331. An Erich Bachmann

[161] 331. An Erich Bachmann


Wiedensahl Freit. 14 Jan. 75.


Lieber Erich!

Ich kam gestern Abend halb zehn hier an. – Bei Roringen setzte sich ein Mann hinten auf. Als es dann bergauf ging, trabte er neben Kramer her und erzählte dem, daß er für Wen nach Göttingen zur Apotheke wolle und was Dem fehle. Da Kramer sich die Ohren zugebunden hatte, so war die Krankengeschichte für die drei Insaßen der Kutsche sehr deutlich zu vernehmen. Es handelte sich besonders um einen geschwollenen Unterleib.

In Göttingen sagte ich Fräulein Mathilden ade. Sie und Hendrike setzten sich ins Damencoupé. – Nun fuhr ich recht gemüthlich. Aber in Kreiensen zog ein Herr meine Abentheuer eines Junggesellen aus der Tasche und las sie laut der Reisegesellschaft vor bis Nordstemmen. Es war mir sehr peinlich und ekelhaft; ich that, als wenn ich schliefe.

In Hannover fing ich sogleich einen ehrwürdigen Kofferträger, verabschiedete mich von H.; und er mit dem Fußsack, sie mit dem Regenmantel, entfernten sich in der Richtung des Rheinischen Hofs.

Leb wohl, lieber Erich! Herzliche Grüße an Alle! – Schreib bald!

Dein getr. Freund

Wilhelm

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 161.
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