Tod annamen / und nichts höhers wünscheten / als dz ihre übrige Amts Brüder nur wissen möchten / wie es ihnen hieselbst erginge. Worauff Neklam zur Antwort gab / wann dieselben mit Troz sich anfinden würden / könte ihnen eben der Groschen zum Arbeits Lohn ausgezahlet werden. Ihre abgehauene Köpffe wurden inwendig des Lagers auffgestecket / und die übrigen sechse zu den andern gefangenen getahn / da sie mit Brod und Wasser sehr kärglich gespeiset wurden. Nach solcher Volstreckung ging Prinsla mit allen Parthen / 3000 Wenden und gleich so viel Friesen den Auffrührischen sechstausenden abermahl entgegen / ihnẽ gebietend / sie solten auff Befehl ihres herschenden Großfürsten stehendes Fusses sich hinweg packen / und da sich nach diesem jemand mit dergleichen trozigen Reden als die heutigen Pfaffen wurde finden lassen / solte es ihm den besten Hals kosten; ihr Großfürst hätte sich gestriges Tages erkläret / ganz Teutschland bey ihren Geist- und weltlichen Freyheiten zulassen / dabey hätte es sein verbleiben; währe dann solches den Landsassen noch nicht gnug / solten sie morgen gegen Abend ihre Abgeordenten / jedoch keine schmähsüchtige trotzige Pfaffen / sondern höfliche vom Adel und vom der Gemeine abschicken die ihre Werbung mit geziemender Untertähnigkeit vortrügen / als dann solte eine gebührende gnädigste Antwort erfolgen. Die 12 Pfaffen hätte man wegen ihrer Unhöfligkeit und Schmäheworte angehalten / mit denen ihre Großfürstl. Hocheit schon also würde zuverfahren wissẽ /wie sichs gebühren wolte. Diese wolten mit solcher Antwort nicht friedlich seyn / und begehreten insonderheit etliche Pfaffen von dem Fürstlichen Heer zusprechen; aber Prinsla umzog sie mit seinen Völkern /reiß den Worthalter vom Pferde / und dräuete ihm den[607] Tod / wo er sich noch eines Worts wieder seine hohe Landes Obrigkeit würde verlauten lassen / fragete auch die ganze Schaar / ob sie willens wären / in gute oder gezwungẽ abzuzihẽ; welche als übermannet sich erbohten zu gehorsamen / und den gegebenen Befehl zuhinterbringen. Ihre Ankunft erweckete nicht geringen Auffland / insondernheit / weil alle ihre Pfaffen zurük blieben / worüber die Geistligkeit nicht wenig erschrak / da sie noch überdaß anhören musten / daß der Großfürst ihrer keinen mehr hören / sondern nur mit den weltlichen Handlung pflegen wolte; gingen darüber fleissig zuraht / verteileten sich durch das ganze Lager / und macheten die Sache so gefährlich /als ob ihnen allen / grossen und kleinen / das Leben schon abgesprochen währe. In des Fürstlichen Heers Zustand aber wusten sie sich gar nicht zurichten /scholten auf ihre Amts Brüder hefftig / daß dieselben unter sich selbst zwiespalt angefangen hätten / und dem gemeinẽ Wesen dadurch nicht geringe Ungelegenheit zuzögen; gerieten zugleich auf die Gedanken /der Großfürst müste dem Heer die Wege versperret haben / daß keine Botschafft von ihnen durchkommen könte. Durch ihr ungestümes anhalten aber brachten sie es vor dismahl dahin / daß die Einwilligung geschahe / es solte morgen zeitig früh / ungeachtet alles Großfürstlichen Verbohts / diese ernstliche und / wie sie es nenneten / schließliche Anfoderung eingeschicket und vorgetragen werden / daß I ihre Pfaffen alle miteinander auff freien Fuß gestellet. II Die begehrete schriftliche Versicherung wegen Erhaltung des Uhralten Gottesdienstes von dem Großfürstẽ und der jungen Herschaft innerhalb 24 Stunden ausgefertiget; III der Christliche Glaube von allen und jeden so ihn angenommen hätten / abgelegt und verschworen; IV Allen und jeden / wie sie Nahmen haben möchten / so zu dieser Handlung Raht und Taht gegeben auch dabey sich wirklich finden liessen / durchgehend /verzihen / und dessen in Ewigkeit nicht gedacht werden solte. Dieses solten 20 Pfaffen / 20 ädle / und 20 von der Gemeine dem GroßFürsten und der jungen Herschafft ungescheuhet vortragen / und zur Begleitung 40000 Mann zu sich nehmen. Die ädlen hielten die auffgezeichneten Foderungen gar zu frech seyn /wolten auch den Aufbruch verhindern / und den gelindern Weg gehen; aber der Pfaffen Geschrey drang durch / da sie vor gaben / man sähe numehr schon wol / wie hoch man die Götter achtete / deren Ehre und Beschützung man um eines bedräulichen Wortes Willen wolte fahren lassen. Ihnen ward geantwortet; es hätte diese Meinung durchaus nicht / aber doch müste man Vernunft gebrauchen / und wol bedenken / daß man nit mit Feinden / noch mit Fremden / noch mit seines gleichen / sondern mit der angebohrnen höchsten Obrigkeit zuhandeln hätte; dieselbe nun begehrete an ihre Untertahnen zweyerley; vor erst / daß man vor morgen abends keine Handlung vornähme; hernach / des Landes Anfoderung nicht dürch geistliche sondern weltliche vorgetragen würde; was nun davon nicht könte beliebet werden / müste nicht von einem Stande allein vor sich geschlossen / und den andern beiden Ständen einzuwilligen auffgedrungen / sondern ihnen reifflich zubedenken vorgestellet / und ihr Wolmeinm darüber gehöret werden; ja daß allem Dinge sein Recht geschähe / währe nöhtig und heilsam / daß die Verständigsten aus allen dreyen Ständen sich zusammen tähten / alles wol erwögen / einen Entwurff aufsetzeten / nachgehends der ganzẽ Gemeine vortrügen / und geschickte Männer erwähleten / die als Abgeschickte gebraucht / und ihnen schrifftlicher Unterricht erteilet würde / was und wie weit sie handeln solten / alsdann[608] würde man am glüklichen Verfolg nicht zuzweifeln haben; dann was biß daher vorgenommen währe / hätten nur ihrer etliche von der Geistligkeit / nach getrieb ihres eigenen Willens / und vielleicht aus gar zuhefftiger Bewägung ihrer Begier den geschlossen und verrichtet / daher man sich nicht verwundern dürffte / daß es keinen Verfolg gehabt; Und solten sich die Herren Geistlichen dieses versichern / daß der Adel und die Gemeine ihren Göttern ja so fest anhingen als sie / nur daß man gleichwol die Obrigkeit nicht mit Füssen treten / das ist / sie weder beschimpffen noch trotzen / sondern sie gebührlich ehren / und alles auffs glimpflichste suchen müste / so lange man Hoffnung zur Einwilligung trüge. Die Pfaffen musten gleichwol hierauff geschehen lassen / dz eine Rahtschlagung von den Häuptern aller dreyen Stände vorgenommen ward; aber sie drungen hiemit durch / daß sie vorerst antworteten: Der GroßFürst suchete den Sachen Auffschub zugeben / und zwar zu dem ende / daß anfangs des ganzen Volks Gemühter sich enderten / und die Liebesbrunst gegen ihre Götter erkaltete; dann auch / daß zwischen ihnen der Same der Uneinigkeit ausgesträuet würde / worzu das beste Mittel schon vor die Hand genommen währe / indem man die Geistligkeit ausschliessen / und ihnen der Zungen Freiheit abschneiden wolte / welchem Unwesen aber beyzeiten müste vorgebauet werden. Dann wer währe so blind und unverständig / der nicht sehen und merken solte / was gestalt der Großfürst / oder vielmehr die junge Herschafft der Stände Trennung suchete / indem man die Geistligkeit ausschlösse /weil man versichert währe / daß diese sich des Gottesdienstes ungleich mehr und eiferiger als andere annehmen würden; könte auch wol seyn / daß man Hoffnung sch \pffete / man würde etliche Häupter der übrigen Stände durch Schenkungen oder statliche Verheissung gewinnen / und auff der Fürsten Seite bringen können. Dieses ward den unruhigsten des gemeinen Volks von den Pfaffen tapffer eingeblasen / welche ein wüstes Geschrey anfingen; man müste diese Sache niemand als den Geistlichen anvertrauen / damit man vor Verraht und Betrug sicher bliebe. Wodurch dann aller guter Raht Krebs gängig gemacht / und das ganze Werk nach der Pfaffen willen angestellet ward. Als die ausgesetzete Fürstliche Schildwachten die Zeitung brachten / daß so ein starkes Heer / halb zu Pferde und halb zu Fusse sich sehen liesse / besetzeten die Fürsten ihr Lager mit aller Manschafft / die sie durch einander gemischet hatten / und sendeten ihnen Prinsla und Neklam mit 2000 Wenden und so viel Parthen entgegen / umb zufragen / wer sie so verwägen kühn gemacht hätte / daß ohn ihres GroßFürsten ausdrüklichen Befehl sie ihre Wohnungen verlassen /und als in einer offentlichen Fehde sich sehen lassen dürfften; doch begehrete ihre Großfürstl. Hocheit von ihnen vor dißmahl mehr nicht zuwissen / als wer dieser Aufwiegelung Ursach / Anfänger / und des Heers Führer wahre. Hieselbst wolte sich nun so bald kein Weltlicher melden / nur die Pfaffen fingen ihr Geblärre an / und begehreten / daß Prinsla dem GroßFürsten obgedachte Anfoderungen alsbald einreichen solte /wann ihnen nicht könte erlaubet seyn / vor ihren GroßFürsten zutreten. Das werde ich wol nicht tuhn /antwortete er / daß ich mich von euch Pfaffen vor einen Bohten und Briefeträger solte bestellen lassen; ich diene meinem GroßFürsten als ein Ausländischer /und euer keinem nicht / daher werde ich mich schon hüten / über Befehl nichts auff mich zunehmen; halte auch nit davor / daß Ihre Großfürstl. Hocheit vor Abends einige Werbung anhören werde / nachdem[609] sie Arzney eingenommen hat. Inzwischen ritte der / welchen er vorigen Tages vom Pferde gerissen / zu ihm hinan / und fragete ihn / warumb er ihm den Schimpff angeleget / welches er ihm nicht gut heissen könte /sondern müste sich deswegen ritterlich mit ihm vergleichen. Gar willig und gern / mein guter Kerl / antwortete er / so bald ich dessen nur von meinem Allergnädigsten Könige Erlaubniß habe / sol dir ein solcher Rittertanz unversaget seyn / dessen zum Pfande ich dir diesen Handschuch gebe. Dieser wolte so lange nicht harren / aber die ädlen redeten ihm ein: Er solte der Sachen einen geringen Anstand gebẽ / weil dieser Herr sich aller Billigkeit erhöhte. Sie wolten aber auff vorgebrachte Großfürstliche Fragte ein mehres nicht antworten / sondern zogen / Prinslaen Einrede ungeachtet / frisch fort nach des GroßFürsten Lager zu. Herkules verdroß dieser Troz nicht wenig /nam Prinsla mit seinen Reutern in die Festung / und gab ihm Urlaub / wieder hinaus zu reiten / und dem Ausfoderer Fuß zuhalten; welches er geschwinde verrichtete / und im achten Hiebe ihm den Schedel herunter schlug / welches die Pfaffheit nicht vor ein gutes Zeichen hielt / deren doch 12 sich nach geendigtem Kampffe nahe an den äussersten Graben macheten /und hinüber rieffen: Der Großfürst möchte sichs gefallen lassen / den Abgeordentẽ Gehör zugeben; ward ihnen aber durch Neklam geantwortet: Seine Großfürstl. Hocheit könte sich über diesen grossen Frevel nicht gnug verwundern / warumb sie mit so starker Manschafft herzu nahen dürfften / und überdas wider sein ausdrükliches Verbot diesen Morgen umb Handelung anhalten; Ihr GroßFürst währe anjetzo ganz unmüssig / und mit andern Wichtigkeiten beladen /solten biß gegen den Abend verharren / und alsdann /was vorzubringen währe / durch verständige und höfliche des Teutschen Adels und der Gemeine antragen lassen; Es währen ReichsHändel / die man vor hätte; die Pfaffen solten ihres dinges warten / und sich umb solches / was sie nicht anginge / unbekümmert lassen / welches ihnen bey Vermeidung hoher Ungnade und unausbleiblicher Straffe hiemit solte gebohten seyn. Köntet nun ihr anwesende alle miteinander euch rahten lassen / setzete er auff Befehl hinzu / soltet ihr straks angesichts euren Frevel erkennen / umb Gnade anhaltẽ / und wie das Fürstliche Heer alsbald getahn euch zu eures GroßFürsten Schuz einstellẽ / alsdann würdet ihr redlich bey eurer Obrigkeit / und wol bey euch selbst handeln. Diese Pfaffen kunten solches Vorbringen kaum abwarten / und gaben zur Antwort: Sie müsten es dahin lassen gestellet seyn / daß ihr GroßFürst in so hochwichtiger Sache ihnen Gehör versagete / dessen man in Teutschland bißher ganz ungewohnet währe: doch würden sie Götter es in kurzem anders schicken; fingen darauff an / die Großfürstlichen Völker heftig auszuschelten / daß sie widersinnisch worden / und das gemeine Wesen stecken liessen / sie würden solches alle miteinander in wenig Tagen mit dem Leben bezahlen müssen / wo sie nit alsbald wieder kehreten. Es rief aber einer von dem Heer liber den Wahl ihnen zu / er währe von dem ganzen Heer befehlichet / ihren Landsleuten zudanken vor die guten Speisen / welche sie ihnen zuko en lassen / hoffeten / wann sie verzehret seyn würden / dürfte man um ein mehres ansuchen. O ihr meinäidige Betrieger rief ein Pfaffe darauff / freuet euch des Diebstahls nicht / Gott Krodo wird euch die Speise gesegnen / daß sie euch das Herz abstossen muß. Herkules ließ 26 Parther ausgehen / welche diese Pfaffen alle griffen / und ins Lager führeten; Ihre Völker solches sehend / ranzen in zimlicher Anzahl herzu / in Meinung[610] sie zutreten / kahmen aber zu späte / und wurden die fördersten / mit blutigen Köpffen zurük gewiesen / die 12 Pfaffen aber auff den äussersten Wahl geführet / uñ den 6 Worthaltern der Grind öffentlich herunter geschlagen / daß die Auffrührer es sehen kunten / bey denen guter Raht sehr teur wahr; dann die Pfaffen reizeten den Pöfel an / das Lager zustürmen / und den Schimpff ungerochen nicht zulassen. Der Adel hingegen widerstund nach aller Mögligkeit /einwendend / sie hätten nicht allein dessen gar keinen Befehl von der Versamlung / sondern würden überdas den Fürstlichen nicht eins gewachsen seyn im offenen Felde / wie wolten sie dann dieselben in ihrem Vortel und festem Lager angreiffen können; möchten demnach die Herren Geistlichen diese Völker nicht ins mutwillige Verderben stürzen / sondern ihrer schonen / auff bessere gelegenheit warten / und von Vermässenheit abstehen / auch an dem kläglichen Fal ihrer Gesellen sich spiegeln / und der Vernunft raum und gewalt über den Zorn gönnen. Aber die Pfaffen wolten ihnen gar nicht lassen einreden / scholten den Adel aus vor ungeträue Leute / denen ihr Gottesdienst kein Ernst währe. Es müste das unschuldige Blut gerochen werden / und würde Gott Krodo voran treten mit seiner grossen Keule / und ihnen freyen Weg über den Wahl machen. Der Adel warnete sie nochmahl träulich / welcher in 2000 stark war / aber der gemeine Mañ / als sie von ihres Gottes Hülffe und Beystand höreten rühmen / wahren mehrenteils bereit ihren Pfaffen zufolgen / und wurden 25000 stark zum Anfal angeführet / 13000 aber derselben blieben bey dem Adel zurücke. Die unsern hätten sich dieser Verwägenheit nicht versehen können / wiewol Ladisla /Olaff / Fabius / Klodius / Markus und Gallus der Stürmenden Ankunfft redlich erwarteten / und ihnen die Kolben dergestalt lauseten / daß ihrer wenig mit dem Leben davon kahmen. Herkules und Prinsla nahmen die Parther und Wenden zu sich / fielen damit aus / und hieben die schlecht bewehreten Auffrührer wie das unvernünfftige Vieh nider / daß vor endigung einer halben Stunde 9000 erschlagen / 2000 hart verwundet / und 8000 gesunde gefangene ins Lager geschicket wurden. Die unsern meyneten / daß die hinterbliebene 15000 Auffrührer zum Entsaz ihrer Gesellen sich würden finden lassen / als aber dieselben sich nicht allein gar nicht bewägeten / sondern die 6000 flüchtigen kaum wieder zu sich nehmen wolten / ließ man sie unangefochten / biß man gewahr ward / daß sie sich ins freie Feld setzeten / in gestalt eines Heers / welches zuschlagen willens ist; da gingen Ladisla und Herkules ihnen mit 20000 Reutern frisch nach /und liessen ihnẽ durch einen Trometer andeuten / sie solten stehen; man würde nichts feindseliges wider sie vornehmen. Worauff sie stille hielten / und ihrer Ankunfft erwarteten / da Ladisla sie also anredete: Was vor Unsinnigkeit treibet euch wahnwitzige Leute /daß ihr eures herschenden GroßFürsten Lager mit Sturm anzulauffen euch nicht scheuhet? gedenket ihr etwa / die Reichsfeinde ligen drinnen? O nein / es ist eure angeborne Obrigkeit / eure Landsleute / eure Bundgenossen und nachbarliche Freunde. Antwortet mir nur nichts ich weiß schon euer Vorbringen wol; man hat die 12 rasichte Pfaffen gefänglich angenommen / und ihrer 6 enthäuptet; ja es ist billich / und mit gutem Recht geschehen; dann durfften diese gotlose Schelmen sich nicht scheuhen / ihren GroßFürsten zulästern / ihm selbst zudräuen / und seine Leute ihm abspenstig zumachen / ja dieselbe vor meinåidige auszuschelten / da sie selbst die meinåidigsten Schelmen wahren / so hat man ihnen ja den Lohn davor erteilen müssen.[611] Erkennet nur die hohe Gnade / daß man sie nicht alle 12 hingerichtet und lebendig gespiesset hat. Aber betrachtet daneben / was ihr drüber angefangen / und ein so grosses Blutbad gestifftet / da hingegen an unser Seiten kaum 40 Menschen verwundet / und kein einziger erschlagen ist. Wolte man mit euch nach Verdienst handeln / solte uns ein geringes seyn / euch allen die Hälse zubrechen; aber Gott behüte mich davor / daß ich einiges Menschen Blut vergiessen solte / der mirs nicht mit Gewalt abhohlete. So leget nun euer Gewehr auff guten Glauben nider /begrabet eure Todten / und verbindet eure Verwundeten / euch sol in solcher Zeit kein Mensch ein Häärlein kränken / auch kein ungenehmes Wort sagen. Wann ihr nun bey den euren wieder anlangen werdet /könnet ihr / da es euch gut deucht / sie warnen / sich ja beyzeiten zubedenken / und die Gnadenzeit nicht zuversitzen; euch ist von eurem GroßFürsten ein gnugsames gebohten / seyd ihr witzig / so werdet ihr eurer Wolfahrt wahr nehmen. Die ädlen und andere verständige tahten sich hervor / wendeten zur Entschuldigung ein / es währe der Sturm wider ihren Willen auff unnachlässiges Getrieb ihrer Pfaffen vorgenommen; bedanketen sich / daß man ihren Todten die Ruhe in der Erde gönnete / und zogen alle mit einander 21000 stark hin / dieselben zubegraben / da ihnen überdas gegönnet ward / die besten Sachen /und alles was sie wolten / von den erschlagenen zu beuten; dann die Großfürstlichen Völker durfften keinen einzigen Todten besuchen oder plündern. Nach gehaltener Begräbniß wurden diese Völker ihrer Sachen uneins / ob sie zu ihrem GroßFürsten sich schlagen / oder wieder umkehren wolten / da dann 8000 sich angeben liessen / wann sie könten zu Gnaden angenommen werden / wolten sie in ihres lieben GroßFürsten Dienste und Gehorsam wieder treten / und bey demselben leben und sterben. Ladisla ritte zu ihnen hinaus / versprach ihnen im Nahmen des Großfürsten (der sich heut nicht wolte sehen lassen) völlige Vergebung / und führete sie ins Lager / da sie hin und wieder unter die Völker verstecket wurden / doch wahr kein einziger vom Adel unter den hinterbliebenen / sondern die gingen mit denn 11000 gar traurig wieder zurük / und musten ihre Verwundeten mit sich nehmen / hatten nur noch einẽ einzigen Pfaffen in ihrer Geselschafft / dann die übrige 6 halten im Sturm ihren Lohn bekommen. Als sie bey spätem Abend ihr grosses Lager erreicheten / ward alles Volk rege / und frageten / wo dann ihre übrige Geselschafft bliebe; danach Erzählung ein wunderlicher Zustand im Lager wahr / nicht anders / ob hätte einer den andern erwürgen wollen; etliche rieffen / welche die verständigsten wahren / warumb man solchen Frevel gebraucht / und des GroßFürsten Lager gestürmet; man hätte sich ja hiedurch öffentlich vor Feind erkläret / welches traun ein jeder nicht würde über sich nehmen. Andere scholten mit den überkommenden / warumb sie sich getrennet / und ihren Bundsverwandten / ja Brüdern nicht Beystand geleistet; aber die / so dem Sturm beygewohnet / auch der übrige Pfaffe selber / musten gestehen / es währe unmöglich gewesen / denen im Lager ichtwas abzugewinnen / weil nicht allein sie gar zu fest verschanzet lägẽ / sondern eine sehr grosse Manschafft bey sich hätten / und zwar die allergeübtesten Teutschẽ und Böhmen; so hätten sich etliche tausend Mann ganz unbekanter Sprache unter ihnen gefundẽ / welche nicht anders als lauter Teufel mit ihren Schwertern gewütet. Niemand aber wahr / der den 8000 Abtrünnigen (wie sie sich musten schelten lassen) nicht alles übels gewünschet hätte. Wie hart und schwer man auch die Träulosigkeit des Fürstlichen Heers[612] rächen wolte / kunte man sich so bald nicht erklären / insonderheit / daß sie ihnen eine solche Menge Speise betrieglich entwendet / deren sie ohn das nicht viel übrig hatten. Doch ließ die gröste Traurigkeit sich bey den Geistlichen spüren / dann sie merketen schon / daß es endlich über sie auslauffen dürffte / wann das Messer unmahl fallen solte / wurden auch von etlichen Einfältigen befraget / warumb Gott Krodo und Göttin Freia zugeben wollen / daß ihre ergebene und geträue Verfechter so liederlich nidergeschlagen / und doch den Wiederwärtigen kein Abbruch geschehen währe. Die Pfaffen bemåntelten solches best sie kunten / und bearbeiteten sich / das noch ein Heer 50000 stark mit der Sonnen Auffgang fortgehen / und die obengesetzeten Anmuhtungen ungeendert vortragen solten. Umb Mitternacht kam König Baldrich / mit 24000 Reutern an / denen Ekhard mit 30000 zu Fusse folgete. Herkules und Ladisla wurden des Entsatzes froh / dann auch die 8000 Gefangene hatten sich gutwillig untergestellet / das nunmehr ihr Heer über die 102000 Mann bestund /und folgendes Tages mit Ekhards Fußvolk umb so viel gestärket ward / denen eine grosse menge Speisewagen folgeten / und von allenthalben her ihren Pferden Futter zugetragen / auch von den Reutern selbst eingehohlet ward. Die Fürsten hielten vor undienlich /das ganze Heer in dem verschantzeten Lager einzuschliessen / macheten noch ein sonderliches Reuter Lager / und legeten fünff kleine sehr feste Schanzen eine kleine halbe Meile von ihrem Lager auff den engen Durchzug / daher die Auffrührer allemahl kommen musten / wann sie zu dem GroßFürsten wolten; wurden inwendig drey Stunden verfertiget / und mit 15000 Mann / mehrenteils Schützen / (welche Baldrich mit sich gebracht) wol besetzet. Die Aufrührer erfuhren solches von ihren ausgesetzeten Schildwachten / hatten aber das Herz nicht / es zu hindern / sondern erwarteten des Tages / und setzeten ihr Vorhaben ins Werk. Ihr Anzug ward den Fürsten zeitig kund getahn / die nach gehabtem Raht die junge GroßFürstin und Königin Frr. Valisken und Lukrezien vermochten /auff dem wolgeputzeten Elefanten ihnen in begleitung 40000 Reuter (denen noch 20000 folgen musten) entgegen zuzihen / noch ehe sie bey den fünff Schanzen anlangeten / und solte Herkules / doch unerkant / die Völker führen / welcher alle Wenden und Parther nebest 31000 Teutschen / Böhmen und Friesen in gleicher Anzahl zu sich nam / und drey viertelmeilen vom Lager auff sie sties / sendete Prinsla mit 500 Reutern vor an / und ließ ihnen sagen; sie solten stille halten /und keinen Fuß näher rücken / oder des feindlichen Angrifs gewärtig seyn. Ihr höchstgebietender GroßFürst hätte eine ansehnliche Gesandschaft an sie abgehen lassen / von welcher sie dero Hocheit schließliche Meinung wurden zuvernehmen haben. Die Pfaffen wahren bedacht / fortzugehen / aber der Adel wolte durchaus nicht; man müste sich dañoch schämen / der Obrigkeit vorsezlich zu trotzen; die Geistligkeit möchte doch dermahleins auffhören / sich in das mutwillige Verderben zu stürzen / und betrachten daß ihres mittels schon 52 / teils in Haft / teils in den Tod gerahten währen / so trüge an der neulichen Niderlage niemand schuld als der Geistlichen Troz und Verwägenheit. Man hielte ja den GroßFürsten annoch vor ihre Obrigkeit / wessen wolte man sich dañ zeihen /dz man ihm allen Gehorsam versagete? Vielleicht währen die Vorschläge so beschaffen / daß sie einen guten Grund zur gütlichen Handelung setzen könten /und möchten al endlich die Herrn Geistlichen wissen /daß man nicht schuldig währe / ihnen / als die Ochsen ihren Hirten /[613] blindlings und ihres gutdünkens zu folgen; würden sie diese herlichen Völker in gefahr setzen / wie sichs ansehen liesse / solten sie es hernähst vor der Versamlung zuverantworten haben. Hiedurch wurden sie eingehalten / daß sie der Gesandschaft erwarteten. Als sie nun das ungewöhnlich grosse wolgeputzete Wunder-Tihr sahen / und die zwey allerschönsten Weibesbilder oben darauff / welche sich in Königlichem Pracht biß an den Gürtel zeigetẽ / entsetzeten sich groß und klein / daß ihrer viel sie vor warhaftige Götter hielten. Valiska merkete ihre verenderung / und als sie sahe / daß der meisteteil sich ehrerbietig erzeigete / schöpfete sie gute Hofnung / etwas fruchtbarliches auszurichten / und fing diese Rede an: Von Gottes Gnaden / ich Valiska / gebohrnes Königliches Fräulein aus Bohmen / des Durchleuchtigsten unüberwindlichen Helden / Herrn Herkules / gebohrnen GroßFürsten und unstreitig-nähesten Erden des freien Teutschen Reichs / erwähleten Fürsten zu Susa in Asien / und der König- und GroßFürstlichen Verbündnis daselbst / Feld Obristen sein Gemahl. Der ganze Adel dieses vernehmend / neigete sich sehr tief mit dem Häupte auff ihren Pferden / da sie in ihrer Rede unverrücket also fortfuhr. Ja ich Valiska / Teutsches Geblüts uñ eures hochverdienten GroßFürsten Frauen Schwester einige Tochter / bin von seiner Großfürstl. Hocheit an euch seine Untertahnen und Söhne abgefertiget / von euch zuvernehmen / was vor ein sonderbahres Unglük und schwere Gottesstraffe es doch immer und ewig seyn möge / daß / in dem er auff der Fahrt ist / seinen lieben freien Teutschen sich wieder als ein gnädigster Vater darzustellen / und durch seine glükliche Erlösung nach gehaltenem Siege sie zuerfreuen / er mit schmerzhafen Augen ansehen und bestürzetem Herzen vernehmen mus / daß dieselbe ihm den siegprächtigen Einzug in sein Reich zuverhindern sollen gemeinet seyn; da er doch seinen Untertahnen mit keinem Wort oder Gedanken zu solchem Auffstande einige Ursach gegeben / noch den allergeringsten unter ihnẽ beleidiget hat. Wessen zeihet ihr euch / ihr redlichen Teutschen / wessen zeihet ihr euch? seid ihr eures frommen Großfürsten und Vaters in so kurzer Zeit müde worden / darumb daß er von Räubern hinweg geführet ist / die doch ungestraffet nicht haben bleiben müssen? wo ist dañ der prächtige Herr / den ihr vielleicht schon an seine Stelle erkohrẽ habt? trit hervor / du neu-erwähleter GroßFürst / daß wir deine Hocheit sehen / wo wir dessen sonst können gewirdiget seyn. Bistu ein Ausländischer / so rühme dich / daß du der erste Unteutsche bist / dessen Herschafft die Teutschen ertragen können. Bistu ein Teutscher / so lege mir deinen Adel vor / ob er höher sey als meines Gn. Herrn Schwiegervaters / dann ich wil nimmermehr hoffen / daß du aus dem Pfaffen Stande zur Herschaft werdest erhaben seyn. Jedoch rühme dich noch nicht des Großfürstlichen Sitzes / du wirst aufs wenigste mit meinem freundlichen lieben Herrn Oheim und Bruder / dem Großmächtigsten Friesen Könige / Herrn Baldrich den Kampf darumb angehen müssen / welchen du vielleicht gestern in seinem Lagerhaft bestürmen wollen / aber vergeblich / weil er hingeritten wahr / und die Mannschaft seines Reichs /zu seinem und der seinigen Entsaz hohlete; kom nun wieder und suche ihn / wie dichs gelüstet / er wird sich finden lassen; aber kom nur nicht mit Teutschen Kriegsknechten / sondern mit ausländischen; dann sein eigen Blut zuvergiessen / träget dieser tapffere junge Held groß bedenken / und hat schon heut herzlich beklaget / daß er seinen Wahl mit deren Blut besprützet hat sehen müssen / deren man lieber håtte schonen wollen / wann sie nicht muhtwillig[614] an der unsern Schwertern und Spiessen sich selbst gespiesset hätten. Nun / geschehene dinge sind wol zu tadeln /nicht zu endern / wañ nur das zukünftige Unglük verhindert wird / haben wir dem wahren Gott im Himmel zu danken. O ihr meine herzliebe Teutschen / was vor fehl sehet ihr doch an meinem und eurem Herr Vater /daß ihr ihm so auffsetzig seid? Hasset ihr ihn vor sein eigen Håupt? so habt ihr dessen noch die allergeringste Ursach nicht angezeigt; hasset ihr ihn wegen seiner lieben tapferen Söhne? wie sichs ansehen lässet /so bedenket ja wol was ihr beginnet. Mein Gemahl Herr Herkules ist sein Erstgebohrner / ein Held / ohn unzeitigen und doch mit warhaftigen Ruhm zu melden / welchen das Römische Reich zum Käysertuhm hat befodern wollen; aber nein / sagete er; ich wil bey meinen lieben Teutschen bleiben / und ihre Freiheit wieder das Römische Reich und alle andere Feinde beschützen helffen; ein Held / dem man in Asien ein Fürstentuhm geschenket hat / nur daß er daselbst bleiben / und die höchste Herschaftverwalten möchte; aber nein / sagte er / ich wil lieber in Teutschland von meinen künftigen Unterahnen schlechte Heller / als hieselbst Kronen und ädle Steine zur Schatzung einnehmen. Könte er auch seine Liebe und Zuneigung dem Vaterlande klärer darlegen? noch verachtet ihr ihn / ja eure Geistligkeit hat sich bemühet / ihn gar zuverbannen / welches an ihnen und dem ganzen Lande zu rächen / ihm gar ein leichtes währe / und daß er mit 1000000 wolbewehreter Mannschaft kähme / und Teutschland zur Einöde machete; aber daß wende ja derselbe gnädig ab / welcher droben im Himmel der Sonnen den Glanz / und uns allen den Athem giebet. Sehet meine geliebte Teutschen / diese Königin / welche neben mir stehet / ist König Baldrichs allerliebstes Gemahl / und hat zugleich mit mir einen demühtigen Fußfal getahn vor eurem erzürneten GroßFürsten / daß uns möchte gegönnet sein / mit euch zu reden / ehe und bevor er mit seinem Heer auffbreche / und seinen Eifer durch Rache zu stillen suche. Ihr gebet zwar vor / ihr redliche Teutschen /eure Waffen seyn zum Schuz eurer uhralten Götter ergriffen; aber wer wil euch dann dieselben nehmen? Ja / ihr müsset Teutsche Freiheit verfechten; aber wer wil euch solche dann wol streitig machen? etliche mutwillige Buben sind es / die euch solches einbilden / ob wolten eures GroßFürsten Herrn Söhne in diesen beyden Stücken euch eintrag tuhn. Sie liegens / ja sie liegens durch ihren Halß / die Gottschändichte Auffwiegeler; und wollet ihr mir gläuben; es ist ein Geticht zu eurem verderben ausgesträuet. Wollet ihr mir nicht gläuben / O ihr Teutsche Herzen / so lasset mir einen einzigen in meine gegenwart kommen / der ein wiedriges wahr mache. Kan ers; gut; ich wil alsdann leider seyn / und an hochgedachter Herren stat mich eurer wilkührlichen Straffe unterwerffen. Bringet er aber verleumdungen vor / so sol ihm diese weibliche Hand / wie schwach sie auch scheinet / abstraffen /wiewol ehemahl ein Boshafter durch dieselbe ist gezüchtiget worden. Aber ich wil schliessen / ihr redliche Teutschen / und euch zu allem überflusse zu gemüht gezogen haben / was euer GroßFürst sich zu unterschiedlichen mahlen erkläret hat / nehmlich / er wolle in seinem ganzen Reiche keinen einigen Menschen zu einem neuen Glauben oder Gottesdienst zwingen / auch nicht ansuchen noch bereden lassen /sondern ein jeder / hoch und niedrig / reich und arm /Geist- und Weltlich möge seines alten Glaubens leben / wie es ihm gefält / und von alters gebräuchlich ist. So sol auch euer Gottesdienst an keinem Orte / weder gehindert noch beschimpfet / vielweniger verbohten werden. Eure weltliche Gerechtigkeit /[615] Freiheit / und was dem anhängig ist / bestätiget er / daß sie seyn und bleiben sollen / wie sie Zeit seiner Herschaft stets und unverrücket gewesen sind / nichts durchaus davon ausgeschlossen. Ja er lässet durch mich seine Schwieger Tochter allen seinen Untertahnen eine algemeine durchgehende Verzeihung noch- und zum leztenmahl ankündigen / und solches aus sonderlicher angebohrner Gnade / nur etliche wenige der Straffe vorbehaltend / die als Uhrheber dieses unverantwortlichen Auffstandes etwa möchten überzeuget werden / und zwar also / daß deren Anzahl nicht über 30 seyn solle. Ob ihr nun dieses sein Großfürstliches gnädigstes Erbieten annehmen / euer eigen bestes beobachten / dem Lande Friede und Ruhe gönnen / und das äusserste Verderben durch mutwillige halßstarrige Wiederspenstigkeit euch nicht selbst über den Halß zihen wollet /solches sollet und müsset ihr euch inwendig 30 Stunden erklären / dann hernach wird die Gnaden-Tühr versperret seyn. Ich vor mein Häupt wil mich hiemit erbohten und verpflichtet haben / bey eurem GroßFürsten alles dasselbe zu werben / was euch seinen Untertahnen kan ersprießlich / und seiner Hocheit und dessen Herren Söhnen nicht nachteilig oder schimpflich seyn; welches nicht eins zubegehren / ihr selbst verständig gnug seyn werdet. Hiemit gab sie ihrer Rede ein Ende / und erwartete der Antwort. Der Adel und das gemeine Volk wahren im Herzen so gerühret / daß sie nichts mehr begehreten / als bey ihrem GroßFürsten auff solchen Vortrag ausgesöhnet zu seyn; aber die Pfaffheit / und welche sich der Auffruhr schuldig wusten / wolten diesen Weg nicht hinaus /daher fing der Vornehmste unter ihnen also an: Ihr redliche Teutsche Gott ergebene Herzen und auffrichtige Biederleute; euch ist / meine ich / nicht unbewust / was gestalt bißher die mächtigen Schuzgötter Teutschlandes / Krodo / Freia / IrmenSäul / und andere mehr / euch vor aller ausländischen Herschaft behütet / und allen Gewalt der Reichsfeinde kräftig hintertrieben und abgekehret haben / und wir uns daher schuldig wissen / uns denselben dankbar zuerzeigen uñ auf alle Wege zuverhüten / dz ihnen kein Spot oder Schimpf angetahn / vielweniger sie gar verworffen oder von unser Obrigkeit bey seite gesetzet werdẽ. Ihr habt von dieser gnug schönen uñ beredsamẽ jungen Fürstin halte ich / wolverstanden / wessen euer G Fürst sich anerbeut (dañ dz übrige berühre ich nicht / nur wz zur sache dienet) nehmlich / seine Hocheit wolle allen uñ jeden Untertahnẽ den uraltẽ Gottesdienst frey lassen. Je / möchte jemand sagen /genug genug / wann wir dieses haben / das ist eben was wir suchen / was wolten wir mehr? Aber ist dieses gnug ihr meine lieben Söhne / ist dieses gnug? Weit O weit gefehlet! unsere Götter wollen trauen nicht allein der Untertahnen / sondern auch der Obrigkeit ihren Gehorsam / Herz und Ehrerbietung habẽ /sonst straffen sie die Verachtung ihnen angelegt / so wol an den Untertahnen als an den Verächtern selbst. Ich wil von unserm jetzigen Großfürsten nicht muhtmassen / daß er sich bald eines andern bedenken / die Zusage endern / und seine Nachfolger es wol gar aufheben könten; nur dieses einige gebe ich euch ingesamt zuerwägen / ob sich nicht gebühre; ja ob nicht des ganzen Reichs Heil und Wolfahrt es erfodere /daß Obrigkeit und Untertahnẽ einen gleichmässigen Glauben / einen durchgehenden Gottesdienst / einen Gott haben. O wie jammert mich schon des Elendes /welches aus den unterschiedlichen / ja / wiederwärtigen Gottesdiensten entstehen wird. Der Herr wird zu dem Knechte sagen; warum machestu es nicht nach /wie ich dirs vormache / damit du meine Gnade behaltest / und zu hohen[616] Ehrenämtern befordert werdest? der Knecht wird sich mit seinem Gewissen schützen /er könne die uhralten Götter nicht hindan setzen / und durch deren Verwerffung alle seine VorEltern übern Hauffen verdammen. Dann wird sein Herr fortfahren: O du elender Narr / was uhralte Götter / was uhralte Götter? das alte gilt nicht mehr / es klappert / aber das neue klinget und ist angenehm; deine Götter sind falsche Götzen / Lügen-Götzen / tüchtige Götzen; deine VorEltern sind durch Irtuhm verführet; sie habens nicht besser gelernet / die himlische Erkäntnis und Wissenschafft ist ihnen nicht mit geteilet. Dieses darff der Knecht nicht aus dem Grunde wiederlegen /wie leicht es ihm auch währe / wo er sonst nicht ohn Kopf nach Hause gehen wil / (aus welcher Ursach ohn Zweifel meine sechs Liebe und hochselige MitBrüder haben müssen ihr unschuldiges Leben lassen) / er darf nicht sprechẽ; Herr woher wisset ihrs / daß meine und eure Vor Eltern geirret haben / und ihr nicht irret? Er darf nicht wieder antworten; Herr euer Gott ist ein solcher / wie ihr die meinen mit unwarhaftem Maule aus schreihet / sondern er mus alles stilschweigend in sich fressen; das wird ihm ein Schwert im Herzen /ein Brand in der Seele / ein Denkmahl im Gewissen seyn / und ihn von der schuldigen Träue abwendig machen / weil er seinen Herrn vor einen Feind der Götter halten muß. Ist er dann ein Bidermann / wird er die Götter gerne geschützet sehen / und kan ers selber nicht / muß er wol ausländische Hülffe herzu ruffen. Ey ich meine / da werde es alsdann ein schön fressen geben / da werde es an ein Katzebalgen gehen / welches nicht auffhören kan / biß Teutschland der Feinde Beute / und der auslåndischen Spot worden ist. Was sol ich aber von Recht und Gerichte sagen? die Ehrgeizigen unter uns / wann sie kein ander Mittel sehen / über andere zusteigen / werden bey der Obrigkeit sich melden / ihr alter Gottesdienst gefalle ihnen nicht mehr / sie haben Lust ihrer Obrigkeit sich gleich zu halten und ihren Gott anzunehmen / damit werden sie Gnade erlangen / und zu Ehrenämtern befodert werden; ja diese werden unsere Richter seyn / und die Urtel nicht nach Billigkeit und Recht / sondern nach Gunst und Gewogenheit abfassen / insonderheit / da ein Liebhaber der alten Götter mit einem Neuling oder Christen wird über den Fuß gespannet seyn. Da wird jener in seiner gerechtesten Sache unterliegen müssen / und dieser wird Freyheit haben / dem Richter vorzuschreiben / wie er sprechen sol. Es wird kommen / ihr redliche Teutschen / ja es wird kommen / und dahin gelangen / daß wann der im alten Glauben beständiger / wil hülffe haben / wird er zuvor seinen Göttern müssen ungeträu werden / und den Glauben endern: Und also wird Teutschland sich verwundern müssen / über sich selbst / wie es so schleunig von seinem heilsamen Gottesdienst abgeführet / und eine Gottes-Verläugnerin worden ist; aber man wirds müssen an Gütern / Hals und Bauche empfinden / wann Gott Krodo seine Keule zücken / und Göttin Freia die Steine zum Wurf fassẽ wird / daß alles über und über gehen muß / und kein verschonen wird zu hoffen seyn biß Teutschland zur Einöde / und ihre Einwohner zu Staub und Koht worden sind. Bedenket dieses wol / O ihr in Gefahr schwebende Teutschen / bedenket es /und bauet im Anfange vor / daß ihr nicht ansehen dürfet / wie eure Weiber und Kinder in Dienstbarkeit weggeschleppet / und ihr alle miteinander jämmerlich abgeschlachtet werdet. Bestehet festiglich auff dem gemachten Schlusse / daß unser Großfürst und alle seine Kinder / Erben / Nachfolger und Angehörige sich äyd- und schriftlich verbinden / nicht allein den Untertahnen dẽ[617] uhralten Gottesdienst frey zulassen /sondern auch selbst vor sich denselben schlechter Dinge zubehalten / und durchaus keinen fremden Gott / wie der auch Nahmen haben möge / neben einzuführen. Werden sie sich dessen wegern / alsdann müssen ablangliche Mittel an die Hand genommen werden /oder aber Teutschland ist schon so gut / oder vielmehr / schon so schlim als eine Wüsteney und Mordgrube; wohin es aber mit der Götter Hülffe nimmermehr kommen sol. O Krodo / O Irmen Seul / O Freia / O ihr Teutschen Götter groß und klein / sehet an die Noht und Gefahr eures / ja eures Teutschlandes /schützet euch selbst und eure Ehr / auch zugleich alle / die eurem Dienste auffrichtig ergeben sind. Die aber so euch wiederstreben / und andere Götter einzufüren sich bemühen / die greiffet an mit Drüsen / Pestilenz und fallender Sucht / daß vor Angst / weh und Schmerzen sie nicht wissen / wo sie daheime sind /biß nach eurer billichen Rache sie durch ihr eigen Schwerdt sich gefället haben / und ihre innerliche Galle ihnen zu SchlangenGifft gedeie / der ihnen das gottlose Hertz brenne und brate / biß sie ihre verfluchte Seele hinden und fornen / und zu allen Löchern außspeyen. Die Großfürstin hatte seine Rede mit grossem Verdruß angehöret / aber wegen dieser teuflischen Verwündschung meinete Sie vor Zorn zu bersten; doch weil Sie sahe / daß der Pfaffe nicht geringen Beyfall bekam / ob gleich niemand öffentlich redete / mässigte Sie sich selbst als best Sie kunte /und gab ihm diese Antwort: Heilloser Pfaffe / wann du so wol behten und segnen köntest / als du fluchen gelernet hast / müste deines gleichen in frommer Andacht erst gebohren werden; weil aber dein gottloser Fluch nur in den Wind gehet / und keine Christen treffen kan (dann Trotz allen deinen Götzen / daß sie ihn an mir erfüllen) / so wil vor dißmahl ich deiner unergründlichen Bosheit nicht antworten. Eines lobe ich an dir / daß du es mit dem Vaterlande gut meynest /wo sonst deine Reden / wie ich sehr fürchte / nicht wegen deines Eigennutzes ausgestossen sind. Daß du aber dich unternehmen darffst / deine dir von Gott vorgesetzete Obrigkeit dergestalt zu verunglimpfen /und sie ungescheuhet zubeschuldigen / als würde sie Recht und Gerechtigkeit verkehrẽ / und die Urtel nach eigenen Lüsten sprechen und sprechen lassen / daran handelst du als ein meinäidiger Bösewicht. Wohin aber sol ich diesen deinen teuflischen Frevel rechnen /daß du schlimmer Bube dir die Gewalt zueignest /deiner höchsten Obrigkeit nach deinem Willen Gesetze vorzuschreiben / und sie zunöhtigen / daß sie ihr Gewissen besudeln? Gläubet mir ihr redlichen Teutschen; Obrigkeit und Untertahnen können gar wol in weltlichem Friede und guter Einigkeit leben / ob sie gleich nit einen Glauben habẽ; nur allein dieser schmähsüchtige Pfaffe gebrauchet sich dieses Grundes / euch wider euren geträuen GroßFürsten zu eurem Verderben auffzuwiegeln. Dann ist es nicht ein unbesonnenes Vornehmen / dz er seine Großfürstl. Hocheit und dessen Herren Söhne zur äid- und schrifftlichen Versicherung zwingen wil / nach seinem gefallen / wider ihre Ehre uñ Gewissen / als ob er sie schon im Stokhause sitzen hätte / da euch schwehr fallen wird / ihrer Waffen Macht zuentgehen / wo es nicht durch Bitte und untertähnigstem Gehorsam geschihet? Bist du der Mann / Pfaffe / dem ich nachgefraget habe / daß er des GroßFürsten Stuel besitzen wil? Zum Zungendröscher bistu schier gut genug /was die Glocke betrifft / wann das Geläute nur nicht so gar garstig währe; aber Herr und GroßFürst zuspielen / bistu viel zu unbesonnen. Du hast viel Geifers ausgespeiet / welcher deines GroßFürsten und seiner Herren Söhne HochFürstund[618] Königliche Ehre dermassen geschändet / daß du verdienet hast / man schnitte dir Riemen aus dem Leibe / und henkete dich dran. Aber es tuht mir leid / daß über dich Unflat ich meinen viel zu ädlen Zorn auslasse. Euch rede ich forthin an / ihr redliche Teutschen / schlaget meinen Raht ja nicht aus / wollet ihr sonst leben. Nehmet die angebohtene Gnade und eingewilligte unbrüchige Sicherheit eures Gottesdienstes ohn ferner bedenken an /und fürchtet euch nicht vor den schwarzen Raben /welche dieser Schänder nur mit Wasserfarbe mahlet /und nimmermehr ausgehecket werden sollen. Er wird nur bloß von den bösen Teufel getrieben / welcher an dem gestrigen Blutbade noch kein genügen hat / sondern euer noch viel tausend gerne auff die Fleischbank opfern wolte / woran er eine grosse Freude haben würde / dafern es ihm nach Wunsch gerahten solte. So sey nun euch ädlen erläubet zureden / ja auch den verständigen aus der Gemeine / was eure weitere Anfoderung seyn möchte; ich wil euch gnädigst hören / und meinem Gn. Herr Vater alles gerne hinterbringen; aber was Pfaffe ist und heisset / das schweige hinfüro / dann deren Geifer ist so hoher Ehren nicht wirdig /werde mich auch nach diesem mit keinem mehr einlassen / es geschehe dann zu seinem Verderben / und zu Erhaltung meiner Fürst- und Königlichen Ehre. Die Pfaffen sahen wol / wo dieses hinaus wolte /daher sie nicht bedacht wahren / ihnen die Zunge hemmen zulassen / sondern der vorige / Nahmens Wilken / fing seine Schmachrede von neuen also an: Ich wil ja nimmermehr hoffen / daß die hochädle tapffere Teutsche Ritterschafft / und die ganze Gemeine /sich von einer jungen Frauen / welche erst von dem Spiegel hinweg getreten ist / werde vorschreiben / und von unserm hochlöblichen Werke abwendig machen lassen; ich meyne ja nicht / daß dem Adel es Nachteil geben könne / wann sie mit der Geistligkeit an einem Joche zihen / und zwar daselbst / wo man vom Gottesdienst handelt. Es würde trauen dem Teutschen Abel höchst schimpflich seyn / daß man heut oder morgen sagen solte / sie hätten den gemachten Bund auff Einrede einer schönen jungen Frauen / welche sie vor niemahls gesehen / zerfliessen lassen / und des Vaterlandes Wolfahrt zurük gestellet. Bißher haben wir Männer in Teutschland unsere Weiber befehlichet / und ihnen nicht gegönnet / sich in Reichshändel zumischen; und nunmehr scheinet es / als würden wir unwerd geachtet / mit denen man durch Männer handele / daß diese Jungefrau geharnischten Männern Gesetze vorschreiben / und im Nahmen der höchsten Obrigkeit antragen sol. Valiska wolte ihm länger nicht zuhören / und fing an: Was sagestu schändlicher Verleumder? Wiltu mir antichten / ob solte ich den löblichen Teutschen Adel zu unverantwortlichen Sachen anreizen wollen? Ja hastu so gelernet / deines angebornen jungen GroßFürsten und künfftigen Herschers Ehegemahl zuehren / daß du sie einem gemeinen Weibe vergleichest / uñ unwert ausschreihest / die im Namen ihres Gn. Herrn Schwiegervaters mit dessen Untertahnen zu ihren eigenen besten handele? Dieser Schimpff müste auff mich nicht ersitzen / oder ich unwirdig seyn / eines Fürsten Gemahl zuheissen. Fassete hiemit ihren Bogen / und schoß ihm einen Pfeil ins Herz / daß er ohn Wortsprechen niderstürzete. Die Pfaffen lieffen geschwinde zu / huben den zappelnden auff / in meynung / er würde dem Tode noch so nahe nicht seyn / daher ihm einer zurief: Herr Wilken /Herr Wilken / was vor ein Mordpfeil hat euch übereilet? Dieser verkehrete die Augen im Kopffe / brüllete wie in Ochse / und fuhr damit zu seinem Gott Krodo. Das anwesende[619] Pfaffengeschmeiß fing darauff ihr Zetergeschrey an / und ermahneten die ihrigen zu Rache; nun sähe man augenscheinlich / wie es gemeynet währe; ohn zweifel würden alle ihre abgeschikte Amts Brüder schon solcher gestalt hingerichtet seyn /auff daß man die gesamte Geistligkeit abschlachtete /uñ keiner übrig bliebe / der sich ihrer Götter geträulich annähme / und den alten Gottesdienst erhielte. Aber Valiska fiel ihnen in die Rede / und fing mit freundlichen Geberden an: Ihr redliche fromme Teutschen / lasset euch ja von diesen Buben nicht zu weiterem Auffruhr verleiten; Ihr sehet / daß man euch gewachsen ist; befodert euren Untergang nicht selber mutwillig; ich habe den Schand Buben wegen seiner Lästerung billich gestraffet / ihr aber sollet so viel grössere Gnade zugewarten haben. Doch rahte ich euch als eure geträue Freundin; lasset die Pfaffen abtreten / oder zum wenigsten das Schände-Maul halten / dann sie verhindern eure Wolfahrt; und erkläret euch / ob ihr eures gnädigsten GroßFürsten gehorsame Untertahnen oder muhtwillige Auffrührer seyn wollet; werdet ihr aber länger schweigen / muß man solches vor eine augenscheinliche Widerspenstigkeit halten /welche euch den garaus machen wird. Das gemeine Volk / ohndas der Pfaffheit ergeben / ward hierüber entrüstet / meineten / man verführe mit ihnen gar zu stränge / begunten sich auch fertig zum Streit zumachen / und wahr an dem / daß sie den Angriff auff Herkules Völker wagen wolten. Aber der Abel begütigete sie / mit dem versprechen / es würde noch alles nach ihrem Willen ergehen / lauffen und kauffen wolte nicht zu hauffe; die ansehnliche GroßFürstin hätte den ihr angelegten Schimpf nach Teutschẽ Gebrauch gerochen; Der Pfaffe solte höflicher gefahren seyn / dessen ungestüme verächtliche Reden kein vernünftiger Mensch billichen könte; Könige und Fürsten müsten dannoch ihre Wirde und Hocheit behalten / und währe kein Untertahn befuget / dieselbe solcher gestalt zubeschimpffen / massen auch fremde den hohen Häuptern Ehrerbietigkeit zuerzeigen schuldig währen. Herkules / so bald er des Pövels Vorhaben merkete / taht den 20000 Reutern die ihm folgeten /Befehl / umb des Feindes Völker herzuhauen / und ihnen den Weg nach ihrem Lager zuverlegen / seine 40000 Reuter aber stellete er ihnen entgegen in einer ausgedehneten ansehnlichen Schlachtordnung / und wahren 8000 Schützen aus den fünff Schanzen mit herzugefodert. Die Kriegserfahrne unter den Auffrührern sahen wol / mit was Vorsaz Herkules (den sie noch nicht kenneten) umging / daß er sie einschliessen / und aller gelegenheit zur Gegenwehr berauben wolte / daher sie die Obersten warnetẽ / ihres Tuhns wahrzunehmen / und sich weit genug von einander zusetzen; aber ehe sie dieses ins werk richten kunten /waren sie dergestalt schon eingefasset / daß ihnen unmöglich war / sich der unsern zuerwehren; worüber der Adel höchlich erschrak / den großsprechigen Pfaffen ihren Hochmuht verwieß / und zu ihnen sagte: Weil sie alles nach ihrem steiffen Sinne richten wolten / solten sie sich nun auch des Streits annehmen /und die Schlacht ordnen / nun sie von allen Seiten her umgeben währen / daß sie sich nicht regen noch wenden / noch das Gewehr gebrauchen könten. Herkules fuhr in seiner Bereitschafft immer fort / hatte sein Reuterheer in zween gleiche Flügel geteilet / die sich von beyden Seiten zimlich nahe an den Feind gehenket hatten. Hinter ihnen / wie gesagt / stunden auch 20000 Reuter unter Prinsla Auführung / und die Schützen hielten Stand vor dem Feinde. Neklam muste mit 500 Reutern nahe hinzu / und ihnen anmelden / es tähte dem Großfürstlichen[620] Heerführer leid /daß er gezwungen seines GroßFürsten Untertahnen niederschlagen müste / und wegen ihrer Widersezligkeit doch nicht anders könte / weil sie den Anfang zum Treffen an ihrer Seite gemacht / welches verfolget seyn müste / es währe dann / daß sie das Gewehr niderlegeten / Gnade begehreten / und die sämtlichen Pfaffen auslieferten / als welche an allem Unheil allein Schuld trügen; denen doch nicht ärgers wiederfahren solte / als daß sie zu den übrigen schon gefangenen solten hingeführet werden; würden sie dessen aber sich wegern / solte es ihnen allen das Leben kosten. Die Völker sahen / daß ihnen unmöglich wahr /sich gebührlich zur Gegenwehr zusetzen / willigten deswegen ein / daß sie die Pfaffen zurük lassen / aber mit ihrem Gewehr Abscheid nehmen wolten. Neklam vermahnete sie abermahl / die Gnade / so ihnen gebohten würde / anzunehmen / und zu ihrem GroßFürsten zutreten / damit sie ihr Leben retten möchten; Und als sie sich dessen wegerten / drücketen die Schützen loß / stelleten 3000 nider / und verwundeten 5000 / daß sie zum Gefechte undüchtig wahren. Nach solchem Treffen setzeten die Reuter von allen dreyen Seiten in sie hinein / und trieben sie dergestalt enge in einander / daß sie sich nicht regen kunten / und sich unter einander selbst hätten erdrücken müssen / weil sie nicht eins gelegenheit hatten / sich an einem Ort durchzuschlagen. Es wurden über die vorgemeldete noch 4000 nidergehauen / und 600O verwundet / biß Herkules abermahl an sich hielt / ob sie sich eines bessern bedenken würden / da sie dann das Gewehr von sich wurffen / umb Gnade bahten / und sich erkläretẽ / zu ihrem GroßFürsten zutreten / und unter dessen völligen gehorsam sich zubegeben; worauff sie als gefangene / 32000 stark in vier achttausichte Schaaren nach des Großfürsten Lager hingeführet /die 11000 verwundete aber zurük nach den ihren gelassen wurden / wiewol 40 verwundete vom Adel lieber mit dem grösten Hauffen nach ihren Fürsten mit wolten / daher man sie verband / und gerne mit nahm. Als diese grosse Menge gefangene bey dem Lager ankahmen / ritte der GroßFürst zu ihnen hinaus / und fragete sie mit gütlichen Worten: Aus was ursachen sie sich wider ihn aufflehneten / da er doch keinen Menschen zubeleidigen willens währe. Die gefangene fielen nider / bahten umb Gnade / und entschuldigten sich / daß sie von den Pfaffen darzu angetrieben währen / unter dem hochbeteurlichen Vorgeben / die junge Herschafft wolte die alten Götter abschaffen / neue einführen / und das ganze Vaterland den Römern zinßbar und unterwürffig machen. Es funden sich bey diesem Hauffen 33 Pfaffen / und 17 wahren im Treffen drauff gangen / der von Valisken erschossene mitgerechnet. Der GroßFürst hieß dieselben vor sich treten / und fragete sie ingesamt / welcher hellische Geist ihnen eingeblasen hätte / solchen algemeinen Auffstand des Landes zumachen. Welches ihrer 10 beantworteten: Die Pflicht / damit sie ihren Göttern verbunden währen / hätte solches von ihnen erzwungen. Es wurden diese Worthalter allein gestellet / und fing der GroßFürst abermahl mit sanfftmühtiger Rede an: Dafern ihr dieses gnugsam werdet behäupten können / wil ich euch recht geben / und euer Vornehmen loben; darumb beweiset mirs / ob dann jemand sey /welcher gewilliget ist / eure Götter euch zunehmen /und euch den gewöhnlichen Gottesdienst zuverbieten. Dieses / antworteten jene / währe die kundbahre Warheit / und unleugbar / daß die junge Herschafft solchen Vorsaz hätten. Ihr tuht wol / daß ihr mir solches anzeiget / sagte der GroßFürst / und wann ihr solches behäupten könnet / werde ich wissen / meine Kinder deswegen ernstlich anzusehen;[621] Befahl auch / daß seine Söhne und König Ladisla alsbald hervor gefodert würden; welche geschwinde da wahren / und der 10 Pfaffen Beschuldigung von ihrem Herr Vater anhöreten. Da sagte nun Herkules zu denselben: Haltet ihr eure Anklage vor die kundbahre Warheit / wolan so überweiset uns dessen / als dann sind wir bereit /des Landes Straffe über uns zunehmen; Wir aber wissen uns dessen unschuldig / und ist solcher Vorsaz nie in unser Herz kommen. Diese Pfaffen wahren ihnen eines solchen gerichtlichen Verfahrens nicht vermuhten / schwiegen stille / und sahen sich nach ihren übrigen Amts Brüdern umb / daß sie zu ihnen treten solten; Aber der Großfürst zeigete an / die übrigen solten schweigen / oder so etliche unter ihnen währen / die sich getraueten die Anklage gebührlich zubehäuptẽ /solten sie zu den zehnen nahen; dessen sich doch keiner unterstehen wolte; Und drängete er stark in die Zehne / ihren Beweißtuhm wieder seine Söhne zuführen / und sich zu versichern / daß ihnen dessen volkommene Freiheit hiemit solte gegeben seyn. Dieses machte ihnen einen Muht / und fing der eine also an: Es ist eine preißwirdige Liebe zur Gerechtigkeit / daß eure Großfürstl. Hocheit in diesem Gerichte uns die Freiheit gibt / des Landes Notturft wieder ihre Söhne zubehäupten / als welche ihre alten Land-götter verläugnet / und einen neuen angenommen haben; welches / weil sie es nicht werden in abrede seyn / halte ich daher unsere Anklage vor schon erwiesen. Herkules wolte / daß Baldrich dz Wort führen solte / welcher darauff sagte: Nein Pfaffe / deine und deiner Gesellen Klage ist dadurch nicht erwiesen; massen dein voriges also lautete; eure junge Herschaft währe gewilliget / eure alten Götter euch zu nehmen / und euren Gottesdienst euch zuverbieten; dieses mustu und deine Mitkläger als eine kündliche Warheit darstellen; dann ob mein H. Bruder und ich einen andern Gott erkennen / und wissen daß eure Götter falsche Götter sind / ist ganz eine andere Frage / und gestehe ich dir nicht / mich deswegen zubesprechen; deswegen führe einen redlichen Beweiß deiner beschuldigung / oder wisse / daß ich dich als einen lügenhaften Verleumder peinlich anklagen werde. Dem Pfaffen entfiel das Herz / wuste hierauff nichts gründliches zu antworten / und brachte halb zitternd vor / er könte nicht anders schliessen als daß die junge Herschaft den uhralten Gottesdienst auffzuheben würde gesinnet seyn / weil sie denselben vor sich abgelegt hätten. Hat niemand unter euch Pfaffen einen bessern Beweißtuhm als diesen? fragete der GroßFürst; dann die jungen Fürsten wahren auff getahne Antwort wieder davon geritten. Die Pfaffen schwiegen alle / biß der Worthalter anfing: Gott Krodo und die Göttin Freia hätten es selbst angedeutet / daß die junge Herschaft mit solcher Verenderung umginge. Ja mein Pfaffe / sagte der Großfürst / so mustu solche Zeugen darstellen / oder als ein Lügener und Verleumder gestraffet werden. So ruffe nun deine Götter herzu / daß sie dich vertreten / sonst wirstu den Ausspruch des Rechtens bald zuvernehmen haben. Wendete sich darauff zu den Gefangenen ädlen / und fragete sie / was sie meineten / solche Untertahnen verdienet zu haben / welche ihrer angebohrnen höchsten Obrigkeit dessen schuld gäben / daß allerdinge falsch und ertichtet währe / und sie nicht desto weniger dadurch eine algemeine Auffruhr erwecketen. Diese nach kurzer unterredung antworteten: Es hätten solche Untertahnen verdienet / daß sie lebendig gespiesset würden. Und solches währe ihr rechter Lohn / sagte der Großfürst. Weil mir nun bewust ist / daß meine lieben Söhne dieser Beschuldigung allerdinge unschuldig sind / ich auch solches[622] meinen Untertahnen habe anmelden /und ihres Glaubens Freiheit sie versichern lassen /diese gottlose Pfaffen aber nicht desto weniger auff solcher Verleumdung steiff bestehen / und deren doch den allergeringsten Beweißtuhm nicht führen köñen /solte ihnen zwar die Straffe der Spiessung angelegt werden / aber meine angebohrne Gnade und Barmherzigkeit ihnen wiederfahren zu lassen / sollen sie mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden; wie dann solches alsbald an diesen zehnen volstrecket ward. Die übrigẽ 23 Pfaffen wurden von dem GroßFürsten auch befraget / ob sie gnugsame Ursachen der Auffwiegelung anzuführen wüsten; welche sich aber durch ihrer Gesellen Unfal witzigen liessen / daß sie ingesamt mit einem Fußfal umb Gnade anhielten /und daß sie von andern verleitet währen. Hätten die andern auch also geredet / sagte der GroßFürst / solte ihnen gnädigste vergebung wiederfahren seyn; daß demnach diese zu den andern Gefangenen hingeführet wurden. Darauff nun wendete sich der Großfürst zu den Gefangenen Völkern / und verwieß ihnen ernstlich / daß sie von den leichtfertigen Pfaffen wieder ihre höchste Obrigkeit / deren sie mit Pflicht und äiden verwand / sich so leicht und unbesonnener weise hätten lassen in Harnisch bringen / wodurch sie ja ausser allem zweifel ihr Gut und Leben verwirket hätten. Doch Gott sey dank / sagte er / daß solche Auffrührer mich und die meinigen noch bey zeiten gewarnet haben / ich hätte sonst dürffen in Gefahr gerahten / da ich allem Unglük meinete schon entgangen seyn. Ihr aber erkläret euch alle miteinander / ob ich euer GroßFürst / und ihr meine Untertahnen seid / dañ ich wil wissen / wie ich mit euch dran bin / und was ich wieder euch vorzunehmen habe. Der Adel / welcher 3000 stark / allein getreten wahr / machte den Anfang mit einem Fußfalle / bahten umb Gnade und vergebung ihres unbesonnenen ungebührlichen und straffwirdigen Vornehmens; die Großfürstliche Erklärung währe ihnen bald anfangs völlig gnug gewesen /hätten aber mit fuge und ohn Lebensgefahr nicht können von der Versamlung sich loßwirken / hielten diese ihre Gefängnis vor ihr höchstes Glük / und währen so bereit als schuldig von neuen in ihm Hocheit Pflicht und äide zu treten / und ihr Leib / Gut und Blut bey derselben auffzusetzen. Als der gemeine Hauffe dieses hörete / rieffen sie gleicher gestalt umb Gnade / sie hätten nicht aus Bosheit noch unwillẽ wieder ihre liebe Obrigkeit die Waffen ergriffen / sondern aus Andacht zu ihren Göttern / währen von den Pfaffen verleitet und hintergangen / auch nunmehr willig vor ihre Obrigkeit zu leben und zu sterben. Musten demnach ingesamt den äid ablegen / uñ sich auff weitern bescheid unbewehret bewachen lassen da ihnen vor ihre bezahlung Speise und Trank zur Notturft ausgefolget ward / weil man solches aus Frießland uñ andern orten