226. An Erich Bachmann

[121] 226. An Erich Bachmann


Wiedensahl 27 April 1874


Mein lieber Erich!

Unsere belgische Reise war durchweg vom schönsten Wetter begünstigt. Den ersten Tag fuhren wir bis Gelsenkirchen und sprachen bei Dr. Everding so vor; seine Frau, die wir natürlich auch gern gesehn hätten, war grade in die Heimath verreist. Everding steht sich pecuniär sehr gut dort; aber die öde Lage einer Fabrikstadt scheint ihm und besonders wohl der Frau durchaus nicht recht zu behagen. Als wir zu ihm kamen, schob er grade seinen[121] Geburtszangenapparat in die Tasche, kam aber schon wider unser Erwarten nach einer halben Stunde und glücklich verrichteter Sache zu uns zurück. – In Köln, in unserm Hôtel, fanden wir Helene Kleine mit Mann, Schwiegervater und ihrer Freundin Helene Otte zu unserm Empfange bereit. Es wurde ein recht lustiger Abend mit Champagner. – Den andern Morgen ging's direkt nach Brüßel, und als wir uns die Stadt besehn und in's Hôtel zurück kehrten, machte uns dem Papa Knust aus Wolfenbüttel sein Kellner die Thür auf. – Von Brüßel kamen wir nach Brügge, dann nach Gent und zum Schluß nach Antwerpen. Die Stadt hatte sich so ent wickelt, daß ich sie kaum wieder kannte. Natürlich war mein Erstes, daß ich ausging, um meine ehemalige Wohnung aufzusuchen. Alles abgerißen und neu gebaut und in den neuen Häusern ganz neue Leute! Nur meinen alten Klempner vis à vis fand ich noch vor. Ich fragte nach meinen ehemaligen Hauswirthen. Der Mann konnte sich erst gar nicht darauf besinnen, so lange waren sie schon todt. Das war mir recht schmerzlich, denn die Leute hatten mir viele Freundlichkeit erwiesen. –

Also die Kindtaufe ist bereits vorüber. Es thut mir doch leid, daß ich nicht dabei betheiligt gewesen. Na, ein anderes Mal! –

Wenn keine unvorhergesehenen Hinderniße dazwischen treten, so denke ich Ende Mai Euch jedenfalls zu besuchen. Ich sehe dann mein liebes altes Ebergötzen doch auch einmal im Gewande des Sommers wieder.

Für die Acquisition der beiden Stühle sage ich dir vielen Dank. Es wäre mir lieb, wenn du sie mir bei nächster Gelegenheit mit den noch übrigen Malbrettchen zuschicken und dabei bemerken würdest, was du für Auslagen gehabt.

Mit viel herzlichen Grüßen

Dein getr. Freund

Wilhelm


Wie heißt denn das kleine Mädchen?

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 121-122.
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