1648. An Franz von Lenbach

1648. An Franz von Lenbach


Wiedensahl 25 Juli 87.


Liebster Lenbach!

Für die in Deinem freudigen Schriftstück vom 10ten Juli enthaltene freundliche Einladung und durchdringende Warnung sag ich Dir nunmehro meinen ebenso freudigen, freundlichen und hoffentlich noch durchdringenderen Dank. – Mit meinem Kommen werd ich allerdings noch ein paar Minuten warten. Bei der einstweiligen Lage der Verhältniße preßirt's ja nicht arg; denn wo das Glück auf Besuch ist, sind auch die Fremdenbetten hinreichend belegt. Zudem bemerke ich, zur etwa nöthigen Beschwichtigung meines Gewißens, daß Du, falls Dir die zwei Hauptfreuden des Besuchten traurigerweise nicht zur Verfügung stehn, sofort auch für den Nichtbesuchten ein heilsames Kräutlein zu pflücken weißt, nämlich das Bedauern, welches für Jeden, der's über einen Andern ergießt, eine durchaus milde, schmelzende Wonne ist. – Was die Warnung betrifft, so kommt sie, obschon höchst dankenswerth, weil wohlgemeint, doch, fürcht ich, zu spät. Mein Boot ist wohl schon zu stark angefaßt von der Strömung des Katarakts auf dem Kongo der Zeit.

Doch, was ich sagen wollte! Deine Schriftzüge sind jüngst zierlicher geworden; auch strömt mehr Wärme heraus, als ehedem. Du wirst am End noch eine Liebenswürdigkeit zweiten Ranges. Aber der Liebenswürdigkeit No I, der wir dies Alles zu danken haben, mach ich mein tiefstes Kompliment.

Und kurzum! An Euch zwei liebende Leutchen 2000 ehrlich gemeßene Grüße!

In alter, zähfaserichter Freundschaft Dein

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968.
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