1076. An Margarethe Röber

[73] 1076. An Margarethe Röber


Wiedensahl 4. Juli 1896.


Liebe Grete!

Dein anmuthig ausführlicher Brief und die Photographie, wie Du so dasitzest zwischen Deinen niedlichen Kindern, hat mir Freud gemacht.

Weniger schätz ich persönliche Zeitungsfraubaserei, die selten lobenswerth, oft schädlich und fast niemals genau ist. So bin ich denn z.B. schon längst kein Freund der Gesellschaftlichkeit mehr, auch nicht der Kindtaufsfestlichkeiten, und was den andern Punkt betrifft, daß ich mich gänzlich zur Ruh gesetzt hätte, so wär mir's wirklich lieb, wenn ich so verständig und schlau wär, es zu thun. Bekanntlich hat das Schreiber-und Künstlervölkchen und[73] überhaupt Alles, was dem lieben Publikum etwas vormacht, viel zu viel Eitelkeit, um zur rechten Zeit, im rechten Lebensalter mit Maul, Hand oder Fuß sich fein still zu verhalten. Da werden sie denn noch obendrein ermuntert, als dürften sie nicht nachlaßen in ihren alten Tagen, steigen immer wieder auf's Seil, glauben drauf tanzen zu können, wie ehedem, und purzeln natürlich herunter. Dann stehen jene zuerst ermunternden Leute daneben und sprechen: "Geschieht dem alten Narren ganz recht! Haben's uns gleich gedacht!"

Übrigens wird man mit den Jahren in der Regel hübsch wunderlich, dahingegen weder netter noch nüdlicher. So auch ich. Ob nur alte Junggesellen sich derartig auswachsen oder Ehemänner desgleichen, könnten am besten die Frauen entscheiden, wären sie nicht viel zu zartfühlend und diskret, um drüber zu reden.

"Das Gedächtniß läßt doch allmählig nach!" sagte Metusalem, da war er 900 Jahre alt. Ich spür's auch zuweilen. Aber meine guten Bekannten von früher vergeß ich drum nicht. Ihr Bildniß steht mir so getreu und deutlich vor der Seele, daß ich sogar dreist ihre werthe Photographie hergeben kann. Du redest so reizend naiv von der deinigen, die dich im losen Haare zeigt, und gehst so behutsam verlangend drum herum, wie das Kätzchen um den Brei, daß ich sie kurzweg mitschicke. Hoffentlich wird sie, als schöne Begleiterin, meiner weniger schönen Epistel zur Empfehlung dienen.

Mit freundlichem Gruß an Dich und die Deinigen

dein alter sogenannter

Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 73-74.
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