Erster Akt.

[14] Platz vor der Kirche St. Fridolini zu Säkkingen.


CHOR.

Der Hans schwingt die Liese, die Liese den Hans,

Juchheirassasa, die drehn sich beim Tanz; –

Hell tönet die Fiedel, und tief brummt der Baß,

Wie hebt das die Füße, wie lustig klingt das!


Der Schwarzwälder Bursch und die Höhgauer Maid,

Das giebt wohl ein Paar, daß das Herz sich dran freut;

Dem Burschen der Strauß und dem Mädel der Kranz,

Juchheisa, bald giebt's einen Hochzeitstanz!

Juchhe!

EINIGE ÄLTERE MÄNNER.

Was fangt ihr so früh schon an?

Kann doch Abends Jedermann

Zu St. Fridolini Ehren

Noch genug den Tanzsaal kehren.

CHOR DER JUNGEN SÄKKINGER.

O, Fridoline, Schutzpatron

Für alle jungen Leute,

Gegrüßt sei uns, du Nordlandssohn,

Dein schöner Festtag heute –

Gegrüßt im ersten Frühlingslicht,

Wo Welt und Herz die Rinde bricht

Und Alles blüht und sprießt:

Sei tausendmal gegrüßt,

O, heil'ger Fridoline![14]

CONRADIN.

O, heil'ger Fridoline!

EINIGE JUNGE MÄDCHEN.

Was seufzt Er, alter Landsknecht, denn,

Als ob ihm Lieb' im Herzen brenn'?

CONRADIN.

O, heil'ger Fridoline,

Dem ich so gerne diene:

Warum gilt all dein Walten

Den Jungen nur? – Wir Alten

Sind doch auch nicht von Stein!

DIE JUNGEN MÄDCHEN.

Ja, ja, das mag wohl sein!

Doch weise ist,

Wer nicht vergißt,

Wann für ihn Zeit zur Ruhe ist.

CONRADIN.

Das nenn' ich mir doch Uebermuth!

Respect vor mir, du junge Brut! –

Glaubt ihr, der hohe Magistrat

Hat mich hierhergesetzt zum Staat? –

O nein, daß ich verständnißvoll

Euch Alle überwachen soll!

DIE JUNGEN MÄDCHEN.

Ei, wahrlich eine schwere Pflicht;

Denn Alter schützt vor Thorheit nicht.

CONRADIN.

Drum komm mal her, mein Käthchen,

Rothwangig Schwarzwaldmädchen,

Und gieb mir einen Schmatz,

Du süßer Herzensschatz!

CHOR DER HAUENSTEINER BAUERN.

Was fällt dem alten Graukopf ein? –

Läßt er gleich das Charmiren sein![15]

CONRADIN.

O, heil'ger Fridoline,

Ward bei der Liebe wettergrau:

Die Weiber kenn' ich ganz genau –

Wenn's keine Jungen für sie giebt,

Thun mit den Alten sie verliebt.

Drum halt' die Jungen mir vom Leib:

Möcht' auch noch meinen Zeitvertreib,

Und schenk' mir die Blondine,

O, heil'ger Fridoline!

CHOR.

Der Hans schwingt die Liese, die Liese etc.

DIE BAUERN.

Das ist doch eine Sünd' und Schand!

Soldatenstand und Bauernstand,

Die passen nimmer zu einand.

CONRADIN.

Ja, wir sind auch der Wehr stand,

Und ihr doch nur der Nährstand!

DIE BAUERN.

Macht's auch wie unser Freiherr dort,

Der Vögte schickt von Ort zu Ort

Und alle Tage weiß ein Fest,

An dem er Steuern sammeln läßt.

Unser Land sei steuerfrei!

CONRADIN.

Der Freiherr hat ganz Recht:

Der Bauer ist sein Knecht,

Den er vor Stolz und Ueberfluß

Stets väterlich behüten muß.

DIE BAUERN.

Das ist so recht des Kriegsvolks Art,

Das stets sich um den Adel schaart; –

Doch bald heißt's: »Mitgegangen,

Darum auch mitgehangen.«[16]

CONRADIN.

