227. An Otto Bassermann

[122] 227. An Otto Bassermann


Wiedensahl 30 Apr. [1874]


Mein lieber Otto!

Aus deinem heutigen Briefe ersehe ich, daß ich dich das Mal vorher nicht recht verstanden. – Du willst ein gutes Kindermädchen haben. – Das ist ein Artikel, der hier zu Lande auch sehr gesucht, aber nur sehr schwer zu haben ist. Die Landleute geben ihre erwachsenen Töchter nicht mehr in Dienst bei Andern, sondern behalten sie als willkommene Arbeitskraft lieber daheim. Auch würde aus unserer Gegend kein Landmädchen so weit in die Ferne gehen; sie halten sich an ihre Ebene, wie nur ein richtiger Schweizer an sein Gebirg. Damit wäre also durchaus nichts zu machen. – Was nun die Beamten- oder Pastorentöchter anbelangt, so könnte sie wohl nur die größte Noth dazu bewegen, Kindermädchen zu werden. Sie werden erzogen, nicht zu Damen, sondern zu Frauen; sie dürfen also vor keiner Arbeit zurück scheuen; sie lernen auch das Kinderwarten sehr gründlich; sie schneidern, flicken, waschen und kochen; sie eignen sich vorzüglich dazu, unter einer Dame im Hause zu walten; aber was sie auch innerhalb des Hauses thun, auf der Gaße sind sie eigen. – Eine meiner Basen hat meine Schwägerin »aus den Wochen gepflegt«, d.h. sie hat die Küche besorgt, die Betten gemacht, die Kinder gewaschen und angezogen, bei der Wöchnerin gewacht und mit dem »Wurm« die nöthigen Manipulationen vorgenommen. Das würde sie also bei Euch auch thun. Aber sie würde so auf der Gaße kein Kind warten. – Ich glaube nun wohl, daß sie eine Stelle annähme. Sie ist durchaus brauchbar und zuverläßig, und ich glaube, daß es dein Schaden nicht sein würde, wenn du ein Arrangement treffen könntest, sie zu verwenden.

Freundlichen Gruß

Willem


Wir haben in der Nacht von Dienstag auf Mitwoch Frost gehabt. Autsch! der Wein!

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 122.
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