228. An Otto Bassermann

[122] 228. An Otto Bassermann


[Anfang Mai 1874]


Mein lieber Otto!

Eben erhalte ich Deinen Brief vom 3ten. – Du kannst überzeugt sein, daß ich die Wichtigkeit deiner Sache vollständig begreife. Nachdem ich sie auch mit meiner Schwester durchgesprochen, habe ich nun drei in Aussicht genommen, denen ich aber nicht gern eher mit Anträgen kommen möchte, als ich über die Angelegenheit mit mir selber im Klaren bin. Denn ich meine, du müßtest mir jedenfalls die Sache bis zu einem gewißen Grade überlaßen, statt gleich deinerseits eine Verbindung anzuknüpfen. Indem ich dir die drei vorläufig etwas bekannt mache, könntest du vielleicht auch sagen, welcher ich zuerst und vor allen Dingen etwas sagen soll.

No 1. Die älteste Tochter eines Bruders meiner Mutter, der hier Arzt ist. Sie ist die, wovon ich dir bereits geschrieben. Eigentliche Schulbildung hat sie nicht, ist aber von Natur begabt, was ich weiß, weil ich sie als Kind einmal unterrichtet habe. Alter 28 oder 29 Jahr.

No 2. Schwester der vorigen. Alter 20 Jahr. Ging in Hannover zur Schule. Heiter, gefällig, lenk sam; aber natürlich noch nicht so perfect wie die Vorige. Möglicherweise könnte das Deiner Frau als ein Vorzug erscheinen.

No 3. Alter 24-25 Jahr. Ihr Vater war Inspector auf einer Glasfabrik. Sie ist bei einer verwittweten Schwester mit kleiner Pension und giebt kleinen Kindern Unterricht. Ist in Bremen zur Schule gegangen. Seit die alte kränkliche Mutter gestorben, wird sie wohl geneigt sein eine Stelle anzunehmen, doch fragt es sich, wann sie sich von ihren Unterrichtsverpflichtungen losmachen kann. Sie soll sehr brauchbar und zuverläßig sein. Solltest du auf sie reflectiren, so könnte meine Schwester, die Freitag nach Bückeburg reist, nachfragen; du müßtest dann aber umgehend antworten, damit dein Brief Donnerstag hier ist. Ebenso bei No 2, die ebenfalls in Bückeburg ist.

Alle drei sind nicht gezwungen, Stellen anzunehmen; sie werden aber wahrscheinlich unter guten Bedingungen zu ordentlichen Leuten gehen. Sie hätten also die Kinder zu besorgen und würden mit Euch am Tisch eßen. Das Fahren auf der Gaße hast du so vermieden, wie ich es auch gedacht. Du giebst als Gehalt 130-150 Thaler an. Ich meine nun 120 würden für den Anfang vollkommen ausreichen, so daß du den Spielraum bis 150 nach deinem Gutdünken und je nachdem würdest benützen können.

Also umgehend Antwort, bei Welcher ich den Anfang machen soll. Telegraphirst du, so füge hinzu, daß die Depesche per Post befördert wird, von Stadthagen aus.

Zinkographieproben werden nicht nöthig sein. Die Sache geht, wenn die Kosten nicht zu hoch sind.

Die »Weißen« probire und schicke mir, welchen du für den besten hältst.

Herzlichen Gruß

Willem


Den Wein könnte ich wohl in einem Fäßchen gebrauchen, da ich noch hundert leere Flaschen von Deidesheim her habe.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969.
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