Habt ihr's auf Landsknecht' abgesehn?

Hier seht ihr einen vor euch stehn,

Der Trutz dem Bauernvolke beut

Und solch Gesindel nimmer scheut.

DIE BAUERN.

Verweg'ner Landsknecht, wehr' dich gut:

Der Bauernknüttel färbt mit Blut!

WERNER.

Gemach, gemach, Freund Conradin!

Mußt du selbst bei Sanct Fridolin

Zum Raufen deine Klinge ziehn?

CONRADIN.

Was seh' ich? Werner? Welche Freud'?

Du kommst mir just zur rechten Zeit:

Die Klinge 'raus! Hilf mir beim Streit!

WERNER.

O nicht doch! Laß die Leute gehn,

Und freue dich, daß wir uns wiedersehn. –

CONRADIN.

Kommst just zum Fest zur rechten Zeit.

WERNER.

Das seh' ich, Freund! – Auf jedem Pfad

Der Strom der frohen Waller naht.

CONRADIN.

Sanct Fridolini Fest ist heute,

Des Schutzpatrons der jungen Leute.

WERNER.

Ich bin ja auch ein junges Blut

Mit frischem Sinn und keckem Muth:

Der Heil'ge mag mir gnädig sein!

Viel bunte Nachen wiegt der Rhein –

Ei, wie das flaggt und weht!

CONRADIN.

Nicht wahr?[17]

WERNER.

Und wen trägt jener dort?

CONRADIN.

Ein Paar

Von wahrlich ganz verschied'ner Art.

WERNER.

Wie sich mit Nacht der Morgen paart,

Schmiegt sich ans dunkle Trauerkleid

Der Andern eine junge Maid.

Sag an, wer ist das holde Bild,

Das wie ein Frühlingstraum so mild?

CONRADIN.

Das ist des Freiherrn Töchterlein

Mit ihrer gestrengen Frau Base,

Der alten Gräfin Wildenstein.

WERNER.

Nie ahnt' ich solcher Schönheit Wonne!

DIE SCHIFFSLEUTE.

Macht Platz, ihr Bauern!

DIE BAUERN.

Ei, wozu?

Hier hat der Bauer so viel Rechte,

Und mehr noch, als des Freiherrn Knechte.

Wir werden euch zum Trotze bleiben!

Laßt sehn! wer will uns hier vertreiben?

WERNER.

Ich! – Weg, ihr Leute! Treibt ihr's so?

Ich will euch bessre Sitten lehren!

DIE BAUERN.

Wart' nur, junger Spielmann,

Wollen die dich kennen lehren.

WERNER.

Fürchtet nichts, ich biete Trutz,

Und vertraut euch meinem Schutz![18]

MARIA.

Nehmet Dank! Ein braver Landsknecht,

Der bedrohte Frauen schützt!

WERNER.

Ha, wie süß der Strahl der Freude

Jetzt aus ihren Augen blitzt!

Dankt mir nicht, mein holdes Fräulein!

That nicht mehr als meine Pflicht; –

Wollt ihr aber mich beglücken,

Unaussprechlich mich entzücken,

Schenkt mir ein Vergißmeinnicht

Aus dem Strauße, der euch schmückt.

MARIA.

Wenn das Blümchen euch beglückt –

Von Herzen gern!

DIE BAUERN.

Seht doch den Herrn!

Wie er mit dem Schloßfräulein

Thut so artig und so fein – –

Will der ein Trompeter sein?

GRÄFIN.

Es ist empörend – dieses Volk! – Sagt an,

Wer aber ist der junge Mann

Von ritterlichem Wesen,

Der unser Schutz gewesen?

CONRADIN.

Er nennt sich Werner, hohe Dame; –

Kirchhofer war des Mannes Name,

Der einst ihn bei Zigeunern fand

Und später dann nach sich benannt.

GRÄFIN.

Wie? bei Zigeunern? Offenbar

War er doch nicht von ihrem Stamm! –

Mein Sohn wär' nun wohl auch so alt

Und von so lieblicher Gestalt,

Wär' er von solchen wilden Horden

Als Kind uns nicht gestohlen worden.[19]

CONRADIN.

