47. An Hermann Busch

[44] 47. An Hermann Busch


Wiedensahl d. 4 Juli 67.


Lieber Hermann!

Am vergangenen Sonnabend habe ich gar oft an Dich denken müßen. Ich hatte übrigens niemandem etwas davon gesagt, daß du an diesem Tage ins Examen gehn wolltest, und so kam denn Dein Brief am Montag Abend ebenso unerwartet, als er für uns Alle erfreulich war. Es ist gut, daß die Drangsal überstanden und der Stein vom Herzen herabgewälzt ist. Nun theile aber auch recht bald einmal etwas Näheres mit, wie es dir dabei ergangen. – Von hier aus würdest du schon eher Nachricht erhalten haben, wenn nicht erst die Proviantkiste hätte hergerichtet werden müßen, und diese wiederum auf einen günstigen Tag hätte warten müßen, wo sie Heinrich nach dem Bahnhofe bringen konnte. – Es geht uns Allen gut, außer Fanny, die seit ihrer Fahrt nach Loccum zu der »Schustergenoßenschaft« sehr unwohl war. Sie litt an Magenkrampf und hatte Blutgeschwüre im Munde und Halse, so daß ich wirklich sehr besorgt wurde. Jetzt geht's ihr aber wieder beßer.

Bruder Otto wird mit seinem Zöglinge seit Sonnabend in Bad Nauheim sein. Es liegt an der Bahn von Frankfurt nach Kaßel und ist daßelbe, wovon mir auf der Fahrt daher ein Kaßeler Spießbürger erzählte: es sei der Bohrer zwischen zwei Felsbrocken stecken geblieben, bei einem Erdbeben aber hinunter geplumpst, worauf die Quelle Luft gekriegt habe und der Nachtwächter bis über die Stiefel plötzlich in heißes Waßer gekommen sei. Wie ich vom Waggon aus sehen konnte, so liegt es sehr hübsch im Thal,[44] umgeben von Wiesen, im Schatten alter Linden und Kastanien. Jedenfalls wird es für Otto nicht unintereßant sein, als Gesunder das Leben eines frequenten Badeortes mit zu machen, wenn seine Pariser Fahrt dadurch auch etwas verzögert wird.

Von Lüethorst keine Nachricht, außer von Mathilde Everding, die von ihrem Bandparasiten glücklich entbunden wurde. – Helenes Hochzeit soll den ersten August sein. Meine Reise wird sich wohl noch so lange verzögern, daß ich dich hier sehe. Ich hatte Hallberger in Stuttgart, der darum schrieb, ein paar Geschichten zugeschickt; es vergingen kaum acht Tage, so bekam ich von ihm ein ganzes Pack Hölzer, 48 an der Zahl, die nun erst fertig werden müßen.

Ich denke mir, du wirst diesmal dein Semester wohl ein paar Tage früher beschließen als sonst. Lieb würde es mir sein, wenn du vorher einmal beim alten Freunde Brümmer vorsprächest.

Mit den Bienen geht es noch immer ziemlich schlecht. Die Linden stehen in Blüthe. Ein Tag war reich an Honig; seit gestern säuselt aber wieder ein perpetuirlicher Landregen hernieder.

Die lehrreichen und nützlichen Spatziergänge werden wohl erst wieder regelmäßig beginnen, wenn du hier bist.

Leb recht wohl!

Dein getr. Bruder Wilhelm

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 44-45.
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