gnug zuführete. So bald die Verwundeten bey der auffrührischen Versamlung ankahmen / und allen Verlauff erzähleten / da erhub sich ein solcher Auffstand / daß jederman meinete / es müste nun über und über gehen; dann es wurden die einfältige Bauren (deren Anzahl der gröste wahr) so rasend gemacht / daß sie als die Unsinnigen hin und wieder lieffen / und durch einander schrihen / man hätte dem dinge viel zu lange zugesehen; es währe vor den Landgöttern unverantwortlich / daß man keinen Ernst darzu tähte / dann auff solche weise würden sie endlich alle miteinander auffgerieben und gefangen werden / ehe man sichs versähe; der Götter gerechte Straffe träffe sie / weil man so schläfferig handelte /und die Hände als lahm sinken liesse. Endlich fingen sie auff der Pfaffen reizung an / auff den[623] Adel loßzuzihen; es währe das gemeine Wesen ihnen kein Ernst; sie wolten und wolten auch nicht; mit dem linken Auge sähen sie nach den Göttern / doch nicht auffrichtig; mit dem rechten nach Großfürstlicher Gnade und eigener Ehre. Die ädlen traten zusammen / und entschuldigten sich / ihr Herz währe nicht so gesinnet / nur allein wünscheten sie / daß das Werk mit besserem Nachdenken und reiffer Vernunft beobachtet wurde / alsdann wåhre ihre Macht noch groß genug /die Obrigkeit dahin zu halten / daß dem algemeinen Landesbegehren ein genügen geschehen müste; erbohten sich auch / ihre redligkeit dergestalt sehen zu lassen / daß inwendig 24 Stunden alles auff einen festen Fuß gesetzet werden solte. Aber sie hatten kein Gehör; massen ein vewägener Schmid von den Pfaffen darzu angehetzet / aufftrat / und ungescheuhet vorbrachte; es währe das rahtsamste und sicherste / daß man die Befehlichshaber aus der Gemeine nähme /und den Adel dämpfete / oder zum wenigsten sie jagete / daß ihnen die Schuch entfielen / dann sie hätten bereit schon voriges tages erwiesen / wie unträulich sie den Göttern anhingen / und heut möchten sie es wol nicht besser gemacht haben / nachdem man vernehmen müste / daß sie des jungen Weibes Mord an dem vornehmen geistlichen Manne begangen / gebillichet hätten. Und was wolte man an ihrer Träulosigkeit zweifeln; hätten sie doch bey heutigem feindlichen Anfalle sich alsbald zufechten gewegert / und verlohren geben ehe sie angegriffen worden; so hätten die verwundete von Adel nicht mit den andern fortgewolt / sondern die willige Gefängnis davor gewählet. Dieses ward von vielen Handwerksleuten ganz begierig angenommen / und schüreten die Pfaffen es weidlich / daß die ädlen / so annoch 15000 stark wahren /sich in nicht geringer gefahr und furcht befunden / so gar / daß wann sie ihre entschuldigung vortragen wolten / man ihnen kein Gehör gab. Sie vereinbahreten sich aber untereinander / daß keiner von ihnen absonderlich austreten / vielweniger zu dem GroßFürsten weichen solte / damit die hinterbliebenen nicht gefähret und einer Verrähterey verdacht würden / und sie alle miteinander das Leben unter des Pövels Hand zusetzen müsten; beredeten sich demnach kürzlich / und liessen der Versamlung / die sich am gemeinen Volke auff 190000 Mann erstreckete / gütlich vortragen; es tähte ihnen schmerzlich weh / daß sie sich vor Verrähter müsten halten und austragen lassen / da sie doch nit weniger als andere dahin trachteten / daß der gemachte Schluß ins Werk gerichtet würde. Also wüsten sie sich in ihrem Gewissen der Bezichtigung frey und unschuldig. Nicht destoweniger / weil man ihnen mißtrauete / und die ämter abstrickete / wolten sie es dahin lassen gestellet seyn / und hiemit ihren Abscheid / nicht nach des Großfürsten Lager / dann deshalben währen sie nicht ausgezogen / sondern nach ihrer Behausung nehmen / weil sie nicht mehr könten gelitten werden. Wünscheten nicht destoweniger dem hinterbliebenen mächtigen Heer Glük und alle gedeiliche Wolfahrt / uñ daß sie dem Vaterlande ihre alten Götter und wolerstrittene Freyheit erhalten möchten. Die Pfaffen wahren schon im vollen werke begriffen /wie sie andere Häuptleute an ihre stelle verordnen möchten / und liessen sich gutenteils selbst gebrauchen / daß also ihr Wort nunmehr allenthalben ohn wiedersprechen galt / hätten auch ohn zweifel dem Adel grossen Schimpf angelegt / wann sie nicht deren Rache / nach vollendetem diesen Zuge sich befürchten müssen; und nur dieses hielt sie ein / daß sie ihre eigene Zunge mässigten / und den Handwerkern das Wort in den Mund legeten / was auff diese Werbung ihnen solte vor bescheid[624] gegeben werden / da vorgedachter Schmid zur Antwort gab; man währe an den ädlen solcher geschmeidigen Worte ganz ungewohnet / denen man daher umb so viel weniger zu trauen hätte; solten aber wissen / dz wañ sie gleich nit wären / oder diese Stunde an des GroßFürsten seite stünden / sich dañoch aufrichtige Teutschen Herzẽ anfinden würdẽ / die vor ihre Götter / da es die noht erfoderte /auch zu sterbẽ bereit währẽ. Dz sie nun umb erlåubnis anhieltẽ des freien abzuges / solte ihnẽ derselbe nit gehindert werdẽ / uñ möchtẽ nur gehen / wohin sie es gelüstete. Der Adel war sehr froh dieses zimlichẽ bescheides / beschleunigtẽ ihren Abscheid also / dz sie alle ihre Speisewagen uñ Knechte unabgefodert hinterliessen / uñ umb die Abendzeit ihren Weg vor sich nahmẽ / als wolten sie des geradesten nach ihrer Heimat reisen; aber da sie eine Viertelmeile vom Lager wahren / hieben sie zur linken umhin / nahmen einen Umschweiff auff drey Meilen / und kahmen vor der Sonnen Auffgang biß eine halbe Meile an des Großfürsten Lager / da sie 150 ihres Mittels an ihre Obrigkeit abschicketen / unter denen Friderich und Luther (deren im ersten Buche Meldung geschehen) mit wahren / als die von ihren Nachbahren gezwungen sich hatten in die Auffruhr mitbegeben müssen. Ihr vorbringen aber wahr dieses. Es hätte der Adel nunmehr in augenscheinliche Erfahrung bracht / daß die heilose Pfaffen diesen Auffstand mehr um ihres eigen Nutzes als des Gottesdienstes Willen angerichtet hätten / und weil sie in ihre unverschämte Boßheit nicht einwilligen können / währen sie fast alle miteinander um ihr Leben kommen / massen die Pfaffen den Pövel auff sie als Großfürstliche Geträue zu verhetzen / in vollem Werke schon begriffen gewesen / und sie ihrer rasichten Wuht zuentrinnen / sich aus dem Staube machen müssen; stelleten sich in der Gnadenzeit untertähnigst ein / bey ihrer Großfürstl. Hocheit ihres unbesonnenen verbrechens demühtigste Abbitte zutuhn / und als geträue Untertahnen / vor dessen Wolfart und Ehre / ihr Gut und Leben gerne aufzusetzen /nachdem an Großfürstlicher gnädigster Erklärung /wegen Glaubens und Landes Freyheit sie ein satsames Genügen hätten. Herkules / Ladisla und Baldrich wahren mit 300 Parthern hinaus geritten / ihre Werbung mit zugemachten Helmen / um nicht erkennet zuwerden / anzuhören / und als sie ihre Beräuung und erbieten vernahmen / sagten sie ihnen im Nahmen des Großfürsten völlige Vergebung und alle Gnade zu. Nun ward Herkules der beyden vorgedachten ohngefehr gewahr / wunderte sich ihrer Undankbarkeit / und ließ sie durch Neklam an die Seite absonderlich fodern / setzete den Helm ab und sagete zu ihnẽ: Ist diß der dank / welchen ihr mir zu Padua versprochen habt? O ihr unbesonnenen / und habt euch mit in die Verbündniß können schreiben lassen / welche mich erbloß zumachen bedacht ist? Friderich kennete alsbald sein Angesicht / sprang vom Pferde / küssete ihm die Füsse / und sagete mit trähnenden Augen: Durchleuchtigster Großfürst / gnädigster Herr; die Götter sind meine Zeugen / daß ich aus Zwang / wie viel andere mehr / habe mitreiten müssen / da ich mir nicht den Hals wolte brechen lassen / aber habe ich oder dieser mein Geselle von eure Durchl. Gegenwart das geringste gewust oder bißher vernommen / wollen wir aller Straffe uns gerne unterwerffen; von Herzen lieb aber ist mirs / daß meines Erlösers Angesicht zu sehen ich beglükseliget werde / und bitte untertähnigst / ihre Durchl. wolle wich in ihre Dienste auff und annehmen / so geringe und schlecht die Anbefehlung immer seyn mag / wil ich mich doch glükselig schätzen / wann ich solches erhalten werde. Luther[625] baht desgleichen / daher Herkules ihnen zufolgen befahl / untergab auch alsobald jedem 4000 Mann zuführen / doch / sagete er / daß ihr mir die rechten Redlens Führer dieser Aufruhr geträulich / und ohn einigen Haß oder Gunst anzeiget. Ja warumb nicht / sagte Friederich / meldete auch von den schon Gefangenen annoch lebendigen Pfaffen 7 / und von denen die annoch bey den Auffrührern wahren 16. Die Gefangene wurden alsbald befraget / schuldig befunden / und mit dem Schwert gerichtet / gleich da Ethard mit den 20000 Friesen Fußvolk ohn Pfeiffen und Trummeln Schlag angezogen kahm mit welchen die gestriges Tages Gefangene 59000 Unädle Teutschen vermischet wurden / daß nunmehr ihr gesamtes Heer in die 180000 Mann stark wahr / und so wol gerüstet / daß Herkules und Ladisla sich vermassen / den halben Teil der Welt damit zuüberwältigen / wann ihnen Gott nicht zuwieder währe: wie sie dann schon des vorigen Abends den Schluß gemacht hatten / ob gleich Ekhard sich nicht stellen würde / wolten sie doch mit ihren Völkern aufbrechen / auf der Auffrührer Lager gerade zu zihen / und ihnen die oft angebohtene Gnade nochmahls vortragen / auch sonst allerhand gütliche mittel versuchen / daß sie in Ruhe stünden / und von der Empörung abliessen; würde aber in der Güte nichts zuerhalten seyn / wolten sie einen Angriff in Gottes Nahmen wagen / nicht zweifelnd / es würden solche zusammen gelauffene und grossen Teils unversuchte Bauren leicht auff die Flucht zubringen seyn; aber sie wurden von dem Ankommenden Adel berichtet / die Abtrünnigen würden sich diesen Tag unterstehen / ihren Willen entweder durch ihres Großfürsten Einwilligung / oder durch bewehrete Hand zuvergnügen; daher die unsern ihrer Ankunft um so viel lieber erwarten wolten. Dieselben nun wurden sehr froh / daß sie des Adels auff solche Weise wahren loß worden / hätten auch lieber ihren Vorsaz stündlich ins Werk gerichtet / als diese Nacht es auff geschoben; so bald aber die Morgenröhte hervorblickete / wahren sie munter / und gingen aus ihrem Lager loß / aber mit solcher Unordnung und Sicherheit / daß alle die des Kriegs ein wenig Verstand hatten / alsbald urteileten / es würde ihrem Frevel mit geringer Macht zusteuren seyn / wie wol sich dessen keiner wegen der Pfaffen Trotz durfte vernehmen lassen / als welche durch Abschaffung des Adels den höchsten Gewalt an sich gezogen hatten daß jederman ihnen ins Maul sahe / und ihre Worte nicht anders als eine göttliche Rede annam. Ehe sie aus ihrem Lager aufbrachen / trat ein sehr frecher und verwägener Pfaffe auf /nahmens Seifart / und deutete an / sein Gott Krodo /von seiner Schwester Freia und seinem Bruder Irmen Säul begleitet / währe ihm diese Nacht erschienen /hätte ihm ein feuriges Schwert in die Hand gegeben /und dabey diese Worte gebrauchet: Nim hin mein lieber geträuer Sohn dieses götliche Schwert / und haue damit nider / alles was sich mir und dir zuwiedersetzet; dann dieses ist eben das Schwert / welches vor 218 Jahren Großfürst Herman / Siegmeiers Sohn auff mein Geheiß und unter meiner Anführung wieder den Römer Quintilius Varus und seine Völker gebrauchet / und mein liebes Teutschland dadurch in die Freyheit gesetzet hat. Dieser hatte solches kaum zu Ende gebracht / da entstund ein grosses Geschrey; Gott Krodo hätte klärlich hiemit andeuten wollen / daß dieser heilige tapfere Mann ihr Heerführer und algemeiner Feld Oberster seyn solte; welche Ehre dieser willig annam /als worauff seine Lügen eigentlich angesehen wahren / wie wol er des Kriegs aller Dinge unerfahren wahr /ob es ihm gleich an verwägener[626] Kühnheit nicht mangelte. Ein ander Pfaffe trat alsbald zu ihm her / und nach getahnem Glükwunsche zu solchem wirdigen Amte sagte er / die Göttin Freia hätte ihm diese Nacht offenbahret / daß ihr älter Bruder Gott Krodo diesen heiligen Mann mit gnugsamer Weißheit und tapfferer Stärke ausgerüstet hätte / solches Amt zuverwalten. Womit dieser Schmeichler verdienete / daß der obgedachte ihn zu seinem obersten Statverweser einsetzete / und wahr sein Name Hardet. Dieser teilete hinwiederumb seinen guten SauffBrüdern die ämter aus /daß er desto grössern Anhang haben möchte. Sonst führeten sie ein greßliches geschrey durch einander: Es müste vor der Sonnen Untergang sich ausfündig machen / ob Teutschland noch von einem freien unbezwungenen Volke / oder von Römischen Sklaven bewohnet würde. Die unsern erfuhren ihren Auffbruch zeitig gnug dann der flüchtige Adel hatte gerahten /daß man die Schildwachten etwas weiter hinaus setzete / welche den unordentlichen Anzug anmeldeten /daher die Unsern nach genommener Speise eine artige ansehnliche Schlachtordnung ins Feld stelleten / ob sie gleich nicht willens wahren zu treffen. Die fünff Schanzen wahren diese Nacht viel stärker befestiget /und mit den Schützen besetzet / denen befohlen wahr / dem ankommenden Teutschen Heer anzudeuten /daß sie vor der Schanze stille hielten / es würden sich Gevolmächtigte von dem GroßFürsten zu ihnen verfügen / und alles ohn Schwertschlag in der güte beylegen. Aber ein solches wahr den hochmuhtigen Pfaffen ungelegen / darumb sie nach angehörter Werbung die Schanzen durch etliche Trommelschläger aufffoderten / unter der Bedräuung / dafern sie nicht alsbald abzihen / und sich bey ihnen unterstellen würden / solten sie alle gehenket werden. Prinsla / Friederich und Luther lagen mit in den Schanzen / liessen sich auff der Brustwehr sehen / und gaben zur Antwort: Sie währen nit bedacht / einigen Pfaffen der Antwort zuwirdigen; Ihr gnädigster GroßFürst / dem sie dieneten / hätte ihnen diese Schanzen anvertrauet / welche sie lebendig nicht verlassen wolten. Friederich und Luther wahren dem Heer sehr wol bekant / deren Führer nicht wusten / was sie gedenken solten / als sie ihrer ansichtig wurden / biß endlich ein Pfaffe rief: Oho Verrähterey / Verrähterey! der Adel ist GroßFürstlich worden und übergetreten; O hätten wir ihnen allen nur die Hälse gebrochen / oder das Genik eingedrükt! Friederich rief hinüber zur Antwort / nachdem er ihnen ein Friedenszeichen gegeben hatte: O ihr redliche Teutschen / bedenket euch eines bessern / wie wir ädle getahn haben / und ergebet euch eurer angebohrnen Obrigkeit zum Gehorsam / wie ihr schuldig seyd /damit ihr leben möget. Ihr Pfaffen aber gehet hin /und wartet eures Gottesdienstes abe / darzu ihr bestellet seyd / und führet diese unwissende einfältige Leute nicht muhtwillig auff die Fleischbank; dann was wollet ihr Kriege führen / darzu ihr gleich so geschikt seyd / als der Esel zum Lautenschlagen. Du abtrünniger Bube / antwortete der vorige Pfaffe; was hastu der Geistligkeit ihr vornehmen zulästern / dessen die Götter selbst Stiffter und Uhrheber sind / denen wir dich und deinen ganzen Beystand zum angenehmen Opfer abschlachten wollen; lieffen auch alsbald alle fünff Schanzen zugleich an / als blinde erzürnete Ochsen. Aber die Pfeile wurdẽ ihnen in solcher Menge zugeschicket / daß / ungeachtet die vördersten mit Schilden wol versehen wahren / ihrer doch 5000 erschossen / und 6000 hart verwundet wurden / ehe sie den Graben erreicheten. Noch dannoch drang ihr Wuht durch; dann sie fülleten die Graben[627] mit den Erschlagenen / und brauchten dieselben an stat einer Brücken / biß sie an den Wahl kahmen / da sie mit langen Spiessen / Morgensternen und anderem Bäurischen Gewehr elendig hingerichtet wurden / daß ihrer noch 12000 das Leben einbüsseten / und 14000 mit blutigen Köpffen zurük gingen; wodurch dann die übrigen sich warnen liessen / es nähern Kauffs zugeben / weil sie sahen / daß es mit dem Kopffe gegen den Stein gerennet wahr. Herkules gelebete der Hoffnung / wann sie ihre grosse Macht sähen / würden sie das Herz fallen lassen / deswegen er auff den Schanzen ein weisses Fähnlein zum Zeichen eines gütlichen Vergleichs ausstecken ließ; welches die Pfaffen den unsern zur Furchtsamkeit auslegeten / und die ihren zum andern Sturm anmahnetẽ / nebest getahner Versicherung / der Feind würde nicht fuß halten. So bald Herkules solches merkete / und aber das Blutvergiessen nach aller Mögligkeit verhüten wolte / geboht er der Besatzung ohn weitere Gegenwehr alsbald abzuzihen / und zu den seinen sich hin zubegeben; Daß also die Aufrührer vor dißmahl sich der Schanzen ohn einigen Schwertschlag bemächtigten / uñ den Durchzug öffneten / auch fast im Augenblik die Schanzen schleiffeten. Da ging es nun an ein jauchzen und frohlocken; der Feind dürffte nicht stehen; Gott Krodo hätte sich ihnen in seiner greßlichen gestalt sehen lassen / daß sie vor Schrecken davon geflohen währen. Macheten darauff ihre Ordnung / und gingen auff die unsern freihmühtig zu / der gänzlichen Meinung / sie würden alle schon in der Flucht begriffen seyn; aber als sie ihre trefliche ausgedehnete Schlachtordnung sahen /stutzeten sie / und wolten Kriegs Raht halten / dann der Schrecken wahr sehr groß / weil Herkules seine Völker dergestalt im offenen Felde ausgebreitet hatte /daß es dreymahl grösser schiene als es wahr. Der GroßFürst und Olaff führeten das Fußvolk / 60000 stark; Herkules und Fabius den rechten; Ladisla und Baldrich den linken Flügel / jeden 60000 Reuter / da die geharnischten alle die vördersten Glieder halten /und bey den Auffrührern die Furcht mehren musten /welche nur zusammen gelauffene / und leichte Reuter mit Schwertern und Spiessen versehen wahren; So wusten die Pfaffen nicht / wie sie es angreiffen solten / daher sie fast vor Angst erstarreten / und kein Wort sprechen kunten; welches die unsern zeitig wahr nahmen / und Herkules an seiner Seiten mit der Helffte seiner Reuterey / Ladisla mit gleicher Menge an seinem Orte loßging / da doch Prinsla und Neklam /jeder mit 30 Pferden voraus setzeten / und ihnen ansagen musten: Ob sie dann ihre Vernunfft und alle Sinnen gefressen hätten / daß sie muhtwillig sterben / uñ wie das tu e Vieh sich wolten nidermatzen lassen /da sie doch alle miteinander wol leben könten. Es tähte ihrem GroßFürsten noch diese Stunde leid / daß er in dem Blute seiner Untertahnen baden müste /deren er lieber tausend beym Leben erhalten / als einen einzigen erschlagen wolte. Er bliebe annoch bey seinem ersten und gnädigsten erbieten / welches ihre ädlen angenommen / und sich diesen Morgen samt und sonders eingestellet hätten / währen auch ohn einige Straffe oder verweißliche Rede gnädigst auff und angenommen / ja zu ihres GroßFürsten LeibSchuz verordnet. So möchte doch nun die Gemeine auch in sich gehen / als welche ihrem GroßFürsten ja so lieb als die ädlen währẽ / weil durch sie das Land müste gebauet und der Feind abgetrieben werden. Sie solten sich zu ihrem GroßFürsten nichts als aller Gnade und väterlichen Gewogenheit versehen / dafern sie ohn genommene Bedenkzeit sich bequemen / und umb Verzeihung anhalten würden;[628] Wo nicht / solten sie alle nidergehauen / Weiber und Kinder erwürget / und ihre Güter den Böhmen / Friesen und Wenden vor erbeigen eingeräumet werden / welches dann keines weges ausse bleiben würde / gestaltsam sie vor Augen sähen / daß ihnen unmöglich währe / solchem überausgrossen und wolgerüsteten Heer zuwiderstehen. Die verzagtesten und unschuldigsten machten alhie den Anfang / trenneten die Ordnung / welche ohndas übel versehen wahr / wurffen das Gewehr von sich / liessen ihre Pferde lauffen / und gingen ganz gebücket den unsern entgegen / mit geängsteter Sti e ruffend: Gnade / Gnade! Und belief die Anzahl dieses ersten Hauffen sich auff 25000 Mann; Woraus Herkules gewisse Hoffnung schöpffete / die übrigen würden sich auch finden; ließ aber doch 20000 Mann umb die Auffrührer hinhauen / ihnen den engen Durchzug von hinten zuverlegen / damit die Redlensführer nicht durch die Flucht sich davon machen / und heimlich entwischen möchten. Andere 18000 folgeten der vorigen Schaar nach / und macheten mit ihrem Abtrit /daß kein einziger mehr auff die Gegenwehr bedacht wahr. Herkules rennete unter der Begleitung 6000 Reuter dem übrigen grossen Hauffen mit eingestecketen Schwertern entgegen / schlug seinen Helm auff /und rief ihnen zu: Ihr redliche Teutschen / uñ meine geliebete Landsleute; was bedenket ihr euch noch lange / ob ihr lieber glüklich leben oder schändlich sterben wollet? Sehet ich bin Herkules / eures GroßFürsten älter Sohn / der ich schon in der Jugend mich eurer wider den Adel angenommen habe; darum so trauet mir / und versichert euch / daß ich euch allen alle Gnade und Vergebung bey meinem gn. Herr Vater schon erbehten habe / dafern ihr nur die Häupter und Uhrheber dieser unbefugten Auffruhr nicht werdet lassen davon streichen / als durch deren weniges und gottloses Blut aller Zorn und Eifer eures GroßFürsten kan gestillet und ausgelöschet werden. Damit wahr alles geschlichtet; Der ganze Hauffe trieb die Pfaffen / und die ihnen fest anhingen / in eine Schaar zusammen / ja wol mannicher Mitschuldiger stellete sich am unwürschesten wider die Pfaffen /auff daß sie ihres begangenen Frevels sich entbrechen möchten. Herkules taht seinen Helm gar ab / hub beyde Hände auff gen Himmel / und dankete dem grundgütigen Gott / daß er diesem Blutbade so gnädiglich gesteuret / und des mörderischen Kroden Teufels Anschläge zunichte gemacht hätte; ließ die ganze Menge der Auffrührer mit seinem Heer umgeben / und die Pfaffheit zusammen führen / zu welchen die schon gefangene auch hingeführet wurden / und ihre Anzahl sich auff 320 erstreckete; welche König Baldrich also anreden muste: O ihr meinäldige Pfaffen / was vor ein böser blutgieriger Geist und Teufel hat euch getrieben / ein solches unverantwortliches Wesen wider eure höchste Obrigkeit und seine Söhne anzurichten? Wer kan von eurem Vornehmen anders urteilen / als daß ihr in diesen Hochmuht gerahten seyn müsset / das ganze weltliche Gericht / uñ Oberbotmässigkeit an euch zubringen / und die Fürstliche Herschung übern hauffen zu werffen? Dann vorerst habt ihr alle Untertahnen wider euren GroßFürsten und dessen Söhne auffgewiegelt; nachgehends euch auch des ganzen Adels entlediget / die höchsten Kriegsbedienungen und ämter euch angemasset / eures GroßFürsten Schanzen unabgesagt bestürmet / und seiner angebornen Untertahnen / die in Pflicht und äiden sitzen / so manniche tausend auffgeopffert / ja mit wenigen zureden / alles das getahn und vorgenommen / was ihr nur eurem GroßFürsten und dessen Söhnen zu Troz habt erdenken können. Nun[629] ist eure Boßheit euch auff eure Scheitel gefallen; Ihr stehet als die verlassene und auff dem Diebstahl ergriffene / wie es dann allemahl den Auffwiegelern zuergehen pfleget / daß sie doch endlich das Bad austragen müssen. So sprecht euch nun selbst die Urtel / was durch solche Boßheit ihr verdienet habet; könnet ihr einiges Recht in der Welt finden / welches euch zustatten kommen möchte / das wil man euch gerne gönnen. Aber euer eigenes Gewissen / der unbetriegliche Richter rufft eure Schuld und Straffe euch selber zu / welches ein jeder vernünfftiger euch vor der Stirne lesen kan. Damit ihr aber eures GroßFürsten und seiner Söhne angebohrne Gnade erkennen und geniessen möget / sol dem grösserẽ Teil verzihen / und die Boßheit geschenket seyn; aber alsbald gebet eure Verführer und Auffwiegeler heraus /und die vor andern sich des Unwesens angenommen; lasset auch diesen vor allererst hertreten / welcher in Frießland von mir Urlaub baht / nach Hause zureisen / und sein schwangeres Weib zubesuchen / da er selbst von einem schändlichen Teufel geschwängert /mit der gottlosen Frucht der algemeinen Auffruhr beladen wahr / und wie mir schon bewust ist / die andern zu solchem übel angereizet hat. Derselbe nun trat willig hervor / weil er sahe / daß es doch nicht anders seyn kunte / und brachte ein; Er wäre vor diesem allemahl ein geträuer Großfürstlicher Diener gewesen /hätte dieses Werk nicht aus eigenem Getrieb getahn /sondern auff der grossen Göttin Freia ernstlichen Befehl und angehängte Dräuung verrichten müssen / die ihm nit allein glüklichen Fortgang / sondern auch Schuz und Schirm verheissen und zugesagt hätte; und währe er viel zu wenig gewesen / sich ihrer Macht und hohem Ansehen zuwidersetzen / deswegen er in solcher Verrichtung wol würde zuentschuldigen seyn. Zuentschuldigen? sagte König Baldrich; wolan / laß uns deine Entschuldigung besehen. Du wendest ein /deine Göttin Freia habe dichs geheissen. O mein Kerl; der boßhafftige Lügen Geist / der leidige Teuffel hat dich gereizet / du Erz-Bösewicht; derselbe hat gefallen an Unfrieden / Krieg und Blutstürzung / und ist ihm dannoch / dem allerhöchsten Gott sey Dank /nach seinem Willen nicht gelungen / dann er hatte euch allen viel ein grösseres Verderben zugeschnitten / wann nicht viel ein stärker es gnädigst abgewendet hätte; aber gesetzet / deine Freia habe es dir befohlen; hättestu dann nicht deiner weltlichen Herschafft es zuvor anzeigen sollen? Wie leicht hättestu mirs können sagen / als du umb Urlaub der Reise bey mir anhieltest / und das währe deine Schuldigkeit gewesen. Aber Gott Lob / daß es schon so weit kommen ist /und du erkennest / auch bekennen must / deine vermeinete Göttin habe dich hinter das Licht geführet /weil du augenscheinlich sihest / daß dein Vornehmen den glüklichen Fortgang nicht erreichet; so wirstu auch diese Stunde empfinden / ob sie dir wider des Henkers Schwert Schuz halten werde; meinest du aber / daß die wahre Gottheit wol könne mit Lügen umgehen / und ichtwas wider die Warheit vorbringen? Nein; die gesunde Vernunfft lehret dichs ja / daß Gottheit / das volko enste Gut / mit dem schändlichen Laster der Lügen und Betriegerey durchaus keine Gemeinschafft haben könne. Dann was Gott oder göttlich ist / das leuget nicht / und wz da leuget und treuget / das muß oder kan ja kein Gott seyn. Nach dieser RedeEndigung muste der angemassete Feldherr Großpfaffe Seifart mit seinem Statverweser Großpfaffen Hardek / und andern Redlensführern hervortreten /und die ganze Zahl der recht schuldigen mit ihrem ja bekräftigen / deren annoch 22 lebendige Pfaffen und 16 Handwerker uñ Bauren[630] wahren / denen ihr Verbrechen vorgehalten / die Urtel gesprochen / und alle durch des Henkers Schwert abgetahn wurden. Die übrigen Pfaffen wurden vorgefodert / und befraget / ob sie mit ihres GroßFürsten und seiner Söhne gnädigstem anerbieten und gegebener Erklärung friedlich /und wie der Adel und Gemeine gutwillig getahn / solches anzunehmen bedacht währen; welche alle einen demühtigen Fußfal leisteten / ihren Irtuhm uñ Missetaht bekenneten und beräueten / auch allen Gehorsam versprachen / bahten daneben untertähnigst /daß die Großfürstliche Zusage wegen des alten Glaubensfreyheit in ihrer Kraft verbleiben möchte. Der Adel und die Gemeine bahten sehr vor ihr Leben /und bekahmen darauff ohn fernere nachforschung ihres verbrechens vollige verzeihung / und nochmahlige versicherung ihrer Geist- und weltlichen Freyheit; daher ein solches Frolocken unter den Völkern entstund / daß auch die Pfaffen selbst es bereulich beklageten / daß sie wieder solche fromme gnädige Herrn sich auffgelehnet hätten. Als nun der GroßFürst sahe /daß die Untertahnen überal ein gutes Herz gegen ihn gefasset hatten / ritte er selbst / von wenigen seines Landadels begleitet / bey ihnen umbher / hieß sie diesen Abend ruhen / die Todten begraben / und folgen den Morgens mit alle ihrem Gewehr erscheinen / so daß die Teutschẽ alle miteinander allein / die Böhmen und Friesen aber zur seite halten solten; welches alles nach seinem willen ging / da er den Elefanten ausrüsten hieß / und vor das Teutsche Heer stellen / stieg mit seinen Söhnen und Ladisla hinauff / welche sich Schneeweiß uñ Königlich gekleidet hatten / und musten von den ädlen / Pfaffen und gemeinem Manne 300 in gleicher Anzahl umb den Elefanten hertreten; er aber fing diese Rede zu allen Anwesendẽ an: Liebe geträue Untertahnen und Landsassen; ich und wir alle miteinander haben Gott hoch zu danken / daß er des bösen Feindes Vorhaben gesteuret / und das angestiftete Elend gnädig abgewendet hat / da die Obrigkeit und Untertahnen / Väter und Kinder / Brüder und Anverwanten einander grimmig auffreiben solten; nun aber / Gott lob / an stat dessen / eine löbliche Vertrauligkeit und fester Friede angerichtet und gestiftet ist / nachdem gleichwol / welches ich hoch beklage /über die 30000 meiner Untertahnen dz Leben einbüssen müssen. Euch allen ist wol bewust / und bedarfs keines weitläuftigen erzählens / was gestalt vor wenig Jahren ich meinen herzlieben älteren Sohn / Fürst Herkules / aus meinem Reiche verbannet habe / umb daß er nicht allein einen fremden / uns unbekanten Gottesdienst in der Fremde angenommen / der uns überal abscheuhlich beschrieben ward / und wir doch weit anders befinden / sondern auch zugleich sich hiemit dem Römischen Reiche als ein Lehnträger und Untertahn verpflichtet hätte / so daß bey künftiger seiner Herschaft er der Römer Willen geleben / und ihnen die Teutschen Völker zinßbar machen wolte; welches gleichergestalt eine abgefeimete grobe Lügen ist / und die Ertichter und Aussträuer derselben ihren Lohn nach Gottes wunderbahrem Gerichte schon empfangen haben. Beklage deßwegen billich und von Herzen / daß durch falsches angeben ich mich dazumahl zu ungerechtem Zorn und Eiser wieder diesen meinen Sohn Herkules / der mir allernähest alhie zur Linken stehet / verleiten lassen / und ihn als einen Durchächteten halten müssen / welches doch mein eigen Herz dergestalt abgezehret hat / daß wo es länger hätte wehren sollen / ich in kurzer Zeit des Todes drüber seyn müssen / und mich dessen doch gegen niemand habe dürfen merken lassen. Wie hart und unbillich nun ich mich gleich gegen ihn erzeiget / so hat er doch hingegen[631] seinen kindlichen Gehorsam von mir nicht abgekehret / sondern ist stets geblieben / der er vorhin wahr / nehmlich ein ergebener Sohn seiner Eltern / ein Freund der Tugend / uñ ein Liebhaber seines undankbahren Vaterlandes / welches augenscheinlich daher zusehen ist / daß ob ihm gleich der Römische Käyserliche Stuel (O welch eine Ehre den Teutschen!) angebohten und auffgetragen ist / er dañoch solchen nur deßwegen ausgeschlagen hat / weil er alsdann hätte müssen ein Feind seiner Teutschen werden / und sie nohtwendig bestreiten. Zweifele nun dann einer / ob er seinem Vaterlande die gebührliche Liebe und Träue erzeiget habe oder nicht. Den kindlichen Gehorsam wird kein Mensch an ihm leugnen können /wer nur betrachtet / daß so bald er meiner Entführung innen worden / er mit Leib und Lebensgefahr (dann er wahr ja ein Verbanneter) sich nach Teutschland gemacht / und zu reiten nicht auffgehöret / biß er mich und die meinen loßgerissen / und des gottlosen Räubers frevel gebührlich abgestraffet hat. Also wil ich euch nun diesen meinen Sohn länger nicht verbergen /welchen ihr gutenteils ohndas schon wieder kennet; denen aber seine glükliche Wiederkunft bißdaher unwissend gewesen / die sehen nur sein Angesicht an /sie betrachten seine Gestalt und Wesen / so werden sie befinden / daß er nicht so gar sich verendert hat /daß man ihn nicht mehr kennen solte. Von seinen herlichen Tahten zu rühmen / die er in Italien und andern weit abgelegenen Ländern begangen / wil mir als seinem Vater nicht anstehen / und sind etliche hundert Teutschen und Böhmen in dem Heer / welche als grossenteils sehende Zeugen / davon werden bericht geben können. Dem almächtigen grundgütigen Gott sey Lob und Dank gesaget / dz er den unschuldigen erretten / diesen meinen lieben Sohn dem Vaterlande zum besten hat wollen in der Fremde unter so mannicher grosser Gefahr erhalten / und sein Herz also lenken / daß er fremde angebohtene Herschaften ausgeschlagen / und nach seinem Teutschlande verlangen getragen hat. So vernehmet nun meinen ernstlichen Willen und Meynung / und richtet euch darnach; ihr wisset / daß diesem meinen Sohn Herkules / als dem erstgebohrnen / mein Teutsches Reich von Gott und Rechtswegen zustehet / (dann die ergangene Acht und der Ban mus Tod / rein abe / und als ungeschehen seyn) so daß er mit keinem fuge davon kan ausgeschlossen werden. Nun bin ich zwar euer GroßFürst annoch im Leben und zimlicher Gesundheit / wiewol den Abgang meiner Kräfte ich schon merke / habe aber mir gänzlich vorgenommen / meine übrigen Tage / wie weit sie noch reichen werden / in guter Ruhe und sanfter Stille zuzubringen / und meinem Gott zu dienen; daß nun gleichwol das Reich nicht ohn ein gewisses Häupt seyn möge / so wil ich gleich jezo diesen meinen Sohn Herkules euch vor erst als euren GroßFürsten hiemit vorgestellet haben / und zugleich des Aides / damit ihr mir verbunden seid / euch Kraft dieses erlassen / auch alsbald auff diesen euren GroßFürsten euch verweisen / dem ihr alsbald auff stehendem Fusse die Huldigung abstatten sollet; hingegen wird er sich verbinden / alles daß ungeendert zu halten / was ich euch heut und vorige Tage / GroßFürstlich versprochen habe. Damit aber unser Teutsches Reich sein ehmaliges Ansehen unter diesem euren jungen Herscher wieder bekommen möge / sol er forthin nicht mehr den Nahmen eines GroßFürsten / sondern Königes der Teutschen führen / wovor ihn unsere Reichsfeinde die Römer selbst ehren / halten und erkennen. Herkules erschrak dieses vorbringens von herzen / machete sich auch schon gefasset / die Antretung der Herschaft durch erhebliche Ursachen[632] abzulehnen; aber die ganze Menge fing ein solches Freuden-geschrey an / daß die Erde erzitterte / uñ die Luft sich zerteilete / auch eine Viertelstunde nichts anders gehöret ward / als; Glük zu unserm neuen Könige Herkules; Glük zu unserm lieben Könige Herkules; Glük zu dem tapfern / glükhaften / unüberwindlichen Könige der Teutschen! Einem Ehrgeitzigen hätte kein angenehmer Lied können gesungen werden / aber der demühtige Herkules hörete es mit grosser ungeduld an / daß er auch dem Volke endlich durch unterschiedliche Zeichen andeutete / er wolte gerne gehöret seyn /da er also anhuhb: Gnädigster Herr uñ Vater / ich ruffe mein Gewissen zu zeugen / daß / wann ich dieses solte gemuhtmasset haben / ich eurem liebreichen Vaterherzen mich diese Stunde noch nicht hätte wollen zuerkennen geben; wie ich dann durchaus nicht willens bin / einen Fuß in die Königliche Herschaft zu setzen / als lange der grundbarmherzige Gott euch meinen Herr Vater bey Leben und Vernunft erhalten wird; nicht wegere ich mich dessen aus ungehorsam /sondern aus gebührlicher kindlicher Demuht / zweifele auch nicht / mein Herr Vater so wol / als das ganze hochlöbliche Königreich der Teutschen werde mich alles ungleichen verdachts gnädigst und freundlich erlassen / und wil ich zugleich meine herzliebe Brüder /König Ladisla und König Baldrich gebehten haben /da sonst einige rechtschaffene Liebe in ihrẽ Herzen gegẽ mich übrig ist / meinen Gn. Herr Vater dahin helffen zubereden / daß er seine gefassete Meynung Väterlich endern / und die wirkliche Beherschung Zeit seines lebens behalten wolle / sonsten / wann es ja so seyn müste / wil ich gerne einwilligen / daß ich vor einen erwähleten König uñ künftigen Herscher der Teutschen gehalten werde. Ladisla und Baldrich sahen seinen ernst / und nicht geringe Bewägung /daher sie allerhand Ursachen hervorsucheten / den GroßFürsten zur enderung seines Vortrages zubereden / unter welcher Zeit Herkules von dem Elefanten stieg / und sein liebes Gemahl vermochte / ihm bey seinem Vater zu hülffe zu treten / welche alle Reden wol vernommen hatte / dann sie hielt allernähest bey dem Elefanten auff ihrer Gutsche; stieg demnach willig abe / stellete sich gegen den GroßFürsten gleich über zu fusse / da Fürst Olaff ihr eine Sammete Decke hinspreiten ließ / und hielt diese Rede: Großmächtigster / gnädigster Herr Vater; euer väterliches Herz und hochgeneigter Wille gegen mich / ist in weniger Zeit mir dermassen bekant worden / daß ich eine Todsünde begehen würde / wann in denselben ich einigen zweifel setzete; daher ich dann die feste Zuversicht gefasset / es werde euer Vaterherz das untertähnige demühtige Ansuchen euer Hochheit ergebenen Tochter nicht verstossen / sondern ihr behägliche und erfreuliche Antwort wiederfahren lassen. Vor erst aber erkühne ich mich zu fragen / warumb doch mein Herr Vater meinen herzallerliebsten Gemahl Fürst Herkules so hart beschweren / und ihm alsbald die lastsame Bürde der Herschaft aufladen wil / da doch nicht allein mein Herr Vater sein Reich bißdaher so löblich beherschet / sondern auch noch stark / vermögen und verständig gnug ist / demselben weiter vorzustehen; hingegen mein Gemahl Fürst Herkules bißdaher vor wirkliche beherschung Land und Leute sich aufs höchste gehütet / uñ dazu sich durchaus nicht hat bereden können. Wil dann mein Herr Vater dieses nicht lassen gültig seyn / ey so endere ihre Hocheit doch diese ihre gefassete Meinung nur umb meinetwillen /uñ gönne mir nach so grossem ausgestandenen Herzleide / daß ich mich an meinem herzallerliebstẽ Gemahl ein wenig ergetzen möge / welches die unaufhörlichen Reichsgeschäfte sonst nicht[633] zulassen würden; massen / wann ich meinete / ich hätte ihn bey mir am Tische sitzen / würde er sich hinweg machen / den Königlichen Stuel besteigen / und den Untertahnen Recht sprechen müssen. Nun mir zweifelt nicht / mein Herr Vater werde diese meine erste öffentliche Bitte mir nicht ungnädig abschlagen / sondern uns ein wenig ruhe gönnen / nachdem wir bißdaher die weit abgelegenen Weltwinkel durchkrochen / und fast keinen Tag allein mit einander reden können; es ist uns gnug uñ übrig gnug / daß wir schon wissen / was wir nach unsers Herrn Vaters Tode (welchen Gott ja lange verhüten wolle) dereins seyn sollen / daß wir noch zur Zeit nicht begehren. Hierauff kehrete sie sich umb nach dem Heer / und redete dasselbe also an: O ihr unüberwindlichen Teutschen! wie könnet ihr mit geduldigen Ohren anhören / daß euer GroßFürst / der euch bißher so wol und redlich vorgestanden / sich euer gar abzutuhn vorhabens ist? lieber gebet nicht zu / daß durch seine abdankung eure schuldige dankbarkeit gehindert werde / welche zuerzeigen ihr nach eingepflanzetem Recht gehalten seid; deswegen helffet mir und meinem Gemahl bitten / daß euer GroßFürst /der euch bißdaher so wol geschützet / den Reichsstab in der Hand behalten / und ja nicht ablegen möge. O ruffet ihm den Nahmen eines Königes zu / dz wie ihr dem Bömischen / Frisischen und andern umliegenden Königreichen weder an Macht noch Adel / noch weitleuftigkeit ichtwas bevorgebet / auch an der Benahmung nicht geringer seid / weil eure Voreltern von undenklichen Jahren her / unter Königen gelebet haben. Sehet da; werdet ihr helffen / daß meine Bitte haften kan / wil ich dem ganzen Teutschen KriegsHeer durch die Bank hin ein Denkgeschenk austeilen /und einem jeden ohn unterscheid zwo Kronen einreichen lassen. Die KriegsObersten liessen sich hierzu leicht bereden / traten vor den Elefanten / und fing ein vornehmer Herr unter ihnen also an: Großmächtigster / unüberwindlicher GroßFürst / gnädigster Herr und Landes-Vater; wie gnädig eure Hocheit sich gegen uns seine ungehorsame Untertahnen hat erzeiget / und nach erlassung aller mißhandelung und Straffe / ihren geliebten Herr Sohn den unvergleichlichen Held /GFürst Herkules / uns zur höchsten Obrigkeit vorstellen wollen / werden wir Zeit unsers Lebens zu preisen Ursach haben / und doch ni ermehr gnug preisen können. Ob nun zwar an ihre Hochfürstl. Durchl. unserm gnädigsten Großfürsten / Herrn Herkules wir im geringsten nit zu tadeln haben / sondern bekennen müssen / auch willigst bekennen / daß seine preißwirdige Tahten des ganzen Teutschen Nahmens Ehre seyn und ewig bleiben werden / so ist doch auff dessen / wie auch der unvergleichlichen Großfürstin und Frauen / Fr. Valiska / inständiges begehren / an Eure Hocheit unser aller flehendliches suchen und untertähnigstes bitten / dieselbe wollen ihren Untertahnen nicht so schleunigst aufdanken / sondern denselben etwas Zeit gönnen / daß vor erzeigete väterliche Gnade sie ihr dankbegieriges Herz in etwas sehen lassen können. Damit aber Eure Hocheit sehe und gnädigst merke / wie genehme derselben Vortrag uns allen sey / so verpflichtet sich hiemit und Krafft dieses / das TeutscheReich / daß wir seine Großfürstl. Durchl. Herrn Herkules nicht weniger ehren / fürchten und lieben wollen / als ob er schon auff dem Reichs Stuel sässe / aber doch / wie schon erwähnet / wollen ihre Hocheit wir untertähnigst und demühtigst nochmahls ersuchet haben / dieselbe wolle bey Lebzeit /den ReichsStab nicht aus den Händen legen. Schließlich zeiget der Adel und die ganze Gemeine an / daß sie nach diesem nicht mehr zugeben können /[634] daß ihre Hocheit den Nahmen eines Großfürsten / sondern Königes der Teutschen führe / wie denselben ihrer Hocheit Vorfahren vor langen Jahren / nicht ohn Schrecken der Feinde geführet haben; erklären auch hiemit dieselbe vor ihren König / wie dann seine Durchl. Großfürsten Herkules gleicher Gestalt vor ihren schon erwähleten und bestätigten König; als auch die beiden Durchl. Großfürstinnen und Frauen / Fr. Gertrud /und Fr. Valiska vor ihre allergnädigste Königinnen. Worauff das Geschrey wüste durcheinander ging / da etliche den beiden Königinnen Glük / Heil / Friede /Gesundheit und langes Leben zurieffen / daß der Redener sein Wort nicht ausführen kunte / welcher willens war vor das von Fr. Valisken angebohtene Gnadengeschenk untertähnigst zudanken / und Könige Baldrich im Nahmen der Teutschen Stände zu der Friesischen Kron glük zu wünschen. Der alte Großfürst sahe nunmehr / daß er seinen Vorsaz nicht kunte zu Werk richten / und gab sich in des Landes und seiner lieben Kinder Willen. Das übrige dieses Tages ward mit aller Fröligkeit zugebracht / und sahe man seinen wunder / wie die Teutschen Völker eine solche unzählige Anzahl Kränze / in Gestalt Königlicher Kronen von Laub / Graß / Korn / Kräutern / Blumen /und was sie haben kunten / flochten und herzu trugen / daß sie bey unterschiedlichen Hauffen in die zehn Ellen hoch / und eins so breit aufeinander lagen. Die Fürstlichen Häupter hielten sich in einem grossen Zelt beyeinander / da König Baldrich (weil sie von dem ergangenen Wendischen Kriege ihr Gespräch hattẽ) zu Königin Valisken sagete: Wann der allerhöchste Gott diese Welt und alle Königreiche mit Väterlichen Gnaden-Augen ansehen / und sie mit einander zum Christentuhm bringen möchte / alsdañ würde ohn Zweifel zuhoffen seyn / daß Krieg und Unfriede würde auffhören / und durchgehends vertrauliche Christliche Einigkeit gestifftet werden / nachdem unser Heiland seinen Jüngern und gläubigen in seinem heiligen Worte einen so gar ernstlichen Befehl erteilet hat / daß sie sich untereinander lieben / und nit allein alle ungebührliche Feindschaft ablegen / sondern man auch seinen Feinden gutes tuhn / und dem Beleidiger alle Freundschafft und Liebe-Dienste erweisen solle / welches alsdann ein jeder / hohes und niedriges Standes würde müssen in acht nehmen / wo er sonst nicht wolte vor einen Unchristen gehalten seyn. Valiska schwieg auff solche Rede ein wenig stille / bald hernach sagte sie zu Herkules: Ich muß bekennen / daß mein lieber Bruder / König Baldrich sehr wol und vernünfftig geurteilet hat / und halte ichs mit ihm / daß wann die Christliche Lehre durch alle Welt wird angenommen / und das Heidentuhm auffgehaben seyn / wie man ja dazu überaus grosse Hofnung hat / alsdann werde nicht allein das unbefugte BeleidigungsSchwert / sondern auch das eigentähtliche RachSchwert zubrochen / und aus der Welt verbannet werden. Aber Herkules gab ihr diese Antwort. Ja mein trauten Schatz / so müste es zwar billich seyn /wañ nach algemeiner Einführung des Christlichen Glaubens ein jeder / wes Standes er seyn möchte / seinen Glauben mit seinen Werken zuzeigen gefliessen seyn würde. Aber meinet ihr dann / daß der hellische Friedenstörer alsdann schlaffen / und die Menschen /insonderheit / hohe weltliche Häupter unangefochten lassen werde? Es hat ja der Sohn Gottes uns viel ein anders zuvor gesaget / daß nehmlich am Ende der Welt / oder in den lezten Zeiten man noch am allermeisten von Kriegen und Kriegsgeschrey hören werde; welches ohn zweifel von den Christen selbst zuverstehen ist / wann alle Welt sol Christlich werden. Valiska antwortete[635] hierauff: Je was werden dann diese wol vor Christen seyn / welche wider ihres Heylandes Befehl und Willen so vorsezlich zuhandeln /uñ öffentliche Beledigungs Kriege anzufahen sich nicht scheuhen werden? Ach mein Seelichen / sagte er hierauff; weiß sie dann nicht / daß heut schon unter den Christen viel gefunden werden / welche sich zwar zur Kirchen Gemeinschafft bekennen / und nicht desto weniger einer und anderer Boßheit ihre Seele gewiedmet haben? Betrachtet nur den schänd- und schädlichen Lehr-Krieg / welcher von den Ketzern in der Kirche geführet wird / die sich alle vor Christen angeben / und dannoch biß auffs äusserste sich katzebalgen. Es werden aber / sagte Valiska / die Christlichen Lehrer und hohen Häupter der Kirchen wol durch ihr einreden und vermahnen / die unbefugten Kriege können hintertreiben / und durch angeführte Ursachen /deren sie aus Gottes Wort mehr als tausend zunehmen haben / die Könige und Fürsten zu friedliebenden gedanken bewägen. Ja / sagte Herkules / wañ dieselben allemahl möchten gehöret werden. Wie sol aber ein grosser König oder Fürst es machen / wann er von einem andern seines gleichen hefftig und hart beleidiget wird? sol er darzu stille schweigen / und solche Unbilligkeit zustraffen allerdinge vergessen seyn? Valiska / nach kurzem stilleschweigen und tieffem nachsinnen / gab zur Antwort: Es müsten alle Könige und Fürsten / die niemand vor ihren Obern / als Gott und das Schwert erkennen / dieselben / sage ich / müsten vermöge ihrer geistlichen Gemeinschafft dessen einig seyn / daß wann einer ihres Mittels / einem andern unrecht tuhn / oder sonst tähtliche Beleidigung anfügẽ würde / die andern sich alsbald darein mischen / und beyden Teilen aufflegen müsten / daß sie der übrigen allen Machtspruch sich unterwerffen / und der Beleidiger endlich dem Beleidigten gnugsame Erstattung leisten müste. Würde aber der eine Teil sich dessen wegern / so daß der beleidigte nicht wolte ohn Rache sich lassen befriedigen / oder der Beleidiger seinen Fehler nicht wolte erkennen noch verbessern / als dann stünden die übrigen alle an des Friedfertigen Seite / und zwüngẽ den Kriegsüchtigen zur Billigkeit. O mein Schaz / antwortete Herkules / wie schwerlich würde sich dieses werkstellig machen lassen. Der eine würde einen Verwanten / einen sonderlich gewogenen Freund / einen geträuen Nachbar haben / umb dessen Beystand er sich würde bewerben / und dadurch unter allen Königen Uneinigkeit machen / daß sie leicht in zween Hauffen ritten / und beide streitende Teile ihren Anhang hätten / worauff es über uñ über gehen / und der böse Friedenstörer der leidige Satan keine bessere gelegenheit ihm wünschen könte / die ganze Christenheit aneinander zuhetzen; da er sich insonderheit würde bemühen / der Könige ihre hohen Bedienetẽ zum Geiz zuverführen / durch dessen getrieb sie von den Gewalttähtern würden Geld nehmen / und mit Judas Ischarioth wol ihre Herren gar verrahten. Dann wo der Geiz herschet / oder die Geizigen gewalt und gehör habẽ / da hat Satan seine geträuen Leute im Spiel / durch welche er seinen Vorsaz / das ist / Krieg und Mord leicht erhalten kan. Sonsten gestehe ich gerne / daß wann die ganze Welt zum Christlichen Glauben gebracht währe / und ein jeder König oder grosser Herr sein Gewissen in acht nähme / insonderheit aber dessen sich erinnerte / daß er am grossen algemeinen Gerichts Tage / von alle dem Blute / welches auf seine Veranlassung vergossen ist / Rechenschafft geben müste / würde Satan nicht so leicht können blutige Kriege anzetteln / es währe dann / daß einer oder ander König das Christentuhm im Munde /und des bösen Teufels[636] Willen im Herzen führen möchte. Zugeschweigen / daß zwischen etlichen Ländern und Völkern eine solche eingewurzelte Feindschafft ist / dz deren Vergleichung und Liebe scheinet eine lautere Unmögligkeit seyn. Ladisla redete mit darein / weil er sahe / dz seine Schwester hieselbst eine geraume Zeit ihre Antwort hinter hielt / uñ sagte: Ich vor mein Häupt wil diesen Sachen so weit nicht nachdenken / nur möchte ich gerne berichtet seyn / ob dann keinem Christlichen Könige von Gott zugelassen sey / einigen Beleidigungs Krieg anzufahẽ; dann daß er sich und seine Untertahnen wider frevelmühtige Anfälle wol schützen / und gewalt durch gemalt abtreiben dürffe / daran wil ich schier nicht zweifeln /demnach wir ja in Gottes Worte lesen / daß recht fromme gottselige Könige und Obrigkeiten / zeit des Alten Bundes / das Schuz Schwert mit gutem Gewissen / ja wol gar auff Gottes Befehl das Rach Schwert ergriffen / und dessen glüklich gebraucht haben. Diese Frage / mein geliebter Bruder / kan viel leichter erörtert werden / sagte Herkules; Und ist diß meine Meinung / daß so lange einiger beleidigten Obrigkeit der Weg Rechtens offen stehet und gegönnet wird /kan sie mit gutem Gewissen keinen Krieg ansahen noch führen / man möge den Krieg auch täuffen wie man wil. Solte aber dem beleidigten aller Weg Rechtens verlegt und abgeschnitten werden / dann wird derselbe nicht zuverdenken seyn / wann er mit dem Schwerte suchet / sich der Unbilligkeit und gefahr zuentschütten / oder auch sein Recht zusuchen. Wiewol eine Christliche Obrigkeit alle und jede Umstände vorher wol und fleissig zuerwägen hat / ehe sie den Harnisch anleget. Insonderheit muß alsdann solche Obrigkeit sich hüten / daß sie sich nicht lasse zu einer grösseren Rache verleiten / als die eingenommene Beleidigung erfodert; noch unschuldig Blut vergiesse /da sie dessen kan geübriget seyn. Dann Menschen Blut ist vor unserm Gotte sehr teur und wert geschätzet / und mag eine jede Obrigkeit sich dessen wol versichern / daß wann dieselbe Krieg und Blutvergiessen veranlasset / sie vor dem hohen Gericht des Allerhöchsten Gottes von solchem unschuldig vergossenen Blute wird Rede und Antwort geben müssen; Und O weh denen / die solches nicht vor ihres Lebens Ende erkennen und rechtschaffen bereuen; denẽ wird Gottes Strafhand gar zu schwer und unleidlich fallen. Betreffend die grossen und blutigen Kriege / welche Moses /Josua / David und andere wider die Ungläubigen geführet haben / damit hat es seine sonderliche Beschaffenheit; dann weil solche heydnische Völker / wider welche diese Kriege geführet wurden / durch ihre übermachte Sünden es dahin gebracht hatten / daß Gott über sie die Straffe der Ausrott- oder Vertilgung beschloß / und solches sein Gericht an ihnen zuverüben diesen seinen fro en Dienern anbefahl / waren solches keine menschliche / sondern des HErrn Kriege / wie sie auch in Gottes Wort genennet werden / über welche alhie kein Mensch seine Urtel fellen / sondern mit König David sagen muß: HErr du bist gerecht /und deine Gerichte sind gerecht. Sonsten daß unser Gott kein gefallen an denẽ Kriegen haben könne /welche unter Christen geführet werden möchten / solches wird wol niemand in Zweifel zihen / es währe dann / daß er Gottes Wort und Warheit wolte zu Lügen machen; Dann was der grosse Lehrer Paul den Christen insgemein gebeut / da er spricht: Ist es möglich / so viel an euch ist / so habt mit allen Menschen Friede. Und der Sohn Gottes: Selig sind die Friedfertigen / dann sie werden Gottes Kinder heissen; solches ist nicht allein den Untertahnen / sondern auch der Obrigkeit angesagt / und stehet an[637] stat eines gnugsamen Beweißtuhms / daß alle Kriege / deren man irgend kan müssig gehen / den Gläubigen keines weges erläubet sind; haben auch solche Kriegsüchtige schon die gedräuete Straffe / daß sie Gott zustreuen wolle. Sie wurden endlich in dieser Unterredung verstöret /weil bey den Völkern ein überaus grosses Geschrey sich erhub / dessen ursach zu erfahren sie aus ihrem Gezelt hervor gingen / und sahen / daß etliche hundert Mann einen Kranz von Graß / Korn / Laub und Blumen hinzu trugen / in solcher grösse und weite / daß alle Fürsten sich dessen verwunderten; weil alle Träger in dessen Kreise stehen / und darinnen rings umher gehen kunten. Es wahren aber lauter Friesische Untertahnen / welche ihn gemacht hatten / brachten auch denselben ihrer neuen Königin Fr. Lukrezien herzu / legten ihn zu ihren Füssen / und wünscheten ihr so mannichen glüklichen Tag / als Blumen / Graß / Kornhalme und Laub an diesem Kranze währen. Welches ihr Gemahl / König Baldrich mit guter Freundligkeit beantwortete / und allen Trägern eine sonderliche milde Gabe versprach. Sie machten sich darauf wieder in ihr Gezelt / uñ suchten durch allerhand Unterredungen sich zuergetzen; aber es wolte dañoch die Fröligkeit bey den Königl. Häuptern nit volko en seyn / wegen der eingemischeten Trauer- uñ Leidgespräche / welche von dem verlorne Fräulein /bald von einem bald vom andern angeführet wurdẽ; da insonderheit die liebe Mutter sich i erzu ängstete /und sich gar nit wolte bereden lassen / dz sie añoch im Leben seyn solte / insonderheit als ihr um dieselbe Zeit im Schlaffe vorkam / wie sie zwey tieffe Wasser sähe / in deren einem ihre liebe Tochter biß an dẽ Halß wadete / uñ mañichmahl gar unter die Wellẽ kam; in dem andern aber Fürst Arbianes noch grössere gefahr ausstund / weil unterschiedliche ungeheure Fische auff ihn ansetzeten / und ihn zuverschlingen dräueten. Sie erzählete solches ihren lieben Kindern nicht ohn Trähnen / welche daher auch wenig gutes zu deuten wusten / ohn daß Königin Valiska sie versicherte; es währe ihrer Gn. Fr. Mutter dieses zweifels ohn noch zum troste von Gott also vorgestellet / massen sie daher die sichere Hofnung fassete / daß sie noch beyderseits im leben / aber in unterschiedlicher Gefahr / auch wol von einander getrennet seyn möchten. In welcher Auslegung sie dann nicht umb ein Haar fehlete. Des andern Tages nach der geendigten Fehde ließ Baldrich seine Friesen wieder zurük gehen / gegen welche er sich gebührlich bedankete / uñ wegen geträuen beystandes ihnen alle Königliche Gnade versprach / neben der Verheissung / daß allen die ihm zugezogen währen noch ein halbes freies Jahr / nach dem schon versprochenen ganzen Jahre / solte geschenket seyn; über welche mildigkeit sie sich zum höchsten verwundertẽ. Er behielt aber auff Herkules gutachten deren 9000 bey sich / die er biß nach Prag mitführen solte / ob etwa der Teufel auch in Böhmen loß werden wolte / daß man einen nohtschuz bey sich hätte / und wurden dieselben mit den 6000 Wenden in ein Heer zusammen gesezt / doch daß jede Landes-Art ihre eigene Befehlichshaber und Geschwader hatten. Die Teutschen musten gleicher gestalt ausser 12000 /alle miteinander nach hause gehen / die genennete aber bey ihren nunmehr bestätigten Königen bleiben /da alles Volk nebest den Pfaffen angeloben musten /daß sie von der Christen Gott und ihrem Glauben nichts spöt- oder verächtliches / vielweniger lästerliches reden wolten; dagegen solten sie in ihrem Gottesdienste auch ungestöret / unangefochten und unbespottet bleiben; wiewol einem jeden Untertahnen freistehen solte / wann ihm aus ungezwungenem freien willen belieben würde / den Christlichen[638] heiligen und allein seligmachendẽ Glauben anzunehmen / wiewol gar wenig sich anfunden / deren Herz von Gottes Geiste zu solcher heilsamen Bekehrung gerühret ward /so gar wahren sie in ihrem heidnischen Irtuhm und väterlicher gewohnheit ersoffen. Als sie sich auff den Weg nach Magdeburg begaben / säumeten sie auff der Reise nicht lange / und behielt Ladisla umb mehrer sicherheit willen / alle seine Böhmen bey sich / biß sie zu Magdeburg anlangeten / da musten sie alsbald fort nach ihrer Heimat gehen / jedoch 9000 bey ihrem Könige verbleiben. Weil nun hieselbst auff fleissige Nachfrage kein Mensch das allergeringste von dem verlohrnen Fräulein zu sagen wuste (dann die Mutter hatte Hofnung gehabt / hieselbst etwas zuerfahren) da ging das Herzleid von neuen bey ihr an / so daß sie alle Hofnung verlohr / sie Zeit ihres lebens wieder zu sehen / drunge auch stark darauff / daß man ihres todeswegen die Trauer anlegen solte / welches sie aber nicht erhalten kunte. Ihr Hoffgesinde / so dem Heidentuhm annoch ergeben wahr / sucheten vor sich selbst bey ihren Pfaffen an / aus den Opffer-zeichen oder anderen üblichen nachforschungen ihnen anzumelden / wie es mit dem Fräulein möchte beschaffen seyn / dann sie ward von hohen und nidrigen wegen ihrer Demuht und Frömmigkeit überaus heftig geliebet; aber es wolten die Pfaffen sich weder durch schenkungen noch verheissung bewägen lassen / das allergeringste davon zu melden / aus furcht / sie würden ihre Obrigkeit dadurch beleidigen / weil ihnen bewust wahr / daß die Christen solches alles vor ein Affenwerk und Narrentand hielten. Ladisla währe gerne bald wieder zu Prag gewest / aber König Henrich wolte ihn vor seiner und seines Sohns Herkules beschehener Krönung nicht lassen / welche des neunden Tages nach ihrer Ankunft angesetzet wahr / und die Teutschen ädlen / so vor aus gezogen wahren / solches durch das ganze Land ausbreiten musten. Herkules ließ seine und seines Gemahls Krone bey schneller Botschaft von Prag hohlen / nebest etlichen Tonnen Goldes Baarschaft / vielen Kleinoten / und 50 Fuder der mitgebrachten köstlichsten Italianischen und Griechischẽ Weine / ward auch eine herliche Bahn zum Ringelreñen vor dem Schlosse angeleget / und bemüheten sich die Jäger allerhand Wildbrät herbey zuschaffen / da die Fürsten selbst alle Tage dem Weidewerk oblagen. Der Ausschuß von den Landständen stelleten sich gebührlich ein / aber über dieselbe eine solche menge Volkes / welche der Königlichen Krönung zusehen wolten / daß umb das Königliche Schloß her von allen seiten fast eine halbe Meile Zelten und Hütten auffgerichtet wurden. König Henrich und Herkules wurden mit der Kron gekrönet / welche der Käyser selbst unserm Herkules zu Padua auffgesetzet hatte / die beyden Königinnen aber mit Valisken Kron / welche sie eben an dem Ort hatte empfangen / und ist unmöglich zubeschreiben was vor ein Freudengeschrey dabey getrieben ward. Man warff ganze Säcke vol Silbergeld / und ganze Tonnen vol güldener Münze bey der Krönung aus / dessen man dazumahl in Teutschland allerdinge ungewohnet wahr / und legten die einfältigen Bauren solches also aus /als wann sie es nur auflesen / und alles wieder einliefern müsten. Wie sie aber ein wiedriges vernahmen /daß ein jeder behalten solte / was er ergriffen hätte da speiete sich mannicher selber an / daß er das auffgelesene andern hingereichet hatte / und doch nicht wuste wem. Ja etliche durften fragen / wie viel Tage solches Geldaussäen wehren würde. Bey der Königlichen Gästerey ging alles prächtig zu / nur daß die rechte Kunstweise zu Singen und auff Seiten zu spielen /von König[639] Henrich an seinem Hofe annoch nicht angeordnet wahr / daher nach gehaltener Mahlzeit Valiska an dem obersten Tische mit ihrer Lauten sich lustig machete / da die anwesende Abgeordente von den Ständen hinzudrungen / dem herlichen Spielwerk und eingerichteten Gesange zuzuhören / gleich als sie den 45sten Psalm des Königes David in einer lieblichen Weise sang / welcher also lautete.