Der machte sicher wohl mehr Staat

Als dieser schlichte Kamerad,

Der sonst ein Spielmann ohne Tadel.

GRÄFIN.

Er war ja ganz mein Ebenbild –

Bis auf dies Mal am Arm mein Bild –

Und der nur Landsknecht, nicht von Adel!

Maria!

WERNER.

O, Maria!

Im Himmel und auf Erden

Des schönsten Namens Klang!

GRÄFIN.

O komm! Was weilst du hier so lang?

MARIA.

Wollt' nur nicht ungeduldig werden?

Kommt, laßt uns in die Kirche gehn

Und uns vom Heil'gen Glück erflehn!

CHOR.

O, heil'ger Fridoline,

Sei uns gebenedeit!

Schenk' unsern Fluren Segen

Und Sonnenschein und Regen

Zur rechten Zeit.

CONRADIN.

O, heil'ger Fridoline,

Was hast du angericht't!

Ein Fräulein den Trompeter –

Das sieht doch wohl ein Jeder:

Das geht doch nicht!

CHOR.

O, heil'ger Fridoline,

Du Schutz der Christenheit,

Gieb Liebe unsern Herzen

Und sei in Lust und Schmerzen

Gebenedeit![20]

WERNER.

Maria, o Maria,

Du wundersame Maid,

Aus deines Auges Sonne

Lacht nun erst mir die Wonne

Der Frühlingszeit.

Verwandlung.

Zimmer.


FREIHERR.

Da schlage doch das Wetter drein,

In das verdammte Zipperlein,

Daß ich mit meinem Hinkefuß

Nun hier im Lehnstuhl sitzen muß,


Es gab wohl eine schöne Zeit,

Da war es anders noch als heut'; –

Da jagt' ich durch die weite Welt,

Flink wie der Hirsch durchs Aehrenfeld,

Und manches holde Aeugelein

Das winkte hell wie Sonnenschein

Von ferne schon dem Reitersmann –

Doch heut' – was fang' ich heute an?

Da ward der alte Lehnstuhl mir

Zum unfreiwilligen Quartier,


Es meint wohl mancher lästerlich –

Und das ist doch ganz lächerlich! –

Das sollt' vom Wein gekommen sein, –

Der Hinkefuß von solchem Wein!

's war freilich stets mein stilles Glück,

Von jeder Rheinweinsort' ein Stück

Zu sehn in meinem Keller,

Und zu probiren früh und spät,

Wie es mit jedem Jahrgang steht –

Zumal beim Muskateller![21]

Das ist nun 'mal mein Lieblingswein

Und wird's trotz dir, o Zipperlein,

Bis an mein sel'ges Ende sein –

Bis an mein sel'ges Ende! –

Dann falt' ich still die Hände

Und sag': »Es muß geschieden sein,

Schenkt nochmals Muskateller ein!«

O Podagra, o Chiragra,

Dann ist es auch mit euch tralla!

Das bleibt mein Trost in dieser Welt,

Wenn's noch so schlecht mit mir bestellt!


Das kommt vom Grafen Wildenstein! –

Laß mir den Boten selbst herein,

Die Antwort ihm zu sagen.

Hm! was will er?

»Alter Freund!

Meine Frau ist jüngst gestorben,

Und ich will den alten Streit

Mit der Gräfin, deiner Schwäg'rin,

Die mein erst Gemahl gewesen,

Noch vor meinem Ende schlichten!«

Bravo! Bravo! das ist redlich!

Kennne d'ran den biedern Landsknecht

Und den alten Kameraden!

»Ausgehn darf kein edler Stamm; –

Darum macht' ich mir ein Plänchen! –

Sag', du hast doch eine Tochter,

Und ich habe einen Sohn; –

Beide sind von gutem Adel

Und gewiß d'rum ohne Tadel,

Und ich dachte lange schon

Wenn ich nun mit Damian käme

Und der deine Tochter nähme?«

Donnerwetter! – kurz, soldatisch

Und dabei doch diplomatisch –

Das gefällt mir! Hei – juchhei!

