1273. An Nanda Keßler

[165] 1273. An Nanda Keßler


Hattorf a/ Harz 11. Juni 1900.


Meine liebe Nanda!

Wie ich aus deinen Zeilen ersah, hast du dich entschloßen, die Operation bald vornehmen zu laßen. Das war gewiß das Richtige. In drei vier Wochen bist du dann frei und kannst den Sommer unbefangen genießen. Nun vergiß aber auch nicht, mir gleich Nachricht zu geben oder geben zu laßen, ob du alles gut überstanden hast. Ich muß oft an dich denken.

Neulich, von Gießen an, behielt ich den Wagenabtheil bis Northeim für mich allein, so daß ich von der Schwüle, die draußen zu herrschen schien, fast gar nichts zu leiden hatte. In Northeim mußt ich mich dann allerdings zu meiner Beschämung höchst peinlich zwischen schwitzenden Leuten hindurch drängeln, um eine Fahrkarte nach Hattorf zu kriegen. Dreiviertelstunden später saß ich sicher und trocken im Pfarrhaus daselbst. Es waren nämlich schon längst schwarz-drohende Wolken am Himmel herauf gestiegen. Und nun ging's los. Blitz, Donner und Regen. Sofort schlug auch das Wetter mit lautem Krach in einen Bauernhof ein. Doch dauerte das Tuten und Rennen nur kurze Zeit, da man das Feuer bald löschen konnte. Danach ists angenehm kühl geworden, besonders bei Nacht. Ich hoffe, deinetwegen, daß es in Gießen ebenso ist.

Halt dich brav, liebe Nanda, und laß bald von dir hören und sei recht herzlich gegrüßt von

deinem Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 165.
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