1187. An Grete Meyer

[126] 1187. An Grete Meyer


Wiedensahl 30. April 1898.


Liebe Grete!

Ich danke Dir auch für deine beiden liebenswürdigen Briefe!

Tante ist Mitwoch nachmittags wiedergekommen; Otto, der nach Bur mußte, hat sie bis vor Melle begleitet, und da sie den Schnellzug benutzte, konnte sie am Bahnhof in Bückeburg auch Sophiechen mit den Kindern sehn. Sophiechen ist munter soweit, muß aber ihre Kur noch ein paar Wochen fortsetzen. Hermann soll nächsten Dienstag Frl. Grumme traun, in Celle. Wir hoffen so halb und halb, daß es ihm möglich ist, dann über Wiedensahl und Bückeburg nach Hattorf zurück zu reisen.

Von Hunteburg erzählte Tante viel Nettes. Martin hat sich schnell erholt und spricht immer beßer. Ruth will geführt sein, wobei sie viel mit den Beinen strampelt, ohne sie jedoch zum Gehn zu gebrauchen. Im Lustgarten vor dem Haus wird, unter Verdrängung des Gebüsches, nach Schachts zu der Rasen erweitert. Das kann sich hübsch machen, glaub ich.

Über das Wetter, was du dort lobst, muß ich hier nöckern. Erst war's kühl bei Ostwind und dürr, jetzt ist's kalt bei Ostwind und naß. Zwar der Wald in der Ferne wird merklich grüner und noch grüner schimmern die Saaten; aber um's Haus herum, so scheint's meiner Ungeduld, sproßt alles nur langsam und schüchtern.

Unter unsern geflügelten Musikanten machen sich fortwährend die Spräen beliebt; ihre Sommerröckchen glänzen wie Juwelen. Die Schwarzdroßel, seit sie ihr Nest im Epheu verlaßen hat, giebt nur zuweilen eine Gastrolle bei uns. Dagegen läßt sich oft in der Tanne beim Brunnen der Grünling vernehmen, der außer seinem ewigen Zrrri-h! kaum etwas gelernt hat. Ich möchte nur, es käme bald der lustige Gartensänger, der beste von allen. Er wartet noch, bis erst mehr Laub auf den Bäumen sitzt.

Aber also, Bruder Oskar ist Ostern für länger nach Hause gekommen. Du sahst ihn noch. Am meisten wird sich das Mütterchen freun.

Sei herzlich gegrüßt, liebe Grete! und grüß, bitte, auch Annchen von Tante und deinem

alten getreuen

Onkel Wilhelm.


Von allem Englisch, was ich letzther gelesen, hat mir doch der Boswell das größte Vergnügen gemacht.

Macaulay kenn ich wohl ganz. Unter seinen berühmten Lebensgeschichten dürfte am End "Fr. d. Große" dem rechten Deutschen am wenigsten schmackhaft sein. – Übrigens freut es mich, daß du eine so gebildete Nachbarin hast, und wenn sie zehnmal Jochebet hieße.

Du hast zweimal geschrieben. Wirst du dafür nun doppelt lange nicht wieder schreiben? Nein fürwahr! So bist du nicht.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 126.
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