Ei, da bin ich gleich dabei![22]

»Au! ja so!«

So reite zurück in dein Donauthal

Und grüße den Freund mir viel tausendmal,

Und sag' ihm, er möge nur kommen,

Sein Antrag sei angenommen!

Und sag' ihm, ich könnt es ihm schreiben nicht,

Weil meine Rechte lähmte die Gicht:

Doch mög' er just am ersten Mai,

Zu meinem Geburtstag, erscheinen,

Daß dadurch um so größer sei

Die Freude für die Meinen,

Die ich dann überraschen will:

Drum schweig mir über Alles still! –


Ins Schloß kommt ein Freier

Von gräflichem Blut,

Da schmeckt mir's zur Feier

Noch einmal so gut!


Ihr einsamen Räume,

Bald kehrt euch zurück

Statt alternder Träume

Nun bräutliches Glück.

MARIA.

Zürne nicht' mein Väterchen,

Daß wir dich allein gelassen.

FREIHERR.

Nein, ich hab indeß mein Pfeifchen

Recht von Herzen dampfen lassen.

Weiß ja schon, euch Frauenzimmer

Sieht man wiederkehren nimmer,

Ließ man euch zum Feste gehn.

GRÄFIN.

Freilich konnt' es leicht gescheh'n,

Daß Ihr nimmer uns gesehen;

Denn die Hauensteiner Bauern,

Die mit Euch im Zwiste stehen,

Schienen uns dort aufzulauern.[23]

FREIHERR.

Dies Gesindel – diese Bande!

Ha! das ist doch eine Schande!

Nicht die Frauen auf den Gassen

Mehr in Sicherheit zu lassen!

Hätt' ich nicht das Zipperlein,

Haut' ich heut' noch auf sie ein.

Ach, wie fehlt dem alten Stamme

Doch so sehr ein frisches Reis? –

Töchterchen, 's wird hohe Zeit,

Einen Schirmherrn dir zu suchen.

MARIA.

Väterchen, der wird sich finden; –

Vielleicht schneller, als wir's ahnen!

FREIHERR.

Rings Empörung, drohn Gefahren

Uns im schwach besetzten Schlosse.

Kann nicht mal ein Zeichen geben,

Wenn man uns hier überfiel,

Den Verbündeten im Städtchen,

Meiner alten Landsknechtrotte;

Denn mein treuer Schloßtrompeter,

Der mir oft die Grillen wegblies,

Ging auch jüngst zu seinen Vätern,

Und verlassen sitz' ich hier.

MARIA.

Einen prächtigen Trompeter

Wüßt' ich, Väterchen, für dich!

GRÄFIN.

Meinst doch den nicht, der beim Feste

Vor den Bauern uns beschützt?

MARIA.

Ja, Frau Base, er allein

Soll hier Schloßtrompeter sein!

's ist ein Spielmann ohne Tadel.[24]

GRÄFIN.

Nein, Herr Schwager, folget mir!

Der paßt ganz und gar nicht hier

In dies Haus von altem Adel.

FREIHERR.

Ei, das Blasen der Signale

Lernt man nicht im Ahnensaale;

Dient uns redlich nur der Mann,

Was geht uns sein Wappen an?

GRÄFIN.

Nein, Herr Schwager, folget mir:

Der paßt ganz und gar nicht hier.

MARIA.

Väterchen, glaub' mir!

GRÄFIN.

Glaubt mir!

MARIA.

Nur zum Besten rath' ich dir.

Ach, er ist so nett und fein –

Der muß dein Trompeter sein!

GRÄFIN.

Nein, Herr Schwager, nein, nein, nein!

Meine Schwester, die hochselig,

Aergerte gewiß sich schmählich.

FREIHERR.

O mein Gott, auch die Hochseligen

Sollen noch dies Schloß befehligen!

Wenig Dank wißt ihr dem Retter,

Der Euch barg vor Bauernwuth.

Seltsam! einst, im Schlachtenwetter,

Opferte sein treues Blut

Auch ein Spielmann mir – aufs Neue

Denk' ich heute seiner Treue!