Der XLV. Psalm.

1

Wie treibet mich mein Herz und Sin /

Und reisset mein Vermögen hin /

Ein Lied ein feines Lied zu tichten /

Vom Könige wil ich zurichten

Den aller lieblichsten Gesang;

Gleich wie ein schneller Schreiber führet

Die Feder / die er richtig spüret /

Sol klingen meiner Zungen Dank.


2

Du bist der allerschönste Mann /

Der unter Menschen leben kan /

Deß Lippen auch von Honig fliessen;

Drum wird dich Gott zusegnen wissen

Mit Freud und Wollust für und für.

Du starker Held in Unglüks Zeiten /

Dein blankes Schwert gürt an die Seiten /

Und schmücke dich mit Pracht und Zier.


3

Recht / daß der Streit und Kampf dir glükt /

Weil du so prächtig bist geschmükt.

Fahr her zu uns auff deinem Wagen

Der Wahrheit / und las dir behagen /

Was Sanfftmuht und das Recht begehrt;

So wird die Stärke deiner Rechten

Dich wunderbahrlich lehren fechten

Zu wieder dem der dich beschwehrt.


4

Scharff und durchdringend ist dein Pfeil /

Und stränger als kein Donner Keil /

Kein Volk mag dessen Schuß ertragen;

Zur Erden werden sie geschlagen /

Da wo der Feinde Schaar sich hält.

Dein Stuel O Gott kan nicht vergehen /

Dein Reichs Stab muß gerader stehen

Als wol kein ander in der Welt.


5

Gerechtigkeit die hältstu wert /

Und hassest den / der Gottloß fährt /

Es muß ihm fehlen allenthalben /

Drum hat dein Gott mit solchen Salben

Dich Gott und Herscher schön geschmiert /

Die Fröligkeit in uns entzünden /

Mehr als die sich bey dir empfinden /

So treflich bistu auß geziert.


6

Es riechen deine Kleider ja

Wie Aloes und Kasia /

Und wie die Myrren / wo du stehest /

Und her aus grossen Häusern gehest

Von Elffenbeinen auffgebaut.

So tritstu her in deinem Prangen /

Wie solchen Schmuk auch um sich hangen

Die Königs-Töchter und die Braut.


7

Zur rechten Seiten steht sie dir

In aller reinster Goldes Zier /

So gut als mans aus Ophir bringet.

O schönste Tochter / was hier klinget /

Da hör und sihe du nach aus /

Neig her die Ohren: Unterdessen

Must deines Volkes du vergessen

Und deines lieben Vaters Hauß.


8

So wird der König allemahl

Dich lieben wie sein Einig-Al /

Und deiner Schönheit stets begehren.

Er ist dein HErr / den mustu ehren /

Und ganz demühtig vor ihm stehn.

Die Tochter Zor wird Gaben bringen /

Und Reiche werden zu dir dringen

Daß sie vor deinen Augen flehn.


9

Der Königs-Tochter schöner Pracht

Ist innerlich vor höchst geacht /

Mit gülden Stük ist sie geschmücket /

Und ihre Kleider sind gesticket;

So wird sie an den König bracht;

Das Frauen Zimmer auch daneben /

Die ihr zu Dienst Gefärten geben

Sind allesamt in deiner Macht.


10

Die Heimfahrt ist mit Lust geschehn /

Ins Königs Hoff siht man sie gehn.

Du wirst viel schöner Kinder säugen

An Väter stat / und Fürsten zeugen

Der ganzen Welt. Zu aller Zeit

Wil deines Nahmens ich gedenken /

Drum werden dir die Völker schenken

Sehr hohen Dank in Ewigkeit.
[640]

Die heidnischen Zuhörer verstunden dieses Gesanges Inhalt ganz nit / meineten / es währe von eines irdischen Königes Tapferkeit und Heyraht getichtet / und hatten mehr gefallen an der gesanges Weise / als an den Worten. Ihre Fr. Mutter selbst / die alte Teutsche Königin / zweifelte / worauff sie zielete / deßwegen Valiska mit lauter Stimme zu ihr sagete: Gn. Fr. Mutter; dieser Gesang ist nichts anders / als ein Geistliches Lied / welches ein geistreicher weissagender König des Israelitischen Volkes / nahmens David /unserm Heylande und Erlöser Jesus Christ / uñ der glaubigen Christlichen Kirchen zu ehren getichtet hat / mehr als 1000 Jahr vorher / ehe derselbe unser Heyland seiner Menscheit nach an diese Welt gebohren ist / dañ der heilige Geist Gottes hat ihm solches eingegeben / er aber hat es auffgesetzet den damahligen Gläubigen zu trost / daß dieser versprochene Himmels König gewißlich kommen und nicht ausbleiben würde / wie lange sichs gleich damit verzöhe; Und rühmet alhie der Tichter den Sohn Gottes als einen himlischen Bräutigam seiner gläubigen Kirchen / wie derselbe so schön / freundlich-beredsam / mächtig und gerecht sey; seine Braut aber / daß dieselbe auch von ihrem Bräutigam treflich ausgeschmücket sey /durch welchen Schmuk die iñerliche Zierligkeit des Glaubens / der Hoffnung / Liebe / Geduld / und anderer Christlichen Tugenden verstanden wird; dañ vor dem heiligen Gotte gilt kein äusserlicher Pracht von Gold / Perlen und ädlen Steinen / sondern ein Herz /welches sich von den sündlichen Werken des Fleisches und von der Liebe der üppigen Wollust abzeuhet / und hingegen seinen Gott sich zu allem Gehorsam ergiebet. Diese Rede höreten alle im Saal versamlete Heiden mit grosser befremdung an / und begunten etliche zu sagen: Wañ der Christen Glaube also beschaffen währe / daß er nur zur übung der Tugenden anführete / so müsten es gottlose Verleumder seyn / die den Christen alle Freiheit zur Sünde uñ Schande aufbürdeten. Herkules nam auff seiner Fr. Mutter begehren die Laute auch zur Hand / und gab ihr zuvernehmen wie bereit er währe ihr zugehorsamen / nebest anzeige / er wolte ein Lied hören lassen /in welchem angezeiget würde / was vor einen herlichen und kräftigen Trost eine gläubige Seele daher zunehmen hätte / daß dieser unser himlischer Bräutigam JEsus Christ seiner Menscheit nach erhaben währe / und zur rechten der Kraft Gottes im Himmel sich gesetzet hätte; da er dañ nach einem und anderem kurzen Vorspiel (umb die reinstimmung der Lauten zuvernehmen) dieses Lied erschallen ließ.


Seelen-Trost

Uber unsers zur Rechten Gottes sitzenden Heylandes Vertretung seiner Gläubigen bey GOtt.


1

GOtt Lob! das Heil ist wieder bracht /

Die Noht ist überwunden;

Weil JEsus Christ in grossem Pracht

Sich hin zu Gott hat funden

Dann weil er nun im Himmel sitzt /

Und kräfftig seine Schaar beschützt /

Ist sie der Angst entbunden.


2

Der schwarze Satan stund vor Gott /

Der uns sehr hart verklagte;

Die Sünde macht' uns grosse Noht /

Die das Gewissen plagte;

Der Tod trat her mit vollem Lauff /

Die Helle taht den Rachen auff /

Daß alle Welt verzagte.


3

Der Eifer Gottes brante sehr /

Gesetzes Spruch wahr herbe;

Die Urtel drükte gar zu schwehr /

Wer sündiget der sterbe;

Dann Missetaht kan anders nicht /

Als daß sie stürzet ins Gericht /

Und raubt des Himmels Erbe.


[641] 4

Wie wiltu armer Sünder dann

Der Hellen Pein entgehen?

Kom schaue deinen Heiland an /

So wirstu wol bestehen;

Der dir zur Rettung ist gesand /

Sizt hoch zu Gottes rechten Hand /

Da horet er dein flehen.


5

Daselbst vertrit er dich mit Krafft

Und reinigt dich von Sünden.

Umsonst sucht Satan deine Hafft /

Dann Christ wil dichs entbinden.

Der Tod zeucht seine Klauen ein /

Die Helle muß verstopfet seyn /

Und was dich quählt / verschwinden.


6

Dein JEsus stillet Gottes Zorn /

So groß ist sein vermögen;

Bricht des Gesetzes steifes Horn /

Und macht aus Urtel Segen;

Ja alle deine Missetaht /

Die Gottes / Grim erwecket hat /

Muß sich in Abgrund legen.


7

Was fürchtestu O Sünder dann /

Was stehestu in Zagen?

Nur schaue deinen Heyland an /

Der deine Schuld getragen;

Der ist / so weit der Himmel geht /

Hoch über Engels-Krafft erhöht /

Mehr als wir können sagen.


8

Dein Fleisch O Mensch / herscht überal

In JEsus deinem HErren /

Darum bewäget dich kein Fal /

Er sey nah oder ferren.

Wer könt uns doch / wo JEsus Christ

Dein Bruder Ober Meister ist /

Die Himmels Tühr versperren?


9

Er ist des Vaters liebster Sohn /

Dem Gott noch nichts versaget;

Durch sein Verdienst ist aller Hohn

Gott Lob / vor uns gejaget;

Als er vor uns sein teures Blut

Vergossen hat mit grosser Fluht /

Und sich in Tod gewaget.


10

Der herschet nun mit voller Macht

Als Gott und Mensch zusammen;

Und weil er uns zum besten wacht /

Wird uns wol nichts verdammen;

Der Teufel sey noch eins so groß /

So gibt ihm JEsus doch den Stoß

Und wirfft ihn in die Flammen.


11

Uns aber wil er nach dem Tod'

Aus Gnaden zu sich zihen /

Und schaffen / daß wir aller Noht

Durch seine Hulff' entfliehen.

Drum trit zu diesem JEsus her /

So wird dein Heyl je mehr und mehr

Auff wachsen und vol blühen.


12

Ach ja / du süsser JEsus Christ /

Der du hinauff gestiegen /

Und Herscher über alles bist /

Laß uns nicht unter liegen.

Vertrit dein armes Häuffelein /

Und gib / das wir nach dieser Pein

Uns hin zu dir verfügen. Amen.


Es ist ein überaus grosses / sagte seine Fr. Mutter nach dieses Liedes Endigung / daß ein armer sündiger Mensch von dem allerhöchsten Gott die Freiheit hat /sich in seinen Nöhten zu ihm durchs Gebeht hinzuwenden / und dessen hohe Kraft zu seinem besten zugebrauchẽ. Zwar ich habe zeit meines Heydentuhms ja auch wol die Hofnung gehabt / meine damahlige vermeynte Götter würden zeit der Noht bey mir stehen / und mir Rettung widerfahren lassen / aber keine Zuversicht / kein Vertrauen wolte sich dabey eräugen /und wahr nicht viel anders / als wann mich der kalte Schweiß erwärmen solte. Ja gn. Fr. Mutter / antwortete Königin Valiska; wie kan man trauen / da kein grund ist? Wie kan man auff den Trieb Sand fest bauen? Ich muß ja vorhin in meiner Seele dessen versichert seyn / daß derselbe warhafftiger Gott sey / der mir helffen sol / ehe ich mich versichern kan / daß ich die gewisse Hülffe von ihm zugewarten habe. Ja ich muß zuvor auch wissen / ob derselbe geneigt und willig sey mir zuhelffen / zu dem ich meine Zuflucht nehmen sol. Dann wo es an diesem gedoppelten Grunde mangelt / da ist es dem listig-verschlagenen Teufel ein leichtes /[642] des Menschen Herz aller Zuversicht zuberauben / und die völlige Verzweifelung ihm beyzubringen. Ja es hat noch Mühe gnug / daß ein gläubiger frommer Christ vor den Anfechtungs Pfeilen dieses Hundert-Tausend-Künstlers gesichert bleibe /deren freilich die Heiligen Kinder Gottes / als lange sie in dieser gebrechligkeit wallen / nicht können allerdinge enthoben seyn; massen dieser Feind unserer Seligkeit ein unverschämter Gast ist / und sich lieber einstellet / da er nichtgeladen wird / als da er seine Stelle schon weiß. Jedoch sind wir in der SchuzHand unsers Almächtigen Gottes / der uns mit seinem GnadenSchilde decket / daß die Anfechtungs-Schüsse leer und ohn Blut abgehen müssen. Aber uns lieget inzwischen ob / Gottes Barmherzigkeit hierüber inbrünstig anzuruffen / und dabey uns fleissig zuhüten / daß wir nicht durch unsere Sicherheit und üppiges getrieb den Schuz Gottes von uns wenden / und dem Versucher uns unbewaffnet darstellen. Wann wir nun hieselbst das unsere nach Vermögen tuhn / und mit Furcht und Zittern im Glauben unsere Seligkeit wirken / ob wir gleich zuzeiten aus Fleisches Schwacheit straucheln /wil doch Gott darumb nicht alsbald die Hand gar abzihen / sondern auf ergangene Bereuung gnädig seyn /und gerne wie der auffhelffen. Ich erinnere mich / daß meine gn. Fr. Mutter mir schon mehr als einmahl ihres Herzen Anliegen zuverstehen gegeben / daß sie den Anfechtungẽ nicht allemahl zusteuren wisse; aber wir müssen den Teuffel nicht zuviel hofiren / noch auff alle seine Einwürffe uns zur Verantwortung einlassen / sondern uns auff unsers Gottes Barmherzigkeit und seines lieben Sohns Verdienst beruffen / alsdann wird der Heilige Geist seinen kräfftigen Trost in unser Herz fest einsenken / daß Satan mit allen seinen Versuchungen zu schanden werden muß. Meine herzgeliebte Fr. Tochter hat mir vor etlichen Tagen auff der Reise / da wir auf dem Elefanten beyeinander wahren / ein tröstliches Lied hören lassen / sagte die alte Königin / dessen Anfang dieser wahr: Ach wie angst ist unser Seelen / wann der Teufel auff uns sticht; und möchte ich dasselbe noch gerne einmahl hören. Valiska gab zur Antwort: Mein Herr Bruder König Ladisla hat dasselbe auffgesetzet / uñ wird verhoffentlich seiner Fr. Mutter nicht versagen / es alsbald anzusti en. Ihr Bruder sagte mit einem Lachen: Geliebte Schwester / du weist allerhand Mittel zuerfinden / mich und andere zum Schuelrecht anzufodern / so daß man nicht bald gelegenheit haben kan / die dein begehren zuversagen; nam die Laute zur Hand /gab ihr eine andere Verstimmung / und sang dieses Lied darein.


Umb Beystand des Heiligen Geistes zeit der Anfechtung.


1

Ach wie angst ist unser Seelen

Wann der Teuffel auf uns sticht;

Wann er / Herz und Geist zu quählen /

Unser Trost-Stab gar zubricht;

Wann er seine Pfeil' ohn Ruh

Scheust auff uns Elenden zu /

Und macht uns mit seinen Waffen

Unerträglich viel zuschaffen.


2

O da ist kein Trost zu finden /

Da fält alle Freude hin:

Unsre Kräffte die verschwinden /

Und der hart geplagte Sin

Schreiet lauter weh und Ach /

Lässet keine Stunde nach /

Kan die Pein nicht mehr ertragen /

Noch sein Herzleid von sich sagen.


3

Geiliger Geist / du Kraft der schwachen /

Du im tunkeln helles Licht /

Wirstu über uns nicht wachen /

Wirstu uns erleuchten nicht /

So ist es um uns getahn.

Keiner ist der helffen kan /

Wann du wirst dein Heil versagen /

Und vor uns nicht Sorge tragen.


[643] 4

Schau' auff uns elende Kinder;

Ohn dich sind wir Vater loß

Satan bleibt wol Uberwinder

Wann du Gott uns lässest bloß.

Heiliger Geist / beut uns die Hand /

Und feucht unser dürres Land;

Las dich als ein Schützer finden /

Und Anfechtungs-Feur verschwinden.


5

Höchster Trost in allen Nöhten /

Sieh' uns arme Sünder an /

Und laß vor dich unser behten.

Nichts ist das uns retten kan /

Wann du nicht die Hand anlegst

Und den Feind zu rücke schlägst;

Nichts ist / das der Teuffel scheuhet /

Als wann deine Kraft ihm dräuet.


6

Dann weiß er nicht Fus zuhalten /

Sondern muß die Flucht angehn;

Sein' Anfechtung muß erkalten /

Wann dein Heil du lässest sehn;

Wann du uns zur Seite stehst /

Und zu unser Hülff' außgehst /

Dann so müssen seine Flammen

Ihn selbst brennen und verdammen.


7

O so kom du Rettungs-Bringer.

Unsre Seele sey dein Hauß.

So wird alle Noht geringer /

So reist Satan furchtsam aus /

Und des schwachen Menschen Muht

Wächset unter deiner Huht /

Daß er allem Teuffels-wüten

Und Anfechtung Troz kan bieten.


8

Wir sind willig unsre Herzen

Dir zu liefern; nim sie an /

Und laß deines Wortes Kerzen /

Welches dunkel brechen kan /

Bey uns scheinen für und für;

HErr entzünde die Begier /

Daß wir gläubig zu dir rennen /

Und von heisser Liebe brennen.


9

Dann sol aller Teuffel Schrecken

Uns forthin nicht schrecklich seyn /

Wann wir deinen Trost nur schmecken /

Wann du zu uns kehrest ein.

Ach erhör uns Gottes Geist /

Der du heilig bist und heist;

Dann so wollen wir dort oben /

Und hie niden dich stets loben. Amen.


Herkules wolte auch eines hinzu tuhn / welches gleiches Inhalts währe / und ließ dieses erschallen:


1

Wann unsre Macht des Satans List und Pfeil /

Und seine Wuht nicht kan zu rücke treiben;

Wann unser Fleisch uns selbsten alleweil

Verführen wil / auf böser Bahn zu bleiben;

Wann Sünden-Angst zu giftig auf uns schlägt /

So daß wir uns auch vor uns selbst entsetzen;

Und unsern Geist durch Zweifelmuht erlegt /

Daß gar kein Trost ihn wieder kan ergetzen;


2

Sotrit uns zu / du grosse Himmels Kraft /

Gott Heilger Geist / gib Kraft in solchẽ Nöhten;

Las Satans Pfeil und List seyn abgeschaft /

Und daß der Geist das Fleisch mög' untertretẽ;

Die Sünden-Angst nim gnädig von uns hin /

Daß sie uns nicht in dieser Noht erdrücke;

Hilf wieder auf und stärke Muht und Sin /

Daß unser Geist sich / HErr Gott / zu dir schicke.


3

Du bist ia HErr der armen Sünder Trost /

Der schwachen Krafft / die Hofnung der Elenden;

Wann Satans Grim auff Sie gewaltig stost /

Pflegstu die Noht in Gnaden abzuwenden.

Du richtest auf was sonst er schlagen liegt;

Dein Gnaden-Strohm erquicket matte Seelẽ;

Dein Schutz ist / der die frommen nicht betriegt /

Vñ unser Herz frey macht von Satans quählẽ.


4

Diß frischet uns / O höchster Tröster / an /

Daß wir nicht gar in diesem Kampf erliegen /

Den sonst kein Mensch zum Sieg' aus führẽ kan /

Wann wir nicht Kraft durch deine Gnade kriegẽ.

Ach Heilger Geist / so steh uns schwachen bey /

Las deine Macht und Güte tröstlich scheinen;

Zu dir erhebt sich unser Noht-Geschrey /

Derwegen kom und rett' O Gott die deinen. Amen.


Fürst Olaff wunderte sich / daß diese Fürsten und Valiska das Seitenspiel und die Singekunst so wol begriffen hatten. Sein Leibdiener ein gebohrner Engeländer / wahr derselben auch wol erfahren / und hatte unterschiedliche anmuhtige Lieder aus den heydnischen[644] Geschichten / die nicht uneben gesetzet wahren / welches Königin Valiska wuste / und ihm die Laute reichete / den anwesenden ädlen eines auffzumachen; Welcher in gebührlichem Gehorsam solches leistete /und aus dem Ovidius das Getichte von dem Pyramus und der Thysbe in diesen Reimen anstimmete:


Thysben Klage über ihres Pyramus Tod.


1

Pyramus mein bester Freund /

Meines Lebens Sonne;

Meine Freud und Wonne /

Der mich träulich hat gemeint!

Was vor Unglük hat dich troffen?

Wer hat dich alhie ermordt?

Stilstu so mein sehnlich hoffen /

O du meiner Seelen Hort?

Wer hat dich erschlagen?

Wiltu mirs nicht sagen?


2

Pyramus erhöre doch

Deiner Thysben Schreihen;

Wiltu so erfreuen

Ihr angst-schweres Liebe-Joch?

Ach was sol ich nun beginnen?

Weh O weh der grossen Noht!

Ach der Herzog meiner Sinnen

Ligt vor meinen Füssen tod!

Leiden über Leiden

Wirket Todes scheiden!


3

Mein Ziel wahr in dich gericht

Und dir wahr ergeben

Mein Herz / Geist und Leben;

O freundlich Angesicht /

Wo ist deine Schönheit blieben?

Warumb bistu doch so bleich?

Das zulieben mich getrieben /

Ist nun eine todte Leich'.

O du bittre Liebe /

Darin ich mich übe!


4

Dieses Schwert sey stets verflucht /

Welches hat dein Leben

In den Tod gegeben /

Vnd dein keusches Blut versucht.

Trag' ich schuld an deinem sterben /

Wie mir zeiget diß mein Kleid;

Bin mit dir gleich zuverderben

Ich ganz willig und bereit;

Wil mit meinen Händen

Gern mein Leben enden.


5

Ich wil dein Gefärte seyn /

Vnd dich nicht verlassen

Auff des Todes Strassen;

Dieses wünsch ich nur allein:

Unsre Leiber mögen liegen

Fein in eines Grabes Raum;

Darzu wil ich dieses fügen:

O du blutger MaulbeerBaum!

Deine Beerlein färbe

Blutroht / wann ich sterbe.


Valiska lobete den Tichter / und sagete zu Olaff: Solche und dergleichen weltliche Gesänge / die weder von Göttern noch Menschen schandbahre Sachen in sich begreiffen / sondern entweder der Warheit ähnliche Erzählungen / und keusche Liebes-Reden / oder sonst der Tugend Lob uns vorstellen / sind mir nicht unangenehm. Der Lauten Spieler hörete dieses / und ließ folgendes noch darzu erklingen:


Koridons Morgen-Seuffzer.


1

Nvn die finstre Nacht ist hin /

Hoffnung hat mich jezt umfangen.

Fillis liebste Schäfferin

Bistu schon hinweg gegangen!

Warumb geh' ich nicht mit dir?

O du Sonne meines lebens /

Lieb' ich dich dann so vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfür?


2

Zwar der Sonnen-Fackel wacht /

Und die Morgenröhte scheinet /

Alles Wild im Walde lacht;

Und mein Herz im Leibe weinet.

Fillis läufstu' noch vor mir?

O du Sonne meines lebens /

Lieb' ich dich dann so vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfür?


3

Höre doch die Nachtigal /

Wie sie schon ihr Stimlein fuhret /

Wann sie klaget ihren Fal /

Daß sie unkeusch ist berühret.[645]

Fillis aller Wälder Zier /

O du Sonne meines lebens /

Lieb' ich dich dann so vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfür!


4

Schaue deine Schäffelein /

Wie sie in den Auen spielen /

Weil auch sie des Tages Schein

Und der Sonnen Hitze fühlen.

Fillis Fillis kom doch hier!

O du Sonne meines lebens /

Lieb' ich dich dann so vergebens /

Bricht dein Glanz noch nicht herfür?


5

Unsre Heerden weiden all /

Welche Berg und Tahl besteigen /

Und der Schäffer-Pfeiffen-Schall

Läst die Echo nimmer schweigen.

Fillis Fillis kömstu schier?

O du Sonne meines lebens

Lieb' ich dich dann so vergebens /

Bricht dein Glanz noch nicht herfür?


6

Deine Schäflein weiden nicht /

Wer wil deine Lämmer tränken?

Gib mir deiner Augen Licht /

Die mein Herz abwesend kränken.

Deiner wart' ich mit begier.

O du Sonne meines lebens /

Lieb' ich dich dann so vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfür?


7

Hat dich Unglük übereilet?

Hat dich wa der Wolf verletzet?

Hastu dich wa sonst verweilt /

Oder untern Baum gesetzet?

Scheuhstu wa das wilde Tihr?

O du Sonne meines lebens /

Lieb' ich dich dann so vergebens /

Bricht dein Glanz noch nicht herfür?


8

O ihr Hirten jauchzet nicht /

Lasset die Schalmeien schweigen;

Lasset euer Traur-geticht

Hin biß an die Wolken steigen;

Ruffet / rufft / (was schweiget ihr?)

O du Sonne meines lebens /

Lieb' ich dich dann so vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfür?


Das Königliche KrönungsFest ward drey Tage feirlich gehalten / da unter andern / sechs grosse Bähren mit so viel Ochsen kämpffen musten / welches eine feine Lust zu sehen wahr / uñ vier Ochsen auch zween Bähren das Leben einbüsseten. Die versamleten Bauren hatten auch ihre gewöhnliche übungen mit dem Steinwurff und dergleichen; unter anderẽ kurzweilen hatten sie eine Gans an einen Quehrbalken bey den Füssen auffgehenket / unter welchem sie mit vollem rennen herjagen / und nach der Gans greiffen musten / da der / so ihr den Hals abrisse / eine Tonne Bier zum Gewin davon brachte. Nach geendigtem solchem Fest schicketen sich die unsern zur Reise / welche die beyden jungen Königinnen vor allen andern befoderten /weil nach ihren jungen Herrlein ihnen sehnlich verlangete.

