1272. An Johanna Keßler

[164] 1272. An Johanna Keßler


Hattorf a/ Harz 7. Juni 1900.


Liebste Tante!

Also, nachdem die Nanda in Gießen ausgestiegen war, fuhr ich mutterselig allein im selben Abtheil weiter bis Northeim, ohne von der Hitze belästigt zu werden. Dann mußt ich mich allerdings zwischen Bauern und schwitzenden Harzpilgern durchdrängeln, wie ein Hausknecht, um am Schalter mein Billet zu erwischen; eine Thätigkeit, die mich beschämte. Schon lange zogen drohende Wolken am Himmel herauf; aber erst, als ich trocken in der Pfarre zu Hattorf saß, ging das Blitzen, Donnern und Regnen los. Es schlug auch sofort in ein Bauernhaus ein; doch gab es nur kurzen Rumor, denn das Feuer wurde schnell gelöscht.

Leben Sie wohl, liebste Tante! Ich denke gern an Sie und die Ihrigen.

Herzliche Grüße an Alle von Ihrem alten getreuen

Onkel Wilhelm.[164]

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 164-165.
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