1326. An Nanda Keßler

[184] 1326. An Nanda Keßler


Mechtshausen 25. Dec. 1901.


Meine liebe Nanda!

Ich danke dir für dein freundliches Gedenken. Das Pastetchen soll mir gut schmecken, denk ich.

Die Photographie der Nellie hat mir Vergnügen gemacht. Wie ich sehe, hat sich das Mädel sehr hübsch entwickelt.

Also Hudi, von deßen Unwohlsein ich übrigens bisher nichts erfuhr, ist wieder bei der Arbeit. Das weitere wird sich schon machen, daran zweifle ich nicht.

Und aus Amerika, wie ich höre, ist beßere Nachricht gekommen. Wenn nur die Krankheit erst den Höhepunkt überschritten hat, dann kommt die schöne Erholungszeit, ein Zustand, an den ich mich noch immer gern erinnere. Nie im Leben hab ich mich vom lästigen Gesetz der Schwere so frei gefühlt wie damals in München, als mich der Typhus verlaßen hatte.

Gestern war für Martin und Ruth ein glückseliger Abend. Anneliese dagegen, die die ungewöhnlichen Herrlichkeiten dieser Welt noch nicht zu schätzen weiß, schien mehr verdutzt als vergnüglich zu sein.

Der Schnee hat sich übernacht so gut wie ganz in Regen gelöst. Vom Fenster aus seh ich wieder auf grüne Roggenfelder und braune gepflügte Äcker.

Leb wohl, liebe Nanda! Möge das Jahr, das bereits vor der Thür steht, Dir und Deinen Kindern nur Gutes bringen.

Mit den herzlichsten Grüßen an Dich, an Hudi und Nellie,

Dein stets getreuer alter

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 184.
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