Es wird aber Zeit seyn / daß wir dem höchst betrübten Großfürstlichen Fräulein ein wenig nachfolgen / umb ihren elenden Zustand anzuschauen / welches ohn mitleiden nit geschehen kan. Dieselbe hatte auff ihres getråuen Wolfganges emsiges anhalten sich endlich noch erhoben / und einen ungebahneten Weg /Leute anzutreffen / vor sich genommen / aber biß eine Stunde vor Abends sahen sie keinen Menschen / endlich stiessen drey / dem äusserlichen ansehen nach /erbare alte Männer auff sie von der linken Seiten her; welche auff ihre nachfrage / ob in der Nähe kein Dorff währe / zur Antwort gaben; nicht weit von hinnen hätten sie in einẽ Flecken ihre Wohnung; ermahneten sie mitzugehen / und vertrösteten sie guter Herberge. Das Fräulein ward ihrer Geselschaft froh / und sagete: O ihr ehrliche Männer und gute Freunde / des müsse euch Gott im Himmel lohnen / daß ihr uns zu rechte weiset / damit wir nicht in dieser Einöde dürffen liegen bleiben; und möchte ich wünschen / daß euer Flecken nicht gar zu weit währe / ich werde sonst schwerlich so weit gehen können. Wir werden gar bald dahin gelangen antwortete der eine / fragete auch darauff / was vor[646] Leute sie währen; dem Wolffgang antwortete; diese junge Frau währe seines Bruders Eheweib / und wohnete in Frießland jenseit der Isel /dahin sie zu gehen willens währen. Nun hatte sich aber Wolfgang in der Welt gar verlohren / und da er meinete nach der Isel zukommen / ging er immer weiter davon abe; welches diesen dreyen die gewisse muhtmassung gab / sie würden zweifels ohn dieser Länder unbekant seyn; sageten doch / sie gingen gar recht / und würden die Isel bald zusehen bekommen; aber ehe Wolfgang sichs versahe / nahmen ihrer zween ihn bey den Armen / der dritte setzete ihm das Messer an die Kehle / uñzwang ihn / anzuzeigen / ob er Geld bey sich hätte / solte ers albald hergeben /oder seines lebens beraubet seyn. Dieser / mehr wegen der Fräulein als sein selbst vor dem Tode sich fürchtend / erboht sich zu alle ihrem Willen / und langete die 100 Kronen hervor / die er bey sich vernähet hatte. Das Fräulein gedachte hieselbst / sie müste auch Geld geben / oder sterben / rieff aus grosser Angst / und sagte mit kläglichen Geberden: Ach ihr guten Leute / tödtet diesen meinẽ Schwager nicht /damit er mich durchbringen könne / ich habe auch noch Geld bey mir / daß wil ich euch alles gerne einhändigen; langete auch allenthalben hervor / da sie meinete etwas vernähet zu seyn. Diese drey Diebe /welche eigentlich Pferde aus der Weide zustehlẽ ausgangen wahren / erfreueten sich der guten Beute / kehreten sich weiter nicht an sie / sondern liessen sie immer vor sich hingehen / schenketen auch Wolfgangen auff sein bitliches anhalten drey Kronen Zehrgeld / und machten sich von ihnen hinweg / wolten ihnen gleichwol nicht anzeigen / wo sie Leute antreffen könten / dann sie fürchteten / man würde sie verfolgen /da das Fräulein anfing: Ach du almächtiger Gott / wie greiffestu mich doch so gar hart und ernstlich an; du hast mich von meinen lieben Eltern / hernach von meinem allerliebesten Fürsten geschieden; nun bin ich überdas noch aller Lebensmittel beraubet / welche mehrenteils im Feur auffgangen / und das wenige überbliebene mir nun gar abgeno en ist; doch mein Gott / erhalte nur den lieben Fürsten beim Leben /und mich bey ehren / daß wir endlich frisch und gesund wieder mögen zusammen kommen. Sie hatte diesen ganzen Tag weder gegessen noch getrunken / und wahr vom lauffen so müde / daß sie keinen Fuß mehr nach sich zihen kunte. Wolfgang wünschte nichts mehr / als nur ein Dorff oder Stad zuerreichen / da er das Fräulein bey Leute bringen / und er einen des weges erfahrnen Menschen antreffen möchte / der ihn wieder auff den Weg nach seinem alten Vetter brächte / dañ wolte er schon Gelder finden / und dem Teutschen GroßFürsten nachzihen / der das Fräulein mit gnugsamer begleitung abholen würde. Als er aber sahe / daß sie vor mattigkeit nit weiter fortgehen kunte / sagte er zu ihr: Frau / der Abend fält mit macht herein / und wir sind im offenen Felde da keine Bahn ist; lieber stärket euch aufs beste / ich hoffe /wir werden bald bey Leute kommen / dann wir haben die Sandhügel überwunden / und gerahten an besametes Land / welches dort von ferne sich blicken lässet /da wir dann einen Landweg antreffen werden / so haben wir wils Gott unsere mühselige Reise abgelegt. Ja wol abgelegt / mein guter Wolfgang / ja wol abgelegt / sagete sie; ich fürchte sehr / sie werde erst recht angehen / machte sich doch aufs stärkeste / und ließ sich von ihm bey der Hand leiten / biß sie gar nicht mehr folgen kunte; da fassete er sie / wie er ein starker untersezter Mensch wahr / und trug sie eine grosse Viertelstunde / biß er bey eine Heerstrasse kam / woselbst er sie nidersetzete / umb ein wenig zu ruhen /und wahrzunehmen / ob nicht ein Mensch des Weges reisen[647] würde. Endlich sahe er einen Lastwagen daher fahren / welcher zimlich schwehr beladen wahr / und baht den Fuhrman / er möchte diese Frau welche sich sehr müde gangen / biß an das näheste Dorff auffsitzen lassen. Der boßhaffte unbarmherzige Mensch aber wegerte sich dessen; seine Pferde währen auch müde / und den ganzen Tag abgetrieben; so müste er über das eilen / damit er das Dorff vor später Nacht erreichete; sie währe ein junges frisches Weib / die den Weg noch wol gehen könte / welcher in einer halben Stunde würde geendiget seyn; wie wolte sie ihm gethan haben / wann er gar nicht kommen währe. Das Fräulein hatte sich ein wenig ausgeruhet / nur daß sie die Füsse wund gangen / und erboht sich gegen Wolffgang / sie wolte so weit noch wol gehen; weil er aber ihr hinken über sein Herz nicht bringen kunte /nam er sie wieder auff den Rücken / und trug sie fort /da sie von dem mehr als halbtrunkenen Fuhrman so viel schimpflicher Reden annehmen muste / daß ihr die Trähnen aus den Augen schossen / und doch alles geduldig erlitte. Du fauler Balg / sagte er unter andern zu ihr / lässt du dich als ein jähriges Kind von dem Kerl auff dem Puckel tragen? pfui schäme dich du Muz; wann ich dein Kerl währe / ich wolte dich mit der Peitsche dergestalt wissen zustriegeln / du soltest mir wie ein Tanzpferdichen springen. Bald griff er auch Wolffgangen an; mein Kerl du must lieber tragen als ich / daß du das junge faule Weib auff dem Rücken fortschleppest; laß das Weib lauffen auff den Füssen die ihr angewachsen sind / und wann du ja etwas tragen wilt / wil ich dir schon eine Last auflegen / daß meine Pferde etwas Leichterung empfinden. Nun wolte Wolffgang sich mit ihm nicht gerne überwerffen / sondern sagte / er solte ihn seines Weges gehen lassen / wie er ihm ja an seinem fahren nicht hinderlich währe; könte er erkennen / daß seinen Pferden eine Müdigkeit zustossen könte / warumb solte dann ein schwaches Weib nicht können matt werden. Worauff der Unflaht so garstige Reden ausschüttete /daß das züchtige Fräulein darüber erstarrete / insonderheit als er anfing sie unzüchtig zubegreiffen / und ihr bald darauff einen Groschen boht / seines Willens zupflegen. Wolffgang redete ihm ein / er solte wissen / daß er mit keinem unzüchtigen Weibe fortginge / uñ dafern er sie weiter mit schändlichen Worten und anderer Ungebühr antasten würde / solte ers mit ihm zutuhn haben / nachdem er schuldig währe / sich seiner Schwägerin anzunehmen. Ja du Knolle / antwortete er / ich fürchte mich gleich so wenig vor dir / als vor dieser jungen Metzen / und nun sol und muß sie meines Willens seyn / oder ich wil euch beyden die Hälse umdrehen; fassete zugleich die Peitsche / und hiebe das Fräulein umb die Beine unbarmherzig gnug; worüber Wolffgang alle Geduld verlohr / und in solchen Eifer geriet / daß er einen Stein fassete / und damit auff den Buben loßging. Derselbe nun fiel ihm alsbald in die Haar / und gedachte ihn zur Erde niderzureissen / welches ihm aber fehlete / kahmen mit einander zuringen / und weil Wolffgang sich durch das gehen zimlich abgemattet hatte / solte der ander ihm schier überlegen gewesen seyn / arbeitete sich endlich von ihm loß / und als er sahe / daß jener sein Brodmesser hervor suchete / ihn damit zuerstechen / er aber den Stein noch in der Hand hatte / schlug er ihm damit die Hirnschale ein / daß er alsbald niderfiel /und nach wenig zappeln das Leben auffgab. Erst geriet das Fräulein in die allergrösseste Angst / und sagete: O du barmherziger Gott / nun fallen wir ja erst in die aller schlimmeste Lebensgefahr. Ach Wolffgang / Wolffgang / hattet ihr ihn doch nur immerhin peitschen lassen / er würde[648] vielleicht nichts ungebührliches vorgeno en habẽ. Davor wolte ich zehnmahl sterbẽ / antwortete er / ich habe dẽ gottlosen Schelm schon viel zuviel zu gute gehaltẽ / uñ schäme mich /dz ich ihm nicht gleich anfangs das Schandmaul gestillet habe; grif dem schon verschiedenen in den Schiebsak / fand einen zimlichen Beutel mit Gelde /und eine frische Semmel bey ihm / gab solche dem Fräulein / und steckete das Geld zu sich / schleppete hernach die Leiche hinter einen dicken Pusch / trieb den Wagen nach der andern Seite vom Wege ab / da die Pferde einen jehen Hügel hinunter renneten / und der Wagen gar umschlug / daß die Pferde weder hinter noch vor sich kunten; Er aber fassete das Fräulein wieder auff / und lief / so viel ihn Angst und Gefahr treiben kunte / biß er endlich vor dem Dorffe anlangete / da es schon zimlich finster wahr / ging nach der Baurschenke / und ließ ihm Speise uñ Trank geben /so gut es zubekommen wahr / da dann das Fräulein sich des Schreckens zimlich erhohlete / auch eine gute Mahlzeit hielt / und bald darauff ihr eine Sträu machen ließ / darauf sie die ganze Nacht hindurch wegen der grossen Müdigkeit schlief. Zwo Stunden nach ihrer Ankunfft entstund das Geschrey im Dorffe / des Schenken Wage läge mit samt den Pferden unten am Hügel / eine halbe Viertelmeile vom Dorffe / und währe kein Mensch dabey; welches seinem Weibe angesaget ward / die darauff anfing über ihren Mann sich hefftig unnütze zumachen; es währe des versoffenen Bier Tölpels sein Brauch also / daß er in allen Krügen schwabbelte / und die Pferde ihren Weg vor sich hingehen liesse / weil er sich darauff tröge / daß sie die Strasse kenneten; würde demnach wol wieder kommen / wañ er den Rausch hinter etwa einem Zaune ausgeschlaffen hätte / wo er wol nicht gar mit einem unzüchtigen Balge abseit gangen währe; doch schickete sie ihre beyden Hausknechte hin / den Wagen auffzuheben / und nach Hause zubringen /damit nichts von den auffgeladenen Sachen davon gestohlen würde. Aus welchem allen Wolffgang leicht muhtmassete / er läge bey der Wirtin zur Herberge /und hätte ihr den Mann erschlagen. Es wahr ihm das beschwerlichste / daß er nicht wuste / wo er wahr /setzete sich zu einem reisenden Bohten / der das Nachtlager auch daselbst suchete / bezahlete vor ihm eine Kanne Bier / und fragete / welchen Weg man nehmen müste / wann man an den und den Ort an der Isel belegẽ / reisen wolte. Dieser berichtete ihn / es läge ein Städchen fünff Meile von hinnen an einem Wässerchen dadurch man reisen müste. Nun wahr dieses eben dasselbe / welches gleich diesen Morgen abgebrand wahr / und sie mit Lebensgefahr verlassen hatten; daß er demnach leicht sahe / wie so gar er des Weges verfehlet / und sich vergangen hätte / wuste also diesen Abend keinen Schluß zumachen / weil er das Fräulein in ihrer süssen Ruhe nicht verstören wolte. Früh morgens taht er ihr alles zuwissen / und baht / sich heraus zulassen / ob ihr nicht gefallen könte / daß er einen Karren im Dorffe mietete / und sie an einen sichern Ort führen liesse / woselbst sie sich in einer Herberge auffhielte / biß er nach ihrem Herr Vater lieffe / und sie mit gnugsamer Begleitung abhohlete; welches sie aber durchaus nicht eingehen wolte / sondern er solte selbst mit ihr hinfahren / und sehen wo sie bliebe; dann wañ er sich alhie von ihr scheidete / und sie auff dem Wege in grössere Gefahr geriete / daß sie den vorgeno enen Ort nit erreichen könte / währe es abermal vergebens / und sie überdas ohn alle Geselschafft. Also muste er bey ihr bleiben /dingete einen Karren / und setzete sich früh morgens mit ihr darauff / noch ehe die Zeitung von dem erschlagenen Wirte eingebracht[649] ward; da sie dann den Weg nach dem Rein auff der Fräulein begehren vor sich nahmen / von dannen sie nach dem Elbstrohm sich wenden / und des nähesten Weges nach Magdeburg zihen wolten. Wolffgang gab dem Fräulein die drey übergebliebene Kronen / welche die gestrigen Räuber ihm wieder geschenket hatten / mit Bitte / sie in ihre Kleider zuvermachen / und ob schon Räuber an sie kommen würden / sich dessen nicht merken zulassen; des Erschlagenen Geld aber / welches sich auff 9 Gülden Silbermünze erstreckete / behielt er bey sich. Sie wahren etwa drey Meilen gefahren / da kahmen fünff verschlagene Wendische Landsknechte zu Fusse an sie / nahmen Wolffgangen alles Geld / worffen ihn samt dem Fräulein gebunden in ein Stücke Rogken / schlugen den Fuhrman / weil er sich sträubete / und sein Pferd nicht gerne verlieren wolte / halb tod / setzeten sich auff den Karren / und fuhren davon. Frl. Klara wünschete ihr nur den Tod / und gleichwol wann sie die Hoffnung fassete / ihr Arbianes würde annoch im Leben seyn / nam sie sich vor / alle Unglüks Widerwertigkeiten zuerdulden / insonderheit danckete sie Gott höchlich / daß sie sich am ganzen Leibe über und über mit der Farbe angestrichen / und heßlich gnug gemacht hatte. Sie lagen beyderseits gar elendig doch wirkete Wolffgang so lange mit seinen Händen / dz sich der Strik lösete / machte hernach seine Füsse / und bald das Fräulein auch loß / welche er nach seinem Vermögen tröstete; das Glük würde sie ja noch endlich ansehen / und ihnen freundlicher werden / wann es seinen Muht gnug wurde gekühlet haben. Das ärgeste war / daß er keinen Weg kennete /und ihre Füsse zum gehen undüchtig währen / sonst wolten sie noch sehen / daß sie wieder bey Leute kähmen. Ey ich wil frisch mit lauffen / sagte das Fräulein / und an die Fußschmerzen nicht gedenken / weil das schmieren / welches mich gestern Abend die Wirtin lehrete / mir sehr wol geholffen hat; aber den Weg /welchen die Räuber gefahren sind / wollen wir meiden / und uns auf einẽ andern wenden / so bald nur ein Scheide Weg zusehen ist. Sie gingen sanfftmühtig fort / und kehreten sich nach der Linken zu; kahmen auch des Nachmittags ganz ermüdet in ein geringes Dörflein / da nichts als Brod und Butter / und sehr schlechtes Getränke zubekommen wahr; so wusten ihnen die Leutlein keine Anzeige zutuhn / wohin sie sich wenden solten / deswegen sie über Nacht daselbst blieben / und sich sein ausruheten; aber als des folgenden Morgens sie fort wolten / und kein klein Geld bey sich hatten / die geringen Speisen zuzahlen /auch niemand die Gold Kronen kennete / ob sie gut währen oder nicht / muste Wolfgang an stat der bezahlung seine Schuch im stiche lassen / wie ungerne er auch wolte. Sie brachen doch wieder loß / und tanzete dieser auff den Söcken / dessen er dann nicht ungewohnet wahr / und dannoch das Fräulein groß Mitleiden mit ihm trug / beteurend / wann sie solches hätte wissen sollen / wolte sie ungessen blieben seyn; dessen er aber lachete / sie versichernd / wann er sich vor ihr nit gescheuhet / würde er des vorigen Tages seine Schuch lieber unter dem Arme / oder auff einem Stecken über der Schulter / als an seinen Füssen getragen haben; dann es ist mit einem Menschen / sagte er / als mit einem Pferde / welches wann es nicht von Jugend auff zu den Huefeisen gewehnen ist / gehet es unbeschlagen viel besser; also finden sich unter uns Bauren / die stölpern immerfort / wann sie in Schuhen gehen / da hingegen sie barfuß fest und geschwinde fort treten. Nun mein lieber Wolffgang / antwortete sie / last es geschehen / daß ihr meinet wegen einen Tag barfuß gehen müsset / uñ zweifelt nicht / daß / so bald mir mein Gott[650] zu meinen lieben Eltern hilfft / es euch an Stiefeln und vergüldeten Sporn nicht mangeln sol. Behüte Gott / Frau / antworte er / wie solte ich darzu kommen / ich möchte sie dann meinem Herrn in der Hand oder unterm Arme nachtragen. Ihr solt sie keinem Herrn nachtragen / sagte sie / sondern selbst ein Herr seyn / und seyd dessen gewiß / daß ich noch einen Aedelman aus euch zumachẽ gedenke. O gn. Fr. antwortete er; so würde gar nichts guts aus mir werdẽ; dañ weiß sie nit dz bekante Sprichwort: Kein Schermesser so scharff je schiert / als wañ ein Baur zum Herrn wird. O nein / ich wil gern uñ lieber in meinẽ nidrigẽ Stande mich halten / wañ ich in demselben zimliche Lebensmittel habe / als hoch steigen / uñ ungewiß sitzen; dañ wer wolte mich doch vor einen Aedelman haltẽ / da ich in einer groben uñ tölpischen Baurenhaut stecke. Wañ ich demnach wissen solte /dz meine gn. Frau ein solches aus Ernst redete / wolte ich keinen Schrit weiter gehẽ / ehe dieselbe mir gnädig versprochen hätte / mein mit solcher Ehre uñ Hocheit zuverschonẽ. Gebt euch zufriedẽ Wolfgang /sagte sie / ich verspreche euch hiemit / dz wieder euren willen euch nichts begegnẽ sol / lasset uns nur Gott fleissig anruffen / daß er uns zu meinen Eltern bringe. Also verkürzete er dem Fräulein sonst des weges Ungelegenheit mit allerhand einfältiger Unterredung / da er ihr angeloben muste / daß in dieser Fremde er sich vor ihren Ehman ausgeben solte / welches zu ihrer Ehren rettung am dienstlichsten seyn würde. Sie gelangeten des späten Abends bey ihrer geringen Speise / welche sie zu sich gestecket hatten vor einem Flecken an / da das Fräulein vor mattigkeit keinen Fuß mehr von der Stete bringen kunte. Ihnen begegnete ein armer Betler / welcher sie umb eine Gabe ansprach / zu dem sie sagete: Ach ich solte euch ja wol billich etwas geben / aber ich habe nichts damit ich euch aushelffen kan; gehet aber mit mir in den Flecken / und zeiget mir eine Herberge / daselbst wil ich nach meinem geringen vermögen euch gerne mitteilen. Dieser wahr darzu willig führete sie zu einer Witwen / und empfing von ihr einen Groschen /nachdem die Wirtin ihr eine Krone gewechselt hatte /da sie zu dem Betler sagete: Ach ihr guter Mann / seid ihr doch noch elender als ich bin / aber vor dißmahl weiß ich euch weiters nicht zuhelffen; soltet ihr aber etwa nach Magdeburg kommen / und vor des GroßFůrsten Schlosse eine Almosen suchen / so fraget nach einer / nahmens Klara / alsdann wil ich euch ein mehres schenken. Dieser nahm den Groschen vorlieb /und gedachte / der Weg währe ihm viel zu weit / eine Verehrung daher zu hohlen. Das Fräulein ließ ihr gute Speise und Trank reichen / und wahr ihr ein grosses /daß ihr alles auff der Reise so wol schmeckete. Sonsten wahr Gottes Kraft in dieser Schwachen sehr mächtig / daß sie gar ein gutes Herz fassete / Gott wurde sie zwar wegen ihrer Sünde züchtigen / aber ihr gnädig wieder helffen; worüber sie oft vor Geistes-freude lachete / und in ihrem Herzen sagete: Ach du frommer Gott / ich bin ja durch meines lieben Fürsten unterweisung (welchen du dir in deinen gnädigen Schuz wollest lassen befohlẽ seyn) dein Kind worden / und erfreue mich auch / daß du so zeitig anfangen wilt / meinen Glauben und Gehorsam durch deine väterliche Zucht-ruhte zubewehren; aber ach mein lieber Vater / handele mit mir schwachen nach deiner Gnade / und lege mirs doch nicht schwerer auff / als ichs ertragen kan / alsdann wil ich dir in Kindlicher Geduld gerne aushalten / wañ du nur mein Vater / uñ ich dein Kind bleibe; bey welchen Gedankẽ sie auch vordißmahl ihre Andachts-Trähnen vergoß / als die Wirtin sich zu ihr niedersetzete / und sie fragete / von wannen sie[651] kähme / und wohin sie gedächte. O sagte sie / ich komme von der Isel / und mein weg ist nach der Elbe / wann ich ihn nur finden könte. Nach der Elbe? antwortete sie / das ist weit hin; doch zu zeiten kehren Karren und Wagen bey mir ein die des Weges hinreisen / mit welchen ihr füglich werdet überkommen; und wann ihr euch mit nähen behelffen köntet /wolte ich biß zu solcher Gelegenheit euch gerne bey mir behalten / dann mein Mañ ist mir leider vorm halben Jahre mit Tode abgangen / und hat mich schwanger hinter sich verlassen / daß ich nunmehr alle Tage der Entbindung gewärtig bin; wollet ihr mir nun etlich Kinderzeug verfertigen / wil ich euch dessen gebührlich lohnen / und eurem Manne auch im Hause Arbeit verschaffen / daß er die Kost haben sol. Dem frommen Fräulein gefiel dieser Vortrag sehr wol / weil ihr unmöglich wahr / auff ihren Füssen zu wandern; ließ sich mit ihr ein / und machete alles was sie begehrete / wolte aber kein Geld zu lohne haben / sondern baht /daß sie umb so viel besser gespeiset würde / weil ihr Magen die harten Speisen nicht wol verdauẽ könte; schmierete auch diese Zeit über ihre Füssefleissig /daß sie in kurzer Zeit ganz heile wurden / und bezeigete sich im Hause nit anders als eine Dienstmagd /welche von Jugend auff darzu gewähnet währe / daß Wolfgang sich dessen nicht gnug verwundern kunte. Ihre Frau aber gewann sie sehr lieb wegen ihrer träue und fleisses / daß sie sich erboht / sie so lange zubehalten / als es ihr selbst gefallen wurde. Einsmahls fragete sie Wolfgang / ob ihr das Herz nicht weh tähte / daß sie einer so geringen Frauen müste auffwärtig seyn; dem sie zur Antwort gab: Mein guter lieber Freund / warumb solte mir deswegen mein Herz wehe tuhn? Der Almächtige Gott / dem wir Menschen alle mit einander auff gleiche weise unterworffen sind / hat mir seinem Kinde solches aufferleget / solte ich dann demselben entgegen murren? Nein O nein! derselbe verfähret ja noch gnädig mit mir / giebet mir das tägliche Brod / und bewahret mich vor Unehr und Schande; davor bin ich schuldig ihm von herzen zudanken /und daneben nicht zuzweifeln / daß es ihm gar ein geringes und leichtes sey / mich in vorigen Stand wieder zusetzen. Diesem gingen wegen solcher Rede die Trähnen aus den Augen / und fing darauff also an: Ach Frau (anders muste er sie nit nennen) / ich bitte euch lauter umb Gottes willen / gönnet mir doch / daß ich allein nach euren Eltern reise / ihnen euren Zustand anzumelden / damit ihr diesem Elende möget entrissen werden; Ihr seyd ja nun an einem Orte / da ich euch zufinden weiß / und sollet meinem guten Raht nach / hieselbst verbleiben / biß euch gnugsame Begleitung zugeschicket werde; solte aber solches in dreyen Wochen nicht erfolgen / daß ich etwa auff meiner Reise in Unfal kähme / welches ich doch nicht hoffen wil / so gebet euch dieser Wirtin nur kühnlich kund / dieselbe wird alsdann alles ihr Vermögen (aus Hoffnung grosser Vergeltung) gerne daran wenden /daß euch gebührlich geholffen werde; Und dafern ihr in diesen meinen geträuen Raht nicht werdet einwilligen / wird mir entweder mein Herz aus Mitleiden zerspringen / oder ich werde wider euren Willen mich auff den Weg machen. Welche Rede er mit einem hefftigen weinen beschloß / und (weil sie allein wahren) durch einen Fußfal baht / ihren Willen in seine Reise zugeben. Das Fräulein kunte seiner grossen herzlichen Träue sich nicht gnug verwundern / umfing ihn als ihren Bruder / und sagte: Mein lieber und wahrer Freund / was hat doch mein Gott mir vor eine grosse Gnade und Woltaht erzeiget / daß er euch zu mir geführet hat. Zwar ich habe mir bißher steiff vorgenommen /[652] euch keines weges von mir zulassen /sondern auff gelegene Fuhre zuwarten / und alsdañ mit euch zugleich auffzubrechen; aber weil ihrs anders vor gut ansehet / wil ich einwilligen / dz nach Verlauff dreyen Tagen ihr diese Reise mit einem des Weges kündigen Bohten in Gottes Nahmen vor euch nehmet / dafern inzwischen keine gelegenheit zu meiner Mitreise sich eräugen wird. Aber O wie wol hätte sie getahn / wann sie seinem Raht gefolget währe; doch wolte des Allerhöchsten Versehung / daß sie noch etwas besser in die KreuzSchuele solte geführet / und daselbst bewehret werden.

Der hochbekümmerte Arbianes muste nicht weniger / als ein angehender Christ durch die ZuchtRuhte Gottes des HErrn fein zugerichtet / und zur Geduld angewähnet werden / welcher wegen des Verlustes seiner lieben Fräulein in unsäglichen Sorgen wahr /massen als er im obgedachten Dorffe von ihr nichts erfahren kunte / lies er wieder zurük / und rief zu zeiten im offenen Felde den Nahmen Klara mit lauter Stimme / wie wol vergebens und umsonst; wo er eine Hecke in der ferne oder nähe sahe / lief er hinzu / und meinete / sie würde dahinter ruhen / wendete sich auch zwar nach der Seite hin / nach welcher sie gelauffen wahr / aber da er das aufgeschwollene tieffe Wasser erreichete / sagete er bey sich selbst; nun bin ich gewiß / daß sie diesen Weg nicht gangen ist /stund also und bedachte sich / ob er auf oder nider gehen solte; und in diesen Zweifel fiel er nider auff die Knie / und baht Gott von Herzen / er wolte ihn des rechten Weges geleiten / daß er sein Fräulein antreffen möchte. Nach vollendetem eyferigen Gebeht lief er mit dem Strohme fort / biß in die finstere Nacht / und weil er keinen Menschen in der nähe merkete /legete er sich hinter einen Pusch nider zur ruhe / da er zuvor einen guten Trunk aus der Bach getahn / und seine Arm-Wunde aufs neue verbunden hatte / schlieff auch in der Herzens Angst biß die Mogenröhte anbrach. Als er des Tages Gegenwart spürete / nam er nach getahnem Gebeht seinen Weg wieder vor sich /biß er der Bach Ende erreichete / da sie in das Wasser lief / welches bey dem abgebranten Städlein vorüber floß; da ging nun sein Jammer erst recht an; Ach mein gnädiger Gott / sagete er / verlaß mich doch nicht in dieser meiner grossen Noht; ach HErr zeige mir die rechte Bahn / daß ich ihrer nicht verfehle. Nun sahe er wol / daß er nohtwendig wieder zurük / und über die Bach muste / dann unmöglich wahr es / daß sie solte einẽ andern Weg gangen seyn; brachte also drey Stunden auff dem Rükwege zu / biß er einen schmalen Steg antraff / über welchem das Wasser einer Handquer ging / und ihm unmöglich wahr / einen festen Trit darauff zu tuhn; gedachte endlich / vielleicht hat das Fräulein einen bessern Weg angetroffen / welchen du nicht finden kanst; wagete sich hinein ins Wasser /hielt sich mit der Hand an dem Siege / und kam mit grosser Lebens Gefahr noch hindurch / weil es in der mitte tieffer wahr / als daß ers hätte ergründen mögen. Als er das Ufer erreichet hatte / ging er in seinen nassen Kleidern immer fort / und sahe doch keine Bahn /blieb in steten Gedanken zu Gott / und meinete / wie er seinen Weg fort setzete / also geleitete ihn die Göttliche Versehung / traff doch keinen Menschen an / sondern ging biß an den späten Abend / daß er endlich ungessen sich hinter eine Hecke legen und ausruhen muste. Des folgenden morgens sahe er weit um sich / und ward dreyer Männer (welche Wolffgangen und das Fräulein des vorgestrigen Tages beraubet hatten) gewahr / ging zu ihnen hin / und fragete / ob man nicht in der Nähe an ein Dorff gelangen könte; auch /ob sie[653] nicht eine junge Frau und einen jungen Mann /wie Er gekleidet wäre / vernommen hätten. Diese gedachten alßbald / Er müste auch des schönen Goldes bey sich haben / welches ihre gewisse Beute seyn solte; und gaben jhm zur Antwort: Sie hätten ja vorgestern solche zwey Menschen Bilder angetroffen /die vom gehen sehr ermüdet gewesen / hätten ihnen auch auf ihr Begehren den Weg nach einem Dorffe gezeiget / wohin sie nunmehr selbst gedächten / und stünde ihm frey / mit ihnen zugehen. O ihr guten Leute / sagte er / was habt ihr ein gutes Werk getahn /so wol / daß ihr denen zu Leuten verholffen / als daß ihr mir dessen Nachricht gebet / welches ich euch unvergolten nicht lassen kan; griff in den Schiebsak /und verehrete ihnen eine Krone. Diese sageten davor Dank / und gingen mit ihm fort / und weil sie wustẽ /daß sie bald an einen wanksamen Ort gerahten würden / da ihnen das rauben nicht würde gelingen / sucheten sie schleunige Gelegenheit / ihr Vorhaben ins Werk zurichten / daher der eine / ehe er sichs versahe / ihm nach dem rechten Arme griff / ihn dabey fest zuhalten; der ander wahr auch schon fertig / ihn bey der Kehle zufassen; aber wie er von Gliedmassen stark und gerade wahr / also risse er den Arm bald loß / zog von Leder / und stieß dem erstẽ das Schwert durchs Herz / zu ihm sagend: Je du gottloser Mörder / ist das die Vergeltung vor mein Trinkgeld? dem andern hieb er alsbald auch den Kopf mitten von einander; und den driten / welcher schon das Messer gezückt hatte /ihn zuerstechen / und nunmehr vor Angst davon lieff /verfolgete er / hohlete ihn bald ein / warf ihn zur Erde / und dräuete ihm den Tod / dafern er ihm nicht sagen würde / ob die beiden Menschen / denen er nach gefraget hätte / annoch im leben / oder von ihnen erwürget währen. O mein Herr / antwortete dieser / schenket mir das Leben / ich wil euch die ganze Warheit sagen / dz wir ihnen alles ihr Gold abgeno en / uñ sie ohn beschädigt gehen lassen. Wohin aber haben sie sich gewendet? fragete er; wir haben sie über einẽ Sandhügel heissen gehen / gab er zur Antwort / da sie ohn Zweifel bey spätem Abend zu einem Dorffe kommen sind. So mustu mir keine weitere Ungelegenheit machen / sagte Arbianes / und ich wil dir als einem Räuber und Mörder lohnẽ / hieb ihm den Kopf herunter / und nach dem er ihm 50 Kronen aus dem Schiebsak genommen hatte / besuchete er auch die andern beiden erschlagenen / fand alles geraubete Gold wieder / machte sich schleunig über die Sandhügel / kam auff den rechten Weg / und eilete dem Dorffe zu / voller Hoffnung / sein Fräulein daselbst noch anzutreffen / als welche vom gehen ermüdet / hieselbst ausruhen würde; ging in die BaurenSchenke / und sahe mitten im Hause auff einer Sträu eine Leiche liegen / dessen er nicht wenig erschrak / und doch die Ursach seines entsetzens selbst nicht wuste. Die Wirtin gab acht auff seine Verenderung / und fragete / was er sich so entsetzete? ob er etwa der Mörder währe / welcher ihren Mann gestern oder vor gestern Abend im Felde auff freier Land-Strasse erschlagen hätte? Woraufer herzhaft zur Antwort gab; solte ich mich nicht entsetzen / daß man eine schier ganz nackete Leiche so dahin wirft / nicht viel besser als obs ein Vieh währe? Aber Frau / wañ ein Mann solche nachteilige Frage an mich würde abgehen lassen / würde ich ihm eine hart treffende Antwort geben; ist euer Ehwirt erschlagen / so suchet den Tähter / oder habt ihr Ursach auf mich zu argwohnen / so saget es rund aus / als dann werde ich euch schon begegnen. Sie hingegen fuhr ihn an; er solte ihr nicht viel trotzens im Hause machen /es währe ihr Unglüks gnug / daß ihr Mann ermordet währe; und da er sich nicht bald packen würde /[654] wolte sie ihm Füsse machen / dieses redete das Weib aus Zorn / dann gleich da Arbianes zur Haus Tuhr hineintrat / wahr das lose Weib Willens ihre Buhlerey mir ihrem Knechte zutreiben / mit dem sie in Ehebruch lebete / auch schon mit denselben angelegt hatte / daß er ihren Mann / als welcher ihr ungeträu währe erwürgen / und sie wieder heyrahten solte / daher sie in den festen Gedanken stund / er hätte die Taht selbst begangen / und daß er ihr solches nicht offenbahren wolte; daß sie demnach Arbianes nicht in verdacht hatte / nur dz sie sein gerne wolte loß seyn; welcher dann auf ihre obgedachte Rede zur Antwort gab / weil er nicht bedacht wahr / lange mit ihr zu zanken: Wol in Gottes Nahmen / Frau / das Haus ist euer / so viel ich vernehme / und muß mich dessen wol äussern /wann ihrs so haben wollet; aber des Mords beschuldiget mich ja weiters nicht / oder ihr werdet mit mir in Unglüks Küche kommen. Ging damit zur Tühr hinaus nach des nähesten Nachbars Wohnung / welchen er um etliche Stunden Herberge baht / und daß er ihm Speise und Trank vor doppelte Bezahlung schaffen möchte; klagete ihm auch / wie es ihm mit der Wirtin ergangen währe / und begehrete seines guten Rahts. Worauff dieser antwortete; sie währe zwar seine nahe Anverwantin / aber eine grund-böse Haut / und währe vorgestern Abend ein junger Mann mit einer ermüdeten jungen Frauen / wie er gekleidet / zu ihr kommen /die Nacht Herberge bey ihr gehabt / und früh morgens davon gezogen; denselben hätte sie nach seinẽ abreisen eben dieses Mords geziehen / und zwar aus dieser liederlichen Ursach / weil derselbe ihr eben solche Münze zur Bezahlung geben / als ihr Mann hätte bey sich gehabt. Arbianes muhtmassete selbst aus dem Zeichen / daß Wolffgang der Tähter wol sein möchte /weil er wuste dz er von den dreyen alles Geldes beraubet wahr / kunte doch mit solchen Gedanken sich nit lange auffhalten / sondern erfreuete sich vielmehr der angenehmen Zeitung / dz er der Mahlzeit kaum abwarten kunte / und erkundigte sich / wohin diese beyde ihrẽ Weg genommen / dankete Gott in seinem Herzen vor erst / daß sein liebes Fräulein annoch im Leben währe / und einen geträuen Menschen bey sich hätte; hernach / daß er ihn diesen Weg so ganz wunderbahrer Weise geführet / und baht / daß er weiter sein richtiger Gleitsmann seyn möchte / damit er bald bey ihr anlangen / und zu ihren Eltern sie bringen könte / wo zu er Mittel gnug bey sich hätte. Sonsten verständigte ihn sein Wirt / daß gestern früh diese beiden einen Karren gemietet / darauff sie hinweg gefahren währen / wolte sich ihres Weges bey dem Fuhrmann erkundigen / wo er wieder zu Hause währe angelanget; aber dessen Weib wuste noch nichts von ihm zusagen / dann er wahr wegen seiner empfangenen Wunden auf dem nähesten Dorffe liegen blieben /weil er nit weiter fort kommen können; doch gabe sie Nachricht genug / wohin er die fremden zuführen / gedinget währe; welchen Weg auch Arbianes nach gehaltener kurzen Mahlzeit / mit einem Bohten / ihm den Weg zu zeigen / vor sich nam. Er wahr nicht weit gangen / da begegnete ihm der Fuhrmann auff einem Wagen / welchen der Bohte als sein Nachbar fragete /wie er zu diesem Unglük kommen währe; welches er ausführlich berichtete / und Arblanes mit Händen greiffen kunte / was vor welche von den Räubern gebunden / und ins Korn geworffen währen; ließ sich deßwegen den Ort und die Stelle fleissig bezeichnen /wo es geschehen währe / gab dem Fuhrmann aus mitleiden etliche Kronen / eylete des weges fort / und fand es also / besahe den Ort wo sie gelegen / traf auch die Stricke an / damit sie wahren gebunden gewesen / aber[655] keinen Menschen dabey / doch schöpffete er guten Trost / sie müsten von vorüberreisenden Leuten loßgemacht / und davon kommen seyn; nahm auch den Weg nach derselben Stab vor sich / in Meinung / sie würden alles ungeachtet / gleichwol noch dahin gereiset seyn. Wie wollen ihn aber seinen mühseligen Unglüks Weg fortgehen lassen / und zu rechter Zeit ihn im elenden Betlers Stande wieder finden.

Das liebe Fräulein wahr willens / ihren getråuen Wolffgang nach ihren Eltern lauffen zulassen / als sie sechs Tage im erwähneten Flecken bey der Wittiben in fleissiger Nähe-Arbeit sich auffgehalten hatte; aber es kam eine neue Verhinderung darzwischen; dann des Abends kehrete ein fremder Herr mit seiner Frauen und jungen schier manbaren Tochter in ihrer Herberge ein / da diese Frau der Fräulein schönes Nähewerk besichtigte / und sie fragete / ob sie sich zu ihr vermieten wolte / solte sie gut essen uñ trinken / auch ein gewiß Jahrlohn haben / und könte ihr Mann wol bey ihr bleiben / weil ihr Herr solcher Leute bedürffte. Sie aber bedankete sich dessen / einwendend / sie müste mit ihrem Mañe nach dem Elbstrom reisen /woselbst ihre nahe Anverwantin wohnete / welche zubesuchen / sie keinen umgang haben könte / weil sie ihre Verlassenschafft ihr erblich zuvermachen bedacht währe. Diese Frau / Nahmens Mechtild / welche auff jenseit des Reins im Römischen Gebiet wohnete / erdachte diese List / und fragete; ob sie und ihr Mann des Weges nach der Elbe vor diesem gereiset? Und als sie aus Einfalt Nein sagete / fing diese an: So bin ich mit diesem meinen Herrn hieselbst zu eurem guten Glük angelanget / dann unser Weg gehet auch dahin /und wil euch aus guter Gewogenheit zu mir auff meine Gutsche nehmen / wañ sonst euer Mañ beyher lauffen / und zuzeiten hinten auff sitzen wil. Wem wahr zu diesem vermeynetẽ Glük lieber / als dem grundfrommen Fräulein; Sie bedankete sich mit höflichen Geberden / so viel ihr vermummeter Stand zulassen wolte / welche sie doch schier verrahten hätten; massen die Frau nicht unterlassen kunte / sie zubefragen / von was Leuten sie währe; dessen ursach sie merkend / zur Antwort gab: Ihre Eltern währen arme Leute / und gar geringes Standes / und hätten sie in der Jugend vor vier Jahren zu einer Aedel Frauen vermietet / welche ihr das nähen gezeiget / und ihres Junkern Gutscher gefreyet hätte / welcher Wolffgang sie aber Armgart hiesse. Diese ließ sich damit abspeisen /und geboht ihren Leuten ernstlich / da einer fragen würde / wohin ihr Weg ginge / solten sie nicht den Rein / sondern die Elbe nennen. Wolffgang ward des guten Glüks von dem Fräulein bald berichtet / der zugleich mit ihr sich freuete / auch auff der Reise gerne bey dem Wagen herlief / und nunmehr ihm die Rechnung machete / wie bald er vom reichen Manne spielen / und der erlittenen Unruhe sich ergetzen wolte; dann gedachte er / wie er den hohen Adelstand / damit ihm das Fräulein hatte gedräuet / von sich ablehnen /und sonsten ihm einen solchen Dienst loßbitten könte / der ihm angenehmer währe / weil doch das Fräulein sich hatte verlauten lassen / daß sie ihn nimmermehr von sich lassen wolte; Aber seine gefassete Freude währete nicht lange; dañ wie sie des andern Tages den Reinstrom erreichetẽ / und hinüber schiffeten / höreten beydes er und das Fräulein / daß sie schändlich betrogen wahren / daher sie dann zu der Frauen sagete: Ach mein Gott / warumb habt ihr so gar übel an mir getahn / uñ mich nach dem Rein geführet / da ich doch an der Elbe zuschaffen habe? Die Frau aber /wie sie dann ein überaus böses und unbarmherziges Weib wahr / gab ihr diese trotzige Antwort: Schweig du junge[656] Metze / es wird dir wol gleich seyn / ob du bey dem Rein oder bey der Elbe das Brod frissest; hätte ich dir dieses nicht auff solche weise beygebracht / würdestu dich in meine Dienste nit eingelassen haben; hastu aber an der Elbe etwas Bettel-Erbschafft zugewarten / kan dein Baurflegel immer hinlauffen / und es einfodern; du aber must bey mir bleiben / und meine Tochter im nähen unterweisen /wovor du gebührlich in Speise und Trank solt gehalten werden / wie ich dann wol weiß / was Mägden gebühret / daß sie nicht Hungers sterben / noch zu freche werden; und ist wol deine vorige Frau die rechte gewesen / daß sie dir jungen halbgewachsenen Balg das heyrahten schon gegönnet hat / darzu du noch über 10 uñ mehr Jahren früh gnug kommen währest; sie wird gewiß nicht gewust haben / wie man sich der Mägde mit Nuz gebrauchen sol. Das Fräulein zitterte vor Angst / aber Wolffgang / der alles hörete / und die Gefahr besser als sie betrachtete / sagte zu ihr: Gebet euch zufrieden / liebe Armgart / ihr habt Gott Lob eine gute Frau bekommen / bey welcher ihr wol werdet leben können / weil es Gott versehen / daß wir in diesem Lande wohnen / und unser Brod verdienen sollen; es ist ohndas mit unser Reise nach dem Elbstrohme so eilig nicht; ich wil euch vorerst ein Viertel Jahr in dieses Herrn Dienste Geselschafft leisten / und hernach zu euren Verwanten reisen; Und wann gleich dieser Herr meiner Dienste nicht benöhtiget ist / wil ich doch wol Arbeit finden / daß ich mich ernähre /nachdem ich vor euch nicht sorgẽ darff. Das Fräulein begriff sich darauff alsbald / stellete sich frölich / und antwortete ihm: Wol wol / wann ihrs so vor gut ansehet / wil ich auch zufrieden seyn / vielleicht gefält mirs bey dieser meiner Frauen also / daß ich in viel Jahren nicht begehre von ihr zuscheiden. Ja hältestu dich from / fleissig und geträu / sagte sie / so wil ich dich hernähst befodern / daß du über mein Gefinde Altfrau seyn solt. Welches erbietẽ das Fräulein mit grosser Danksagung annam. Sie hatten etliche Tagereisen hinter Köln ihr adeliches Gut / und als sie daselbst ankahmen / muste das Fräulein die erste Stunde das Nähezeug hervor nehmen; da sie dann alles / umb Verdacht zumeidẽ / auffs beste und schleunigste verfertigte; nur baht sie / ihre Frau möchte ihr die überbliebenen Speisen von ihrem Tische zuessen geben /sie wolte sich an gar wenigem genügen lassen / wann sie nur was verdauliches hätte; dann ihr Magen währe gar schwach / daß sie die grobe Kost nicht vertragen könte. Aber sie durffte umb ein weniges nicht bitten /das filzige Weib gab ihr wenig gnung / und hätte sie des Hungers verschmachten müssen / wann nicht die Tochter / die ihr sehr geneigt wahr / ihr bißweilen etwas heimlich zugestecket hätte; welches ihr aber die gottlose Mutter endlich verboht / und Wolffgang es doch reichlich erstattete / welcher alles / was er an Lohn verdienete / an gute Bißlein legete / und ihr solches zutrug; daher sie sich desto weniger umb Unterhalt bekümmerte / und nur geflissen wahr / wie sie ihrer Frauen gute Gunst erlangen möchte / welche sich sehr hart gegen sie bezeigete / und fast täglich eine ursach vom Zaune brach / mit Ohrfeigen / daß das Nasebluten drauff folgete / sie anzugreiffen / welches sie geduldig verschmerzete / und in beständiger Hoffnung zu ihrem Gott verblieb / derselbe würde sie mit den Augen seiner Barmherzigkeit ansehen / und die Schmach von ihr nehmen. Sonsten hielten die drey Töchter sie so lieb und wert / daß sie nimmer von ihr weg wolten / und die Nähekunst in kurzer Zeit zimlich von ihr fasseten / trugen ihr insonderheit ein verborgenes Trinkgeschir mit Wein zu / damit nicht von dem blossen Wasser und sauren Kofend ihr Magen gar verdürbe.[657] Hingegen bezeigete sie sich / als achtete sie dessen wenig / ja als währe ihr gänzlicher Wille /nimmermehr von dannen zuscheiden. Wolffgang hielt nicht vor dienlich / sich in dieses Herrn Dienste einzulassen / wie er auch darumb nicht sonderlich angesprochen ward / sondern arbeitete den Leuten in der Stad umbs Tagelohn / wiewol ihm vergönnet wahr /zuzeiten des Nachts bey seiner vermeyneten Frauen zuschlaffen / da er stets auff der Erden vorlieb nam /und doch Gott dankete / daß er gelegenheit hatte / zu ihr zukommen / und seinen Anschlag ihr zuentdecken / wann ihm ein guter Gedanke einfiele / wie er sie füglich hinweg bringen möchte / welches sich doch in sieben Wochen nirgend zu schicken wolte; welche Zeit über er ihr / wie schon gemeldet / an essen heimlich zutrug / daß sie sich sehr wol behelffen kunte /und sie daher nicht allein sein gutes Herz erkennete /sondern solche schwesterliche Hulde zu ihm gewan /als währe er ihr leiblicher Bruder gewesen. Wann sie allein wahr / brachte sie die Zeit mit vielem herzbrechenden Seuffzen zu / hielt sich aber doch zum fleissigen Gebeht / da sie unter andern auch diese Andacht aus eigenem nachsinnen vielfältig Gott dem HErrn auffopfferte:

O du grosser und Almächtiger Schöpffer Himmels und der Erden; Ich danke dir von Grund meiner Seelen /vor die hohe Gnade / welche du in Bekehrung meiner /mir erzeiget / und durch meinen teuren und frommen Fürsten / mich so weit in deiner Erkäntniß hast unterrichten lassen / daß ich mein Vertrauen auff deine grundlose Barmherzigkeit setzen / und in allem Unglük mich so sein trösten kan / so daß ich weiß / es wiederfahre mir nichts zum Verderben / sondern alles zur Besserung O HErr mein Gott / sihe auff mich in diesem Elende / da ich vor eine Magd wider meinen Willen dienen muß / reiß mich loß / mein Erlöser / der du mich schon aus viel grösserem Elende erlöset hast / daß ich die meinen bald wieder sehen / und von ihnen in deiner Erkäntniß / (wornach mich / wie du HErr weist / so herzlich verlanget) besser unterwiesen werden möge; Bewahre mich mein Gott vor Zweifelmuht / Mißtrauẽ und Unehre; und meinen lieben Fürsten vor Unglük und Verderben / welchen du O HErr / sonder zweifel mir zugeführet hast / und bringe uns nach diesem Leide in Fröligkeit wieder zusammen; alsdann wollen wir dir / mein Gott und Vater / unsern Dank anstimmen / und vor deine hohe Woltaht dir von Herzen Lob und Preiß sagen / auch zugleich erkennen / daß diese deine väterliche Züchtigung uns sehr gut und heilsam gewesen sey. Dieses mein Gebeht / HErr mein Gott und mein Erlöser / wollestu gnädiglich erhören / und dich mein erbarmen / Amen / Amen.

Ja wann dieses Fräulein den Schmak dieser heilsamen Gnade Gottes in ihrem Herzen nicht empfunden hätte / währe sie ohn allen Zweifel in ihrer Betrübniß vergangen / wie sie dann von Tage zu Tage abnam /daß ein grosser Teil ihres Fleisches ihr entging / welches alles sie doch in Hoffnung und Geduld überwand.