Spielmannstreue lebe hoch!

Ha! wer bläst dort unten am Rhein?

Das klingt ja, als wollte noch unter dem Rasen

Mein Schloßtrompeter sein Leibstück mir blasen!

[25] MARIA.

Das kann nur der hübsche Trompeter sein!

GRÄFIN.

Das kann nur der kecke Trompeter sein!

MARIA.

Er ist's! – er ist's! Ich erkenne ihn wieder!

Schwer nickt ihm die Feder vom Hute nieder.


»Wie stolz und stattlich geht er!

Wie adlich ist sein Muth!

Er ist nur ein Trompeter,

Und doch bin ich ihm gut.


Und hätt' er sieben Schlösser,

Er säh' nicht schmucker drein,

– Ach Gott, und doch wär's besser,

Er würd' ein And'rer sein!


Ach wär' er doch ein Ritter,

Ein Ritter vom gold'nen Vliess!

– O Lieb, wie bist du bitter,

O Lieb, wie bist du süss!«


Vater, jetzt naht er des Schloßparks Stufen!

FREIHERR.

So sende hinunter und lass' ihn mir rufen!

GRÄFIN.

Aber, aber, mein Herr Schwager,

Solchen fremden jungen Mann

Nehmt nicht gleich in Eure Dienste –

Seht ihn Euch erst näher an.

FREIHERR.

Freilich, freilich, Schwägerin,

Müßt' er sein nach meinem Sinn;

Denn zu meinem Schloßtrompeter

Paßt in uns'rer Zeit nicht Jeder.

GRÄFIN.

Viel zu jung ist er dazu.[26]

FREIHERR.

Ach, das läßt mich wohl in Ruh' –

GRÄFIN.

Na, wenn Ihr nicht hören wollt,

Ihr vielleicht noch fühlen sollt.

MARIA.

Väterchen, er kommt! – er kommt

Schon herauf die Treppen;

Höre auf den Stufen schon

Seinen Degen schleppen.

MARIA.

Ha, da ist er! Welche Freude!

Ach, wie klopft mein Herz so laut!

Ist es Dank nur, ist es Liebe,

Daß es jubelt, wenn's ihn schaut?

WERNER.

Ha, da ist sie! Welche Schönheit!

Blendet mich der Sonne Licht?

Niemals sah von solcher Anmuth

Leuchten ich ein Angesicht!

FREIHERR.

Ha, da ist er! Kreuz Schwadronen,

's ist ein hübscher Bursch fürwahr!

Gluth im Auge, Muth im Herzen,

Wie's einst meine Sorte war!

GRÄFIN.

Ha, da ist er! Welche Kühnheit!

Bis ins Schloß verfolgt er sie! –

Ach! mein Schwager wird's bereuen:

Solchen Landsknecht sah ich nie.

WERNER.

Herr Oberst, Ihr ließet mich rufen; –

Ich folgte Eurem Befehl!

FREIHERR.

Ich wollt' Euch kennen lernen

Und mache d'raus kein Hehl! –[27]

Habt diese beiden Damen,

Die von den Bauern bedroht,

Als sie zum Feste kamen,

Recht brav beschützt in der Noth, –

Nehmt Dank!

WERNER.

Herr Oberst, dankt mir nicht!

Das war nicht mehr als Mannespflicht.

FREIHERR.

Bescheidenheit und Tapferkeit

Sind nicht beisammen jederzeit:

Herr Spielmann, wohl gefällt mir das!

Kommt, setzt Euch zu mir! – Kind ein Glas.

MARIA.

Laßt Euch den Trunk bekommen!

FREIHERR.

Ja seid bei uns willkommen!

WERNER.

Ihr heißet mich willkommen –

Ein Fremdling bin ich hier,

Unstät im Süd und Norden

Durchstreift' ich das Revier.


Im Süden Duft und Blüthen,

Im Norden Eis und Schnee,

Doch überall im Herzen

Der Sehnsucht stilles Weh.


Was ahnungsvoll ich suchte

Und dennoch nirgends fand,

Sah endlich nun mein Auge

In diesem schönen Land.

