1171. An Franz von Lenbach

[118] 1171. An Franz von Lenbach


Wiedensahl 18. Januar 1898.


Liebster Lenbach!

Das war gut von Dir, daß Du mir neulich mal wieder ein paar freundliche Worte geschrieben und mir damit einen kleinen Wink gegeben hast für mein sogenanntes Anschauungsvermögen, das mir nun ein heiteres Bild vorgaukelt von der Munterkeit und Unternehmungslust meiner alten Freunde, an die ich noch immer sehr gern gedenke. Denn, wenn man's auch vorzieht, weit weg in der Ecke zu sitzen, – das Gummibändel, das Einen mit der Welt verknüpft, läßt sich wohl lang ziehen, aber reißen thut's nit so leicht. Das Warmbeieinandhocken ist natürlich im allgemeinen beliebter. Und doch hat die "ideale" Geselligkeit, schon weil sie sich nicht viel um Platz und Stunde zu kümmern braucht, ihren "wirklichen" Reiz. Zu meinem größten Vergnügen unterhalte ich mich jetzund an den langen Winterabenden mit zwei Engländern, die bereits über hundert Jahre todt sind. In drei dicken Bänden beschreibt der eine von ihnen einen berühmten Mann – nach der Natur – amateurphotographisch – und, was besonders lustig ist, sich selbst zugleich mit, ohne zu merken, wie gespaßig er aussieht.

Prosit Neujahr, lieber Freund! Grüß, bitte, allerseits auf das Beste von

Deinem Dich liebenden

Wilh. Busch

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 118.
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