Als die Königliche Geselschafft von Magdeburg aufbrechen wolte / ihre Reise nach Prag fort zusetzen / ging das Wehklagen wegen der Fräulein Abwesenheit von neuen wieder an / dañ niemand wuste sich darein zuschicken / daß sie weder von einem noch andern die aller geringste Zeitung nicht hatten / und sie doch nicht in Feindes Lande wahren. Herkules sagte zu seinem Gemahl: Nimmermehr würde Fürst Arbianes sich so verborgen halten / wann er noch im Leben währe / und kan ich mir keine andere Gedanken machen / als dz sie entweder in der flüchtigen Feinde Gewalt gerahten / und elendig erschlagen sind / welche etwa ihrer Fürsten Tod an ihnen haben rächen wollen; oder aber mein Frl. Schwester ist durch Unfal umkommen / und er hat sich darüber aus Ungeduld und übermässiger Liebe selbst entleibet; dann bedenket mein Herz / wann sie gleich biß gar in der Romer Gebiet hinkommen[658] währen / so weiß Arbianes wol / wie viel ich bey denen gelte / daß wann er sich nur kund gäbe / er nach allem Wunsch sichere Begleitung biß hieher haben könte; hielten sie sich aber in Friesischer oder Teutscher Landschafft auf / wie könte ihnen dann an Hülffe gebrechẽ / wann sie sich nur meldeten? Welches wann ichs betrachte / kan ich meine Gedanken nicht wol zwingen / daß sie noch Hoffnung ihres Lebens fassen solten. Mein Schaz / antwortete sie / des grossen HErrn Hand ist unverkürzet; so können hundert und noch hundert Ungelegenheiten uns in der fremde eingesträuet werden / welche uns abschrecken / dasselbe vorzunehmen / was uns am dienstlichsten seyn möchte. Wir wollen dem allerhöchsten vertrauen / er werde das fromme Fräulein und den Christgläubigen Fürsten gnädiglich bewahren / dann ich zweifele überdas nicht / weil er sie etliche Tage in seiner Gewahrsam gehabt / habe er ihr das Christentuhm schon beygebracht. Dasselbe ist mein höchster Wunsch in diesem Unglük / sagte Herkules / auff daß wir zum wenigsten in der himlischen Seligkeit der eins wieder zusammen kommen mögen / wann ja in diesem Leben Gottes Versehung es nicht zulassen wolte. Inzwischen müssen wir meine liebe Fr. Mutter immerzu in der Hoffnung erhalten / welche vor traurigkeit fast gar von Leibe kömt. Sie gingẽ nach solcher Beredung hin zu der Königlichen Versamlung /weil Ladisla sie durch Prinsla fodern ließ / mit anzeige / es währen denkwirdige Schreiben von seiner Fr. Mutter von Prag ankommen / welche ihnen dann weitläufftig zuwissen taht / es liessen sich im Königreiche hin und wieder traurige und erschreckliche Zeichen sehen und hören / die wenig gutes bedeuten könten. Bey einer GrenzeStad nach Pannonien hätte sich ein Fisch Teich in Blut verwandelt; nit weit davon hätte es Blut und Schwefel geregnet; eine SchaarWölffe in die 30 stark von Pannonien wertz / hätten unterschiedliche Heerde Vieh angefallen / etliche hundert stük samt den Hirten zurissen / und währen endlich mit grosser Mühe alle erschlagen. Am andern Orte hätten viel tausend Raben sich gesamlet / uñ in zween unterschiedlichen Hauffen einen harten Streit gehalten / daß ihrer viel tod blieben. Zween grosse Adler hätten sich in hoher Luft gebissen / und währen endlich ganz ermüdet uñ sehr blutig herunter gefallen / so dz ein Baur den einen erschlagen / den andern lebendig gefangen hätte. Die Hunde führeten allenthalben im Reich ein ungewöhnliches Geheule / und fielen in einander als ob sie rasend währen. Ein Schaff hätte einen jungen Wolff zur Welt gebracht; Und in einem Dorffe hätte ein Kind in MutterLeibe über eine viertel Stunde geweinet / und endlich geruffen / weh weh! von vielen Bäumen hätte es Blut getreuffet; die Sonne währe einen ganzen Tag wie Blut am Hi el gestanden / wie wol in ihrem gewöhnlichen Lauff / uñ mit keinen Wolken bedecket / und des Abends als mit einem Sacke bekleidet / untergangen; da man desselben Tages an vielen Orten grausame Gespenste gesehen hätte; und welches den Inwohnern die gröste Furcht eintriebe / hätte man bey hellem Tage in der Luft drey Kriegs Heer nach einander von Pannonien wertz gegen ein einiges zihen sehen / die beydes zu Fusse und Rosse einen grimmigen Kampf gehalten / da man nicht merken können / an welcher Seiten der Sieg geblieben währe. Als dieses gelesen ward / wahr niemand zugegen / dem es nicht ein grauen erwecket hätte / insonderheit / weil der Wunder-begebnissen so viel uñ mannicherley wahren / und sagte Ladisla; ohn Zweifel stehet meinem Reiche ein grosses Unglük vor / der fromme Gott ko e nur mit Gnaden / daß wirs können ertragen / und straffe uns doch[659] nit wegen der teuflischen Abgötterey / die von den Untertahnen verübet wird / und von uns leider noch zur Zeit nicht kan geendert oder abgetahn werden; ich halte es auch nicht vor umsonst / daß ich meinen verstorbenen Herr Vater / (ach seligen kan ich leider nicht sagen) so offt im Schaffe uñ zwar allemahl in elender jämmerlicher und armseliger Gestalt vor mir sehe. Werde dem allen nach nicht unterlassen / so bald ich nach Prage mit Gottes Hülfe kommen werde / mögliche Anstalt zumachen / damit auff den unverhoffeten Fal man sich gleichwol bereit könne finden lassen; er vor sein Häupt legte alle Zeichen so aus / dz dadurch eine schleunige und erschrekliche Kriegs Gluk von den Pannoniern / gedräuet würde. Herkules antwortete ihm; es währen zwar solche Begebnissen nicht in den Wind zuschlagen / sonderlich / wann sie in so grosser Menge vorgingen / jedoch auch nit gar zu hoch zu schätzen; bißweilen hätte der böse Menschen-Feind sein Spiel mit drunter / die Abergläubigen zu aller hand ungötlichen Opfern anzutreiben. Doch wie dem allen / währe ein wachendes Auge allezeit zurühmen /daher ihm nicht zuwerdenken stünde / daß er nach seinem Königreiche eylete / wohin sie ihm alle (weil der morgende Tag zum Auffbruch bestimmet währe) Geselschaft / und auff den Fal Beystand leisten wolten /welches ihm sehr angenehm wahr.

Fürst Siegward wahr vor zween Tagen mit seinem Heer aus Wendland daselbst schon angelanget / woselbst es ihm nach Wunsch ergangen wahr. Zwar es hatten etliche wenig flüchtige Reuter vor seiner ankunft die Zeitung gebracht / wie ein unglükliches Ende ihr vorgehabter Anschlag genommen / und ihre beiden Fürsten samt den vornehmsten Obersten und grösten Teil ihres Heers das Leben eingebüsset hätten; worauff dañ die Landstände sehr eilig gewesen /durch offenen Trummelschlag ihre junge Mañschaft auffzumahnen / und ihre Grentzen / Städte und Festungen damit zubesetzen / aber er währe ihnen zu früh ankommen / sonst dürfte er mehr Arbeit angetroffen haben. Als Siegward dieses in der kürze vortrug / antwortete Valiska; Darumb halte ich viel von der Eile / wann man etwas wichtiges vor hat; aber wie kömt es / daß eure Liebe / mit so einem kleinen Heer sich eingestellet hat? wil ja nicht hoffen / daß die übrigen Völker solten drauff gangen seyn. Sie fragete hiernach nicht umbsonst / weil ihr bewust wahr / daß er ein wolgerüstetes Kriegsheer 24000 stark mit sich geführet hatte / und mit Leches / Neda / und ihrem Frauenzimmer / nur unter einer Begleitung von 6000 Mann / Teutschen / Böhmen und Olafs Dänen / wieder kommen wahr. Siegward aber gab ihr diese Antwort: Behüte Gott / meine Fr. Schwester; daß würde bey so gestalten Sachen ein grosser und unverantwortlicher Verlust gewesen seyn. Ich habe Gott lob keinen einigen Mañ eingebüsset / sondern alles ohn Schwertschlag zum gewünscheten Ende ausgeführet. Zeigete auch auff begehren an / er hätte bey seiner ankunft die Grenzen und engen Durchzüge wol besetzet gefunden / da man ihm auch anfangs den Einzug verhindern wollen / biß er etliche Vorsteher solcher Völker /seine verständige von Adel / auff guten Glauben und eingeschikte Geisel zu sich gefodert / und ihnen zuverstehen gegeben / was vor eine gerechte Straffe von Gott über ihre beyden meinäidigen Fürsten ergangen währe / auch daneben ihnen vor Augen gestellet / in was Gefahr und verderben sie ihr Land und alle Einwohner stürzen würden / dafern sie in ihrem Vorsatze fort führen / und diesem seinem Heer den fortzug wegerten / welches von dem GroßFürsten der Teutschen / und seinen Herrn Söhnen / ausgeschikt währe ihr bestes zubefodern / da sie[660] es nur erkennen könten. Diese gaben zur Antwort; man könte noch nicht trauen / daß ihres Fürsten Niederlage so groß / und derselbe samt seinem Sohn solte Tod seyn. Ich aber / sagte Siegward / fiel ihnen in die Rede; Ich könte dieses zweifels sie bald benehmen / und hieß sie zu meinen mitgeführeten Wendischen Völkern gehen / denen ich zugleich anzeigen ließ / daß sie alles / was sie wüsten /auch sonst gehöret und gesehen hätten / geträulich berichten solten. Nun hatte ich diesen fest eingebildet /ich zöge nur voran als mit einem fliegenden Heer /umb zuvernehmen / ob Wendland ihr bevorstehendes Glük erkennen könte / und daß auff meine anfoderung alle hinterbliebene Fürsten mit ihrem bey sich habenden Heer alsbald folgen / und auff befindliche Wiedersezligkeit jung und alt / was nur den Wendischen Nahmen hätte / ausrotten würden. Dieses hatten sie nun ihren Landsleuten nicht allein als vor gewis eingebildet / sondern auch allen verlauff ihres begangenen Menschen raubes und der darauff erfolgeten schweren Niederlage und bestraffung / ausführlich erzählet; wodurch diesen das Herz dergestalt entfallen wahr / daß als sie wieder zu mir kahmen / und vor Seelen-Angst kaum reden kunten / nur untertåhnig von mir zu wissen begehretẽ / was man vor einen Gehorsam und unterwerffung von dem Wendischen Volke / welches ihres gewesenen Fürsten Untaht weder gut geheissen / noch dessen sich teilhaftig gemacht / erfoderte. Ich aber ihnen zur Antwort gab; sie solten zuvor wieder zu den ihrigen hinreiten / und ihnen zu wissen tuhn / in was zustande sie alle miteinander begriffen währen / welches ihre Landsleute ihnen ohn zweifel anjetzo würden gemeldet haben; und sich bald wieder bey mir einstellen / alsdann würden sie zuvernehmen haben / was grosse unverdienete Gnade man ihnen anbieten würde. Diese wurden solcher gemachten Hofnung überaus froh / hinterbrachten alles träulich / und hatten dadurch eine solche Furcht erwecket / daß sie alle geruffen / man solte nur dahin sehen / daß ihnen Leben und Freyheit überbliebe / das übrige wolten sie alles gerne über sich nehmen / wahr auch niemand gewesen / welche nicht ihre todte Fürsten und deren vornehmste Rahtgeber biß in abgrund der Hellen soltẽ verflucht haben. Die vorigen stelleten sich bald wieder bey mir ein / deren ältester /namens Hunerich / im nahmen des ganzen Wendischen Volkes / vortrug: Es währe ihnen allen von Herzen leid / daß ihr gewesener Fürst Krito / und seyn Sohn Gotschalk / eine solche unverantwortliche Taht an dem Großmächtigen GroßFürsten der Teutschen /Herrn Henrich und den seinen / begangen / und müsten bekennen daß ihnen durch die angelegte Straffe recht geschehen währe. Uberdas währe ihnen wol bewust / daß allemahl die Untertahnen / ob sie gleich allerdinge unschuldig / dannoch mit leiden müsten /wann ihre Obrigkeit etwas verbrochen hätte; doch dannoch hätten zu ihrer Großfürstl. Hocheit sie das vertrauen / dieselbe würde gnädig mit ihnen verfahren / nachdem sie sich hiemit und Kraft dieses auffrichtig wolten erbieten und verpflichten / daß / wann ja noch ein oder etliche (dann viel würden deren nicht seyn) in ihrem Lande soltẽ gefunden werden / die schuld an dem begangenen Raube trügen / dieselben durch grausame Straffen vom Leben zum Tode solten gebracht werden / gleich auff die Weise / wie dem frechen Buben und falschen Schmeichler Niklot nach seinem verdienst begegnet währe. Endlich bahten sie / ich möchte nach tragender meiner volmacht ihnen andeuten / was von ihnen erfodert würde / welches nach äusserster mögligkeit solte geleistet uñ erfüllet werden; tahten auch dabey einen demühtigen Fußfal / ganz flehlich bittend / man[661] möchte mit ihnen nach Gnade /und nicht nach der Stränge verfahren. Ich hieß sie auffstehen / und daß alsbald ihre Leute / so die Grenze besezt hielten ihr Gewehr von sich geben / und alsdann meinen gnädigen Vortrag vernehmen solten. Welches sie nicht allein gerne und willig leisteten /sondern in 12000 stark / einen kläglichen Fußfal tahten: da ich sie gutes muhts seyn hieß / und ihnen vortrug; sie solten gleich jezt in der Taht erfahren /was vor hohe Gnade der Großmächtige GroßFürst der Teutschen ihnen durch mich seinen Gevolmächtigten antragen liesse: Als nehmlich / daß ihrer Fürsten verbrechen an keinem einigen Menschen mehr solte geeifert werden / sondern alles Tod und abe seyn; das ihr Land und Fürstentuhm weder mit Geldbusse noch anderer Straffe solte belegt werden; daß alle Inwohner /ädel und unädel bey ihren Freiheiten und Gütern solten gelassen werden. Daß alle Beschwerung / welche Krito Zeit seiner Beherschung ihnen auffgebürdet /solten allerdinge auffgehoben und abgeschaffet seyn. Ihre alte fromme Fürstin / welche der Räuber eingemauret / und vor Tod angegeben hätte / solte und müste alsbald frey gemacht / und ihr die völlige Herschaft eingeräumet werden / jedoch daß ihr Land Raht von lauter eingesessenen Wenden / aus allen Stånden ihr solte zugeordnet werden / welche dann nebest der Fürstin und allen Untertahnen angeloben würden /daß der Durchleuchtigste Dänische Fürst / Herr Olaff / der einige und gewisse Erbe seyn / und von der Fürstin vor einen Sohn solte angenommen werden. Als ich meine Rede hiemit beschloß / entstund eine solche Freude unter dem Volk / daß sie vor vergnügung nicht wusten was sie tahten; sie rieffen durcheinander her: Verflucht sey Krito und Gotschalk in Ewigkeit / dagegen lebe und hersche glüklich der allergnädigste und allerwoltähtigste Großfürst der Teutschen / welcher uns mehr gutes erzeiget / als wir nicht wert sind. Ich ließ die vornehmsten vor mich fodern / und befahl daß alsbald nachdem mir bewusten Orte geschikt / und die eingesperrete Fürstin auff meiner Leibgutsche zu mir gebracht würde / doch daß man ihr von allem verlauff nichts sagete / welches zuverhüten / ich Neda mit gehen ließ. Man hatte sie im elenden Stande angetroffen / und da man sie auff die schöne Gutsche ganz ehrerbietig gesetzet / hatte sie gefraget / ob ihr gottloser Gemahl oder ihr geträuer Sohn sie hohlen liesse; worauff ihr geantwortet worden; weder ihr Gemahl /noch ihr Sohn / sondern ein fremder unbekanter Herr /dem weiter nachzufragen sie sich gnådigst mässigen wolte / biß er sich selbst meldete. Der Ort wahr nur eine Meile von meinem Lager / und ritte ich ihr geharnischt entgegen / stieg mit blossem Häupte vom Pferde / ging zu ihr an die Gutsche / und nachdem ich sie davon gehoben hatte / boht ich ihr mit gebogenem Knie den Handkuß. Die fromme Fürstin hatte ihr gänzlich eingebildet ich würde kein ander als der Dänische Fürst Olaff seyn / weil sie dessen Liebe ohndas von Angesicht nicht kennete / fiel mir umb den Hals /herzete und küssete mich / und mit weinender Stimme sagte sie zu mir. Ach ihr mein allerliebster Obeim und Sohn; wie schicken die gütigen Götter euch mir zur hülffe und rettung so ganz gnädig zu; und werde ich meinem Gn. herzlieben Herr Bruder dem Könige in Dännemark nimmermehr gnug danken können / daß seine recht brüderliche Liebe und Gnade mich aus meiner elenden Gefängnis loß gemacht / dessen Liebe flehlich zu bitten ich nicht auffhörẽ werde / mir diese Gnade zuerzeigen / daß ich dem gottlosen Wüterich Krito ja nimmermehr unter die Augen komme / sondern in Däñenmark die übrige Zeit meines lebens in stiller einsamkeit und ruhe zubringen[662] möge. Ich gab ihr zur Antwort: Ihre Durchl. möchte mir gnädig verzeihen / dz ich derselbe Fürst nicht währe / wiewol sie gleich einen solchen gehorsamen untertähnigen Sohn und diener an mir haben solte; sagte ihr auch meinen Nahmen / und daß von dem Großmächtigen GroßFürsten aus Teutschland ich abgeschicket währe / ihre Durchl. nicht allein aus ihrem Gefängnis loßzureissen / sondern dieselbe auch als eine mächtige und volkommene Beherscherin des ganzen Wendlandes einzusetzen und zubestätigen; welches da sie aus verwunderung es nicht begreiffen kunte / meldete ich ihr kürzlich ihres gewesenen Gemahls freveltaht und lebens verlust an / auch daß ihr Sohn in der Schlacht als ein tapferer Held mit drauff gangen währe; welches lezte ihr die Trähnen hervor trieb / und sich doch bald zufrieden gab / insonderheit / da sie vernam / wer ihr künftiger Erbe und Nachfolger in der Herschung seyn würde. Sonsten wahr eine solche Freude bey den Untertahnen / daß es zubeschreiben unmöglich ist / ward mir auch angezeiget / daß wañ man ihnen die freie Wahl gegeben / würden sie keinen andern als den Dänischen Fürsten gekieset haben. Ich muste auff der frommen Fürstin heftiges anhalten mit ihr nach ihrem Schlosse zihen / und alle meine Völker in ihre Städte und Festungen verlegen / daß ich mühe hatte / meine mitgebrachten loß zu bitten; uñ weil man unvermuhtlich einen sehr grossen Fürstlichẽ Schaz / auff viel Tonnen Goldes in den heimlichen Gewölben fand /davon der Fürstin nichts kund wahr / musten nicht allein meine Völker drey Monat Sold / sondern mein Gemahl und ihr Frauenzimmer Königliche Schenkungen wieder ihren willen annehmen; da dann das ganze Land nebest ihrer redlichen Fürstin sich willig anerbeut / dem Großfürsten der Teutschen und allen den seinen mit Leib / Gut und Blut allemahl auffwärtig und bereit zu seyn. Die unsern erfreueten sich sehr /daß alles so wol und friedlich abgangen wahr / aber die freude durch ganz Wendland wahr nicht auszusprechen; dañ Krito hatte sie unter sehr schweren Frohndiensten und Schatzungen gedrücket / daß sie von ihm biß aufs Blut ausgesogẽ wurdẽ. Fürst Olaff stellete sich bey dieser Erzählung / als ginge ein solches ihn gar nichts an / ohn daß er Siegwarden /wegen der seiner Wasen erzeigeten freundschaft und dienste / höchlich dankete / und sich zu aller mögligkeit hinwiederum erboht. Herkules redete ihn an / mit bitte / er möchte ihm gefallen lassen / sich den Landständẽ des Wendischen Fürstentuhms zustellen /damit er samt der alten Fürstin die Huldigung zugleich annehmen könte. Valiska kam auch darzu / und hielt freundlich an / ein solches zu leisten / und sie zu Prag wieder zu besuchen. Er aber gab zur Antwort /er hoffetete von der König- und FürstlichenGeselschaft die Gnade zuerhalten / daß ihm gegönnet würde / mit ihnen in Böhmen zuzihen / nachdem ihm unmöglich währe / ihre Geselschaft so schleunig zuverlassen. Worauff Königin Valiska / die ihn schwesterlich liebete / ihm diese Erklärung taht; es würde seine Liebe schwerlich gläuben können / wie angenehm ihnen allen und jeden dieses sein Erbieten währe; rechneten auch in Warheit seine brüderliche Freundschaft höher als das erworbene Königreich. Er wolte ihr auff gegebene Antwort den Handkuß bieten / aber sie umfing an dessen stat ihn als einen Bruder /welches auch von den jungen Königen und Fürsten geschahe / die sich ihm mit Gut und Blut anerbohten /und wahr insonderheit zwischen ihn und König Baldrich eine solche innigliche Liebe / daß sie nicht wol kunten lange von einander seyn. Noch hielt aber Valiska an / er möchte sich erklären / wie bald ihm gefällig seyn könte / nach[663] Wendland zureisen. Worauff er mit wenigem antwortete; er hätte noch zur Zeit nicht Ursach dahin zuzihen / hoffete auch / man würde ihm allerseits verzeihen / daß er sich desselben Fürstentuhms unangemasset liesse. Dann ob gleich ihr gar zu mildes anbieten / ihr gewogenes Herz ihm Sonnenklar vor Augen stellete / würde ihm doch nit gebühren solches anzunehmen / ehe und bevor er sähe / wie es zu verschulden seyn könte; müste überdas seinem Herr Vater es erstlich zu verstehen geben /und es abwarten / ob derselbe auch einwilligen könte / dz er ein solches Geschenk annähme; schlieslich baht er demühtig / ihm davon ein mehres nicht zu sagen. Also schlugen sie dieses Faß zu / und antwortete Valiska als im Scherze; sie merkete wol daß ihr getahnes doppeltes versprechen würde müssen bey einander seyn. Ihr Zug ward zimlich eilig fortgesetzet / so daß nur 300 Reuter mit ihnen gingen / und das ganze Heer von Teutschen / Böhmen / Friesen / Wenden und Olafs Dänen / ingesamt 34000 stark / alle wolgewapnet und beritten / unter Neda und Klodius folgen musten. Zu Prag ließ die alte Königin auff ihre Ankunft bester massen zubereiten / weil ihr der Aufbruch durch einen reitenden Bohten angemeldet ward; und als sie daselbst anlangeten / ging sie ihnen biß an das Schloß Tohr entgegen / und ließ die beyden jungen Herlein hinter sich her tragen. So bald sie einander erreicheten / trat Valiska aus der Ordnung vorhin /nahm ihr liebes Söhnlein auff ihren Arm / welches nunmehr 38 Wochen alt wahr / herzete und küssete es mütterlich / und gabs hernach ihrer Fr. Schwiegermutter mit diesen Worten: Sehet da / herzliebe Fr. Mutter / diesen meinen herzallerliebsten Schaz / an welchem ihr auch Teil habet / habe ich euch noch nicht kund machen wollen / auff daß ihr auch alhie zu Prag möchtet durch eine neue Lust erfreuet werden; so nehmet nun eures Sohns Herkules und mein allerliebstes Söhnlein hin / und erfreuet euch / daß ihr ein Kinds Kind auff die Arme bekommet / ehe ihr wisset / daß ihr GroßMutter seyd. Die Mutter ward der unvermuhtlichen Zeitung froh / nam das liebe Kindichen ganz begierig an / und kunte sich an demselben nicht sat noch müde küssen. Ach du mein herzallerliebster Herkuliskus / sagte sie zu ihm; der allmächtige Gott verleihe dir seine Gnade / daß du in seiner Furcht auffwachsen / und zu allen Christlichen Tugenden mögest erzogen werden / auff daß du nach dieser Sterbligkeit / die kaum nennens wert ist / ein klarer Stern unter allen Auserwählten erfunden werdest. Rief hernach den alten König ihren Gemahl zu sich / hielt ihm das Kind zu / und sagete: Da mein Herzgeliebeter; wisset ihr noch nicht / daß ihr Großvater seyd / so besehet nur diesen kleinen / ach / allerliebsten Herkuliskus / der seiner ElternGesicht so wenig als sich selbst verleugnen kan. Der König nahm ihn alsbald auff seine Arme / und sagte zu Herkules: Lieber Sohn / habe ich dann nicht ehe als zu Prag mich einen glükseligẽ Großvater kennen müssen? doch es ist wol angelegt / damit wir auch alhie eine neue unvermuhtliche Freude einnehmen mögen; aber der allerhöchste Gott / sagte er zu dem Kinde / hat dir sehr grosse Gnade verlihen / daß du ein Christ in deiner Kindheit schon bist / ehe du es selbst wissen oder verstehen kanst; dein Heiland nehme dich in seinen Gnaden Schuz / und lasse dich nach dieser Vergängligkeit mit allen Kindern Gottes der ewigen Herligkeit geniessen. Die alte Böhmische Königin erzeigete sich nicht minder frölich / daß sie die ihrigenfrisch und gesund wieder herzen und umfahen kunte / auch ihr geliebter Bruder und dessen Gemahl erlöset wahren; aber die traurige Zeitung wegen der Fräulein Verlust (die man[664] ihr nicht hatte zuschreiben wollen) betrübete sie herzlich / hoffete doch / sie würde von Gott wieder zu Hause geleitet werden. Nach gehaltener Mahlzeit ward der alte König / fein Gemahl / und Fürst Olaff in ein grosses Gemach geführet / in welchem Herkules und Ladislaen Gelder wie Kornhauffẽ aufgeschüttet lagẽ / dessen sie sich nit gnug verwundern kunten; und als sie die sehr grosse Menge der köstlichen Kleinoten sahen / sagten sie / es schiene fast / ob hätten sie Asien von dergleichen Kostbarkeiten ganz leer machen wollen; dessen Valiska lachete / und ihnen anzeigete / daß das überaus weitläufftige und reiche Land diesen Abgang an Golde und Kleinoten nicht eins merkete; wiewol auch ein sehr grosser Teil aus der Paduanischen Räuber-Höhle erobert währe. Des ersten Tages nach ihrer Ankunfft wurden Klodius /Markus und Neda mit 1800 Teutschen und Böhmischen Reutern nach Padua abgefertiget / Herrn Q. Fabius / Herrn Pompejus und andern guten Freunden ihre kurze und glüklich geendigte Kriege und Siege anzumelden / und sie zugleich ihrer Zusage der Besuchung zuerinnern / nebest Bitte / daß sie alsbald mit ihnen überkommen möchten. Diese seumeten sich nicht auff dem Wege / wurden aber von einer Pannonischen Schaar 2000 stark / aus einem Pusche unversehens überfallen / so dz Neda mit 300 Mannen sie anfangs aufhalten muste / biß die andern sich in Ordnung begaben / da dann ein sehr herbes Treffen vorging / in welchem 600 Pannonier erschlagen / und die übrigen mehrenteils verwundet in die Flucht getrieben wurden / sie aber auch 400 Mann einbüsseten / und an die 500 Verwundete unter sich hatten. Zu Padua empfing man sie sehr wol / woselbst Herr Pompejus mit aller seiner Haabe von Jerusalem schon wieder angelanget wahr. Sie erfreueten sich ingesamt unserer Helden wolergehens / und daß Fürst Baldrich mit so geringer Mühe ein Königreich erlanget / da Pompejus nach eingenommenen Bericht diese Urtel von Herkules fellete: Ich höre und vernehme mit Verwunderung / daß dieser unvergleichliche Held eben so glüklich den Teutschen als anderen Völkern obsieget; und muß sein Muht ja so kräfftig seyn / daß er allen seinen Kriegsleuten die Herzhafftigkeit eingiessen / und den Feinden Schrecken bringen kan. Insonderheit wahr er herzlich froh / daß sein geliebter Schwieger Sohn sein Königreich so nahe bey Köln hatte / und sie allemahl in wenig Tagen zusammen kommen kunten; trug auch grosses Verlangen / die unsern zusehen / und mahnete Herrn Fabius / Kornelius / Emilius / Antenor und Opimius samt etlichen andern auff / daß mit ihren Gemahlen sie sich zur Reise fertig machen musten /welche des andern Tages solten vorgenommen werden. Inzwischen wahren die unsern in so weit vergnüget weil sie die Unruhe (ihrer Meinung nach) nunmehr zum Ende gebracht / und die Waffen abzulegen /Mueß und Zeit bekommen hatten (dann die vielen ergangenen Unglüks Zeichen schlugen sie fast gar in den Wind / unter der Meynung / der böse Feind wolte ihnen dadurch eine vergebliche Furcht einjagen); so daß sie der gänzlichẽ Einbildung wahren / wann nur Frl. Klara und Fürst Arbianes wieder funden währen /könte man in der Furcht des HErrn von Herzen frölich seyn. König Henrich erinnerte Ladisla / er solte seine Krönung länger nicht auffschieben / sondern dadurch seine Untertahnen erfreuen / damit er hernach mit so viel grösserem Ansehen und Nachdruk gute Anordnung in seinem Königreiche machen / und allerhand eingeschlichene Mißbräuche in Städten und auff dem Lande abschaffen könte; Welchem er zufolgen bedacht wahr / und[665] solches Fest 6 Wochen nach seiner Wiederkunfft zuhalten ausschrieb / mit ernstlichem befehl / daß die Ritterschafft und andere wehrhaffte Untertahnen sich dagegen auffs beste rüsten und einstellen solten.

Zehn Tage vor der angesetzeten Krönung meldete der Frankische Ritter Farabert sich vor Prag an / hatte 220 wolberittene treflich geputzete Reuter und 12 beladene Maulesel bey sich / ward auffbegehren mit allen seinen Leuten willig eingelassen / und bey der Bürgerschaft verlegt und Kostfrey gehalten / da er zwar ansuchete / dz auff den nähstfolgenden Tag er möchte vor Königin Valisken zur gnädigsten Verhörung gelassen werden / aber dieselbe ließ ihm gegen die Abendmahlzeit mit ihrer statlichen Leib Gutsche nach dem Schlosse hohlen / räumete ihm und seinen LeibDienern etliche Gemächer ein / und muste daselbst absonderlich Königlich gespeiset werden / da ihm Leches und Klodius Geselschaft leisteten. Des folgenden morgens wurden die beladene Maulesel nach dem Schlosse gebracht / abgeladen / und alle Sachen in verschlossenen Wetschern von rotem und gelben Leder hinter ihm von 46 Dienern hergetragen /welche / da er vorgefodert ward / inzwischen auf dem hohen Gange warten musten / biß ihnen geruffen würde. Königin Valiska ließ ihn fragen / ob er mit ihr absonderlich / oder in anderer ihrer Anverwantẽ Gegenwart / reden wolte; und als er zur Antwort gab; wann eine so höchstwirdige König- und Fürstliche Geselschafft sein anbringen mit anhören wolte /würde bey seinem allergnädigsten Könige er solches hoch zurühmen haben. Also wahren alle vier Könige samt dem ganzen Frauenzimmer / nebst Siegward und Olaf versamlet / da Königin Valiska ihrem Gemahl zur Seiten saß / und den Gesanten / Ritter Farabert mit einem auffstehen grüssete / und die Hand zuküssen ihm darboht; welches er untertähnigst verrichtete /etliche Schritte wieder zurücke trat / und also anfing: Großmächtigste unüberwindlichste Könige und Königinnen / Durchleuchtigste Fürsten und Fürstinnen. Mein Allergnädigster / und Gnädigster Herr / auch allergnädigste Frau; der Großmächtigste unüberwindlichste König der freyen Franken und Sikambter; wie auch dessen Hocheit Gemahl die Großmächtigste Königin / und deren Hocheiten HerrSohn / der Durchleuchtigste Königliche Fürst Markomir / haben mir ihrem Diener allergnädigst und gnädig anbefohlen /alle eure Anwesende Königliche Hocheiten und Fürstliche Durchleuchtigkeiten freund- und dienstlich zugrüssen / und ihren Hocheiten uñ Durchleuchtigkeiten samt uñ sonders ihre auffrichtige beharliche Freundschaft und Dienste anzumelden / auch dabey dieselben zuversichern / daß ihnen nicht mehr anliege / als wann einige empfangene Freundschaft zuvergelten /ihnen die Macht und Gelegenheit benommen werde /welches sie doch nie als vor dißmahl bey ihnen empfunden / nachdem das Glük ihnen noch zur Zeit die Mittel an die Hand nicht geben wil / eine wirdige Dankbarkeit vor erzeigete Woltaht / im Werke sehen zulassen. Absonderlich lässet mein König sich gegen dẽ Großmächtigsten König / Herrn Herkules freund-Väterlich bedanken vor den angenehmen Gruß uñ Freundschaft-Anerbietung / uñ ersetzet dessen Hocheit ein solches mit gleichmässigem. Die unvergleichliche Königin uñ Großmächtigste Frau aber / Fr. Valiska wird dessen versichert / daß wie dero Hocheit sich erkläret / meinen allergnädigsten König und Königin an Eltern Stat anzunehmen / also haben dieselben gegen diese ihre wirdigste Fr. Tochter sich hinwiederumb erklären wollen / alles dasselbe zuleisten / was derselben kan lieb und[666] angenehm seyn. Mein gnädigster Fürst aber / Herr Markomir / dem die Götter durch ihrer Hocheit freundliches Schreiben die völlige Gesundheit wieder zugestellet haben / achtet sich unwirdig dero hohen schwesterlichen anerbietens / und verbleibet Zeit seines Lebens seiner Gnädigsten Königin und Frauen / Frauen Valiska in Ehren dienstergebener Knecht. König Henrich selbst bedankete sich des überbrachten Grusses in ihrer aller Nahmen / und zeigete an / wie lieb ihnẽ des Franken Königes und der seinigen Wolergehen währe / und daß sie hoffeten / die Ehre zuhaben / in Ihrer Liebden Brüder- und Väterliche Kundschafft zu kommen. Herkules setzete hinzu; Es könte ihm nichts angenehmers begegnen /als daß eines so Großmächtigen und Weltberühmten Königes väterliche Gewogenheit er erhaltẽ / daher er nicht ruhen / noch seine Seele völlig befriedigen würde / ehe und bevor seines Gn. Herr Vaters / Königes Hilderichs / und liebwerten Bruders GroßFürstMarkomirs Angesicht er gesehen / und seinen Gehorsam und Dienste ihnen mündlich angetragen hätte. Königin Valiska brachte ihren absonderlichen Dank mit grosser Freundligkeit und Ehrerbietigen Benennungen vor / und stellete sich überaus frölich wegen des jungen Fürsten wieder erlangeter Gesundheit / wie ihr dann solches eine grosse Freude wahr; daher sie sagete: Der Tag müsse gesegnet seyn / an welchem ihr mein Freund Herr Farabert / mich zu Padua angesprochen und des liebwerten Fürsten / meines freundlichen lieben Herrn Bruders / Herrn Markomirs Zustand mir zuwissen gemacht / weil nicht allein hiedurch / wie ich herzlich gerne vernehme / des lieben Fürsten Gesundheit befodert ist / sondern ich auch in die Väter-und Mütterliche Gunst und Gnade der Großmächtigen Königes und Königin der freyen Franken auff und angenommen bin; hoffe auch dieser Tage von dem Herrn Gesanten den jetzigen erfreulichen Zustand meines Herrn Bruders und Oheims umbständlicher zuvernehmen. Großmächtigste Königin / antwortete er; Ihrer Königl. Hochheit solches zuerzählen erkenne ich mich in tieffster Untertähnigkeit schuldig / und überliefere deroselben diese beyde Schreiben von meinem allergnädigsten Könige Herrn Hilderich / uñ von dem Durchl. GroßfürstenHerrn Markomir; nebst angehengter untertähnigster Bitte / Ihre Königl. Hocheit wolle mir allergnädigst erlauben / die dabey übergeschickete Sachen / als ein Zeichen Mütterlicher Gewogenheit meiner allergnädigsten Fr. Königin /und dienstergebenen Bereitwilligkeit höchstgedachten meines gn. Fürsten / vor ihre Gegenwart einzuliefern. Sie empfing solche Briefe ganz ehrerbietig / und daß dem Gesanten frey stünde / alles nach ihrer Gn. Eltern seines Herrn Königes und Fr. Königin Anordnung und Befehl zuschaffen / brach des Königes Brief zuerst / und fand diesen Inhalt:

Durchleuchtigste Großfürstin (dann es wahr diesem Könige ihr Königlicher Stand annoch unbewust) freundliche geliebte Fr. Tochter und Wase; je näher eines Menschen Art der göttlichen Volkommenheit trit / jemehr befleissiget sich derselbe andern zu dienen und deren bestes zubefodern / die ihrer Hülffe bedürffen; daher uns dann keines weges wundert / daß Eure Liebe (deren Ruhm schon in dieser ihrer jugend den Weg der Ewigkeit suchet) sich der Wolfahrt unsers freundlichen liebẽ Herr Sohns / aus recht schwesterlicher Freundschafft und mitleiden / so hoch und ernstlich angeno en hat; welches dann die gütigen Himmels-Götter mit ihrem Gedeien dergestalt gesegnen wollen / daß es mehr gefruchtet und gewirket / als wir an unserm Orte hätten hoffen und wünschen mögen / gestaltsam der ehmahls elende Markomir an seiner Vernunft und Leibe ungleich gesunder und glükseliger worden ist / als vor nie / und derselbe sich nicht scheuhet offentlich zubekennen / daß wann er gleich sein[667] Leben und Blut vor Euer Liebe Wolfahrt auffopffern würde / solches doch nicht zuschätzen währe gegen das empfangene Gut / von Euer Liebe über ihn mit vollen Ströhmen ausgeschüttet. Wir seine Eltern sind daher Euer Liebe verbundẽ zu aller Väter- und Mütterlichen Liebe / welche in der Taht dermahleins zuerweisen / wir das Glük und die Gelegenheit uns von den Göttern wünschen / und uns vor unglükselig achten werden /biß wir dessen einen rechtschaffenen Anfang werden gemacht haben. Nehmet von uns den Willen an / herzgeliebete Fr. Tochter / und versichert euch daß die Versiegelung unser Freude dieses ist / daß durch Eurer Liebe gewogene Kindliche Freundwilligkeit / wir auch teil habẽ an den Ruhm / welcher Eure Liebe durch ihren hohen Verdienst weit über alle andere ihres gleichen setzet. Die von Eurer Liebe meinem Gemahl und Sohn übergeschikte kostbahre Bezeugungen ihrer Freundwilligkeit und Liebe / sind allerseits wol eingeliefert und begierig angenommen / daher man desto weniger zweiffelt / die geringe Gegenbezeigung einer Mütterlichen Ergebenheit und Brüderlichen dienstwilligsten Herzen (wo bey unser Väterlicher Wille sich nimmermehr aus schliessen sol) /werde hinwiederum mit gleichmässiger Vergnügenheit angenommen werden. Meine werte Fr. Tochter wolle nebest ihrem hochberühmten Gemahl und sämtlichen Anverwanten von uns freundlich gegrüsset seyn / deren zu aller Väterlichen Mögligkeit wir verbunden sind und bleiben wollen / als lange wir leben.


Hilderich.


Valiska lase es mit hoher Vergnügung / und reichete es nachgehends ihrem Herkules mit diesen Worten ein: Mein Schaz / hie gebe Eure Liebe ich zu vernehmen eine sonderliche VäterlicheGunst und Gnade /damit unser Gn. Herr Vater der Großmächtigste Franken König uns zugetahn ist; mehr als in unserm vermögẽ seyn wird / es zuverschuldẽ. Herkules nam es ehrerbietig an / und in dem ers durchsahe / erbrach sie auch das andere von Fürst Markomir geschrieben /unter dieser Auffschrift: Der Ruhmwirdigsten des Erdbodens / Großmächtigsten Großfürstin der Teutschen / Frauen Valiska / seiner einigen Lebens-Erhalterin / und Vernunft-wiederbringerin / zu ihrem selbst eigenen unsterblichen Ruhm. Nach Verlesung dessen / sagte sie zu Farabert: Herr Gesanter; wañ dieser Brieff mir nicht von so angenehmer Hand zukähme / würde ich ihn zu lesen mich nimmermehr unterstehen / in Betrachtung der gar zu ungebührlichen Benennungen / welche in der Auffschrift enthalten sind. Er aber ließ solches unbeantwortet / und legte sie den Brieff von einander /welcher also lautete:

Wann der Himmel selbst / unvergleichliche Großfürstin und vollig-gewaltsahme Gebieterin über mein Leben / mit seinem Donnerschalle außblasen und uns hieniden anmelden wolte / alle die Volkommenheit / welche er selbst eurer Vortreffligkeit mit unermäßlicher fülle mitgeteilet hat / würde er dannach so wichtig nicht seyn / es uns Menschen durch einiges ander Mittel / als ihr selbst vorzustellen; welches doch meine armselige Feder abschrecket / sich dessen zuunternehmen / was uns allen unmöglich fället / daher ich bloß nur dasselbe zupreisen versuchen wil / was wir gewesenen Elenden / nunmehr beglükseligten Menschen von ihrer Erbarmung und Güte gutes begegnet ist. Ihre Strahlen der innerlichen und aüsserlichen Volkommenheit hatten mich am Verstande und Gesundheit geblendet / und weil ich deren entrahten muste / machten sie mich einem unvernünftigen Vieh ganz ähnlich; biß der helle Gnaden-blik ihrer kräftigen Schrift und das Zeichen eines solchen erbietens / dessen ich nicht wert bin / meine Vernunft durch der Augen Anblik / wieder zu ihrer Richtigkeit brachten / und ich wieder wuste wer ich wahr / uñ wer ich seyn solte. Vortreflichste Großfürstin / einige Wiederbringerin meiner Sinnen / gönnet bitte ich / eurem gar zu tief verschuldeten /daß ihm frey stehen möge / dieses mit vollem Munde zurühmen / was von ihrer Gnaden Hand er empfangen hat; mehr als alle Welt ihm nicht hätten mitteilen können /und lasset ihm gnädig zu / sich dessen vor dißmahl durch seine Schrifft / und erste Mögligkeit mündlich zubedanken / in solcher untergebener Ehrerbietigkeit / als[668] die empfangene Woltaht erheischet. Was mein Gn. Herr Vater mir anbefohlen / meiner Erlöserin zum Zeichen aller Ergebenheit zu übersenden / wird verhoffentlich die Gnade erhalten / daß unter ihrer Vortrefligkeit gewarsam es verbleiben möge; und ihr gehorsamer Knecht die Freyheit habe / dasselbe vor allen zubekennen / was ihre kräfftige Hülffe ihm hat wiederfahren lassen / alsdann wird derselbe sich vor recht glükselig schätzen / welcher mit allem / was er ist und hat / ist und verbleibet der volko enwirdigsten GroßFürstin Fr. Valisken ganz verschuldeter und verpflichteter Knecht Markomir.

Valiska wolte vor der ganzen Geselschaft nicht aussagen / was an diesem Schreiben ihr so sehr mißfiel / nur zeigete sie dem Gesanten / wie hocherfreulich ihr die Zeitung wegen des lieben Fürsten Gesundheit währe. Und als des aufftragens der vielen Wetscher kein ende werden wolte / stellete sie sich etwas ungeduldig / und fragete / warumb man sie doch mit solcher Last beschwerete. Farabert aber ließ dieselben / an der Zahl 24 in zween Hauffen stellen / da an den rohten der Königin / an den gelben aber des jungen Fürsten Nahme stund; und er untertähnig anhielt / ihre Königl. Hochheit möchte mit solchem Willen und Wolgefallen dieses alles teils von der Königin / teils von dem jungen Fürsten / annehmen / wie daß von ihr übergeschikt währe angenommen worden. Worauff sie sich freymühtig erklärete; ja / ob sie gleich augenscheinlich und an den vielen Wetschern sähe / daß die Königlichen Geschenke gar zu groß währen / wolte sie doch / umb ihrer Gn. Fr. Mutter der Fr. Königin ihren Gehorsam / und dem jungen Großfürsten ihre schwesterliche Liebe sehen zu lassen / sich dessen durchaus nicht wegern. Und muste der Gesante mit zur Königlichen Mahlzeit gehen / da er als eines grossen Königes Diener gebührlich geehret ward. Nach der speisung foderte ihn Valiska allein vor sich in ihr Gemach / und zeigete ihm an / daß so hoch sie über des jungen Fürsten erlangeter Gesundheit sich erfreuet / so heftig hätte sie sich über dessen Schreibens Inhalt betrübet / weil sie ein solches übermachtes Lob darinnen hätte lesen müssen / das ihr Herz sich vor ihr selbst geschämet / wolte auch hiemit angeloben / daß ob sie zwar vordißmahl dem Fürsten schriftlich antworten wolte / sie doch hinfüro weder dergleichen Briefe mehr von ihm anzunehmen / noch zubeantworten bedacht währe. Hernach muste ihr Farabert erzählen / wie es mit dem Fürsten eigentlich beschaffen währe; da er ihr zuvernehmen gab / was gestalt in den ersten fünff Wochen nach ihrer Hocheit empfangenen Schreiben / seine Durchl. zur volständigen gemühts und leibes Gesundheit gerahten / da es sich von Tage zu Tage gebessert / und er Farabert fast immer bey ihm seyn / und ihrer Hocheit Wunderfälle und lebens Art ihm erzählen müssen; nachgehends hätte er sich wieder in seinem Fürstlichen Stande /aber weit prächtiger als vorhin / öffentlich sehen lassen / hätte auf der Jagt sich viel geübet / und allerhand Ritterspiel eiferig getrieben / auch dabey so freimühtig gewesen / dz man sich darüber verwundern müssen. Sein Schild dessen er sich gebrauchete /währe also bezeichnet daß aus einem verborgenen dicken Dampfe eine ganz helle Flamme hervor schlüge in sieben zwar unterschiedlichen / aber nahe zusammen stehenden Strahlen an welchen zu unterst die sieben Buchstaben V.A.L.I.S.C.A. stünden / nicht anders / als sieben reiche Quellen dieser auffsteigenden Fla enstralen. Umbher stunden die Worte mit grünen Buchstaben: Cœlestis Medicina facile reparat quod per se periit. Das ist: Die himlische Arzney machet leicht wieder gut / was durch sich selbst verderbet ist. Ein sehr herlicher Spruch / sagte Valiska / wann er nur recht verstanden und erkläret wird;[669] aber der Nahme oder die Buchstaben unten an den Strahlen müsten nicht die gesetzeten / sondern diese seyn: C.R.E.A.T.O.R. Das ist; der Schöpfer / oder der wahre Gott. Farabert fuhr in seiner Erzählung fort; es hätte Fürst Markomir oben auff dem Helme einen andern Strahl / welcher einen verwelketen Graßstengel wieder grünend machete und in die höhe richtete / und darunter dieses Wort: Desuper Auxilium. Die Hülffe komt von oben herab. Das ist ein recht löbliches Wort / sagte Valiska / und möchte wünschen / daß des Fũrsten Brieff hiemit zustimmete; wie aber? wird der liebe Fürst meinem Gemahl und mir nicht die Ehre antuhn / uns zuzusprechen. Wir werden gewiß nit unterlassen / unsere Gnn. Eltern / euren König und Königin zubesuchen / weil wir nicht zweifeln / wilkommen zu seyn. Ja / Großmächtigste Königin / antwortete er / höhere Vergnügung würde meinem Könige nicht begegnen / werde auch keine angenehmere Zeitung nach hause bringen können als diese. Sie besahe nachgehends die überschicketen Sachen / deren sie sich verwunderte; dañ da wahren zwo Königliche Kronen und Reichsstäbe; Hals- und Armketten von dik gegossenem Golde / Pferdespangen und Puckeln aus gleichen Erz; und Steigbügel von hohem wert. Hernach die allerzarteste Linnewand / die Menschen Augen jemahls gesehen / uñ allerhand Bettegerähte /Tisch- und Tellertũcher / und was zur ũberflüssigen auszierung eines Königlichen Essesaals / Verhör-stuben / geheimen Zimmers / und Schlaffgemachs kan oder mag gefodert werden; welches sie hernach dem andern Frauenzimmer zeigete / welche bekenneten /deßgleichen nie gesehen zu haben. Es ward Farabert Königlich beschenket samt allen seinen Dienern / da die 46 so die Wetscher auffgetragen hatten / alle mit köstlichen neuen Kleidern versehen wurden / und jeder 300 Kronen Baarschaft / Farabert aber zu sechs Kleidern allerhand teurbahre Tücher / und 8000 Kronen / auch vor 6000 Kronen Kleinot bekam; seinen übrigen 204 Reutern wurden jedem 60 Kronen ausgezählet / und bey jeder Mahlzeit jedem eine Krone verehret. Farabert hielt zwar an / daß er des vierden Tages nach seiner Ankunft gnädigst möchte abgefertiget werden / aber sie vermochten ihn / daß er die Zeit der angesetzeten Krönung abzuwarten versprach; weil aber solche durch einen feindlichen Uberfal verhindert ward / ging er am Tage der unglüklichen Zeitung nach empfangenen Briefen eilig fort nach seinem Könige.