FREIHERR.

Ich freue mich, daß Euch die Welt

Am Rheine hier bei uns gefällt; –

Drum kommen wir 'mal gleich zum Ziel,

Denn wißt, ich rede nicht gern viel! –[28]

Ich brauche einen Schloßtrompeter –

Mein alter sank mir jüngst ins Grab;

Doch kann, mein junger Freund, nicht Jeder,

Was ich für ihn zu schaffen hab'.

Wird nicht nur allarmiren müssen,

Wenn diesem Schloß Gefahren drohn,

Muß auch noch manches Andre wissen:

Zum Beispiel, oft für Extralohn

Musik mit meiner Tochter treiben

Und zierlich für sie Noten schreiben.

WERNER.

Fürwahr, Herr, das bedaur' ich sehr:

Allein ich bin kein Schreiber mehr.

Hab' nur noch Roß und Schwert geführt

Und keine Feder angerührt,

Seit als Student ich relegirt.

FREIHERR.

Potz Element! Ihr habt studirt?

WERNER.

Zu Heidelberg.

FREIHERR.

Ei was?

War auch mal dort beim großen Faß

Erzählt mir doch: ist noch viel drin?

Und wie geht's Eurer Kurfürstin?

WERNER.

Die Kurfürstin glänzt wie ein Edelstein,

Und goldig fließt aus dem Fasse der Wein.

FREIHERR.

Da muß es noch herrlich zu Heidelberg sein!

WERNER.

Gewiß!

»Alt Heidelberg, du feine,

Du Stadt an Ehren reich, –

Am Neckar und am Rheine

Kein' andre kommt dir gleich!«[29]

FREIHERR.

Das mein ich auch! – Ein schönes Lied!

Wie Rebengrün lacht's ins Gemüth!

Ihr scheint als echter Musikant

Frau Musika mir hoch zu ehren

Und werdet sicher recht gewandt

Darin auch nun mein Kind belehren.

WERNER.

Ach, edler Herr, Ihr ehrt mich sehr –

FREIHERR.

Und doch wird Euch das Jawort schwer?

WERNER.

Maria! O, welch süßes Glück!

Ich muß! – ich kann nicht mehr zurück!

GRÄFIN.

Ha! welches Glück in ihrem Blick; –

Umsonst beschwor ich das Geschick!

MARIA.

Weiht' ihm ein schön Dukatenstück,

Drum bringt Sanct Fridolin mir Glück!

FREIHERR.

Stoßt an! entschließt Euch auf gut Glück!

Schön klang mir Euer Probestück!

WERNER.

Wohl, edler Herr, ich geh' drauf ein,

Will Euer Schloßtrompeter sein,

Fortan mit Leib und Leben

Nur Eurem Dienst ergeben.

FREIHERR.

Schlag', junger Spielmann, nun d'rauf ein:

Sollst unser Schloßtrompeter sein,

Fortan mit Leib und Leben

Nur unserm Dienst ergeben.

[30] MARIA.

Ach, welches Glück! Er geht d'rauf ein,

Will unser Schloßtrompeter sein,

Fortan mit Leib und Leben

Nur uns allein ergeben!

GRÄFIN.

O weh, o weh! Er drauf ein

Und will hier Schloßtrompeter sein!

Das wird was Schönes geben!

Was muß ich noch erleben!

FREIHERR, WERNER UND MARIA.

Heil dir, du holde Spielmannskunst,

Zeig uns von Neuem deine Gunst; –

Im Schlosse hier, im alten,

Soll nun dein Zauber walten;

Und wieder tön' es fern und nah:

Heil dir, Heil dir, Frau Musica!

GRÄFIN.

O trauet nicht der Spielmannskunst,

Stets warb sie um der Frauen Gunst,

Und wie einst bei uns Alten,

Wird sie's auch jetzt noch halten.

An allem Unglück, das geschah,

Trug stets die Schuld Frau Musica!

Ende des ersten Aktes.
[31]

Quelle:
Viktor Nessler: Der Trompeter von Säckingen. Leipzig [o. J.], S. 14-32.
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