21. An Otto Bassermann

[19] 21. An Otto Bassermann


München d. 3.ten Juli 1860.


Lieber Baßermann!

Dein freundlicher Brief sagt mir, daß du bald gehen wirst. Wann ist dies Bald? Und nach Mannheim wirst du gehen; also in München wohl nur kurze Zeit verweilen. So werden sich denn für die ganze Zukunft so und so viel Meilen zwischen unsere ausgestreckten Hände legen? Werden wir trotzdem Freunde bleiben? Ich hoffe, ja! Wie oft habe ich doch seither an Dich denken müßen. Mit eigenthümlichen Gefühlen las ich deinen Brief an Rögge an demselben Tage, an dem die H. sich verheirathete. Nun! du hast ja den verdrießlichen Ernst der Liebe in der Liebe Scherz hinweggespült und das drohende all zu frühe Philisterthum in die gehörigen Schranken zurückgewiesen. – Muths, den verheiratheten, sehen wir nur äußerst selten; seine Frau sieht fatal mitgenommen aus und wird wahrscheinlich schon in ein paar Jahren ein abgeschabter Schmetterling sein. Dabei fällt mir ein, daß Jung=Münchens schönster Schmetterling, der Walker!, sich auch in den nächsten Tagen verheirathen wird. Ja, der Walker! Du magst dir die Augen reiben wie du willst, es heißt doch so, und schon Goethe sagt: Was weben sie dort um den Rabenstein?! Vorbei, vorbei!!

– – – – An unserm Maifeste hast du wenig versäumt. Unrechte Hände machen unrechte Sachen; aber immerhin war es doch noch beßer, als der entstellte Nachhall in den Journalen. – Günstiger gestaltete sich unsere Tanzunterhaltung in Neuhofen. Zwar hatten sich, weil des schlechten Wetters wegen ein langer Verzug nöthig, die Einladungen so gehäuft, daß man für 1200 Personen hätte Platz haben müßen; aber glücklicher Weise gestaltete sich am bestimmten Tage das Wetter zweifelhaft, so daß nur etwa 700 Personen erschienen, von denen aber die meisten bis zu dem Extrazuge um 10 Uhr Abends ganz munter aushielten. Ich habe mich gut unterhalten, obgleich ich nicht tanzte. Wir hatten in einem der Gartenschuppen eine kleine Bauernkneipe eingerichtet, ursprünglich bestimmt, das Duett aus Undine darin zu singen. (Es geschah auch, machte aber im Freien gar keinen Effect.) Später sammelte sich dann darin eine fidele Kneipgesellschaft bis in die Nacht. Wärest du dagewesen, so hättest du freilich wohl nicht gekneipt, aber übrigens hieß es: Herz was begehrst du? Damen: delicquent! Von deinen näheren Bekannten waren Solbrücks,[19] Diez'ens da; zwar nicht diese, sondern die schönen Unbekannten hätten dir das Herz gerührt. – Hübsch war auch einige Tage vor der Unterhaltung eine kleine Maiweinparthie im Walde bei Großheßeloh. Familie Loßow, Familie Flüggen, Krüger und ich nahmen Theil daran. Lustige Spiele auf unebenem Terrain gaben die Veranlaßung, daß Fräulein Eudoxia zu Falle kam. Das arme Mädchen entblößte sich dermaßen, daß wir in die kühnsten Hoffnungen unsers Freundes Unger einen kurzen aber scharfen Blick werfen konnten. – Krüger rüstet für's Gebirge. Es ist aber noch immer so kalt, daß meine Hände während ich dies schreibe ganz erstarrt sind. So müßen denn wohl die Koffer und Reisetaschen und Neceßaires unsers Cotbus'er Freundes sich noch einige Zeit in Geduld faßen, ehe sie ihre Wanderschaft nach Berchtesgaden antreten können. – Was mich selbst betrifft, so habe ich mit dem Krinner Seppel eine Fußtour von etwa 14 Tagen in's Gebirge verabredet, die aber auch noch immer auf günstigere Auspicien wartete. Wir denken die Oberammergauer Paßionsspiele zu besichtigen und von da über Kochel=, Walchensee an den Bergen hin bis ins Algäu zu streifen, um dann den Lech abwärts über Augsburg nach München zurück zu kehren. Mir ist wohl der Gedanke gekommen, ob es sich nicht ermöglichen ließe, dir bei deinem Übergange über die Berge die Hand zu reichen. Natürlich müßtest du Zeit und Reiseroute genau angeben.

Leb wohl! lieber Freund! – Diejenigen, die dich grüßen laßen, brauche ich dir nicht zu nennen. Schreib bald und halte dich überzeugt, daß ich stets bin und bleibe Dein aufrichtiger Freund

Wilhelm B.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 19-20.
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