Das allerliebste Fräulein ward nunmehr als eine Erschlagene von ihren verwanten herzlich betrauret / so daß auch bey Herkules selbst wenig Hoffnung ihres lebens mehr übrig wahr / dessen er aber sich nicht merken ließ / damit der Eltern betrübnis nicht dadurch vermehret wũrde; aber der grundgütige Gott wolte sie in ihrer elenden Magdschaft nicht lange stecken und verächtlich halten lassen / sondern sie den ihren nach seiner väterlichen Versehung wieder zuführen. Dann Wolfgang sinnete Tag und Nacht / wie er sie nach dem Elbstrom bringen möchte / ob er gleich sein Leben darüber einbüssen solte; aber das Fräulein wolte / daß er des sichersten spielen muste / damit sie Ehr und Leben behielte. Nun arbeitete er bey einem reichen Bürger / dessen erwachsener Sohn Richard /seines alters von 22 Jahren / hohes Sinnes / und über die masse ehrgeitzig / etliche Pferde auff der Sträu hielt / welche ihm Wolfgang neben seiner verdingeten Arbeit / fleissig wartete / daß er seine gute Gunst erhielt / und zuzeiten einen Trinkpfennig bekam. Es wahr dieser Kerl ein rechter Waghals durfte sich unterstehen / was ihm einfiel / und glückete ihm allenthalben wol / ungeachtet die[670] Tugend sehr dünne bey ihm gesäet / und überdas der unkeuscheit sehr ergeben wahr. Als Wolfgang merkete / daß er eines Worts bey ihm mächtig wahr / sagte er einsmahls zu ihm; es währe schade und jammer / daß ein solcher frischer und tapferer Mensch im Bürgerstande sterben / und sein gutes Herz so zu reden / unter dem Koht vergraben solte; wann er nun wissen könte / wessen er sich zu ihm zuversehen oder zu trauen hätte / wolte er ihm Anleitung geben / und darzu behülflich seyn / daß er in wenig Tagen durch eine tapffere ehrliche Taht nicht allein den hohen Adelstand erwerben / sondern ein grosser reicher Herr / und angenehmer Freund treflicher Fürsten werden solte; die Taht / deren auff solchen fal er sich würde unterwinden müssen / währe eben so schwer und unmöglich nicht / wann er nur die Kühnheit nehmen dürfte / ein Fräulein sehr hohes Standes / die an einem Orte nicht weit von hinnen / in dienstbarkeit wieder ihren Willen behalten würde /zuerretten / und nach den ihren zubegleiten. Dieser wolte alsbald wissen / wo das Fräulein anzutreffen /und auff was Weise die Erlösung vorzunehmen währe. Welches aber so dürre auszubeichten / ihm ungelegen wahr / daher er ihm diesen Dunst vormahlete: Diesseit Köln läge ein Städlein / in welchem dieses Durchleuchtige Fräulein von einem unwirdigen verwägenen Weibe schlechtes Adels / als eine Magd wieder ihren Willen auffgehalten wũrde / wiewol derselben dieser Fräulein hoher Stand unwissend währe; wann man nun etwa zwölf bewehrete Reuter hätte /könte man sie ohn alle Lebensgefahr davon bringen; doch müste man eine Gutsche mit guten ausgeruheten Pferden in bereitschaft haben / darauff man sie setzete / und an einen Ort / welchen er zu seiner Zeit nennen wolte / hinbrächte. Ich weiß so schleunig nit zu rahten / antwortete Reichard / woher man so viel Mannschaft / welcher man trauen dürfte / nehmen könte; Gutschen und Pferde hat mein Vater gut genug / wolte auch wol so viel Gelder schaffen / als zu der Reise kosten erfodert würden / dann auff dem Lande hat mein Vater hin und wieder Aufkünfte zu heben / und andere Schulden ausstehen / welche ich bald einfodern wolte. Wie? antwortete Wolfgang / könte mein Herr nicht eine heimliche Werbung anstellen / oder von seinen Eltern begehren / daß sie ihm so viel Reuter ausrũsteten /unter dem Vorgeben / er wolte damit zu Kriege zihen / einen Herrn suchen / und Ehre / Ruhm und Güter zuerwerben bemühet seyn? Dieser bedachte sich ein wenig / trug es seinem Vater vor / und erlangete dessen bewilligung auff acht Reuter / welche er ihm werben und gebührlich ausrũsten wolte. Wolfgang dauchte die Zahl zum nohtfalle gnug seyn / welche Reichard inwendig sechs Tagen zu liefern versprach / und solte Wolfgang inzwischen es schaffen / daß ohn verzug die Sache vorgenommen würde / er vor sein Häupt wolte entweder sterben / oder die Erlösung ritterlich zu werk richten / hätte auch mit seines VatersGutscher es schon angeleget / Wagen und Pferde fertig zu halten / und solche nur sechs Stunden (also hätte ers ihm vorgeschwätzet) zugebrauchen / davor er ihm drey Gülden versprochen / auch die helfte schon vor heraus gegeben hätte. Als Wolfgang sahe / daß an dieses Menschen Träu und Glauben nicht zuzweifeln wahr / taht ers dem Fräulein in der Nacht zu wissen /und sagte zu ihr: Ach daß Gott wolte / daß ihr nur einmahl Gelegenheit hättet / auff das Feld zu gehen oder zu fahren / dann wolte ich mir getrauen / euch ohn alle Gefahr davonzubringen. Dann sehet / vor erst könte ich euch adeliche Kleider verschaffen; vors ander tähtet ihr die angestrichene Farbe ab; wer wolte euch dann vor die jezige Armgard[671] ansprechen? so habe ich schon eine Gutsche wol bespannet / und acht beherzete Reuter / die euch begleiten solten; O daß ihr nur einmahl hinaus vor das Tohr kommen möchtet /mein Herz trägt mirs zu / daß mein Anschlag gerahten würde. Mein frommer und geträuer Wolfgang / antwortete sie; ich kan dem allerhöchsten Gott nicht gnug danken / daß Er mir euch zugewiesen hat; dann ihr habt mir diese ganze Zeit über / solche Träue erzeiget / welche ein Bruder seiner leiblichen Schwester kaum leisten würde. So fahret nun fort geträu zu seyn / wie ich dann nicht zweifele / und gläubet mir sicherlich / daß ihr von mir Zeit eures lebens dergestalt sollet geliebet und begnadet werden / als ihr euch noch nicht einbilden möget. Aber daß ich auff euren Vorschlag komme; meinet ihr dann / geträue Leute angetroffen zu haben / denen ich mich sicherlich vertrauen dürfte / wann ich mich in meiner wahren Gestalt stellen würde? Daß hoffe ich gänzlich / antwortete er; erzählete ihr auch den ganzen Anschlag / und daß er seinem Gesellen den Ort noch nicht genennet hätte /woselbst das vornehme Fräulein anzutreffen währe. Ich verlasse mich nähest Gott auff euch / sagete sie /uñ dafern euer Anschlag aller richtig ist / hoffe ich die gröste Tochter / deren ich zimlich mächtig bin / wol dahin zubereden / daß sie mich mit sich hinaus auf ihr nähestes Meier-Gut nehme. Daß währe der sicherste Weg / sagete er; aber ich mus es 24 Stunden vorher wissen / weil es so schleunig nicht zu werke gerichtet werden kan. Wir wollen nach mögligkeit eilen / antwortete sie / dann meines bleibens ist ohndas nicht länger hie / inbetrachtung / ich nicht weis / wessen ich mich zu dem alten Ehebrecher / meinem jetzigen Herrn zuversehen habe / welcher von unzimlichen Sachen mit mir zu reden beginnet / und Geschenke ausbieten darff; ich ihn gleichwol aber das leztemahl der gestalt abgewiesen habe / und ihn mit der Dräuung /es seinem Weibe zu sagen / erschrecket / daß er verhoffentlich mich wol zufrieden lassen sol / und fũrchte ich mich nur des nachtes am meisten vor ihm / wann ihr nicht hie seid / wiewol ich alsdann die Tũhr und das Fenster so fest versperre und inwendig verbolwerke / dz niemand ohn Gewalt herauff brechen wird. Des folgenden Morgens / da das Fräulein mit der grösten Tochter die Nähe-arbeit trieb / fing sie an zu wünschen / daß sie einmahl einen halben Tag in die frische Luft kommen möchte / es gäbe eine feine Verenderung / und befünde sie sich ohndas nicht allerdinge wol auff / welches ihre Gestalt gnug anzeigete; nun fürchtete sie aber ihrer Frauen Zorn (dann sie wahr schon etlichemahl von ihr mit Maulschellen gelohnet) daß sie sich dessen nicht würde dũrfen verlauten lassen; hätte demnach höchlich zu bitten / ob sie es nicht dahin bringen könte / daß sie eins mit ihr nach ihrem Vorwerk ausfahren möchte / davor wolte sie ihr /wann sie Braut seyn würde / ein statliches Bräutigams Wischtuch mit sonderlichem fleiß verfertigen. Ja warumb nicht / antwortete sie: Dieses sol meine Mutter mir nicht versagen / und wans euch geliebete / könte es noch wol heute geschehen. Ach nein / geehrte Jungfer / sagte sie / ich wil zuvor eures Herrn Vaters Hemde uñ Kragen fertig machen / woran ich heut und Morgen zu arbeiten habe; könte es dañ übermorgen geschehen / währe mir sehr lieb. Daß wil ich euch wol vorherzusagen / antwortete die Jungfer / noch ehe ich meine Mutter darumb begrüsse. Wer weiß aber / sagte das Fräulein / ob sie mir so viel Feierabend gönnet /daß ich mit euch fahre? Davor lasset mich rahten und sorgen / antwortete sie; ich habe meiner Mutter wol ehe etwas abgebehten / und sol mirs vordißmahl auch nicht mißlingen. Weil nun dieselbe gleich in die Stube trat / brachte[672] die Tochter vor / sie möchte ihr erläuben / übermorgen nach dem Vorwerk zu fahren /und Armgarten mitzunehmen / der sie ihre schöne Rosmarin / Negelblumen und andere Gewächse zeigen wolte. O ja / sagte die Mutter / das ist eine mögliche Bitte; ich werde meinen Mägden Wagen und Pferde halten / daß sie zur Lust ausfahren / und sich im Kräutergarten ergetzen. Sie sol mir auf dem Hindern sitzen und nähen / dann mit dem ausfahren kan sie das fressen nicht verdienen. Aber sage mir / hat die faule Metze dir etwa solches angegeben: die Landläufferin wird des sitzens irgend schon müde seyn. Nein gewißlich nicht / herzen Fr. Mutter / antwortete sie / ich selbst habe sie darzu gebehten / weil schon vor etlichen Wochen ich von ihr verstanden / daß sie mit künstlicher Auffbindung der Rosmarin Båume fein umzugehen wisse / davon unser Gärtner wenig vergessen hat. Das Fräulein entschuldigte sich mit demühtigen Worten / und baht / ihre Frau möchte sie nicht in dem Verdacht haben / sie wolte gern nach ihrem Befehl bey ihrer Nähe-Arbeit bleiben. Aber die Tochter hielt immer an mit bitten / weil ja die schöne Rosmarin sonst gar ins wilde wachsen würde / wo man sie nicht beyzeiten gewähnete. Worauff endlich ihre Mutter sagete: Machet mir zusammen fertig was ich euch eingesetzet habe; komt dann Zeit / so komt auch wol Raht; Womit sie hinweg ging / und sagte die Jungfer zu dem Fräulein: Nun ist die Sache schon klar / massen wann meine Mutter sich so weit heraus lässet / das ist gleich so viel / als ob sie ja gesaget håtte; darumb zweifelt nur nicht / wir wollen übermorgen / so bald es euch gefället / auff seyn. Diesen Nachmittag wurden die Töchter / ohn die jüngste /von dem Fräulein abgefodert / andern Hausgeschäfften obzuliegen / welcher gelegenheit der Hausvater /Namens Bernhard / wahr nam / sich zu dem Fräulein machte / uñ ihr gewaltig liebkosete / wie er sie so hefftig liebete / und bedacht währe / sie nicht länger als eine Magd / sondern seinen Kindern gleich zuhalten / dagegen würde sie verhoffentlich seine Liebe und Gunst erkennen / und nicht / wie bißher geschehen / ihn verächtlich von sich abweisen; nach welcher Rede er sein Töchterlein vermahnete hinzugehen / und mit ihren Tocken zuspielẽ. Das Fråulein aber wolte in deren Abtrit nicht einwilligen / sondern sagte zu ihm: Herr / wann ihr wollet / daß ich bey euch bleiben /und euch auf euer erbieten antworten sol / werdet ihr das liebe Kind alhie bey uns lassen / oder mirs nicht verdenken / daß ich zugleich mit ihr davon gehe. So wolte auch das Kind durchaus nicht hinweg / sondern hielt sich an ihr / und setzete sich endlich gar auff ihre Schoß / welches dieser Unzüchtige / Schande halben einwilligen muste / sich aber zu ihr setzete / und um freundliche Erklärung bey ihr anhaltend / sich ungebührlicher Griffe gebrauchen wolte / dessen sie sich entbrechend / also zu ihm sagete: Herr / daß ihr euch gegen mich als ein gewogener Freund erkläret / und meine Magdschafft zumiltern mir versprechet / dessen wird euch der Himmel lohnen / weil mein Unvermögen die Vergeltung nicht zulässet; daß ihr aber gedenket / mich zu eurem unzüchtigen Willen zuverleiten /da ich überdas in der Ehe lebe / solches werdet ihr hinfüro abstellen / oder mir es nicht verůbeln / daß bey meiner Frauen ich umb Schuz wider euch anhalte / und so kühn bin / euch anzuzeigen / daß ich tausend mahl lieber den Tod leiden / als ich was wider meine Zucht und Ehre begehen oder zulassen werde / wie schlecht uñ geringe ihr mich auch halten möget; stellet demnach euren Mutwillen ein / oder gönnet mir /daß ich einen andern Dienst suche / da von dergleichen unerbaren Ansprengungen ich frey bin. Der Alte (dann[673] er wahr schon ein 52jähriger) wolte sich zornig stellen / und weiß nicht / was vor Straffen dräuen; aber seine älteste Tochter kam unvermuhtlich wieder /daß er kaum gelegenheit hatte / heimlich zu ihr zusagen / sie solte schweigen / oder ihres Lebens nicht sicher seyn. Worauff sie zur Antwort gab: Ja Herr /ich wil auch vor dißmahl noch schweigen / wann ich nur hernähst unbemühet bleibe. Also ging er hinweg /als hätte er kein Wasser betrübet / dañ er fürchtete sich vor seinem Weibe nicht viel weniger als vor dem Henker selbst. Sie klagete diese Nacht ihrem Wolffgange solches alles / und gab ihm zugleich zuverstehen / auff welche Zeit sie ihre Lustreise verhoffentlich ungezweifelt fortsetzen würde; welches ihm sehr lieb wahr; im übrigen aber ihr den Raht gab / da sie des folgenden Tages aber eins unzimliche Ansprache von dem Alten haben würde / möchte sie sich etwas gelinder vernehmen lassen / damit er nicht aus toller Liebe eine Erklärung fassete / die auff Gewalttaht bestünde; könte auch nicht schaden ihn auff etliche wenig Tage (wanns nicht anders seyn könte) hinzuweisen / und ihm also in Sicherheit das Maul auffsperren. Aber wie sie dazu sich selbst nicht bereden kunte / also schikte es Gott / daß er aus Schahm und Furcht sich des folgendẽ Tages von ihr nicht sehen ließ. Wolffgangen dauchte numehr hohe Zeit seyn / seinem Gesellen Reichard die rechte Warheit zuoffenbahren / welcher ihm zuvor einen leiblichen äid schwören muste / was er ihm anjezt vertrauen würde / in geheim zuhalten; dagegen versprach er ihm hinwiederumb im Nahmen der Fräulein äidlich / ihm entweder ein freies RitterGut erblich zuverschaffen / oder zwo Tonnen Goldes in Baarschafft / da ihm solches angenehmer seyn würde; gefiele es ihm auch / solte er in den Ritterstand / und zum Großfürstlichen Beamten gesetzet werden. Und als sie sich darauff beyderseits auffs hårteste verbunden / sagte ihm Wolffgang das vornehme Fürstliche Fräulein würde morgen umb 9 oder 10 uhr aus dieser Stad nach dem und dem Vorwerk fahren; da müste man nun einen Anschlag auff sie machen / daß man sie dergestalt hinweg führete / daß es so bald nicht ruchtbar wũrde; alsdann währe durchaus keine Gefahr bey der Sache / nur daß die / so sie angreiffen und wegnehmen solten / in vermummeter Gestalt es verrichteten / damit sie hernähst nicht erkeñet / oder doch nicht so gar bald ausgekundschaffet werdẽ könten. Reichard wahr zu allem willig und bereit / nahm von seinen Eltern und Verwanten Abscheid / und richtete sich nach der Zeit / daß er auff den nähstfolgenden Tag sehr früh mit seiner Reuterey hinaus ritte / vorgebens / er wolte über den Rein / und im Kriege sich eine zeitlang versuchen; hatte auch die Gutsche fertig / und fehlete ihm nichts / nur daß das Fräulein sich blicken liesse / die man hinweg nehmen solte. Als Wolffgang diesen lezten Abend nach seiner Gewohnheit zu dem Fräulein ging / seinem Vorgeben nach /bey seiner Armgart zuschlaffen / wolte der alte Bernhard ihm solches nicht gönnen / fing einen falschen Zank an / und sagte / er solte sich alsbald von seinem Hofe hinweg packen; Er kähme in Erfahrung / daß er hin und wieder austrüge / was in seiner Haushaltung vorginge / dessen er hinfüro wolte geübriget seyn. Dieser wuste sich dessen unschuldig / baht deswegen umb Verzeihung / und erboht sich / sein Leben zulassen / wann ihm das allergeringste könte überbracht werden; Er merkete aber daher / daß der Alte irgend auff diese Nacht einẽ gefährlichen Anschlag möchte gemacht haben. Die Frau / Nahmens Mechtild / kam gleich darzu / und fragete ihren Mann / was er sich mit Wolffgang zukeiffen hätte? Da dieser seine jezt getahne[674] Entschuldigung wiederhohlete / und die Frau inständig baht / ihm zum wenigsten noch diese Nacht seine Armgart zugönnen / alsdann wolte er lange nicht wieder kommen. Die Frau wahr diesen Morgen von ihrem kleinen Töchterlein berichtet / ihr Vater hätte Armgart küssen / und auff seine Schoß nehmen wollen / welches sie nicht hätte wollen leiden / und sich darüber mit ihm gescholten. Dieses fiel ihr gleich ein / daher sie einerley mit Wolffgangen argwohnete /und zu demselben sagete: Gehe hin / und schlaffe bey deinem Weibe / wie bißher geschehen / kein Mensch sol dir solches wehren; ja wann du eine einzige Nacht von ihr bleibest / wil ich dich zustraffen wissen. Ihr Bernhard solches hörend / gedachte alsobald / die Karte würde falsch seyn / und ging stilschweigend davon / sie aber folgete ihm auff dem fusse nach / und da sie mit ihm allein wahr / fing sie also an: Sehet doch den jungẽ frischen Buhler / der meine Mägde beginnet zuküssen / und auff der Schoß zuführen / so ungescheuhet / dz seine kleinen Kinder es ansehen und austragen müssen. Er fragete mit einem wundervollen Eifer / wer ihn also belogen hätte. Ihr kleinstes Töchterlein Adelgund kam gleich daher gelauffen / zu dem die Mutter sagete: Mein Kind / sage mir / was taht dein Vater unserer Armgart? Je HerzenMutter /antwortete das kleine / habe ichs euch doch bereit gesagt; Er wolte sie herzen / und auff seine Schoß nehmen / aber unsere Armgart / meine liebe Armgart /wolte es nicht leiden. Je du loser Sak / sagte der Vater / wer hat dir solches zusagen eingestecket? Ja HerzenVater / antwortete sie / ist es nicht wahr / woltet ihr nicht auch ihr nach dem Busem greiffen? Wisset ihr noch wol / als ihr mich woltet aus der Stubẽ schünnen / und unsere Armgart wolte es nicht leiden? Gut mein Töchterchen sagte die Mutter / wo du es aber noch einem einzigen Menschen sagen wirst / wil ich dir den Hals abschneidẽ. Je HerzenMutter / sagte diese / ich wil es keinem Menschen mehr sagen. Es kam die gröste Tochter eben darzu gangen / deren diese kleine entgegen lief / und überlaut zuruffen anfing: Höre Alheid (also hieß diese) es ist nicht wahr / daß unser Vater hat wollen unsere Armgart küssen / auff die Schoß nehmen / und ihr in Busem greiffen; Nein es ist nicht wahr / es ist doch nicht wahr. Diese erschrak der Rede / und sagte: Je du Balg / wer saget dann solches? habe ichs gesagt? Nein / antwortete die kleine /du wahrest nicht dabey ich habs allein gesehen / aber ich darffs nicht mehr sagen / oder meine HerzenMutter wil mir den Hals abschneiden. Die Mutter hieß die beyden Töchter hingehen / und als lieb ihnen ihr Leben währe / das Maul halten. Hernach sagte sie zu ihrem Ehe Junkern: Pfui schämet euch in euer Herz und Blut / ihr alter ehebrecherischer Narr; ist euch nun ein neuer Kitzel nach meiner Magd ankommen? Er wolte noch stark leugnen; aber sie hieß ihn schweigen; wie es doch möglich währe / daß dieses Kind von sechs Jahren ein solches aus ihren Fingern saugen solte; Kinder und Narren (hiesse das alte Sprichwort) sagten die Warheit; welches an ihrem Töchterchen erschiene. Sie wolte dißmahl ihm solches zu gute halten / würde er aber sich noch eins gelüsten lassen / zu ihrer Magd zunahen / wolte sie schon wissen ihn dergestalt die Schüppe zugeben / daß er dessen vor aller Welt Schimpff und Spot haben solte. Ob er an ihr nicht ein Genügen haben könte / da sie noch frisch und kaum von 32 Jahren währe. Er gestund endlich so viel / daß er solches aus Kurzweil getahn hätte / umb zusehen / wie beydes Armgart und die kleine Klapperbüchse sich dagegen bezeigen würde. Ich wil euch diese Entschuldigung gläuben / wie die erste Leugnung / sagte sie / und dannoch umb[675] Friedes und eurer eigenen Ehre willen hievon nicht wissen / nur lasset euch ja witzigen / wollet ihr sonst nicht / daß ich euch öffentlich beschimpfen sol. Sein Gewissen sagte ihm /daß er schweigen solte / aber seinen Vorsaz / ob er gleich heut vergebens währe / hoffete er doch zur andern Gelegenheit auszuführen. Wolffgang meldete dem Fräulein des alten Buben Vornehmen an / schlugens aber beyde aus dem Sinne / und brachten den mehrenteil der Nacht mit andächtigem Gebeht zu /dann sie hatte ihn schon zum Christentuhm beredet; Ihr mit Trähnen vermischetes Flehen ging hin zu Gott / daß derselbe nach seinem väterlichen Willen ihr Unglük brechen / und das Vornehmen zu ihrer Erlösung gerahten lassen wolte. Die gröste Tochter Alheit hatte alle ihre Ketten / Ringe / Perlen und Kleinot ihr in Verwahrung getahn / weil sie dieselben fein zusaubern wuste; Hievon nam sie einen zimlichen Anteil auff die 200 Kronen wert zu sich / deren als eines Nohtpfenniges auff der Reise zugebrauchen / und hernähst ihr viel ein kostbahrers wieder zuschicken; ließ Wolffgang zimlich frũh von sich / nahm ihr gewöhnliches nähen vor / und gedachte des ausfahrens nit im geringsten / als die Jungfer zu ihr kam / wiewol sie schmerzlich verlangen trug / die Gewißheit zuerfahren / damit sie / genommener Abrede nach / ihren Wolffgang solches zeitig gnug / mit einem weissen ausgestekten Tüchlein aus ihrem Kammer Fenster möchte zuverstehen geben. Aber kaum hatte diese sich an Händen und unter dem Gesichte gewaschen /da fragete sie das Fräulein alsbald / ob sie sich nicht fertig machen wolte / mit hinaus zufahrẽ; der Wagen würde schon angespannet / und dürffte der Auffbruch wol eine Stunde zeitiger geschehen / als sie gemeynet / weil die Mutter umb 4 uhr nachmittage wieder daheim seyn / und selbst mitfahren wolte; Welche Antwort sie nicht ohn grosse Bekümmerniß anhörete /und doch ihrem Gott trauete / er würde es zu ihrem besten schicken. Das Vorwerk lag eine gute Meile von der Stad / und musten sie durch einen kleinen Wald fahren / in welchem die Taht zuvolstrecken / sie den Anschlag gemacht hatten. Wolffgang ging in seiner täglichen Kleidung hinter dem Wagen her / welches die Frau ersehend / ihn fragete / wo er hinaus gedächte / und ob er sich befahrete / daß sie ihm seine Armgart entführen wolte. Nein Hochädle Frau / antwortete er; sondern weil ich heut ohndas Herren loß bin / gehe ich mit / ob ich ihr auff dem Vorwerke zu etwas könte behůlflich seyn. So gehe mit / sagte sie /ich finde allenthalben Arbeit vor deines gleichen. Die Abrede zwischen ihm und seinen Reutern wahr / daß auff der bestimmeten Stelle er ein Zeichen geben solte / dessen er unvergessen wahr; massen so bald er anfing zusingen / liessen sich 4 Reuter sehen / welche mit angeklebeten Bärten sich unkentlich gnug gemacht hatten / und von hinten zu dem Wagen folgeten / auch wie es angelegt wahr / Wolffgangen mit ungestüm frageten / ob er zu der Gutsche gehörete / und was vor Leute darauff sässen. Er aber zur Antwort gab: Er gehörete nicht darzu / und möchten sie selber zusehen / wornach sie frageten. Frau Mechtild hörete solches / und nach ihrem Frevelmuht fragete sie die Reuter / was sie sich umb ihren Wagen / oder wer darauff sässe / zubekümmern hätten; sie solten sich ihres Weges packen / oder gewärtig seyn / was ihnen begegnen solte. Die Reuter verteileten sich / daß zween den Gutscher zwischen sich nahmen / die andern zween aber an den Wagen ritten / und der eine diese Antwort gab: Wie nun Frau / was habt ihr fremde Leute zu trotzen? oder darff[676] man diesen Bauren umb nichts fragen? sahe inzwischen das Fräulein starre an / und sagte als im Zorn zu ihr: Wie nun zum Henker / wie nun Armgart? finden wir uns so ohngefehr hie beyeinander? wer hat dich heissen aus meinem Dienst gehen / und einen andern Herrn suchen /ehe du mir die versprochene Zeit ausgehalten hast? Das Fräulein antwortete / als aus Furcht: Sehet da Herr seid ihrs? und kennet meinen Mann nicht mehr /welcher hinter dem Wagen hergehet / dem ihr ja / und eben so wol auch mir Urlaub gegeben habt nach dem Elbstrohm zu unsern Freunden zu reisen. Ich kenne ihn wol / antwortete er / aber aus begierde zuerfahren / ob du hier währest / habe ich ihn nicht angesprochen; sage mir aber du betriegerin / heisset dieses nach der Elbe reisen / uñ bist über den Rein gangen? Mein Herr / antwortete sie / die Schuld lieget nicht an mir / sondern an dieser Frauen / als welche mich mit List nach dem Rein geführet / und nachgehends mich gezwungen hat in ihre Dienste zu treten / dessen ich wol nimmermehr willens gewesen währe. Je Frau /sagte dieser darauff / wie dürfet ihr euch dann erkühnen mir mein Gesinde abzuspannen? und dräuet mir selbst noch wol darzu? bald dürftet ihr mich auff dem vorsatze finden / daß ich gleiches mit gleichem vergölte / und eure Tochter zu meiner Beyschläfferin mit mir nähme / wozu sie mir deucht groß genug seyn. Was woltestu nehmen? sagte die Frau / halte ja bald ein mit dieser Pfeiffe / oder es wird dir ein selzamer Tanz darauf erfolgen. Je du leichtfertiges freches Weib / antwortete dieser / kanstu dann noch nicht erkennen / daß du mir durch entführung meines Gesindes / unrecht getahn hast? so wird dir das Wasser bald über die Körbe gehen. Hier entfiel ihr der Muht gar / fürchtete der Tochter Ehre / und fing an sich zuentschuldigẽ; es hätte Armgart dieses nicht offenbahret / daß sie in eines andern Dienste währe / würde demnach solche unwissenheit zu ihrer entschuldigung geltẽ lassen / uñ möchte er seine Magd nach seinem belieben immerhin nehmen / welche sie ohndas in kurzen lauffen zulassen willens gewesen. So heissets nicht / sagte dieser / ich wil trauen wegen des mir erwiesenen Schimpfs und ausgestossener dräuung abtrag haben; darumb gib alsbald Ringe / Ketten / Armbänder / und alles geschmeide her / was du und deine Tochter an euch traget / oder meine dräuung sol stündlich auff dieser grünen Heide erfüllet werden. Die Angst machete / daß sie bald einwilligten / und auff 500 Kronen wert von sich gaben. Ihrer zween bunden dem Fuhrman Hände Füsse / legten ihm einen Knebel ins Maul / und schleppeten ihn eine gute Ecke zum Walde hinein / Wolfgang aber muste auffsitzen /und die Gutsche fortführẽ / da die Reuter / welche ein lediges Pferd bey sich hatten bey ihm blieben / und denen auf dem Wagen den Tod dräueten / dafern sie einiges Geschrey anfahen würden. Sie brachten den Wagen zwo Meilen von der Stad an einen unwegsamen Ort in ein dickes Gepüsche / da die Jungfer anfing zu zittern und zagen / nicht zweifelnd / es würde um ihre Ehre getahn seyn; aber das Fräulein tröstete sie / mit dem versprechen / ihr solte durchaus kein Leid geschehen / möchte nur wünschen daß ihre Mutter sich auch also gegen sie bezeiget hätte / daß sie ungestraffet bliebe / weil aber dieselbe sehr unbarmherzig mit ihr verfahren / ihr weder essen noch trinken / noch ruhe gegönnet / und täglich gelegenheit vom Zaune gebrochen sie mit Fåusten zu schlagen / daß ihr oft Mund und Nase geblutet / müste sie inne werden und in etwas empfinden was solche wüterische Grausamkeit verdienete. Der ertichtete Herr riß darauff die Frau von der Gutsche / und mit einem starken Prügel zerschlug er ihr die unbarmherzigen[677] Hände / Arme /und das Gerippe / daß sie endlich drüber in Ohmacht fiel / und das Fräulein noch vor sie bitten muste. Der frommen Adelheit (oder Alheit) aber geschahe gar kein leid / wiewol ihrer Mutter Elend ihr die häuffigen Trähnen aus den Augen trieb / und Wolfgang zu ihr sagete: Danket ihr Gott / daß ihr dieser meiner vermeineten Frauen kein leid habt angetahn / eurer würde sonst nicht besser als diesem grausamen unbarmherzigẽ Weibe gewartet werden / bey welcher ihr diesen Tag uñ folgende ganze Nacht verbleiben sollet / und wo ihr euch erkühnen werdet vor Morgen früh von diesem Orte weg zuzihen / müsset ihr umb Ehr und Leben kommen / hernach aber möget ihr zihen wohin ihr wollet / könnet euch auch berühmẽ / daß nie kein Mensch eures gleichen / ein vornehmer Weibesbild zur Magd gehabt als ihr. Das Fräulein kehrete sich nichts an das Weib / aber zu der Tochter sagte sie: Meine Freundin / ich danke euch sehr vor allen erzeigeten guten Willen / und versichere euch / daß ich nicht unterlassen werde / mich gegen euch in der Taht dankbar zuerzeigen; eines ist mir fast leid / daß euer alter unzüchtiger Vater nicht mit heraus gefahren ist /welchen ich wegen seiner ehebrecherischen anmuhtungen hätte wollen eurer Mutter gleich zurichten lassen / damit eins dem andern nichts vorzuwerffen hätte. Warnet ihn aber / daß er von solcher schändlichen Büberey abstehe / oder da ichs erfahren solte /werde ich ihn schon finden; dann meine Hand ist so lang daß ich über hundert Meilen damit reichen kan /welche zu küssen eure Mutter das gottlose freche Weib unwirdig ist / und doch dieselbe zu ihrer Mägde-Arbeit so grausam angetrieben hat. Ihr solt auch wissen / dz ob ich gleich anjetzo flüchtig davon eile / wolte ich doch (wann ich mich nur bey dem Römischen Stathalter zu Köllen meldete) bald nach euer Stad umbkehren / und eure böse Eltern durch Henkers Hand abschlachten lassen. Als sie dieses geredet hatte / machte sie die angestrichene Farbe von ihrem Angesicht und Händen hinweg / und ließ die Jungfer ihre zarte Schönheit sehen / welche sich deren hoch verwundernd / zu ihr sagete: Ach gnädige Frau; vergebet doch meinen Eltern / was sie aus unwissenheit wieder euch gesündiget haben. Ja / sagte sie / es sol ihnen auff eure Bitte vergeben seyn / da sie sich bessern werden; euch aber hoffe ich noch gutes zu tuhn. Wolfgang stellete sich nunmehr sehr demühtig gegen sie /und weil sie sich was lange aufhielt / sagte er: Durchleuchtigstes Fräulein / ihre Durchl. wolle ihr gnädigst gefallen lassen abscheid zu nehmen / demnach es hohe Zeit seyn wird. Ja mein Freund / antwortete sie /wir wollen uns nicht långer aufhalten. Ihr redlichen Leute aber / sagte sie zu den Reutern / seid mir geträu und beyständig auff meiner kurzen Reise / uñ versichert euch / so wahr ich gedenke ehrlich zu leben und selig zu sterben / daß ich euch dieses rittes dergestalt ergetzen wil / daß ihr vor Armut sollet befreiet seyn /und in grosser Fürsten ansehnliche Dienste / da ihrs begehret / auffgenommen werden. Diese viere sprungen von ihren Pferden / tahten ihr einen Fußfal / und verpflichteten sich ihr äidlich / vor ihre Wolfahrt Leib und Leben auffzusetzen. Wolfgang nam das Fräulein vor sich auff das ledige Pferd / und ritten miteinander nach ihrer Geselschaft / welche sich nicht weit davon in einem Dorffe auffhielt / woselbst das Fräulein von Reichard höflich empfangen und alsbald mit buhlerischen Augen angesehen ward / dessen sie doch nicht wahr nam / sondern zu ihm sagete: Mein Freund / daß ihr auff meines geträuen Dieners Wolfgang anmuhten euch zu meiner rettung habt wollen gebrauchen / ist eine löbliche Taht / welche euch und allen euren[678] Gehülffen dergestalt sol vergolten werden / wie ihr selbst wünschen könnet / nur seid mir geträu und beyständig auff den Nohtfal / wir werden unsern Weg in etlichen Tagen endigen / da ich mit Gotteshũlffe zum Ende meiner trübsaal / ihr aber zum anfange eures Glüks gelangen sollet. Reichard wahr ein stolzer Mensch /meinete / es geschähe ihm von dem Fräulein nicht Ehre und danks genug / uñ ließ sich vernehmen; daß er ihrer Gn. mit seiner hülflichen Hand beygesprungen / währe nicht eben aus Hofnung der Vergeltung /sondern aus mitleiden wegen ihres elendes geschehen / wie solches einem jeden tapferen Gemüht zustünde /der unterdrücketen sich anzunehmen. Welche Antwort sie seiner unwissenheit zulegete / sich nochmahl aller vergeltung erboht / und mit Wolfgang auff eine Kammer ging / woselbst sie die mitgebrachten adelichen Kleider anlegete / sich auff die herzugeführete Gutsche setzete / und unter inbrünstiger anruffung Gottes frölich davon fuhr / da Wolfgang sich zu ihr in den Wagen setzen muste / mit welchem sie im Gebeht zu Gott fleissig anhielt / und diesen Tag und die ganze Nacht zu eilen nicht auffhörete / biß sie des folgenden morgens sehr früh den Reinstrohm erreichete / und sich hinũber setzen ließ / eben des Orts daher sie kommen wahr. Sie mieteten daselbst im nähesten Flecken einen des weges kündigen Bohten / welcher sie die richtigste Strasse nach Magdeburg bringen solte / und hatten eine gute und sichere Reise. Reichard hätte nunmehr mögen etliche wenig Tage sich der Untugend enthalten / alsdann würde er in kurzen an Ehr und Reichtuhm höher / als keiner seines Geschlechts gestiegen seyn; aber als er der Fräulein ausbündige und ganz volko ene Schönheit sahe / die dannoch durch ihr Elend umb ein grosses gemindert wahr / wuchsen die unzüchtigen Begierden in ihm dermassen / daß er ihm gänzlich vornahm / das äusserste zuversuchen / damit er ihrer geniessen möchte / dann der Stolz / umb daß er etwa acht Reutern zugebieten hatte / wahr so groß bey ihm / daß er sich selbst nicht kennete; er ritte bey der Gutsche auff und abe / ließ sich sehen / und redete so kühnlich mit ihr /als währe er ein Fürst / oder sie eines Bürgers Tochter gewesen. So bald sie über den Rein wahren / stellete er sich / ob könte er wegen des Zahnewehes / das reiten und die Luft nicht wol erleiden / daher er an Wolfgang begehrete / daß er auff sein Pferd sässe / und ihm die Stelle in der zugemachten Gutsche überliesse; wozu dieser willig wahr / aber das Fräulein ungerne sahe / weil sie wenig höfliches Gespråchs bey ihm vermuhten wahr / und sich doch dessen nicht durfte merken lassen. Als der Freveler sich bey dem schönen Fräulein allein befand / und aus allen ihren Geberden wol muhtmassete / sie müste sehr hohes Standes seyn / welches er noch zur Zeit nicht eigentlich von Wolfgang erfahren köñen / scheuhete er sich dañoch /plumpßweise loßzubrechẽ / fing an sie höchlich zubeklagen / dz ein so trefliches uñ mit aller Schönheit begabtes Fräulein sich als eine Haußmagd hette müssẽ verächtlich haltẽ lassen / erfreuete sich hoch / dz er die Ehre gehabt / sie loßzumachẽ / uñ baht schließlich / ihm mit gnädiger gewogenheit zugetahn zuverbleiben / nach dem er mehr als brüderliche Träue an ihr erwiesen / welches ihn Zeit seines Lebens erfreuen würde / und daß in ihre Kundschafft er gerahten währe / deren Schönheit ihn dermassen strängete / daß ihm unmöglich währe / ihr solches zuverbergen. So wol dem Fräulein die ersten Worte gefielen / so herzlich entsetzete sie sich über die lezten / daß sie kaum ihrer Vernunft gebrauchen kunte / diese wenig Worte zusagen; Mein Freund / daß er sich zu meiner Rettung hat wollen lassen gebrauchen; ist mir ein sonderlicher gefallen daran[679] geschehen / wie wol ich mich leicht auf andere Weise hätte können loßmachen / wann ich mich nur dem Römischen Stathalter zu Köllen / Herrn Julius Lupus zuerkennen geben wollen; aber versichert / sollen seine mir erzeigete Dienste und angewante Kosten / ihm nicht unvergolten bleiben / sondern mit Reichtuhm und Ehren Erhöhung zu aller gnůge / und mehr als sein Stand mit sich bringet / ersetzet werden / welches er mir wol sicherlich trauen mag / dafern er sonst sich weiters bereitwillig finden lassen wird / mich nach Verm \gen an Ehre und Leben zuschützen / da die Noht / wie ich doch nit hoffen wil / es erfodern würde. Meine Schönheit betreffend / ist dieselbe keines sonderlichen Ruhms wirdig / aber immer und ewig leid müste mirs seyn / wann dieselbe / wie schlecht sie auch seyn mag / auf andere Weise /als in Erbarkeit / einigem Menschen gefallen solte. Welches sie auch mit solchem Ernst uñ eiferigen Worten vorbrachte / daß er sich in etwas entsetzete /und schon bereuete / daß er diesen Argwohn bey ihr erwecket hatte; dann er hoffete eine solche Gelegenheit anzutreffen / seinen Muhtwillen dergestalt zuerhalten / daß weder sie es verhindern / noch jemand davon ich / was erfahren solte; derhalben / sie aller Furcht zubenehmen / er um Verzeihung baht / vorgebend / er hätte entweder seine Reden aus Unbedachtsamkeit anders vorgebracht als sie gemeinet wåhren /oder aber ihre Gn. wůrden sie ungleich aufgenommen und ausgeleget haben; währe ihm also leid / daß er in solches mißtrauen bey ihr gerahten solte. Welche Antwort sie / als währe sie völlig befriediget / aufnahm /und doch aus seinem strängen anschauen und unsittigen Geberden wol merkete / daß er nichts gutes im Siñe haben möchte. Wie sie auf einem Dorffe das Frühstucke von der mitgenommenen kalten Kuche /anderthalb Meile disseit Reins hielten / merkete Wolfgang aus seinen Bezeigungen / was er im Schilde führete / und suchete Gelegenheit / allein mit dem Fräulein zu reden / welche ihm aber zuvor kam / und die leichtfertige Anmuhtung ihn wissen ließ / daher er mit den Reutern in Reichards Abwesenheit redete; sie solten sich versichern / daß ihrer keiner ohn Fürst- und Königliche Geschenke bleiben solte / wann sie ihm äydlich wůrden angeloben / daß sie dz Fråulein vor alle Gewaltsamkeit / äusserstes Vermögens wolten schützen helfen / wann ihr irgend Unbilligkeit solte angemuhtet werden. Diese liessen sich einhellig auf solche Zusage heraus / als lange sie warm Blut håtten / solte es keine Noht haben. Wolan / sagte er / so helffet auff den Fal euren Herrn abhalten / wann er sich einiger Gewaltsamkeit oder unlöblicher Taht unterfahen wolte / biß dahin aber lasset euch nichts merken; dagegen wil ich euch åydlich versprechen / daß euch bloß allein vor diese Tråue eine Tonne Schaz sol ausgeteilet werden / so bald wir nur bey der Elbe angelanget sind. O wie freueten sich diese arme Landläuffer / neigeten sich vor ihm / und verhiessen / so wol Nachtes als Tages fleissig zu wachen / und alles böse zu verhindern. Welches er dem Fräulein anzeigete /und daß sie sich vor dem Buben durchaus nicht fürchtete / sondern / da sie ein unbilliches Wort oder Geberde von ihm vernehmen würde / ihm nur kühnlich /und hart genug einredete / weil die Reuter ingesamt sich zu ihrem Schutze / auch wider ihren Herrn selbst / äydlich mit ihm verbundẽ hättẽ. Ey Gott lob sagte sie / so ist mir dieser schwere Stein vom Herzen genommen / stellete sich auch freymühtig / und lies gerne zu / daß der freche Bube sich wieder zu ihr auf die Gutsche setzete / weil er darumb anhielt. Er hätte gerne gesehen / daß man mit der Reise so heftig nie eilen mögen / wendete ein / die Pferde könten es nicht ertragen / und würden bald tod nider[680] fallen. Aber da half nichts zu; dann Wolfgang antwortete / man hätte an dem erbeuteten und andern geschmeide Mittel gnug / frische Pferde zukauffen / wann diese gleich drauff gehen würden / weil ihre Wolfahrt auf der eile bestünde; daß er also nicht weiter wiedersprechen durfte. Auf der Gutsche fing er an sein Unglük zubeklagen / daß er in so nidrigem Stande hätte müssen gebohren werden; der Himmel hätte ihm wol eine so ädle und unüberwindliche Seele gegeben / als mannichem nicht / der ein Fürstentuhm besässe; aber was diesen wol anstünde / und von jederman an ihnen gelobet würde / důrften er und seines gleichen kaum mit Gedanken überlegen; woraus leicht zuerkennen währe / daß es einem tapferen Manne und hohen Geiste nicht allein am Lebens- sondern vielmehr an Standes-Glũcke gelegen währe / wañ man empor schweben wolte. Das Fråulein erkennete hieraus seinen Hochmuht /und was er darunter verdeckete / verließ sich auf Wolfganges Vertröstung / und gab ihm diese Antwort: guter Freund / es hat unser Gott selbst der Stände Vnterscheid gesetzet / daher sie kein Mensch vermischen muß / sondern ein jeder ist billich mit dem seinen zufrieden / bloß darumb / weil dem allerhöchsten es nit gefallen hat / ihn in einen andern zusetzen; welches ich nicht darumb sage / ob solte niemand nach Ehren und Standes Besserung trachten; dañ was hat rechtschaffene Tugend sonst vor Lohn als Ehre? nur dieses wird ein jeder Vernünftiger gestehen / daß nicht ein jeder tapferer Mann könne zum FürstenStande gelangen; und noch dannoch hat er seine Ehre und Ruhm vor der Welt; dz also alle und jede / in was Stande sie auch leben / Gelegenheit haben können /ihre Tugend und gutes Herz zu üben. Daß er aber sich beschweret / ein ander dürfte sich dessen nicht unterfahen / was einem Fürsten erläubet ist / solches muß trauen mit Unterscheid gesagt werden; from uñ ehrlich leben / ist allen Menschen frey gegeben / ja sie sind durch die eingepflanzeten Gesetze darzu verbunden. Aber wann etwa ein Bürger oder ädles Standes /Fürstlichen Häuptern dasselbe nachtuhn wolte / was sie als Fürsten vornehmen / würde ein grosses Stük der wahnwitzigen Tohrheit seyn. Dann heissets nach dem bekantem Sprichworte; Wann zween ungleiches Standes / eines tuhn / das ist nicht einerley. Zum Beyspiel: Ein Fürst gebeut den Inwohnern seines Landes /mit dem Gewehr auf zuseyn / und einen Zug gegen den Feind mit ihm zutuhn. Wann dessen aber ein ander sich unterstehen wolte / dürfte er spot oder Schläge zu Lohn tragen. Also ordnet ein König oder Fürst in seinem Lande allerhand Gesetze; ein ander muß es trauen wol bleiben lassen / ob er gleich tausendmahl bessere Gesetze geben könte / als dieser mit allen seinen Rähten. Ein ander Beyspiel: Ein Fürst trachtet nach der Heyraht einer Fürstlichẽ Fraülein /als die Standes ihm gleich ist; wůrde nun ein ädler oder Bürgersmañ / wie tapfer / reich / und ansehnlich er gleich seyn möchte / ihm solches ungescheuet nachmachen wollen / hätte er an stat der Braut entweder eine NarrenKappe / oder die Striegel / wo nicht wol gar den Staupbesem zugewarten / nachdem er die Sache angreiffen würde. Also sehet ihr nun / Reichard / daß ihr und eures gleichen euch billich etlicher Sachen enthalten müsset / die Königen und Fürsten allein zustehen / wo nicht sonst eine Verwirrung aller Stände und Ordnung in die Welt solte eingefuhret werden. So beklaget euch nun nicht / wegen eurer angebohrnen Nidrigkeit / sondern strebet der Erbarkeit und Tugend nach / als weit euer Stand / in welchen euch Gott selbst gesetzet hat / reichen kan / und versichert euch als dann / daß ihr nicht umsonst euch bemühen /[681] sondern ohn Zweifel in einen höhern (kans gleich nit der höchste seyn) Stand schreiten werdet. Ich wil nur euer jezt bevorstehendes Glũk euch vor Augen stellen: Ihr seid Bürger Standes der Geburt nach / jezt habt ihr euch zu meinem Diener bestellen lassen / dessen ihr in wenig Tagen grosse Vergeltung empfahen sollet / nicht allein an Geld und Gütern /sondern auch / wann es euch geliebet / könnet ihr in den Adel und RitterStand aufgenommen werden; massen was mein geträuer Diener Wolfgang und ich selbst euch versprochẽ haben / sol euch auf den Fall eures beständigen wolverhaltens (woran ich dann nicht zweifeln wil) Fürstlich geleistet werden; nur leget diese verkehrete Meinung abe / uñ gönnet hohen Fürstlichen Häuptern / was ihnen von dem Himmel selbst und Einwilligung aller Völker zugeeignet und übergeben ist / damit ihr nicht wieder den Stachel lecket / und euch in Unglück stürzet / welches ich euch gar nit gönne. Dieser verwägene Tropf hätte ihre Meinung hieraus ja billich fassen / und seinen gottlosen Vorsatz endern sollen / insonderheit / weil er die ungezweifelte Rechnung zu machen hatte / es würde ihm solches ni ermehr ungestrafet hindurchgehen; aber wie der leichtfertige Bube schon eines redlichen vornehmen Mannes Tochter wieder ihren Willen zu Unfal gebracht / und ihr hernach den Raht gegeben /sie solte schweigen / und sich nicht selbst in der Leute Mäuler bringen / welches sie auch vor ihr bestes gehalten; alß gedachte er / würde ein Fürstliches Fräulein vielmehr ihres guten Leumuts acht haben / und sich nicht verrahten; blieb demnach in seinem steifen Vorsatze / und antwortete ihr so ungereimtes Ding /daß er dadurch klar an den Tag gab / die Sinnẽ spieleten Meister über die Vernunft. Jedoch enthielt er sich aller äusserlichen Bezeigung wodurch er den ArgwohnsBrunnen zustopfen meinete. Des Abends in der Herberge eines Dorffes / ihrem Herr Vater schon unterworffen (welches ihnen allen ohn dem Bohten / der es vergaß anzuzeigen / unbewust wahr) stellete sich Reichard gar wolgemuht / ließ seinen Reutern frisch aufftragen / und nöhtigte sie / insonderheit Wolffgangen / gar freundlich zum trinken / dann sein Vorhaben wahr / sie alle trunken zumachen. Aber als die Reuter sahen / daß dieser sich wegerte über Durst zutrinken /neben der Erinnerung / man könte nicht wissen / was auff einem unverschlossenen Dorffe sich zutragen möchte / welches durch Nüchternheit müste abgelehnet werden / wolte ihrer keiner sich zum sauffen bewägen lassen / welches jenen nicht wenig verdroß /daß er auch etlicher Dräuworte sich vernehmen ließ; an welche sich doch niemand kehrete noch es beantwortete / uñ er daher immerzu kühner ward / der Hoffnung / niemand würde auffs äusserste widerstehen dürffen; setzete sich demnach schon halb beräuschet zu dem Fräulein nider / mit viel grösserer Verwägenheit als vor nie / und trank ihr auf Gesundheit dessen zu / der sie mehr als sich selbst liebete. Das Fräulein erinnerte sich bey dem Worte ihres lieben Fũrsten nicht ohn seuffzen / doch weil ihr des Buben Gedanken nicht unbewust wahren / gab sie ihm zur Antwort: Mein guter Reichard / ich begehre eines solchen Freundes nicht / der mich mehr / als sich selbst lieben solte; so habe ich auch auff euer hartes nöhtigen schon mehr getrunken / als mir dienet; werdet mich daher mit diesem Trunke / wie ich weiß / gerne verschonen. Dieser rechnete ihm solches nicht vor einen geringen Schimpff / baht / sie möchte ihn doch nicht so gar unwirdig ihrer Freundschafft halten; dann ob er gleich der Geburt nach nur Bürgerstandes welchen Unterscheid der Stånde ein Schelm erdacht hätte / nachdem sie alle eines Zeuges[682] währen) / so währe er dannoch derselbe / welcher ein Fürstliches Fräulein zuerlösen mächtig gnug gewesen / ja der umb ihrer Freiheit willen sein ganzes väterliches Erbe angewendet / seines Vaterlandes sich verlustig gemacht / und LebensGefahr über sich genommen / ungeachtet er sie vorhin weder gesehen / noch ein Wort von ihr gehöret / ohn was er von dem Tagelöhner Wolffgang hätte /welchen Freund / ausser ihn / sie in der Welt nicht finden würde; und hätte doch vor alle seine Dienste uñ Woltaht nichts mehr / als verächtliche Beschimpffungen / die ihm Herz und Seele durchschnitten; hoffete gleichwol / sie würde dergleichen Undankbarkeit nicht ferner wieder ihn gebrauchen / sonst müste er sich beyzeiten vorsehen / und des Weges mit ihr ziehen / den er kommen währe. Das Fräulein verschmerzete diesen Hohn / und antwortete ihm sehr gütig: Sie wüste sich durchaus nicht zuerinnern / daß sie ihn mit einem Worte oder Augenwink beleidiget hätte / möchte sie demnach solches Argwohns entschütten. Sie håtte nicht gemeynet / daß er die Verwegerung eines Trunks so ungleich empfinden wollen / solte ihm sonst wol unversaget blieben seyn; nam auch das Gläselein von ihm an / und taht über Vermögen bescheid. Da fing nun der schlauhe Bube an / sich auffs neue beliebet zumachen; aber das Fräulein suchete sich von ihm abzuscheiden / ließ der Wirtin ruffen / und fragete / ob ihr nicht in einem absonderlichẽ verschlossenen Gemache / wie schlecht es auch währe / eine Sträu könte gemacht werden / in welchem sie mit jenem ihrem Diener / auff Wolffgang zeigend / allein seyn / und etliche wenig Stunden ruhen könte. Gar wol / sagte die Wirtin / ich habe eine fest-verschlossene Kammer / die wil ich euch einräumen. Nun hatte der Bösewicht schon vorher gemuhtmasset / sie würde des gemeinen Lagers sich nicht gebrauchen / auch an die Wirtin begehret / daß sie ihr an solchem Orte ihre RuheBette zurichten solte / da er zu ihr kommen könte / dann sie währe seine versprochene Braut / und håtte Recht darzu / wiewol sie nach Art der Jungfern sich dessen wegerte; gab ihr auch eine Verehrung /und erkauffte sie dadurch / daß sie ihm den Schlüssel zu der Kammer zustellete / schmierete hernach die Hespen / daß sie leise auffgingen / und machete Wolffganges Lager so weit von der Fräulein Stråu /als das Gemach lang wahr. Das fromme Fråulein hatte sich solcher Verrähterey nicht versehen / nam mit Wolffgang einen freundlichen Abscheid von ihren Reutern / und vermahnete sie / des folgenden Tages zeitig auffzuseyn. Als sie nach Bette ging / fragete sie die Wirtin / unter wessen Gebiet dieses Dorff gehörete / und bekam zur Antwort: Der Großfürst zu Magdeburg währe ihre Obrigkeit / welchen seine Stånde neulich zum Könige gemacht håtten / und hiesse König Henrich. Ey Dank sey dir / du höchster Gott /sagte das Fräulein; meynete / sie währe nun allem Unglük entlauffen / schloß die Kammer Tühr zu / und hielt mit Wolffgang eine herzliche Danksagung: Du frommer Gott / sagte sie / du Vater aller deren / die auff dich trauen; wie so gar gnädig erzeigestu dich uns armen Sündern / und reissest uns im Augenblik aus der Noht und Anfechtung / wann wir meynen am allertieffesten darinnen zustecken. Ich gedachte schon / mein liebes Vaterland würde ich nimmermehr wieder sehen / und sol nun schon diese Nacht darinnen schlaffen / ehe ich weiß /daß ich daselbst angelanget bin. HErr / du hast mich zwar gezüchtiget / aber mit gelinder Hand / du hast mich gestäupet / aber mit deiner KinderRuhte / daß ich nur wenig Streiche mit der Fuhrmans Peitsche / und etliche Schläge von der Hand meiner unbarmherzigen Frauen empfangen habe. O wie wol wird mirs seyn / daß ich auch von deiner Züchtigung etwas bekommen habe. Mein gnädiger Heyland / gib vor dißmahl meinem Unglük die Endschafft /und laß[683] mich die meinen schier wieder sehen; erhalte auch meinen liebsten Fürsten / daß er in der fremde nicht verderbe / noch umb meinet willen in Unfall gerahte /sondern hilff uns nach deiner Gnade wieder zusammen /auff daß wir HErr mit frölichem Munde deinen Preiß zugleich und auff einmahl ansti en / und uns in deiner heilsamen Erkäntniß von den unsern je mehr und fleissiger unterrichten lassen mögen / Amen.

