544. An Margarethe Fehlow

[227] 544. An Margarethe Fehlow


Wiedensahl 10. Febr. 1882.


Liebes Gretchen!

Es geht mir jä mäl wieder gut. Die Januartage in Wolfenbüttel mit ihrem milden Winterwetter, die Spatziergänge durch den rauhfrostversilberten Wald, um die Stadt herum durch die wohlbekannten Anlagen – das gemüthliche Stillleben im Forsthause – das alles hat wohl gethan. Wir haben auch oft an unsere lieben Berliner gedacht, und der Kanarienvogel hat lustig dazu gepfiffen. Onkel Gustav hat ihn mit der Blumenspritze getauft und Tante Alwine hat ihn »Levi« genannt, weil der eine so hoch singt und der andre so tief, weil der eine so blond ist und der andre so schwarz, weil der eine getauft ist und der andre noch nicht – kurzum – weil sie einander so auffallend ähnlich sind.

Jetzt bin ich nun wieder hier in meinem lieben, einsamen Wiedensahl und sitze Morgens bei der sogenannten Arbeit und laufe Nachmittags in Feld und Wald und Wiesen herum und möchte auch gar zu gern mal wieder Was hören aus der geräuschvollen Stadt der Pferdebähnen und Omnibuße, ganz besonders aber aus dem Hause in der Eichhornstr. No 16, wo's im letzten Herbste so nett war – und alle, liebs Gretel, die dafür gesorgt, daß das so war, die grüß mir auf das Herzlichste.

Dein juter oller Onkel

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 227-228.
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