1167. An Johanna Keßler

[116] 1167. An Johanna Keßler


Wiedensahl 24. Dec. 1897.


Liebste Tante!

Meinen Dank für Ihren letzten Brief.

Heut Abend wird's hell bei Ihnen, und wenn Sie mit Ihren Kindern und Enkeln um den Baum versammelt sind, können Sie wohl freudig und zufrieden sein. Am glücklichsten freilich werden die Jüngsten sein.

Meine gute Schwester hat letzther viel gestrickt für die zwei Kleinen in Hunteburg, und für die zwei Mädeln in Hattorf hat sie Puppen bekleidet, zum An- und Ausziehen, alles complet und wirklich geschmackvoll. Wir[116] hier werden bei der gewöhnlichen Beleuchtung sitzen. Ich denke mich am Boswell zu ergötzen; englisch, 3 dicke Bände; die erstaunlich genaue Biographie eines großen Mannes, geschrieben von einem kleinen, der sich zugleich selbst beschrieben hat, ohne zu merken, wie komisch und blamabel er aussieht. Es ist schriftliche Amateurphotographie aus dem vorigen Jahrhundert.

Unser altes Jahr will noch immer jugendlich aussehn; draußen blühen Veilchen. Aber es hilft nichts. Das neue Jahr steht dicht vor der Thür. Von ganzem Herzen wünsch ich, liebste Tante, daß es Ihnen viel gutes bringt.

Tausend Grüße von Ihrem getreuen

Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 116-117.
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