Nach geendigtem Gebeht gab sie Wolffgangen zu verstehen / sie wolte früh Morgens den Amtman / der hieselbst zugebieten håtte / zu sich fodern / sich ihm zuerkennen geben / die Reuter bey sich behalten / und Reicharden wegen seiner groben Unbescheidenheit und Unzucht Urlaub geben / jedoch daß er sich nicht zubeklagen hätte / ihm eine zimliche Verehrung von etliche tausend Kronen nach Kölln ũbermachen lassen / weil sie ihn vor ihren Augen länger nicht leiden könte. Gott sey Lob / sagte Wolffgang / daß ihre Gn. schier in ihren wirdigen Stand wieder treten / und ich dieselbe werde gebührlich ehren dürffen / massen mirs im Herzen weh getahn / daß mit derselben ich mich so gemein machen müssen / da ich doch nicht wert bin / ihr geringster Diener genennet zuwerden. Gebet euch zufrieden mein lieber und frommer Wolffgang / antwortete sie / ich weiß wol zuerkennen / was vor Mühe uñ Ungemach ihr bloß meinet wegen ausgestanden / und die allergrösseste Träue mir erwiesen habt / die von eingem Menschen geleistet zuwerden möglich seyn kan / wovor ich dann wil schuldig gehalten seyn / euch höher zuerheben / als ihr meinet wegen euch genidriget habet. Sie hielten mit ihrem Gespräch noch ein wenig an / biß das Fräulein aus Müdigkeit in einen harten Schlaff geriet / wie imgleichen auch Wolffgang / welcher sich doch vorgenommen hatte / die Nacht hindurch zuwachen. Die Reuter lagen mit Reicharden in der Stuben auff gemeiner Sträu / und umb Mitternacht machte sich der Bube in aller stille hinaus / verriegelte auch auswendig die StubenTühr / daß ihm niemand folgen kunte / ging hin / schloß die Kammer sanffte auf / und legete sich unvermerket zu dem Fräulein. Er spürete / daß sie fest schlief / und die Kleider mehrenteils auffgelöset / wiewol nicht abgelegt hatte / zog seine Kleider ab / und näherte sich ihr gar sehr / wie sie auff der rechten Seite mit aufgezogenen Knien und durchwickeltem Rocke lag / da er sie gewaltsam ũberfiel / in Meinung / seinen Mutwillen / ehe sie recht erwachete / zutreiben; aber sie empfand seinen ersten Angrif / und rief überlaut: Wolffgang / Wolffgang / wer ist bey mir auff dem Lager? fing auch bald ein Geheule an / und stieß von sich / daß nicht allein Wolffgang davon erwachete / sondern geschwinde herzulief / über den verwägenen Schelm herfiel / und sich rechtschaffen mit ihm zausete / daß das Fräulein Lufft gewan auffzustehen / und aus der Kammertühr umb Hülffe zuschreihen; wovon die Reuter wache wurden / und doch aus der versperreten Stuben nit kommen kunten biß sie die Tühr entzwey fliessen / und der Kammer zueileten. Inzwischen zuschlugen sich die beyden auff der Sträu / daß ihnen Maul und Nase blutete / und währe der Bösewicht schier Wolffgangs-Meister worden / dann er fassete ihn bey der Kehle / hätte ihn auch erwürget / wann dieser nicht an sein Brodmesser gedacht / und ihm damit den Arm durchbohret hätte /daß er ablassen muste / und Wolffgang Mattigkeit halber / und daß ihm die Kehle schier eingedrücket wahr / nicht weiter nachsetzen kunte / daher Reichard ihm das Messer nahm / und ihm mit der Linken drey gefährliche Stiche gab / hätte ihn auch gar ermordet /wann nicht gleich die Reuter herzu gelauffen währen /und ihn bey den Fůssen[684] weggezogen hätten / da er zu ihnen sagete: O ihr leichtfertige Schelmen / wie handelt ihr bey mir eurem Herrn; ist das die Träue / die ihr mir schuldig seyd? fassete hiemit das Messer / und stach dem einen eine zimliche Wunde in das Bein /welcher aber ihm das Messer bald aus der Hand brach / und ihm damit die Schulter verletzete. Das Fräulein schickete einen ab / ein Licht zuhohlen / welcher bald wieder kam / und das Blut auff der Fräulein Lager sahe / auch daß Wolffgang zimlich Macht-loß wahr /welchen das Fräulein nicht ohn Trähnen selbst verbinden halff / da unterdessen die Reuter den Tähter mit Füssen zutratẽ / hätten ihn auch umbs Leben gebracht / wann nicht Wolffgang sie gebehten hätte / sie solten ihm nicht weiter Schaden zufügen / sondern festgebunden verwahren / und ihm die Wunden verbinden. Weil dann Wolffgang noch keine TodesAngst empfand / sondern nur wegen des verblutens von Kräfften kommen wahr / dankete das Fräulein Gott inniglich und von Herzen. Die Wirtin / deren Ehman verreiset /ward herzu geruffen / und befraget / auff was weise der Bösewicht durch die KammerTũhr kommen währe / mit Bedräuung / da sie Wissenschafft drumb hätte /solte sie es bekennen / oder schwerer Straffe gewärtig seyn. Worauff sie mit einem Lachen antwortete: ob es dann was neues währe / daß man den Bräutigam zu der Braut liesse? massen als sie solches von ihm berichtet worden / hätte sie auff sein hefftiges anhalten ihm den Schlüssel abfolgen lassen. O du verwägener Bube / sagte das Fräulein / so darffstu dich noch wol darzu vor meinen Bräutigam angebẽ? Nun ich wil dir deinen Lohn schon zustellen / und das BrautBette dergestalt zurichten lassen / dz du kein Königliches Fräulein mehr gewaltsam überfallen solt. Geboht hierauff einem Reuter / daß er von dem HaußKnechte sich geschwinde solte hinbringen lassen / wo der Amtman dieses Dorffs wohnete / und demselben anzeigen / es sey alhie seines gnädigsten Königes nahe Anverwantin / die begehre gnädigst / daß er auffs schnelleste mit einem gutẽ WundArzt und einer gewapneten Schaar sich hieselbst einstelle. Sie nahmen beyde Pferde / ranten geschwinde fort / und brachten den Amtman samt dem Arzt mit sich. Jener / weil er offt zu Hofe gewesen wahr / kennete das Fräulein alsbald / demütigte sich vor ihr / und baht untertähnigst / ihm die Gnade zuerzeigen / und ihm zubefehlen / daß er ihrer Durchl. Wiederkunfft seinem allergnädigsten Könige anmeldete; Aber sie antwortete ihm: Er solte ohn das schon gnädigst angesehen werden; Ließ Wolffgang auffs neue verbinden / und hörete mit Freuden / daß der Arzt guten Trost gab; wie dann auch des TähtersSchaden wol in acht genommen ward / welcher sich bezeigete / als wann er von Sinnen kommẽ wåhre / und nicht wüste / was er verrichtet hätte. Die gewapnete Begleitung stellete sich auch bald ein / daß sie frühzeitig auffbrachen / und den nähesten Weg nach Magdeburg vor sich nahmen. Wolffgang muste bey ihr auff der Gutsche sitzen / dem sie fast schwesterliche Hulde erzeigete / welches er doch in einfåltiger Untertåhnigkeit verbaht / als der dessen allerdinge unwirdig währe / und daher gerne mit einem Karren vorlieb nehmen wolte / weil er seiner Wunden halben das reiten und gehen nicht ertragen könte. Sie aber sprach ihn zufrieden: Er solte mit dergleichen Wegerungen sich nit verunruhen / sondern alle knechtische Nidrigkeit ablegen; sie wolte ihm schon wissen Leute zuzugeben / die ihn in höfischen Sitten unterrichten würden; welches er mit betrůbtem Herzen anhörete / und noch hoffete / es zu seiner Zeit abzulehnen. Der freche Reichard ward auff einen Karch gebunden /[685] und seinem Verdienste nach / fortgeschleppet. Als sie zu Magdeburg ankahmen / entstund grosse Freude bey allen Hofeleuten; Weil sie aber vernam / daß die Königliche Geselschaft schon vor etlichen Wochen nach Prag verreiset währe /wolte sie daselbst nicht länger als eine Nacht verharren; gab Wolffgangen ein schönes Scharlaken Kleid /dessen Wundẽ / (wie dann die Bauren gute Haut zuheilen haben) in kurzer Zeit anfingen sich zusetzen und schliessen / und muste noch immerfort bey ihr auff der Gutsche bleiben. Sie wahr über die masse betrübt / daß man ihr zu Magdeburg so gar nichts von dem Fürsten zusagen wuste / nur daß die Königliche Geselschafft denselben nebest dem Fräulein sehr beklaget hätte / und sie daher an seinem Leben anfing zuverzweifeln / so daß ihre Augen selten ohn Tråhnen / und ihr Herz ohn Seuffzen wahr; da gleichwol Wolffgang sie nach vermögen tröstete; man mũste dem Allerhöchsten trauen / er würde diesen gläubigen und frommen Fürsten ja so wol im Unglük / als sie /erhalten haben / wie er dann nimmermehr gläuben könte / daß er in dem Streite mit den Bürgern des abgebranten Städleins solte erschlagen seyn; uñ wer weiß / sagete er / ob seine Fũrstl. Gn. nit wol schon zu Prag anko en ist / und gleich so grosses Leid über ihrẽ vermeintẽ Tod trägt / als sie über ihn? Sie reisetẽ ohn einige sonderliche begebniß fort / biß sie auf 3 Meilẽ an Prag kamẽ / da sie einẽ Jäger in fremder Kleidungsart / vor einẽ sitzenden Betler ganz demühtig stehen / und den Huht in der Hand halten sahen welches sie wunder nam; und weil es nicht weit von dem Fahrwege wahr / befahl das Fräulein Wolfgangen (der nunmehr geheilet wahr) hinzugehen / und zuvernehmen / warumb dieser wolgeputzeter Jäger einem so unachtsamen Menschen in zurissenen Kleidern /diese grosse Ehrerbietigkeit erzeigete. Dieser / so bald er hinzutrat / ward er / ungeachtet seines schönen ungewöhnlichen Kleides von dem Betler (dann derselbe wahr Fũrst Arbianes) erkennet / welcher voller Hoffnung und Begierden mit lauter Stimme zu ruffen anfing: Wolfgang Wolfgang / verbirge dich nicht vor mir in deinem Ritter-kleide / und sage mir / wo das liebe Fräulein ist / damit ich meiner grossen Herzensangst entweder lebendig oder Tod abkommen möge. Gute Zeitung / glükliche Zeitung gnädiger Fürst / antwortete er; wolte auch weiter reden; aber das Fräulein; welche alle Worte des Fürsten eigentlich hörete / uñ seine Stimme alsbald erkennete / sprang herunter von ihrer Gutsche / und wolte zu ihm lauffen / aber aus grosser herzlicher Liebe / und nicht weniger aus erbarmung uber seinen kläglichen Zustand / fiel sie in Ohmacht zur Erden nieder. Arbianes sahe sie / und geriet in eben denselben Zustand / daß der Jäger mit ihm / und Wolfgang mit dem Fråulein gnug zu tuhn hatten / ehe sie wieder zum verstande uñ zu kräften kahmen. Das Fräulein ermunterte sich zu allererst /lieff ungescheuhet hin zu ihrem allerliebsten Bräutigam / umbfing ihn in seinen Betlers Kleidern und ganz verworrenen Haaren / herzete und küssete ihn /und sagete endlich: O weh mir unglükseligen / daß der teure Fũrst aus Meden / meinetwegen zum Betler worden ist / und es meinem Erlöser viel unglüklicher als mir selbst hat gehen müssen. Nun nun mein Schaz / der almächtige Gott hat uns auf die Läuterung gestellet / wir haben durch seine Gnade und Hülffe ausgehalten / und sind in den Augen seiner Barmherzigkeit wert erfunden worden / daß euer Bettelstand / und meine elende Magdschaft (HErr Gott dir sey dank vor die Stäupe und vor die Hülffe) zum ende gelauffen ist. Arbianes saß noch / als währe er verzukt / die Zehren lieffen ihm über die Wangen / und fand so viel Kraft nicht in[686] seinen Gliedern / daß er sich hätte erheben mögen; endlich richtete er sich langsam in die höhe /sahe sie starre an / und geschwand ihm zum andernmahl / daß er nidersank / sie auch anders nicht meineten / er würde gar verschieden seyn; sein Jäger welcher Zariaspes Sysigamben Sohn wahr / hatte nicht weit davon eine Flasche mit Wein stehen / welche er herzu hohlete / und das Fräulein ihn damit erquickete / da sie zugleich zu ihm sagete: Wie ist ihm nun /Fürst Arbianes / wil mein Vertraueter nach überstandenem Elende es noch schli er machen / als im anfang auff dem Heu? lasset uns doch nach dem Leide die Trähnen abwischen / und nach dem Elende das Trauren einstellen / damit wir nicht selbst diesen Tag zum verworffenen machen / welchen uns Gott zur ergetzung gegeben hat. Er schlug die Augen wieder auff / uñ sagete: Ach du gnadenreicher Heyland / du Helffer aller die auff dich trauẽ; lebet das allerfrömmeste und tugendreicheste Fräulein der Welt noch? ja lebet sie dem bißher elenden Betler Arbianes noch zu Trost und beståndiger Träue? Schweiget / mein allerliebstes Herz / sagete sie / und schändet euch selber nicht; ihr wisset ja besser als ich / daß wir geduldig mit alle dem müssen friedlich seyn / was von Gott uns zukomt. Er richtete sich hiemit auff / und gab zur Antwort: Dir sey dank HErr in ewigkeit / daß du diesem Königlichen Fräulein mit so reichem Trost-Geiste in ihrer Noht beygestanden bist / und ihr vertrauen auff deine Hülffe so fest erhalten hast. Sie aber nam ihn bey der Hand und fũhrete ihn nach der Gutsche / da die Anwesenden nicht anders meineten / sie hätte ihren Wiz verlohren / oder dieser Betler hätte sie bezaubert / daß sie dergestalt sich gegen ihn bezeigete. Arbianes wegerte sich anfangs / ihr zu folgen / und taht den Vorschlag / ihre Liebe möchten im Nahmen Gottes nach der Stad fahren / dieser sein Diener solte geschwinde hinreiten / und ihm gebührliche Kleider samt seinem Leibwagen heraus hohlen / daß er ihr wirdig folgen k \nte. Aber sie wolte durchaus nicht von ihm weichen. Was? sagte sie / solte ich meinen hochwerten Fürsten umb seines Betler-kleides willen verlassen / welches er bloß meinetwegen angelegt und getragen hat? Eure Liebe lasse den Diener in Gottes Nahmen reiten / dz er die Kleider heraus uns entgegen bringe auff das näheste Dorff der Stad / inzwischen wollen wir ihm gemählich folgen; muste also der Fũrst auff den Wagen steigen / da dz Fräulein ihrem Amtman befahl / hinter sich auff dem nähesten Dorffe mit allen seinen Leuten sich biß Morgen niderzulassen und den Gefangenen fleissig zuverwahren; redete auch ihren acht Reutern ganz freundlich zu / sie solten bey dem Amtman verharren / und auff Morgen ihrer ergezligkeit gewärtig seyn. Wolfgang aber muste auff ein Pferd steigen / und ihrem Wagen etwas von weitem folgen. Auff der Gutsche ging das Herzen uñ drücken erst recht an / wiewol der Fürst wegen seiner Lumpen / die nicht ohn Unziefer wahren / sich übel schåmete / da hingegen sie beteurete / er währe in ihrẽ Augen mit dieser Kleidung tausendmahl schöner als in güldenen Stücken / weil er sie ihretwegen trüge. Sie erinnerten sich ihrer schuldigen Dankbarkeit gegen Gott / der ihnen so wunder-gnädig geholffen hatte / daher Arbianes dieses Gebeht aus dem innersten seines herzen mit vielen Trähnen hervor suchete /und das Fräulein ihm ganz andächtig mit pfũtze-nassen Augen nachbehtete:

Gott unser Helffer! ach wie groß ist dein erbarmen /wie unaussprechlich deine Güte! ich hätte fast an deiner Hülffe verzweiffeln dürffen; der Fall wahr mir sehr nahe /und strauchelte schon / weil ich den Stab deines Heils und den Trost deiner Hülffe nicht sichtbarlich empfand. Herr Gott / sagte[687] ich / hastu mich dann gar von deinen Augen verstossen / und von deiner Gnade verbannet /daß du mich nicht sihest? hastu allen Sturm deines Grimmes über mich ausgestürzet / der ich nur Staub uñ Asche bin? Ja Herr mein Gott / ich gedachte / die Fluht hätte mich gar ergriffen; die Wasser deines grimmigen Zorns währen über mich zusammen geschlagen. Herr sagte ich / wo ist deine Hülffe? mein Gott / rieff ich / wo ist deine so teur versprochene erbarmung? und finde mich / ey Gott lob! schon auff dem Trocken / ehe ich des Wassers abflus merke; und liege in deinen hülffreichen Vater-Armen / da ich eben meinete zuversinken. O mein Gott /groß sind deine Wunder / die du an uns beweisest; unermäßlich ist deine Liebe / welche du gegen uns trägest / ob du sie gleich eine kurze Zeit / ja kaum ein Augenblik in deinem Herzen verborgen gehalten. Ja Herr / ich habe diese Betlerskleider mit meinen Sünden und ehemaligen weltlichen üppigkeiten wol verdienet / den erlittenen Jammer hoch verschuldet / die empfangenen Schläge und Wunden mir selbst gemacht / und ist mir noch nicht der tausendste Teil der gerechten Straffen auffgelegt / wann du mein Gott mit mir vor Gerichte treten / und nach meinen Werken mir lohnen woltest. Aber Herr / deine Güte hat überwogen / daß meiner Sünde / wegen der gnugtuhung deines Sohns nicht hat müssen gedacht werden. Davor danke ich dir / mein Schöpfer / davor preise ich dich / Herr mein Gott. O so laß nun nach dieser kurzen Walfahrt uns fördet nicht mehr in der Irre gehen / nachdem wir sehr wol gelernet haben / daß wann du Herr züchtigen wilt / ein Fürst leicht an den Bettelstab gerahten; und wann du helffen wilt / der Betler im Augenblik zu Fürstlicher Hochheit wieder gelangen kan / damit HErr dein Wort wahr bleibe / daß du die Gewaltigen vom Stuel stossest / und die niedrigen erhebest. Dir HErr unserm Gott / dir JEsus unserm erbarmer / sey vor deine väterliche Züchtigung / die uns so heilsam; auch vor deine gnädige Hülffe uñ Rettung / die so tröstlich süsse ist /Lob / Ehr / Preiß und Herligkeit von nun an biß zu ewigen Zeiten / Amen / Amen.

Nach volendeter herzlicher Danksagung wurden sie eins / diesen Tag jährlich nicht anders als ihren Geburtstag in beharlicher Danksagung zu Gott / und milder Handreichung den Armen Christen / deren es in Meden viel gäbe / zu feiren. Hernach fragete der Fürst / was vor einen elenden Gefangenen sie auff dem Karren mit sich gefũhret hätte. Da sie zur Antwort gab; eben dieser hätte sie zwar durch gnug kühne Verwegenheit und angewante Kosten von ihrer Dienstbarkeit loßgemachet / daß ohn sein zutuhn sie so bald nicht würde errettet worden seyn; aber durch sein unkeusches beginnen hätte er alle vorige Woltaht verderbet / daher sie willens währe / ihn mit abscheuhlicher Straffe zubelegen; erzählete darauff seine Untaht / und nam hiedurch gelegenheit / Wolfganges über-grosse und fast ungläubliche Träue /Zucht und Auffrichtigkeit zu rühmen / da sie endlich sagete; Es währe kein Mensch auff Erden / dem sie mehr als ihm schuldig währe / dann er hätte Leib und Leben / Hunger und Kummer / Angst und Gefahr /Noht und Tod nichts geachtet / wañ er ihr nur dienen können / deßwegen nach ihren Eltern und Bräutigam sie ihn vor ihren allerliebsten Freund / und ihren Brüdern gleich hielte; müste sich daneben verwundern /daß er sich wegen künftiger gar zu grosser Gnade und erhöhung mehr / als über sein voriges Elend bekümmerte. O so verzeihe mirs der almächtige Gott / antwortete Arbianes / daß seinetwegen ich so mannichen argen Gedanken gefasset / und mir eine uñ andere Träulosigkeit von ihm eingebildet habe / welches / inbetrachtung seines guten anfanges ich billich nicht hätte tuhn sollen; jedoch wird Meden noch so reich seyn / daß ich einem so redlichen Menschen Abtrag wegen meiner ungleichen Gedanken mache. Aber dem Gefangenen / mein werdester Schaz / ob er wol den Tod verschuldet / und mir das liebste in der Welt hat schänden wollen / müssen wir Barmherzigkeit erzeigen / wo er sonst nur wahre Erkäntnis und Räue seiner Ubeltaht[688] ergreiffen / und die Bosheit ablegen kan; dann Gott hat uns Gnade erzeiget / und mit uns den Bogen nicht auff das genaueste gespannet; daher müssen wir uns unsers täglichen Gebehts erinnern / da wir von Gott bitten; du unser himlischer Vater / vergib uns unsere Schuld / als wir vergeben unsern Schuldigern. Dann es versichere sich nur mein Seelichen daß wir uns ehmahls auch an Gott hart vergriffen haben /und wol schwerer als wir wissen oder meinen; und währe es sonst nicht geschehen / so ists freilich unsere ehmahlige heidnische Abgötterey / die von Gott in seinem Worte / wie ich von König Herkules oft gehöret / eine geistliche Unzucht / Hurerey und Ehebruch genennet wird. Der Bube sey euch / mein Schaz /übergeben / antwortete sie / ungeachtet ich ihm den Tod fast geschworen habe; jedoch übergebe ich ihn mit dem bedinge / daß nach erteileter Begnadigung er nicht mehr vor meine Augen komme; dann er hat aus muhtwilligem Vorsatze einer solchen Bosheit sich unterstanden / die nach aller VölkerRecht / am Leben gestraffet wird. Arbianes saß uñ betrachtete die grosse Träue des frommen Wolfganges / daher er eine solche Gewogenheit zu ihm fassete / daß er ihn zu sich an die Gutsche rieff / und also anredete: Mein geträuer auffrichtiger Wolfgang; nimmermehr hätte ich in dir oder deines gleichen ein so ädles Herz gesuchet / welches ich bey dir angetroffen / und ich fürstlich zuvergelten entschlossen bin; befleissige dich nur / das wenige übrige / welches dir von deinem vorigen knechtischen Stande noch anhangen mag / vollends abzulegen / dann ich wil dich zu einem solchen Manne machen / auf welchen Länder und Städte sehen sollen. Ach Durchleuchtigster GroßFürst / antwortete er / ich bitte lauter umb Gotteswillen / ihre Durchl. wolle mich unwerten einfältigen Menschen nicht über meine wirdigkeit erheben / welches ohn zweifel euer Durchl. selbst würde nachteilig seyn; es ist ja schon zu viel /daß euer Gn. und meiner Gn. Fräulein Diener ich sol genennet werden / der ich zur Bauren Arbeit erschaffen bin. Du hörest / fuhr Arbianes fort / was ich dir sage / daß du alle niedrigkeit / welche dir in deinem künftigen Stande nicht geziemen wil / ablegen / und ein Herren-standes Gemũht annehmen solt; dann wo ich lebe / soltu in meinem Großfürstentuhm der näheste umb mich seyn / als mein Stathalter / weil du mir eine herliche Bewehrung abgeleget hast / daß auff deine Träue ich mich verlassen darff. Nur dieses fasse zum steten Gedächtnis in dein Herz / daß wann du nun zu solchen Ehren wirst erhaben seyn / du dich allemahl deines ehmahligen geringen Standes eriñerst /und der Träue / welche du deinem Fräulein und zu gleich mir / diese Wochen über erwiesen hast / alsdann wirstu ein gewünschter Mann seyn und bleiben. So entschuldige dich nun nicht mehr / das ist mein ernstlicher Wille / mit deiner Unwirdigkeit; du bist annoch jung uñ gelernig / und was du nicht weist / wil ich dir schon anleitung geben / und dir Leute zuordnen / von denen du es lernen kanst. Wolfgang befahl sich seines GroßFürsten Gnade / und wahr der angebohtenen Ehre trauriger / als daß er sich derselben hätte erfreuen sollen / gelebete auch der Hofnung / das Fräulein zuerbitten / daß sie den Fürsten auf andere meinung bringẽ möchte. Unsere beyde verliebeten erzähletẽ sonst einander in der kürze / was sider ihrer unglũklichẽ treñung ihnen begegnet wahr / worüber dz Fräulein zu unterschiedlichen mahlen ihre Trähnẽ vergoß / als sie vernam / wie mañiche Lebensgefahr den Fürstẽ in so kurzer Zeit zugestossen wahr. Sonstẽ sahe Arbianes Zeit solcher erzählung sein Frl. steif an / dz ihre Haar den rechten Glanz noch nit hattẽ / auch dz Angesicht bey weitem nicht der vorigen Zartheit[689] wahr; aus ursachẽ / daß sie dz Abwische-tuch nit recht hatte zugerichtet; dessen er sie eriñerte; aber zur Antwort bekam / nachdem sie ihres herzen Schönheit wiederfunden / uñ bey sich auf der Gutsche håtte /währe sie schön genug; gestund ihm auch / dz sie die angestrichene Farbe von ihrem Leibe noch nicht hinweggemacht hätte / auch nicht wol wůste / wie sie es machẽ solte; der Fürst ihr aber zur Antwort gab: die gute fromme Libussa würde mit HerzensLust sich darzu schon gebrauchen lassen. Welcher Vorschlag ihr nicht übel gefiel / uñ sagete hernach; mir zweifelt nicht / die lieben unsern werden uns schon lange als ermordete beweinet haben; weil es dañoch fruh genug am Tage ist / möchte ich wünschen / daß ich mich recht wieder verstellen könte / dann wolten wir gleichwol noch unsern ersten Vorsaz mit der Krämerey ins Werk richten / und einen seinen Auffzug machen. Darzu haben wir Gelegenheit gnug / antwortete er; fuhren damit zur Stad hinein / vorgebens / Wolfgang währe ein Königlicher Teutscher Bedieneter /und kähme von Magdeburg bey seinem Könige etwas zubestellen; daß sie also willig und ohn weitere Nachfrage in die Stad eingelassen wurden; so hatte Zariaspes seinem Herrn die Kleider eine halbe Meile entgegen bracht / welcher mit dem Fräulein in ein Wirtshaus einkehrete / und Leches samt Gallus zu sich fodern ließ / unter dem Schein / es hätten sich etliche Reuter mit einander gezanket / uñ bähten sie als scheides Leute zu sich; der abgeschlite aber muste Gallus dieses ingeheim sagen: Herr nehmet eure Kunstfarbe zu euch / es wird von einem begehret /dem ihrs nicht wegern werdet. Diese frageten weiters nicht nach / gingen mit / und sahen Arbianes in seinen Betlers Kleidern (welche er wieder angelegt hatte) im Gemache stehen / worůber sie vor mitleiden anfingen zuweinen. Er aber tröstete sie / sie solten ihre Tråhnen sparen / nachdem die seinen ihm Gott Lob allerdinge schon abgewischet währen / deren er in diesem Kleide manniche vergossen / massen er sein herzgeliebtes Fråulein vor wenig Stunden wieder gefunden / und mit sich gebracht hätte; welche gleich aus einem NebenGemache herzutrat / und von Leches alsbald erkennet ward. Die Freuden Trähnen stunden ihnẽ allerseits in den Augen / und nach Empfahung taht der Fürst jenen beiden sein Vorhaben zuwissen; worauff Gallus das Fräulein anstriche / und Leches dem Fürsten einen falschen Bart mit Terpentin anmachte. Kleider nahmen sie in der Nachbarschaft von einem Kramer / und allerhand leichte Waaren von gemeinen Korallen / gläsern Perlen und etliche Nadeln / deren das Fräulein ein Kramerlädichen vol auf ihrem Rücken nach dem Schlosse trug; der Fũrst aber eine zimliche Bürde von groben schlechten weissen Zanken oder gekloppelse ihr nachschleppete / da Leches und Gallus vor ihnen hergingen / und durch ihre Gegenwart macheten / daß sie allenthalben ohn Ansprach durchgelassen wurden. Libussa begegnete ihnen zum guten Glük im innersten Platze / zu welcher Leches sagete; gehet hin mein Herz / und saget eurer Gn. Königin / es seyn hieselbst fremde Krämer / die ihrem Vorgeben nach / sonderliche köstliche Waaren feil tragen. Diese wahr bald fertig / und bekam Befehl /sie in das gemeine Königliche Gemach zuführen. Wohin sie bald gingen / und nach abgelegtem schlechten Grusse ihre Lädichen auf einen Tisch setzeten / da das Fräulein ihre Sachen / ehe sie aufgemacht uñ besehen wurden / treflich rühmete: Sie hätte die allerschönsten Korallen uñ gemachtẽ Perlen / die Menschen Augen je gesehen hätten. Gemachte Perlen? sagte Valiska; das müssen mir wol unbekante und köstliche Sachen seyn; aber woher bringet ihr dann diese schöne[690] Waaren? Vom Reinstrohme / antwortete sie; und haben den Weg mit unsäglicher Mühe / unter mannicher Gefahr zum Ende gebracht /ob wir hieselbst Lieb haber unserer Waaren antreffen möchten / dann uns ward gesagt / daß hier so viel hohe Herrn und Frauen bey einander währen / die den Krämern ihr Geld gerne gönneten. So hat mein Mann auch seine Zanken oder Spitzen. Wol wol / sagte Valiska / lasset eure Kostbarkeiten sehen / wir käuffen euch den ganzen Krahm wol auff einmahl abe / wann er uns dienet / und wollen uns alle miteinander fein drein teilen. So währe ich zur glükseligen Stunde ankommen / sagte das Fräulein / und wolte ich euer Gn. noch wol eine SchnührKette und einen Brief Nadeln in den kauf geben. Die Fürstliche Geselschaft lachete der milden Zugabe überlaut; woran sich doch das Fräulein nit kehrete / sondern in ihrer Beantwortung also fortfuhr. Wie wolte aber mein Krahm euer Gn. nicht dienen? ich habe mannichem Adel und Unadel davon verkauft / und darf / dem Himmel sey dank / allezeit wol wiederkommen / da ich eins gewest bin /weil ich und mein Mann noch keinen Menschen im Handel und Kauffe betrogen haben / welches wir wol mit guten Gewissen k \nnen vor die Götter kommen lassen. I er Schade / sagte Valiska / daß so aufrichtige Leute zu Krähmern gedien sind; hörete auch schon was vor herliche Sachen verhanden seyn würden / und sagte zu dem jungen Königl. und Fürstlichen FrauenZimmer; komt doch her meine herzen Schwesterchen /und lasset uns die treflichen Waaren beschauen / welche ädele und Unädele zukäuffen nicht beschweret sind. Inzwischen sahe das Fräulein ihre beiden Herrn Brüder stehen / daher die Trähnen ihr vor Freuden schier loßgebrochen währen; doch hielt sie sich feste /und sagte zu ihnen: Ihr junge Herren und Fürsten /wer ihr seid / komt uñ käuffet euren Liebsten eine schöne Kermeß / damit ihr euch bey ihnen sehr beliebet werdet machen können. Ach ja mein Schaz / sagte Valiska zu Herkules / hie werdet ihr gnug wirdige Sachen finden / wann sie nur erst ausgelegt währen. Das Fräulein / die sich ganz ernsthaftig stellete / wahr damit bald fertig / hatte rohte / grüne / gelbe / blaue und schwarze gläserne Korallen an langen Schnüren /auch weisse / die sie vor gemachte Perlen angab / legete alles aus / fein bund durch einander her / und sagete: Sehet ihr Fürstliche Jungfern / sind das nicht so schöne bunte Sachen / gelüstets doch einem der es siehet / wie die mannicherley Farben durcheinander her spielen; und wie treflich solte eure Schönheit vermehret werden / wann ihr sie also bund durcheinander an euren weissen Hälsichen uñ ärmichen trũget. Sehet die Schnuhr gebe ich um 8 Groschen / wann ich sie nur 4 Meilen auff disseit Köllen trage; nun müste ich ja billich vor den weiten Weg auch etwas haben / daß ich etwa vor die Schnur 10 Groschen bekähme / vor welches geringe Geld ihr sie viel Jahr tragen / und euch damit außputzen könnet. Da hätte man nun sollen ein Gelächter hören; woran aber das Fräulein sich nicht kehrete / sondern zu Valisken sagete. Schöne Fürstliche Jungfer; warum verlachet ihr meine gute aufrichtige Waaren / und machet daß die andern desgleichen tuhn müssen? Zwar die Perlen uñ ådlen Steine / welche ihr ümb euer schnẽeweisses Hålfichen und ärmlein traget / mögen wol teurer seyn / aber die meinen scheinen doch weit besser / sind auch viel heller uñ durchsichtiger / von allerhand hohen Farben /und werden durch sonderliche Kunst zugerichtet / da die euren nur aus dem Wasser gefischet / und aus der Erde gegraben werden / welche Arbeit ein jeder ungeschliffener Baur wol verrichten kan / aber von dieser kůnstlichen Zubereitung[691] seine groben Hände wol lassen muß. Krämerin / antwortete Valiska / ihr seyd wol unterwiesen / eure Waaren zu loben. Ja / schönste Fürstliche Jungfer / sagte sie; wann meine Waaren es selber könten / wolte ich kein Wort darzu reden; aber habe ich dann nicht die Warheit gesaget? Die Reden sind so gar uneben nicht / sagte Valiska zu der ganzen Geselschafft; dann freilich ist es eine grosse Tohrheit / daß wir Menschen mit denen Sachen prangen / die im Meer von den nicht werten Muscheln gezeuget werden; und die Steine hoch schätzen / welche doch nimmermehr des Werts sind. Ey warumb dann? sagte Herkules / (mit ihr ein LustGezånke zuhalten) ist dann Gold und Silber nicht auch irdisch / und viel häuffiger in der Erde zufinden / als die ådlen Steine? Ich bekenne meinen Irtuhm / sagte Valiska / aber in Gegenschätzung der Speisen und anderer Nohtwendigkeiten / ist es gar zu hoch angeschlagen. Herkules antwortete zur Kurzweil: Wachsen doch solche auch aus der Erde / und zwar in viel grösserer Menge; und müssen hohe Leute ja auch ein Narrenspielchen haben / daran sie den Gecken sehen lassen / welches ausser Zweifel der Perlen und ädlen Gesteine Schazbarkeit ist. Die Krämerin mischete sich mit ein / deutete alles auf ihren Vortel / und sagete: Wann ihr dann alle miteinander meine Waaren so hoch rühmet / so gönnet mir auch eures Geldes davor / alsdann wil ich euch meines Mannes schönes Geklöppel auch sehen lassen. Das möchte vielleicht von höherm Wert seyn / antwortete Valiska. Wie dann nun? sagte das Fräulein /habe ich euch dann meine Waaren zu wolfeil gelobet /stehet euch frey / ein mehres davor zugeben / welches ich als ein Geschenk rechnen wil. Herkules fragete /was er ihr dann vor alle ihre Korallen und Perlen zahlen solte. Wir wollens fein ausrechnen / was es tragẽ wird / antwortete sie; zählete die Schnürlein / foderte Kreide / und machete eine Rechnung von 40 Gülden und 10 Groschen: Er aber zog alsbald eine Handvol Kronen heraus / und fragete / ob sie ungezählet zufriedẽ währe. Ja antwortete sie / wann es nur so viel ist /als ich gefodert habe / sonst müste ich mit schaden verkauffen / und merke ich wol / es werden Goldpfennige seyn / deren ich noch alle mein Tage vor meine Waaren nicht bekommen habe / weiß aber wol / daß sie mehr gelten als das Silbergeld / und wil auff solchen fal den empfangenen überschuß auff meines Mannes Spitzen Krahm rechnen. So werden wir leicht Kaufleute werden / sagte Herkules / reichete ihr die Gelder / und teilete die schönen Sachen unter dem Frauenzimmer aus / daß das gesamte junge Frauenzimmer Fürstliche und adeliche mit den Korallen behänget wurden / und sie es das Königliche Geschenk nenneten. Valiska ließ die Zanken auch hervor langen / deren sie noch am meisten lacheten / weil die vornehmsten nicht ůber zween Groschen die Elle austrugen / daher sie zu der Krämerin mit einem Gelåchter sagete: Wie dann / gute Frau / haben euch dann auch Adel und Unadel diese Waaren abgekaufft? O ja / vor ihr Gesinde / antwortete sie / denen sind sie gut genug / und kan ja nit fehlen / ihr werdet auch Volk haben /denen ihr etwas buntes umb Kragen / Hemder und Schnupfftücher verbremen lasset. Nein / sagte Valiska aus Scherz / mein Gesinde muß solche bunte Sachen nicht tragen / es tuhst ihnen noch wol schlecht hin. Libussen verdroß / daß die Krämerin sich mit so geringen Sachen durch sie hatte lassen angeben / und fürchtete nicht wenig / sie würde grossen Spot müssen über sich nehmen / daher sie zu Königin Valisken sagete: Was sol der Bettel? Eure Hocheit lassen sie gehen / und werde ich hernähst mich besser vorsehen /was[692] vor Krämer ich angebe. Das Fråulein bekam Lust / sich mit dieser zuzanken / und sagte: Wz saget ihr Jungfrau? scheltet ihr meines lieben Mannes Krahm vor einen Bettel? Er hat ihn trauen nicht zusammen gebettelt / sondern sein baares Geld davor gegeben /ob er gleich wol ehmahls gebettelt hat. Und was habt ihr mir meine redliche Waaren zuverachten / wollet ihr sie nicht käuffen / oder mangelt es euch am Gelde / so lasset mir meine Waaren so gut sie sind; vielleicht gereuets euch / dz eure gn. Frau selbst mit mir handelt / und solches nit durch euch verrichtet / daß ihr auch euren Vortel damit håttet spielen können /wie es dann bey Fürstlichen Höfen ins gemein zugehet / daß die grossen Herren viel näher käuffen / und gleich vor ihr Geld bekommen würden / wann sie selbst zu Markte gingen oder die Krämer zu sich foderten. Es entstund ein gemeines Gelächter hierüber /daß Valiska kaum diese Worte zu Libussen vor lachen sagen kunte: Sihe / das schadet dir nicht kanstu nicht andern Leuten ihre Waaren so gut lassen als sie sind? Diese lief darüber vol Eifer / und wolte der Krämerin ihren Frevel verweißlich vorhalten. Aber dieselbe sagte zu ihr: Was habt ihr mich hieselbst auszuschelten? seyd ihr doch nicht gebietende Frau auff diesem Schlosse / so habe ich euch auch meine Waaren nicht feil gebohten / und sage noch einmahl / lasset mir meine Waaren unverachtet; seyd ihr eine junge ädelfrau / so bin ich eine ehrliche Krämerin; so stehets euch auch nicht fein an / daß vor dieser Fürstlichen Geselschafft ihr euch so mausicht machet. Libussa nam ihr den Schimpff so sehr zu herzen / daß sie kein Wort antworten kunte / und verdroß sie am meisten / als sie ihren Leches darüber lachen sahe. Valiska aber sagte zu ihr aus Kurzweil: Laß dir dieses zur Warnung dienen / und gib dich mit keinen Krämerinnen mehr in Zank / sie haben die Zunge noch besser gelernet zugebrauchen als du. Sie erhohlete sich endlich darauff / und sagete: Mein lebelang bin ich dergestalt nicht beschimpffet worden / und werde Eurer Hocheit Vermahnung ich hernähst wissen in acht zunehmen. Dabey aber die Krämerin sich stellete / als hörete sie es nicht / sondern fragte Valisken / ob sie vor ihres MannesWaaren ihr kein Geld gönnen wolte. Ich muß wol / antwortete sie / wo ich sonst ohn lose Worte gedenke von euch zukommen. Nein / gn. Jungfer / sagte sie / so böse bin ich nicht / daß ich einem Menschen lose Worte geben solte / der mirs nicht abhohlete. Wolan / sagte sie / so bin ich sicher vor euer Ungnade / und wil meinem Liebsten und andern anwesenden jungen Herren auch ein Jahrmarkt käuffen; saget mir nur in der Güte / was ihr vor die ganze Lade vol haben wollet. Eure Gn. geben was sie wollen / antwortete sie / es sind 50 Stücke drinnen /die kosten uns 80 gute Gulden in Kölln bezahlet / und wann Eure Gn. wüsten / was vor Elend / Noht und Jammer mein Mann auff dieser Reise erlitten / sie můste mit ihm weinen. Ach lieber Gott / sagete die mitleidige Valiska / dz ihr alles lachen verging / es kan wol seyn / daß euch beyden das tägliche Brod zuerwerben durch solche Nahrung saur gnug wird / gab ihr zwo Hände vol Kronen / und sagte / sie könte nun in Gottes Nahmen hingehen. Mich deucht / Eure Gn. geben mir zu viel / sagte sie / aber Gott belohne euch das ũbrige und euer Mitleiden. Wendete sich darauff zu Libussen / und sagete: Ich bitte euch freundlich /ädle Frau vergebet mirs / daß ich ein wenig zu heftig wider euch im Zorn geredet habe / es ist mir leid / und wil / Abtrag zumachen / euch diesen Brief vol Nadeln verehren. Libussa hätte sich schier auffs neue geeifert / wann nicht Leches ihr einen ernstlichen Wink gegeben hätte / woraus sie urteilete / diese müste nur eine verstellete[693] Krämerin seyn / nam deswegen die Nadeln zu sich / und sagete: Weil ich sehe / daß euch meine Beschimpffung leid ist / wil ichs euch vergeben / und dieses Geschenk zum Gedächtniß beylegẽ / daß ihr mich so fein sauber habt ausgehechelt. So böse ists nicht gemeynet gewesen / antwortete die Krämerin /und ist mir lieb / daß ich mit euch wieder verglichen bin. Baldrich trat zu ihr hin / und sagete: Gute Krämerin / wo bleibet die versprochene Schnür-Kette mit dem Briefe Nadeln / nachdem euch alle Waaren abgehandelt sind? Junger Herr / antwortete sie / eures Geldes habe ich noch wenig gesehen / und dürffet doch eine Zugabe fodern; aber doch / da habt ihrs beydes /ich wil vor dißmahl die reicheste seyn / nehmets hin /und schenkets eurer Liebesten / wann ihr dermahleins eine bekommen werdet. Valiska lachete des Auffzuges von Herzen / trat hinzu / und nahm das gebohtene zu sich / sagend / mir gehöret dieses / verm \ge unsers Kauffs / eigentlich zu / aber ich wils gleichwol mit dem Bedinge nehmen / daß ichs dieses jungen Herrn seiner Liebesten zurahte hägen wil. Die Krämerin reichete ihr solches willig ein / und sagete: Gnådige Frau / mich deucht / ihr verstehet euch sehr wol auff Krämerey / denke ja nicht / daß ihr des Königes aus Böhmen Frl. Tochter seyd / von welcher ich mir habe sagen lassen / sie sey auch wol ehmahls lieber eine Krämerin als eines grossen gewaltigen Königes versprochene Braut gewesen / wodurch sie ohn Zweifel in unsere Gülde getreten ist / und dieselbe Königlich geadelt hat; Ist nun Eure Gn. dieselbe / so kan ich nicht unterlassen / dieselbe als eine ehrliche Gülde-Schwester zugrüssen. Valiska verwunderte sich der Rede / sahe alle anwesende an / und sagte: Die Karte ist falsch / und ist diese gewißlich eine verstellete Krämerin / uns einen Auffzug zu machen. Das Fräulein aber kehrete sich an nichts / ging mit Arbianes davon / und sagete kein Wort mehr / da Leches und Libussa (weil er ihr winkete) ihnen auff dem Fusse nachfolgeten. Valiska sagete nach ihrem Abscheide zu den anwesenden: So statlich bin ich zeit meines Lebens nicht auffgetrieben / als vor dißmahl / und noch wol kurzweiliger / als ehemahls mein Parthisches Frauenzimmer; und was gilts / wo meine Libussa der lose Balg diesen Possen nicht angerichtet / und einen ertichteten Zank mit der Krämerin gehaltẽ hat /mich so viel zierlicher auffzuzihen? So bald das Fräulein aus dem Gemache wahr / sagte sie zu Libussen: ädle Frau / verzeihet mir / bitte ich / alle Grobheit /die ich heut / bloß ein Gelächter über uns beyden anzurichten / an euch begangen habe / und wann dieses nicht währe mein Vorsaz gewesen / hätte ich euch hoch beleidiget; Je länger aber ich euch ansehe / je mehr erinnere ich mich unser ehmahligen Freundschafft / wie wir uns dann vor diesem wol gekennet haben; Kommet und führet mich auff ein absonderliches Gemach / mein Mann wird mit eurem EheJunkern auff ein anders gehen / dann ich habe von Kölln ab einen hochvertraulichen Gruß an euch von einer Nähterin / die ist wol vor diesem etwas mehr / und eure gute Freundin gewesen. Libussa gedachte alsbald an das Fräulein und sagete: Ach gute Frau / ich verzeihe euch alles gerne / wie heftig ich mich gleich zu anfange geschämet habe; nur saget mir / wie heisset diese Nähterin? Sie nennet sich Armgart / antwortete sie / und hat im wolstande Klara geheissen. Ey Gott Lob und dank / sagete sie / so lebet das allerfrömmeste Fräulein der Welt noch? O daß doch nur der liebe Fürst auch noch möchte im Leben seyn! wolte alsbald von ihr hinweg lauffen / und ihrer Königin diese hocherfreuliche Zeitung bringen. Aber Leches hielt sie auff / und sagete:[694] Wie eilet ihr so / wollet ihr als blindlinges davon springen? besehet doch diese Krämerin recht / nachdem ihr höret / daß ihr bekanten seid / und wann ihr die Warheit erkennet / so bittet wegen eures heutigen trotzes umb vergebung. Libussa meinete vor freuden zu bersten / so bewägete sich das Herz in ihr / fiel der Krämerin umb den Hals / und sagete: Ach gnädiges Fråulein; ich zweifele nicht / sie sey es selbst in angestrichener Farbe. Ja Gott Lob /antwortete sie; aber meldet mich nicht / sondern schaffet / daß ich meine Fr. Schwester Königin Valiska allein möge sprechen. Leches erinnerte sie abermahl / daß sie um verzeihung anhielte; aber sie sagte; es bedůrfte solches nicht / sie håtte nicht mit dem Königlichen Fräulein / sondern mit einer Krämerin sich gezanket / und weil dieselbe schon verschwunden währe / hätte sie sich weiters nicht darumb zubekũmmern; lieff darauff hin / und traff Euphrosynen vor dem Gemache an / welche sie baht / daß sie Königin Valisken vermöchte heraus zukommen / weil die Krämerin eine heimliche Werbung an sie abzulegen hätte. Die Königin gab zur Antwort: Was mag meiner Libussen hinte geträumet haben / daß sie mich mit dieser Krämerin so äffet / welche sie ohnzweifel selbst ausgerüstet hat / dann wie hätte sie sich sonst so leicht mit ihr wieder vergliechen / als wodurch sie an den Tag leget / daß ihr Zank nur ertichtet gewesen; doch ging sie hin / dräuete auch Libussen mit einem heimlichen Wink / uñ fragete die Krämerin / was sie begehrete; welche darauff anfing: Gnädigste Königin /ich habe neun Meile hinter Kölln einer ädelfrauen etliche Waaren verkauft / dieselbe hatte eine Nähterin /welche da sie vernam / daß ich nach Magdeburg reisen wolte / baht sie mich mit heissen Trähnen / auf den fall der Teutsche GroßFũrst daselbst nicht seyn würde / ich möchte vollends nach Prag mich erheben /und Gelegenheit suchen / der jungen Teutschen Groß-Fürstin Valiska nur dieses wenige (dessen ich gut Trinkgeld bekommen würde) anzumelden / daß ihre geträue Dienerin Klara annoch lebete / nur daß sie durch Unfal und betrug währe zur Magd einer boshaften Frauen worden / und von derselben manniche Ohrfeige einschlucken müste. Valiska sprang vor freuden auff / uñ sagte: Ey dem allerhöchsten Gott sey lob und dank / daß sie noch lebet / die Magdschaft sol ihr bald beno en werdẽ / und ihr gute Krämerin müsset ohn ein reiches Trinkgeld nicht scheiden / daß ihr dieses so träulich habt werben / und solchen weiten Weg über euch nehmen wollen. Lieff damit wieder nach der Geselschaft / und wuste nicht / wie sie vor fröligkeit sich geberden solte. Herkules sahe solches an ihr / und sagte: Mein Schaz / was vor eine heimliche Verehrung hat euch die Krämerin getahn / damit sie euch so erfreuen können? Eine über köstliche Verehrung / antwortete sie; wolte ihm aber nichts mehr sagen / sondern trat hin zu Herkules Fr. Mutter und sagete überlaut; Gn. Fr. Mutter / der allerhöchste Gott wil uns nach der Traurigkeit wieder erfreuen. O herzliebe Fr. Tochter / fiel ihr diese in die Rede; ist etwa mein liebes Kind wieder zu Lande geschlagen? Zwar noch nicht zu Lande geschlagen / antwortete sie / aber gnug ist es uns vor erst / daß wir nunmehr gewiß wissen / daß sie noch lebet und gesund ist / wiewol in fremden Landen / uñ daselbst vor eine Nähe-Magd dienet / davon wir sie mit Gottes hülffe bald befreien wollen. Dir sey dank HErr Gott / sagte die liebreiche Mutter / aber an was Ort hält sie sich auff? Neun Meile hinter Köllen / sagte sie / in der Römer gebiet /woselbst die fremde Krämerin sie selbst gesprochen hat. Die ganze Geselschaft wolte die Zeitungsbringerin selbst fragen / aber Libussa zeigete an / wie sie mit ihrem Manne hinweg gangen[695] wåhre / und bald wieder kommen würde; ging damit wieder davon nach dem Fräulein auff ein absonderliches Gemach / da Libussa ihren Leib von der angestrichenen Farbe reinigte / und ihr in die Kleider half / welche sie von Magdeburg mit gebracht hatte; Arbianes aber auff einem andern Zimmer sich auch ausputzete / dem die Freude mehr Kraft und stärke verliehe / als er sonst an sich hatte. Als sie beyde fertig wahren / fasseten sie einander bey der Hand / liessen Leches und Libussen vor sich her treten / und folgeten denen auff dem Fusse nach / daß ihrer niemand gewahr ward / biß das Fräulein nahe vor ihrer Fr. Mutter stund / und ihr mit küssen und Trähnen umb den Hals fiel / welche über der unvermuhtlichen gegenwart sich entsetzend / in Ohmacht nidersank. Arbianes stellete sich vor Valisken /und wolte ihr die Hand küssen / aber sie umfing ihn schwesterlich / und sagete: Herzlieber Herr Bruder; ach wie hat eure Liebe sich doch so lange Zeit verborgen gehalten? Gott sey Lob / daß ich dieselbe wieder vor mir sehe / wiewol das verfallene Angesicht gnug zu erkennen gibt / dz er mehr böse als gute Stunden mus gehabt haben. Ich danke dem allerhöchsten GOtt / antwortete er / daß eure Liebe ich gesund und frisch antreffe / und bin mit meines Gottes züchtigung wol zu frieden / nachdem von demselben ich die Gnade gehabt / das Durchl. Königliche Fräulein wieder anzutreffen / so das mein überstandenes Elend ich nicht allein gerne vergessen / sondern es als ein Gnadenzeichen / daß Gott an mich gedacht hat / rechnen wil. Die alte Königin kam bald wieder zu sich selbst / umfing ihr allerliebstes Kind mit herzen und kũssen /und wolte in einem Augenblik alles ihr ergehen wissen; sie aber gab zur Antwort; Gn. Fr. Mutter / wir wollen unsere Trähnen heut nicht weiter reitzen / sondern dem almächtigen wahren Gott / und unserm Heylande JEsus Christ von herzen danken / daß er nicht weniger meine Ehr und jungfräuliche Keuscheit / als mein Leben väterlich behütet und errettet hat. Arbianes ward von König Henrich freundlich empfangen /welchen er nach geschehener Danksagung und geleistetem Handkusse also anredete: Großmächtigster unüberwindlichster König / gnädigster Herr; ob zwar zu jener Zeit / da eure Königl. Hocheit ich erstmahls angesprochen / mich unterstanden habe / das Durchleuchtigste Fräulein / eurer Königl. Hocheit Frl. Tochter aus Räubers Henden loßzuwirken / und ihren Eltern sie wieder zuzuführen / hat doch ein leidiger Fal / der gutenteils ans Irtuhm entstanden / nicht allein solches gehindert / sondern von höchstgedachtem Fräulein mich endlich gar hinweg gerissen / welche kaum vor sieben oder acht Stunden ich drey Meile von hinnen / durch Gottes sonderbahre schickung ohngefehr angetroffen / und von ihrer Durchl. die Ehre gehabt / daß sie mich im Betlerstande und Kleidern auf ihre Gutsche genommen / so daß dannoch nach Gottes Willen dieselbe ich nicht allein gesund und frisch / sondern auch im unbeflecketen jungfräulichen Stande hieher geleiten können. Wann nun vor diesem umb eine Heiraht bey ihrer Königl. Hocheit durch meine Gn. Fr. Schwester und Königin / Fr. Valiska / ich untertähnige ansuchung getahn / als wil anjezt ich solche Anwerbung selbst mündlich in untertähnigstem Gehorsam vortragen / demühtigst bittend / ihre Königliche Hocheit wollen mit angenehmer Antwort und väterlicher neigung mich beseligen / und ihre herzgeliebete Frl. Tochter mir versprechen; dagegen ich mich dann Christlich erklären und verpflichten wil / sie Zeit meines lebens als ein hochwirdiges Gemahl zu lieben und ehren / und nach meinem Tode mit einem Großfürstlichen Leibgedinge versehen. Mein geliebter[696] Herr Sohn / antwortete der König; wem solte ich mein herzliebes Kind lieber g \ñen und geben / als der ihretwegen / wie ich verstehe / aus einem mächtigẽ GroßFürsten gar zum Betler worden ist / und wol unsägliche mühe und arbeit ũberstanden hat / wie euer Liebe bleich-mageres Angesicht gnugsam uñ überflüssig bezeuget. Fassete damit seine Frl. Tochter bey der Hand / und nachdem er sie etlichemahl geküsset hatte / sagte er zu ihr: Ich zweifele nicht / geliebtes Kind / du werdest die Träue und Liebe / dir von diesem GroßFürsten erwiesen / mit gebũhrlichem Dank zuerkennen gesonnen seyn / und nach meinem Schlusse ihn vor deinen Bräutigam und künftigen Gemahl annehmen. Gnädigster Herr Vater /antwortete sie; Dieser Durchleuchtigster GroßFürst hat meinetwegen äusserste Noht / Armut und Lebensgefahr ausgestanden / und über die 20 Wunden in meiner getråuen nachsuchung empfangen / so das mein Unglük gegen das seine nicht eins zu rechnen ist; auch hätte ich weder von dem Wendischen Gotschalk / noch von bevorstehender Todesgefahr ohn seine Hülffe können errettet werden; und welches ich vor das höchste halte / hat er die drey Tage über / so er mich in seinem gewarsam gehabt / mich nicht allein im Christlichen Glauben unterrichtet / ohn welche Erkäntnis ich mein ausgestandenes Elend unmöglich hätte ertragen können; sondern hat sich auch so ehrliebend und züchtig gegen mich verhalten / daß er mir nicht das allergeringste zugemuhtet / welches meiner jungfräulichen Keuschheit im wenigsten hätte zu wieder seyn können; daher / nach dem er sein ehrliebendes begehren mir vorgetragen / ich ihm die Versprechung getahn / seiner Durchl. nach eingehohletem Befehl und Raht / meiner herzlieben Eltern / Herrn Brüder / uñ Fr. Schwester / mit solcher Antwort zubegegnen / die eine anzeige eines dankbahren willens mit sich brächte. Weil dañ mein H. Vater mir solches anbefihlet / wil seinem Geboht zugehorsamen / ich diesen Durchl. Großfürsten vor meinen Bräutigam und künftigen hochwirdigen Gemahl annehmen / ihm alle Träue uñ Liebe versprechen / uñ daneben demũhtig bitten / seine Durchl. wolle mit meiner Schwacheit und geringem vermögen geduld tragen / wann allemahl ich mich nicht wůrde der Gebühr nach verhalten köñen / wornach doch meine stete Bemühung streben sol. Da ging nun nicht allein das Glük wünschen /sondern auch das wilko ẽ erst recht an / und erfreueten sich Königin Sophia / Lukrezia und Fürstin Sibylla von Herzen / als die höreten / daß das liebe züchtige Fräulein sie mit diesen Worten in lateinischer Sprache anredete: Großmächtigste Königinnen /Durchleuchtigste Fürstin; weil der almächtige Gott mir diese Barmherzigkeit erzeiget / uñ ihrer sehr angenehmen Kundschaft mich gewirdiget hat / als bitte ihre Liebden ich demůhtig / sie wollen meine gering-schätzige Gegenwart ihnen nicht lassen verdrießlich seyn / sondern sich versichern / daß denen samt und sonders aufzuwarten ich begierig bin / wie dann in meiner sieben Wöchigen Magdschaft ich viel geringern Leuten habe müssen die Hände küssen / daß mich das Angesicht davon geschmerzet hat. Die lezten Worte bewägeten die ganze Geselschaft zuweinen / so daß die Königinnen ihr kein Wort antworten kunten / sondern an Stat der Rede ihr um den Hals fielen /uñ noch endlich Fr. Sophia zu diesen kurzen Worten sich zwang: Durchleuchtigstes Königliches Fräulein /herzallerliebste Frl. Schwester; unserm Heilande JEsus Christ sey Lob und Preiß vor ihre Beschütz-und Erhaltung; wir unsers teils freuen uns dessen von ganzem Herzen / freundschwesterlich bittend / ihre Liebe wolle mit so tiefen Ehrerbietungen[697] uns nicht beschämen / sondern die Freyheit uns gönnen / daß wir derselben als einer hochbegabten Königlichen Fräulein mögliche schwesterliche Dienste / Freundschaft und Liebe erzeigen können. Valiska hatte sich zu ihr noch nicht genahet / dann sie wolte unter dem FrauenZimmer die letze seyn / trat demnach zu ihr /küssete sie zum offtern auff ihr annoch bleiches Mündlein / und sagte: O ihr mein tausend Schätzichen und herzallerliebstes Schwesterchen / warum habe ich nicht das Glũk haben sollen / ihr grosses Unglük zu wissen / auff daß ich ein so tugendreiches Herz und volkommenes Muster der auffrichtigen Frömmigkeit und Demuht loßwirken / und mich ihrer Schwesterlich annehmen mögen. Nun / ich habe auch Noht und Angst versuchet und geschmecket / aber ich dancke meinem Gott noch darzu / das er mir solches zugeschicket hat / dann sonst würde ich weder eure Liebe noch mich selbst / noch einigen andern Menschen haben erkennen können. Zweifele auch nicht / mein allerliebstes Seelichen werde dereins sich nicht weniger über diese Väterliche Züchtigung Gottes Kindlich erfreuen / weil solche viel böses aus unserm Herzen hinweg schaffet / und die kindliche Furcht gegen Gott in uns wirket / daß wir im guten Glük nicht auffgeblasen werden / noch uns selbst zukennen auffhören /sondern stets gedenken / daß der Allmächtige welcher uns ehmahls gestäupet / uns allemahl wieder finden könne / auch viel schärffer angreiffen / als zuvor geschehen. Ist also / mein herzen Schwesterchen diese RuhteGottes nichts anders / als ein kräfftiger Teriak und Seelen Arzney / welche die hefftigen Zufälle der angebohrnen Boßheit abhält / daß sie nicht das Herz gar einnehmen / sondern wañ sie auffsteigen / vor ihren volkommenen Wirkungen abgeleitet werden. Ach wie ergetze ich mich / wann meine Seele es bey mir überleget / wie oft ich in Noht / Gefahr und Angst gestecket / und dannoch allemahl meines Gottes und Heilandes Hülffe und Rettung genossen / auch da ich sein Feind noch wahr! wir wollen aber vordismahl keines ausgestandenen Unglüks mehr gedenken / sondern uns miteinander über unser Erlösung herzlich ergetzen. Das liebe Fräulein hörete ihren andächtigen Reden fleissig zu / und antwortete ihr: Unvergleichliche K \nigin / und wahres Ebenbild der Gottseligkeit und volkommenen Tugend; wie grosse Hoffnung mache zu ihrer Hocheit ich mir wegen zukünftiger träu fleissiger Unterrichtung zum wahren ungefärbeten Christentuhm / weil schon zum aller erstenmahle ich eine so köstliche Herz Stärkung von ihrer hochgelehrten Zunge einnehme / daß dieselbe wol nimmer mehr aus meinem Herzen ko en wird / auch solche heilsame geistliche Erquickung lieber in steter Betrachtung erhalten / als mit meinen ungeschickten Reden beantworten wil; nur allein bedanke ich mich vor dismahl sehr dienstlich uñ von ganzem Herzen /daß meine höchst gepreisete Fr. Königin / Wase und Schwester sich um meine Wolfahrt so heftig hat bemühen wollen; bitte solche hohe Gewogenheit in steter Blüte zuerhalten / und an meiner Unvolko enheit kein Mißfallen zutragen / weil mein Herz und Seele /ungeachtet die Folge nicht dabey seyn kan / sich stets bemühen wird / meiner Gn. Fr. Königin und Schwester nach äusserster Mögligkeit auffwärtig zusein. Ja mein Schwesterchen / antwortete Valiska / sie herzlich küssend / wir wollen diese Höfligkeiten den fremden überlassen / würde mich auch sehr schmerzen /wañ mein Schätzichen an stat der so hochgewünscheten Vertrauligkeit und Liebe mir Wortspeise aufsetzen wolte. Herkules mengete sich hieselbst ein / umfing seine Frl. Schwester Brüderlich und erboht sich zu aller aufrichtigen Liebe. Als das[698] freundliche Wilkommen / welches in die anderthalb Stunden wehrete / ein Ende geno en hatte / kunte das Fräulein nicht umhin / an Leches zubegehren / er möchte doch ihren lieben Freund den geträuen frommen Wolfgang ihm bestermassen lassen befohlen seyn / und ihn fein unterweisen / wie er sich bey hohen Leuten zubezeigen hätte. Sie ward von der Geselschaft gebehten / anzuzeigen / was dieser vor ein geträuer Mensch währe /der solcher Unterrichtung bedürfte; worüber / da sie es kürzlich erzählete / was er bey ihr getahn hätte /sich alle Anwesende verwunderten / und muste ihn Leches herführen / daß sie ihn sehen möchten. Er entsetzete sich gewaltig / als er so viel Könige und Königinnen sahe / daß ihm die Farbe und Rede verging; welches Valiska merkend / ihn mit diesen freundlichen Worten anredete. Wolfgang / mein guter und lieber Freund; ihr sollet euch vor diesen grossen Herren uñ Frauen nicht entsetzen / als bey deren Geselschaft ihr euch noch oft und viel werdet finden lassen / sondern sollet alle unständige Niedrigkeit eures Gemühts ablegen / und von gegenwärtigem Leches Bericht einnehmen / wie ihr geliebts Gott / morgen bey Empfahung der Belohnung eurer redlichen Tråue / die wol aus einem recht adelichen und nicht aus einem bäurischen Gemüht entstanden / euch verhalten sollet. Ja mein frommer Wolfgang / setzete das Fråulein hinzu /versichert euch nur daß ich eben dieselbe im diesem Königlichen Pracht gegen euch verbleiben werde / die ich im Mägde-Kittel gewesen bin / ohn daß wir unsere getichtete Ehe aufruffen werden / weil ich eurem gnädigsten Großfürsten und Herrn nunmehr versprochen bin / nach welcher Aufruffung / wie ich wol weiß / euch eben so heftig als mich verlanget hat. Wolfgang begrif sich hierauf in etwas / setzete sich auf die Knie / bedankete sich aller Königlichen Gnade / und baht sehr flehentlich / sie möchten doch seinem groben Unverstande und Bäurischer Einfalt nicht grössere Gnade auflegen / als er ertragen könte / und da ihm ja einige über seine Wirdigkeit begegnen müste / wolte er dem Fräulein in dieser ihrer Königlichen Hocheit seine erste untertähnigste Bitte vortragen / sie möchte gnädigst erhalten / daß ihm zuvor etliche Tage frey gegöñet würden / sich bey dem Hofeleben umzusehen / und von andern zufassen / wie gegen Königen und Fürsten er sich verhalten müste /welches ihm als einem Bauren und Haus Knechte allerdinge unbewust währe. Die ganze Geselschaft legete ihm solches zur guten Vernunft auß / wurden ihm auch drey Tage Auffschub gegönnet / in welcher kurzen Zeit Leches und Neklam ihn dergestalt anführeten / daß er sich adelich gnug zubezeigen wuste / und er nunmehr bey sich befand / daß es besser währe / in solchem Stande zuleben / als eines Bürgers Hausknecht zuseyn. Diese drey Tage über wurden die 8 Reuter und der gefangene Reichard mit essen und trinken wol gehalten / wiewol dieser ihm keine andere Rechnung machete / als daß er eines grausamen Todes würde sterben müssen. Sonsten bestimmete K \nig Henrich noch diesen Abend / daß nach sechs Tagen Fürst Arbianes und der Fräulein Beylager solte gehaltẽ werden / gegen welche Zeit sie der Römischen Herren Ankunfft erwarteten. Wolffganges und der Reuter Begnadigung ward des angesezten Tages vorgenommen / da König Henrich den ersten anfangs in den hohen Teutschen Adel auffnam ihm Schild / Helm und Wapen gab / nehmlich ein Hündichen / welches ein Lamb bewahrete und oben auff dem Helm eine Fahne / in welcher ein grüner Lorbeerbaum stund /mit diesen Wortẽ: Der Träue Belohnung; und nahm das Fräulein ihn alsbald zu ihrem Hofmeister an / da ihm drey Reitpferde / eine[699] Gutsche mit vier Pferden /zween reitende Knechte / so viel Gutscher und zween Leibdiener gehalten wurden / so daß etliche des Adels ihm solches mißgönneten / und davor hielten / die Vergeltung währe vor einen Bauren schier zu groß. Valiska wolte ihm alsbald Neklams Schwester / eine züchtige schöne Jungfer von 18 Jahren / freyen / und die Braut mit 12000 Kronen aussteurẽn; welche Heyraht ihm zwar sehr angenehm war / jedoch emsig anhielt / daß biß auff seines alten Vettern Wittho Ankunfft das Beylager und die Trauung gnädigst möchte verschoben werden / welches das Fräulein selbst vor gut ansahe / und alsbald Anstalt machete / daß eine Begleitung von 30 Reutern mit einer ledigen Gutsche nach Frießland gehen / und den alten Wittho nebest seinem ungerahtenen Sohn Gerd nach Prag hohlen solten / auch ihm dabey anzeigen / wann er sonst noch andere seine Verwantẽ gerne wolte befodert haben /ihm frey stunde / solche mit überzubringen; König Baldrich ließ zugleich einen Befehl an die Landstände abgehen / daß alle Inwohner des Dorffes / woselbst das Fräulein bey Wittho gelegen / solten vorgefodert /und der Rohtbart wegen seiner begangenen sehr vermuhtlichen Mordtahten scharff befraget / auch nach Befindung samt allen Mitschuldigen / andern zum abscheuhlichen Beyspiel mit dem Rade gestossen /und darauff gelegt werden. Die 8 Reuter / deren noch keiner über 21 Jahr alt wahr / hatten diesen Morgen schon neue Kleider mit Golde stark verbremet bekommen / in welchen sie nebst Wolffgang erscheinen musten / da Arbianes sie also anredete: Ihr redliche Reuter und liebe geträue; es ist der Tag eures Glũckes erschienen / da ihr erfahren / sehen und geniessen müsset / was ehrliche und geträue Dienste vor Belohnung zugewarten haben. Ihr habt das Durchleuchtigste Königliche Fråulein / meine Vertrauete / aus ihrer Dienstbarkeit geführet sie auff dem Wege begleitet /Unheil nach Vermögen von ihr abgewand / uñ euch nichts von ihrem Schutze abschrecken lassen; des sol euch / ihrem Fürstilchem Versprechẽ nach begegnen /was ihr begehret; und damit ihr sehen möget / was vor angenehme Dienste ihr mir hiedurch geleistet habet /als wird der ädle Wolffgang von Friesentahl (dieser Zunahme ward ihm von dem Fräulein gegeben) euch eine Tonne Schaz zum ersten Gnadenpfennige baar austeilen / jedem drey Reitpferde / zween Reitknechte und einen Leibdiener zustellen / und mit monatlichem Solde versehen; geliebet euch nun meiner gnådigẽ Anerbietung zugebrauchen / sollet ihr von mir anfangs vor meine HofJunkern bestellet / und alsbald in den Adelstand auffgenommen werden; wo nicht / wird man euch noch so viel Baarschaft nebst andern Verehrungen zustellen / und euch nach belieben zihen lassen / wohin ihr begehret. Diese bedanketen sich aller angebohtenen Gnade mit einem Fußfalle / und erkläreten sich einhellig / in ihrer Großfürstl. Durchleuchtigkeit Diensten zuleben und sterben / wiewol der angebohtenen Hofbestallung und des Adelstandes sie sich allerdinge unwerd schätzeten. Es geschahe dieses alles im fördersten SchloßPlatze / da die Henkers-Buben mit dem gefangenen Reichard in einem Winkel stehen / und dieser solches alles ansehen und anhören muste. Nach der Hochfůrstlichen Geselschafft Abtrit ward daselbst ein Gericht gehäget über den armen Sünder Reichard / da Wolffgang und die 8 Reuter nahe dabey stehen / Leches aber auff dem Richterstuel ihm diese Urtel vorhalten muste: Er wůrde ohn einiges leugnen gestehen / was gestalt er sich durch seine verteufelte fast unerhörte Boßheit und wahnsinnigen übermuht hätte lassen verleiten /einem Hochfũrstlichen[700] Fräulein (welches ihm nicht unbewust gewesen) nach Ehr und Keuscheit zustreben; wodurch er dann verdienet / daß er andern seines gleichen Buben zur Warnung und Beyspiel abgestraffet würde / und zwar auff diese weise: Daß sein schandsüchtiger Leib an allen seinen Gliedern solte mit einem Rade durch des Henkers Hand zustossen /und hernach den Raben zur Speise darauff gelegt werden; worzu er sich nach Verlauff drey Stunden solte gefasset halten / weil er aus blossem vorsezlichen und muhtwilligen Frevel ein solches lieber hätte verdienen / als der hochversprochenen Fürstlichen Vergeltung abwarten wollẽ. Er erblassete anfangs in etwas ũber der harten Straffe / jedoch verging ihm solches gar bald / stellete sich standhafftig und unerschrocken /und gab diese Antwort: Ja Herr Richter / ich erkenne und bekenne / daß durch meine vorsezliche Boßheit ich diese Straffe wol verdienet habe / und aller Begnadigung unwirdig bin / die mir sonsten / wann ich meine unbilliche Begierden hätte bendigen wollen /mit grösser masse als meinen Reutern wůrde zugewendet worden seyn; wil demnach die Volstreckung eurer Urtel mit möglichster Standhafftigkeit über mich nehmen / und vor die Bosheit leiden / weil ich durch Tugend mich nicht habe wollen verdienet machen; nur allein bitte ich untertähnigst / dz das Königliche Fräulein mir nach meinem Tode vergeben wolle; und daß meinen lieben Eltern und Anverwanten diese meine schändliche Hinrichtung nicht möge kund gemacht werden. Wolfgang / wie ihm befohlen wahr /fragete ihn / ob er dann nicht umb Gnade anhalten wolte; es könte geschehen / daß seine demühtige Bitte das Königliche Fräulein und die ganze Königliche Geselschafft bewägen möchte / ihm auffs wenigste einen gelinderen Tod auffzulegen / erboht sich auch /ihm hierin gerne zudienen / weil er ihm schon von Herzen die ihm angelegte Verwundung vergeben hätte. Worauff er antwortete: Euer Herz / mein Freund / muß gewißlich eine Wohnung vieler herlichen Tugenden seyn; und wolte Gott / daß in meiner Kindheit ich durch Verzärtelung nicht zum Muhtwillen veranlasset währe / hätte ich auch etwas gutes verrichten können / welche Reue aber nunmehr zuspäte ist. Ich gedachte / ihr hättet euch hieher gestellet / umb an meiner Verurteilung und Hinrichtung euer Herz und Augen zubelustigen / und muß nun hören / daß solches aus Erbarmung geschehen ist / ja ihr noch vor mich bitten wollet / welches ich umb euch gar nicht verdienet habe. Die Götter verleihen euch davor alle Glükseligkeit / die einem Menschen zufallen kan; Ich bedanke mich von Herzen / nicht allein vor diese Gewogenheit / sondern daß durch eure Vorsorge ihr das übel verhütet / welches ich zubegehen willens wahr. Jedoch / wollet ihr auch noch solcher gestalt eure Tugend scheinen lassen / und euch bemühen / bey dem Königlichen Fräulein zuerhalten / daß mein Leib in die Erde verscharret werde / wil ich den Tod / auff was weise er mir zugesprochen ist / gerne und frölich ausstehen / und die Götter bitten / daß sie euch solche Guttaht unvergolten nicht lassen. Als die Königliche Geselschaft diese Erklärung vernam / sagte Herkules: Der Mensch ist der Gnade wert / und wird ohn zweifel zum feinen Manne gedeien; doch weil ich weiß /daß meine Frl. Schwester ihn vor Augen nicht leiden kan / ist mein Bedenken / daß man ihm seine angewante Kosten nebest einer Verehrung / die doch in unserm Nahmen nicht geschehen muß / zuwende. Und als sie alle einwilligten / auch das Fräulein selbst auff Arbianes einreden sich sein erbarmete / in Betrachtung des guten / das er gleichwol bey ihr getahn hatte / wolte Herkules sein Gemüht[701] noch etwas besser prüfen / und begehrete / daß ein gar ungestaltes Mensch in ihrem Sudelkleide (dann sie wahr in der Gesindes-Küche Schüsselwäscherin) nach dem Gerichte gehen und / noch ehe Wolffgang die Gnade brachte / dem Richter Leches vortragen muste / sie hätte bey Königin Valiska gleich jetzo bitlich erhalten / daß man ihr diesen verurteileten jungen Mann allergnädigst zum Ehegatten geben / und ihm Leben und Freyheit schenken möchte / da sie bereit währe / mit ihm in das Elende sich hinschicken zulassen / und sie sich mit einander wol ernähren wolten. Leches enderte darauff die Urtel alsbald / und schenkete ihm unter dieser Bedingung das Leben. Er aber trat hin zu der heßlichen Dirne / und nachdem er sie wol beschauet hatte / ließ er einen tieffen Seuffzen aus dem innersten seines Herzen gehen / und sagte zu ihr: Gutes Mensch / was hastu von mir je gutes empfangen / daß du dich mein so träulich annehmen / und mich vom Tode erlösen wilt? Zohe hierauff 6 Kronen heraus / sprechend: Dieses hatte ich dem Nachrichter zur Verehrung ganz zugedacht / wil es aber teilen / und euch die Helffte schenken / mit Bitte / solches vor euren guten Willen vor lieb zunehmen; reichete ihr solches dar / und fing zu dem Richter also an: Ob zwar kein Ding in der ganzen Welt einem Menschen angenehmer seyn kan /als das Leben / und mannicher / dasselbe zuerretten wol eine Verheissung tuhn würde / die er zu halten nicht gemeinet währe; so ist doch nunmehr / Gott Lob / mein unbewäglicher Sinn und Vorsaz / entweder ehrlich und redlich zu leben und handeln / oder bald zu sterben; und weil ich sehe und merke / daß zu diesem guten frommen Mädchen ich ein solches Herz nicht tragen kan / daß ich ihr geträu bliebe / wil ich immerhin sterben / damit ich nicht veranlasset werde /auffs neue zu sündigen. Wie so? fing die Dirne an; warumb woltet ihr nicht lieber euch mit mir verehlichen / als unter des Büttels Hand einen so abscheulichen Tod leiden? ich bin ja / ohn ruhm zu melden /noch Mensch gnug / und ärgert euch nicht an diesem meinen schmutzigen Kittel / mit welchem ich aus der Küche von meiner arbeit hergelauffen bin / ich habe noch andere säuberliche Kleider / meinem Stande gemäß / und über die hundert Gulden durch meine saure arbeit verdienet / die wil ich euch geben / uñ werde ich in meinen Feirkleidern euch schon besser gefallen. Ach mein gutes Mädchen / antwortete er /seid gebehten / und bekümmert euch ferner nicht umb meinen Tod / welchen ich wol verschuldet habe; danket auch dem Hi el / daß ich nicht ein solcher bin /der aus begierde des Lebens / euch zu äffen bedacht währe / und euch hernach im elende wolte sitzen lassen; die Götter werden euch schon denselben zum Manne bescheren / den sie euch ausersehen haben. Wolfgang kam gleich darzu / umb zuvernehmen wessen er sich erkläret hätte; da die Dirne Reichartẽ diese Antwort gab. Mein Liebster / wisset ihr dann nicht /daß man euch mit dem Rade alle eure Knochen entzwey stossen sol! O wie werdet ihr es bereuen / daß ihr diese meine Liebe ausgeschlagen habet / wann euch nun der erste Stoß gegeben wird / und gedenket nur nicht / daß ich euch alsdañ loß bitten werde. Ihr sollet / gute Freundin aller dieser Ansprache von mir wol enthoben seyn / sagte Reichard / die Götter nehmen euch in ihren Schuz. Kehrete sich nach Wolfgang / und sagete: Mein Freund / habt ihr mir die Gnade der beerdigung erhalten? Ja / sagte er / dieselbe ist euch ganz richtig erteilet / aber ihr werdet vernommen haben / daß diese gute Dirne euch viel eine grössere /nehmlich / Leben und Freiheit erbehten hat. Nein /mein Wolfgang sagte er / ich wil nun gerne sterben /damit ich nicht an diesem frommen[702] Mädchen zum Schelme werde. Da hätte man nun diese Dirne hören sollen / wie sie mit schelten und schmähen auff ihn ansetzete; Je du Galgenschwengel / du Henkermässiger Bube / sagte sie / bist nicht wert / daß ein ehrlich Mädchen sich dein erbarme / oder einigen willen zu dir trage; pfui mich an / daß ich durch deine äusserliche gestalt mich habe bewägen lassen / dich loß zu bitten / ich werde doch nun und nimmermehr keinen Mann beko en können / dann jederman wird mirs vorhalten / ein zum Radebrechen verurteileter armer Sünder / habe lieber also hingerichtet seyn wollen /als mich zur Frauen nehmen; fing auch ein solches gehäule an / daß die Zuseher dessen gnug lacheten / und also ging sie nach dem innersten Platze / woselbst die Königliche Geselschaft auff einem Lustgange bey einander sassen. Valiska wahr dieser Magd zimlich gewogen / massen sie wol 16 Jahr in der Küchen gedienet / und ihr Winterzi er hatte pflegen einzuheitzen /daß sie nunmehr von 36 Jahren wahr; als sie nun dieselbe also heulen sahe / fragete sie / was ihr begegnet währe. O Gn. Königin / der Schelm uñ Dieb wil mich nicht haben / antwortete sie / sondern viel lieber sterben. Valiska lachete dessen / und sagete: Gib dich zu frieden du solt noch wol einen bessern Mann bekommen / so viel Brautschaz habe ich dir zugedacht; worauff sie sich dañ endlich stillen ließ. Die Fũrstliche Geselschaft kunte sich über Reichards erklärung nicht gnug verwundern / insonderheit / als Leches kam /und ihnen seine Worte vortrug. Gewißlich / sagete König Henrich / dieser Bube dürfte noch so gut werden / als schlim er bißher gewesen ist / daher lasse man ihn lauffen / und daß nach zweijähriger frist er sich / mit aufflegung eines schriftlichen Zeugnis seines verhaltens / bey mir anmelde / alsdann sol er von mir einer Gnade gewärtig seyn. Herkules rieff Leches zu sich / und legete ihn in den Mund / was er anfangs mit Wolfgang / hernach zu Reichard reden solte; welcher sich wieder auff den Richterstuel setzend also anfing: Reichard / deine anfangs erwiesene Dienste /samt der jetzigen Reue / die du über deine begangene Bosheit trägest / haben die versamleten Großmächtigsten Könige zu dieser hohen Gnade bewogen / daß die Straffe / welche deiner eigenen Bekäntnis nach / du wol verdienet / sol gemiltert werden / wie ich hernach anzeigen wil. Damit aber dein frommer Vater / wegen der Königlichen Fräulein nicht umb das seine komme / wil ich wissen / wie grosse Kosten du zu deren Erlösung angewendet habest. Dieser gedachte noch nicht /daß er mit dem Leben davon kommen wũrde / und antwortete: Mein Herr / wie ergetzet es meine Seele /daß noch vor meinem betrũbten Ende ich vernehmen sol / daß man meinem lieben Vater das ausgelegete wieder zustellẽ wil; dasselbe nun beläuft sich alles in allem auf 2000 Kronen / und etwas weniger; könte aber ich elender Mensch so bitselig seyn / daß solche Gelder / weil es ohndas mein väterliches Erbe ist /dem frommen Mädchen / so mich loßbitten wollen /gegeben / und ich dagegen mit dem Schwerte begnadet würde / zweifele ich nicht / die Götter würden alles beydes mit reicher vergeltung erstatten; doch solte mein Herr Richter davor halten / daß durch dieses ansuchen ich das Königliche Fräulein zum Wiederwillen reizen würde / wolle er dessen nur nicht gedenken. Es fält mir aber gleich ein / daß die Gutsche mit den Pferden in die jeztgemeldete Rechnung nicht gehören. Leches trug grosses mitleiden mit diesem Menschen / ging abermahl mit Wolfgang zu der Königlichen Geselschaft / und zeigete dieser dem Fräulein an / ihm währe bewust / daß Reichard in seiner Landstad eines ehrlichen Mannes Tochter durch heimlichen Nohtzwang entehret / und sie durch vorstellung[703] ihrer Schande / wann sie es ruchtbar machen würde geschweiget hätte; hielte davor / wann man ihm geböhte / dieselbe zu heyrahten / würde er solches gehorsamlich leisten. Kennet ihr das gute Mensch? fragete das Fräulein. Ja / sagte er / ich habe in ihres Vaters Hause etliche Tage Holz gehacket / und sie gesehen / daß allenthalben da sie ging / ihr die Augen vol Trähnen stunden / und mannichen elenden Seufzer von sich ließ. Das Fräulein sagete; tuht alles / wessen ihr schon befehlichet seid / und gebet ihm darzu noch 1000 Kronen / welche er der redlichen Dirnen meinetwegen schenken sol / unter dem einwenden / daß ich ihr gewogen sey / weil ihr mir ihre frömmigkeit gerühmet habet. Also ging Wolfgang hin zu Reichard /der mit seinen acht Reutern ein Gespräch hielt / und sie vermahnete / daß sie sich an ihm spiegeln / und durch kein ding in der Welt sich zur Unträu oder andern Untugenden solten verfũhren lassen; welches sie von ihm nicht ohn grosses mitleiden anhöreten / weil sie sich erinnerten / daß er dannoch alles ihres Glüks die erste warhafte Ursach währe. Wolfgang störete dieses Gespräch / da er ihn also anredete: Sehet da Reichard / die grosse Königin / Fr. Valiska / welche dem Königlichen Fräulein insonderheit ergeben / und dañoch mit eurem Unfal / darin euch gutenteils eure unbedachtsamkeit gestürtzet / grosses mitleiden träget / hat mir die 3000 Kronen zugestellet / welche eurem Vater ihretwegen sollen übergebracht werden; und nun höret die begnadigung und erfreuet euch derselben; euer schlimmes verbrechen sol euch vergeben seyn / Leben / Freiheit / und ehrlicher Nahme wird euch geschenket / wiewol mit dieser bedingung / daß wo man erfahren würde / daß ihr von neuen wieder Ehrbarkeit handeltet / werdet ihr in die ausgesprochene Urtel und Straffe verfallen seyn; könnet ihr aber nach verlauff zwey Jahren dem Großmächtigsten Könige / Herrn Henrich ein schriftliches Zeugnis aufflegen / daß ihr ehrlich gelebet und der Tugend nachgestrebet / sollet bey seiner Königl. Hocheit ihr euch angeben / und einer Gnade gewärtig seyn: aber vor dißmahl sollet ihr bey Sonnenschein / dieses / und aller gegenwärtigen Könige und Fursten ihre Länder räumen / und euch nach eurem Vaterlande erheben / dieses zu leisten / was mein gnädigstes Fräulein euch hiemit aufflegt; nehmlich / sie hat Zeit ihrer Magdschaft ohngefehr vernommen / daß ihr eines ehrlichen Mannes frommes Kind sollet schändlich hintergangen und betrogen haben / die sollet und müsset ihr durchaus ehelichen / oder aller schon versprochenen Gnade verlustig seyn. Was saget ihr darzu? Ja mein Freund /antwortete er / ich gestehe und beräue diese meine Missetaht / und wil von ganzer Seelen dieses Verbrechen durch folgende Heyraht gerne wieder gut machen / nur bitte ich untertähnigst / daß vor dem Beylager mir möge vergünstiget seyn / mich ein Jahrlang in fremden Ländern zuversuchen / ob durch eine rühmliche Taht ich meine grosse Schande in etwas abwischen könte. Ich hoffe euch solches noch wol loßzumachen / sagete Wolfgang / aber es mus mit einwilligung euer Braut geschehen. Weiters hat der Medische Groß-Fürst / Herr Arbianes / der Königl. Fräulein versprochener Bräutigam / mir noch 3000 Kronen zugestellet / welche ihr in seiner Durchl. Nahmen /eurem Vater sollet einhändigen / als zur Danksagung vor eure ausrüstung. Hierůber werde ich euch noch 1000 Kronen wegen meiner Gn. Fräulein einreichen /welche ihr euer Braut ihretwegen mit übernehmen sollet / bloß darumb / daß deren grosse frömmigkeit ihrer Gn. ist gerühmet worden / worzu ich noch 200 Kronen vor mein Häupt legen wil / darumb daß sie bey meiner Arbeit mir[704] etliche mahl einen guten Labetrunk hat zuko en lassen. Zwar euer verbrechen hindert / daß euch selbst kein Fürstliches Geschenk mag gegebẽ werden; jedoch habe ich durch einen Fußfal erhalten / daß mir und diesen meinen acht Gesellen frey stehet / euch unserer gewogenheit nach / eine mögliche Verehrung zu tuhn / da wir dann euch 9000 Kronen von unsern empfangenẽ Gnaden-geldern schenken / uñ uns zu aller möglichen Freundschaft verbindẽ wollen. Er hatte dieses kaum ausgeredet da schickete Leches ihm 3000 Kronen / welche er Reicharden seinetwegen zustellen solte / nebest der Vermahnung dz er hinfüro alle untugend aus seinem Herzen verbañete / und der Erbarkeit nachsetzete / alsdañ würde er nicht allein völlige vergebung / sondern noch wol ansehnliche Befoderung bey König Herkules haben können / dessen Hocheit ihm ohndz nit ungewogen währe. Die acht Reuter redetẽ ihm auch freundlich zu / und lieferten ihm 12000 Kronẽ / welche er ihren armẽ uñ dürftigen Eltern mit übernehmẽ möchte / als welche alle in der nähe bey seiner Heimat / etliche auch gar in seiner Landstad wohnetẽ. Reichard ensetzete sich vor so grossen Geschenkẽ / welcher nunmehr die Boßheit in seinẽ Herzen verschworen hatte / leistete einen demühtigen Fußfal in seinen Ketten / erkennete / daß er der erteileten Königlichen Gnade allerdinge unwirdig währe / wolte aber Zeit seines lebens nicht auffhören daran zugedenken / und entweder ritterlich sterben / oder einen bessern Nahmen als bißher / erwerben; dankete nachgehends Wolffgangen sehr uñ seinen gewesenen Reutern / und gab ihnen zuverstehen / wie er gesinnet währe / sich mit 50 Pferden auszurüsten / so bald er wůrde zu Hause angelanget seyn / und nach Ehren zustreben /weil er seine Gelder nicht wüste besser anzulegen. Seinen Gutscher / der wegen dieser Begnadigung sich höchlich erfreuete / foderte das Fräulein durch Wolffgangen vor sich / rühmete / daß er wol gefahren hätte / und schenkete ihm 1000 Kronen / da sie ihm frey stellete / ob er bey ihr bleiben / und ihr LeibGutscher seyn / oder lieber zu seinem vorigen Herrn zihen wolte. Er gab zur Antwort: Er könte zwar sein Lebelang keinen bessern Herrn bekommen / weil er aber sich mit einem frommen redlichen Mädchen in Reichards LandStad verlobet hätte / wolte er derselben gerne sein Wort halten / wann er nur zu seinem vorigen Herrn / umb daß er dessen Gutsche und Pferde ohn sein wissen mitgenommen / wieder kommen dürffte. Welche Erklärung Arbianes so wol gefiel / dz er ihm noch 1000 Kronen verehrete / und daß er Pferde und Gutschen wieder dahin bringen solte. Reichard wolte mit dem Gutscher alsbald aufbrechen / uñ davon scheiden / aber ihm ward gebohten / diese Nacht auff dem nähesten Dorffe zubleiben dahin das Fräulein ihm etliche Sachẽ / an Fr. Mechtild Kinder mit überzunehmen / zuschicken wolte. Hiebey erinnerte er sich / man möchte daheim / wegen der Fräulein gewaltsamen Entführung auff ihm einen Argwohn geworffen haben / worüber er in Lebensgefahr gerahten dürffte / welches er Wolffgang zuverstehen gab /und darauff von König Herkules an den Stathalter zu Kölln eine Vorschrifft bekam. Das Fräulein legte alle heimlich und öffentlich entwendete Geschmeide zusa en / es Jungfer Adelheit wieder zuzustellen / legte dabey 4000 Kronen vor dieselbe / 3000 Kronen / vor deren mittelste Schwester Adelwald / und gleich so viel vor die jüngste Adelgund; wie auch vor einer jeden ein schön Kleinot und drey Ringe hohes Werts /und dabey diesen Brief:

[705] Sonders liebe Freundin / Jungfer Alheid / eurer unbarmherzigen Mutter ehmahlige armselige Magd und Nähterin Armgart / sonsten vor dem / und Gott lob nunmehr wieder / gebohrnes Königliches Fräulein aus Teutschland / Frl Klara / bedancket sich nochmahls alles geleisteten guten Willen / sendet ihr alle heimlich und offentlich entwendete Geschmeide unversehret wieder / nebest 10000. Kronen / und etliche Kleinot Gnaden-Gelder / ihr und ihren beyden Schwestern nehest begrüssung /und stellet ihnen allen dreyen frey / zu ihr nach Prag zukommen / und ihrer Königlichen Hochzeit / welche sie mit dem Durchl. Großfürsten Herr Arbianes aus Meden schier zu halten entschlossen ist / beyzuwohnen / da ihnen alle Gnade und milde Königliche Woltaht wiederfahren sol. Zwar es währe mir gar ein leichtes / mich noch weiters an eurer grausamen Mutter / und ehebrecherischen Vater gebührlich zu rächen / aber aus lauter Gnade sol ihnen verziehen seyn / wiewol ich nicht ungerne gesehen hätte / daß euer Vater den Prügel wegen seines huhrischen Herzens / gleich eurer Mutter kosten mögen / damit eins dem andern nichts vorwerffen dürffte / doch weil mir der Zorn nunmehr vergangen / mag er so hinlauffen / und sich bessern. Gehabt euch wol und besucht mich kühnlich nach eurem belieben; insonderheit grüsset mir die kleine Adelgund / als welche durch ihre Gegenwart eures schlimmen Vaters unkeusches Vorhaben (welches / da ers vollendet hätte / ihm und allen den seinen den Halß würde verlustig gemacht haben) guten teils abgewendet und verhindert hat. Ich bin und verbleibe eure und eurer beyden Schwestern gute Freundin Klara / Königliches Fräulein aus Teutschland / versprochene Großfürstin in Meden.

Wir haben bißdaher die wol zuprügelte Frau Mechtild mit ihrer Angst-vollen Tochter auf ihrem Wagen im Pusche verlassen / welche nach Wolfganges Abscheid gerne alsbald wieder nach Hause gefahren währen / aber die Dräuung hielt sie zurük / und daß sie keinen Fuhrmann hatten / daher sie den Tag und die Nacht daselbst außhieltẽ / und noch ihr bestes wahr / daß sie Essen und Trinken gnug bey sich hatten. Die Nacht wehrete ihnen sehr lange / und empfand das Weib überaus grosse Schmerzen wegen der Prügelung / weil sie keine Salbe zur Linderung bey sich hatte. Daß ihre Armgart ein Fürstliches Fräulein seyn solte / wolte ihr in den Kopff nicht / wie wol die Tochter solches gerne glåubete / weil sie nur mit einer angestrichenen Farbe sich so heßlich gemacht / und vor dem Abzuge ihre wunder zarten Hände / Hals und Angesicht ihr hätte sehen lassen. Aber die Mutter sagete; Ey was Fräulein / lag sie doch fast alle Nacht bey dem Baurflegel Wolfgang / den sie selbst ihren Mann nennete. Nein herzen Mutter / antwortete sie /ich erinnere mich / daß unsere Haußmagd etlichemahl mir angezeiget hat / daß sie allemahl nur eine Schlafstelle in ihrem Bette gefunden / und also der Baur sich ohn Zweifel auf der blossen Erde hat behelfen müssen. Sie sey wer sie wolle / sagte die Mutter; hätte ich aber gewust / daß ich diese schmertzhafte Prügelung von ihr sollen gewärtig seyn / wolte ich ihr den Hals zubrochen haben. Ach liebe Mutter / sagte sie / ihr seid auch alzu hart mit ihr gewesen / dann ungeachtet sie kein Augenblik bey ihrer Arbeit seumete / suchetet ihr doch allemahl Uhrsach an sie / daß michs oft gejammert hat. Was wiltu junge Metze mich auch noch rechtfärtigen? sagte die Mutter; währe ich meiner Hände mächtig / ich wolte dir das weise Maul dergestalt zurichten / daß du es auff ein andermahl schon halten soltest. Ich sage nichts ungebührliches / sagte die Tochter / und gebe der Himmel / daß wir nicht von diesem Fürstlichen Fräulein noch eine grössere Straffe zugewarten haben. Und ach ach! was muß doch mein Vater ihr vor Ungebührligkeit angemuhtet haben / davon das kleine Kind gestern zusagen wuste? dein Vater ist ein alter verhuhreter Bube / antwortete sie / und hätte ihm wol gönnen mögen / daß er[706] davor von den Reutern rechtschaffen abgeschmieret währe. Sie brachten den Tag mit ihrem Gespräche hin / und die Nacht schlief die junge Tochter hindurch /welches der Mutter wegen ihrer Schmerzen fehlete; früh morgens aber bemühten sie sich so viel / daß sie den Wagen mit den Pferden umwendeten nach dem Wege daher sie kommen wahren / da dañ die Pferde aus hunger im vollem Lauff davon sprungen / und groß wunder wahr / daß sie dẽ Wagen nicht in Stücken lieffen; sie fehleten doch des rechten Weges nicht / und kahmen noch vor Mittages vor dem StadTohr an / gleich da ihr Fuhrmann sich auch daselbst finden ließ. Als sie zu Hause anlangeten / muste sich die Mutter von dem Wagen heben lassen / die sich erst mit ihrem Manne auffs neue überwarff / aus lauterm Eifer / daß er nicht gleichen Lohn mit ihr empfangen hatte. Sie sinneten fleissig nach / wer doch immermehr so verwägen seyn dürffen / gewaltsame Hand an sie zulegen / erfuhren / daß gleich denselben Tag Reichard mit seinen Reutern davon gezogen währe / in dessen Vaters Hause Wolffgang sein meistes Wesen gehabt hatte daher sie denselben in starken Verdacht zogen.

Als nun Reichard zu Hause anlangete / hatte er mit dem Gutscher es abgeredet / daß von seinem Unfal er im anfange nit gedenken solte / den er auch schon beredet hatte / mit ihm fortzuzihẽ. Er ließ die Laden mit der Baarschaft vor Mechtilden Hoff führen / ging kühnlich zu ihr hinein und fragete nach der grösten Jungfer / welche bald hervor trat / und er sie also anredete: ädle Jungfer / mein allergnädigstes Fräulein /das Durchl. Königliche Fräulein aus Teutschland lässet ihr durch mich ihren gnädigsten Gruß anmelden /und übersendet ihr dieses Schreiben / neben grosser Baarschaft Gnaden Gelder und andern köstlichen Sachen / welche vor dem Hofe auf meinem Wagen stehen / und von ihren Knechten können abgeladen werden. Alsbald fiel ihr ihre Armgart ein / brach den Brief / und lase ihn teils mit Freuden / teils mit Betrübniß; da inzwischen die Mutter / alles ungeachtet /Reichardẽ vor einen StrassenRäuber außrief / und ihm alles Unglük dräuete. Er wolte sich aber mit ihr nicht einlassen / sondern gab zur Antwort; Frau / habt ihr auff mich zusprechen / so tuht solches mit recht / und nicht mit Scheltworten / alsdann wil ich meine Taht handhaben / die ich keines weges leugne / wie wol ich keine Hand an euch geleget / auch nicht dabey gewesen bin / noch Anordnung darzu gemacht habe; Lasset die Sachen von meinem Wagen heben / und fahret alsdann wol und glüklich. Die Jungfer lies alles abtragen / sie aber hielt bey der StadObrigkeit um Haft an wieder Reicharden / welcher aber sich erboht Fuß zuhalten / und deßwegen 6000 Kronen zur Verpflichtung bey dem Raht nidersetzete / auch seine Vorschrift durch seinen Gutscher Südmeier / (diß wahr sein Nahme) eilend nach Kölln überschickete / da Herr Julius Lupus an den Raht schrieb / bey LebensStraffe sich an Reicharden nicht zuvergreiffen / sondern ihn vor frey und allerdinge unschuldig zuerkennen / hingegen Mechtilden samt ihrem ganzen Hause in freyer gewahrsam zuhalten / ob etwa sie möchten wegen ihres Verbrechens angeklaget werden; daß diese also noch um schön Wetter bitten muste. Reichard gab sich bald bey der Jungfer Eltern an / die er geschwächet hatte / erkennete seine Sünde / baht um Vergebung / lieferte die 1200 Kronen wegen der Fräulein und Wolfganges ein / und legte 1000 Kronen von den seinen hinzu / wodurch er beydes von den Eltern und der betrübten / nunmehr hocherfreueten Tochter / völlige Vergebung erhielt / hätte zwar das Beylager gerne biß auff seine Wiederkunft aufgeschoben /[707] aber beiderseits Eltern wolten durchaus nicht einwilligen / daß er also / wie auch Südmeyer ihre Heyraht volzogen / und darauf 56 Reuter stark außgingen / Ehre zusuchen.

Die Römischen Herren von Padua / kahmen des Tages vor dem Beylager an / und wurden nit anders als grosse freie Fürsten empfangen und geehret. Niemand wahr frölicher / als Arbianes und sein Fräulein /welche diese Tage über von Herkules und Valisken sich fleissig in der Christlichen Lehre unterrichten liessen / und nahm ihre Gesundheit zusehens zu. Die Großfůrstliche Trauung geschahe auff dem Königlichen Saal / wobey niemand als Christen (ohn allein Fürst Olaff) geduldet wurden. Dann die vornehmste Böhmische Herren / Pribisla / Krokus / und andere /hatte den Glauben begierig angenommen / wie auch der alte geträue Wenzesla / welcher wegen seiner gefliessenen Dienste in den Königlichen geheimen Raht auffgenommen ward. Die Freude der jungen Eheleute wahr sehr groß / und hatte König Henrich seinen Ekhard / neben Friederich und Luther nach Teutschland geschicket / 24000 wolgeübete Teutsche Reuter zuwerben / zu welchen Ladisla 4000 Böhmen / Baldrich 4000 Friesen / und Herkules 2000 Wenden geben wolten / und solten diese alle Fürsten Arbianes mit 20 Tonnen Goldes zur Heimsteur mitgegeben werden /weil er ohn das die Völker zuwerben befehliget wahr. Des ersten Abends / bald nach geendigter Hochzeitlicher Mahlzeit / trat ein kleiner zierlicher Knabe mit höflicher Ehrerbietung zu der Großfürstlichen Braut /und lieferte ihr einen versiegelten Brief mit diesen Worten ein: Durchleuchtigstes Fräulein; es ist eine fremde Botschaft gleich jezt ankommen / und hat dieses Schreiben / an ihre Durchl. haltend / mit sich gebracht / welchen auff Befehl ich untertähnigst übergeben sollen. Sie nam denselben mit freundlicher Bezeigung an / und umb dessen Inhalt zuvernehmen / trat sie ein wenig zurük / da inzwischen der Knabe / allen unvermerkt / sich hinweg machte / und sich nicht mehr sehen ließ. Nach Erbrechung aber fand sie darinnen wie folget:

Zu Ehren den Hochfürstlichen Hochzeitern / welche nach ausgestandenem herben Unglük / des allerlieblichsten Glückes süsseste Erndte halten und geniessen sollen.


1

Die so man in LiebesSachen

Obrist über alles stellt /

Raubet durch ihr süsses Lachen

Odem und Geist aller Welt;

Treibet aller Menschen Sinnen /

Hin / das Süsse zubeginnen /

Eh' die junge Krafft verfält.


2

Alles was die Lust empfindet /

Eilet zu der Süssigkeit /

Leistet / eh' es gar verschwindet /

Ihrer Gottheit ohne Streit

Seine Schuld mit gutem Willen /

Alle Wollust zuerfüllen /

Biß hin an die graue Zeit.


3

Einsamkeit wil niemand lieben /

Träue Liebe wählen wir;

Haben Zwene was zu üben /

Ach das sättigt die Begier /

Vielmehr als wir sagen können /

Ob mans gleich uns nicht wil gönnen /

Noch so sucht mans für und für.


4

Wol! so sol die Traur sich legen /

Jaget Angst aus eurer Brust /

Nach dem Sommer kompt der Regen /

Da du Kummers vol seyn must.

Trauren wil uns nicht behagen /

Eh wir uns auff Krücken tragen;

Mein / so suchet LiebesLust.


Nach geendeter Verlesung reichete das Fråulein solches Königin Valisken / welche den Dänischen Fürsten Olaff in Verdacht zog / er währe des Hochzeit Liebes Tichter / wie wol derselbe sich niemahls darzu gestehen wolte; daher man sich des weitern Nachforschens enthielt. König Baldrich aber / welcher mit dieser seiner Frl. Schwester in der Kindlichẽ[708] Jugend sich nicht allemahl gleiche brüderlich zuvertragen pflegete / hatte diese Zeit über so herzliche Liebe ihr zugewendet / daß ihre Eltern sich darüber höchlich verwunderten; dann er sahe daß ihre Frö igkeit ihr von Herzen ging / welche er sonst an ihr vor eine Heucheley gehalten hatte. Sein Gemahl Königin Lukrezia / welche in Tichtung lateinischer Reimen eine anmuhtige Gnade hatte / ward diesen Tag von ihm fleissig ersuchet / seiner Frl. Schwester zuehren ein Hochzeit Geticht aufzusetzen / worzu sie dann ganz willig wahr / es innerhalb weniger Zeit zu Papier brachte / und es Königin Valisken / welche sie bey der Tichtung antraff / zuverlesen geben muste; deren es dann so wol gefiel / daß sie alsbald es in folgende Teutsche Reimen ũbersetzete.


1

So muß noch dannoch Unfals Wuht /

Nicht immerzu die Frommen trillen.

Es heisst nicht stets / Gut oder Blut /

Nach frevelhaffter Räuber willen.

Die Gottesfurcht muß endlich siegen /

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.


2

Ein Fräulein / deren Frömmigkeit

Und hoher Tugend nichts mag gleichen /

Hat zwar vom herben Unglüks Neid

Sich scharff gnug müssen lassen streichen;

Doch ihre Tugend muste siegen /

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.


3

Sie ward geraubt / und schlim geliebt;

Feur / Wasser / Schmach und Hungerbissen

Hat ihren schwachen Geist betrübt /

Sie lag dem Frevelmuht zun Füssen;

Doch ihre Demuht muste siegen /

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.


4

Sie must' in Unschuld flüchtig seyn /

Nicht anders als des Unglüks Ballen;

Noch zwang sie sich geduldig ein /

Ließ böß- und gutes ihr gefallen.

Des must' auch ihre Tugend siegen /

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.


5

Diß Lämlein hatte wol die Bach

Den Raube-Wölffen nie getrübet;

Noch strebten sie ihr grimmig nach /

Gleich wie man leichte Kegel schiebet.

Doch endlich must' ihr' Unschuld siegen /

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.


6

So prüfet Gottes Vater Hand /

Die er vor Kinder ihm erwehlet;

Sie müssen manchen harten Stand

Aushalten / der rechtschaffen quälet /

Und müssen durch Geduld doch siegen /

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.


7

Du wunder-frommes Seelchen hast

Gott Lob geduldig ausgehalten /

Darumb benimt dich Gott der Last /

Und lässet lauter Gnade walten;

So hastu kräfftig müssen siegen /

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.


Dieses / als es kurz vor schlaffengehens der G. fũrstlichen Braut von Libussen eingehändigt ward / wie wol ohn Nennung / von wannẽ es kähme / lase das fromme Fräulein es nicht ohn Trähnen uñ echtzen durch /erholete sich doch bald / und aus begierde den Tichter zuerkeñen / redete sie Libussen so bewäglich zu / daß sie ihr alle beide ins Ohr raunete. Weil dann Königin Valiska ihr zur Seite stund / bedankete sie sich gegen dieselbe mit so demühtiger Bezeigung und Rede / daß sie derselben die innigsten LiebeTrähnen aus den Augen lockete / und sie mit solcher herzlichen Inbrunst sich küssend umbfangen hielten / daß Herkules durch freudliche Anmahnung daran ein Ende machen muste. Noch kunte das fromme Fräulein sich nicht zuruhe geben biß sie der ersten Tichterin / Königin Lukrezien sich auf gleichmässige Weise dankbahrlich erzeiget hatte. Worauff sie von ihrer Fr. Mutter und Königin Valisken nach Bette ihrem lieben Fürsten zugeführet ward / da sie sich in züchtiger ehelicher Liebe zusammen hielten / und dem allerhösten herzlich danketẽ / daß derselbe sie mit Gnaden-Augen angesehen / und nach so mannicher Gefahr ihnen den Schein seiner Väterlichen Hulde so reichlich mitgeteilet hatte.


Ende des Siebenden Buchs.

Quelle:
Andreas Heinrich Buchholtz: Des Christlichen Teutschen Großfürsten Herkules Und Der Böhmischen Königlichen Fräulein Valiska Wunder-Geschichte. 6 Bücher in 2 Teilen, Teil 2, Braunschweig 1659/60, S. 477-709.
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