546. An Henriette Eller

[228] 546. An Henriette Eller


Wiedensahl 10. April 82.


Liebe Frau Eller!

Sie haben recht! So ist sie nun mal, unsere Tante Philosophie, die schöne Besitzerin der luftigen Villa auf dem Sandhügel der Hypothese. Stets ist sie da, wenn es uns gut geht, bringt das Krimskrams in Ordnung, zieht die alten Puppen neu an, redt gar gescheidt über dies und das und tröstet uns liebreich über die peinlichen Vielleichts. Bricht aber die peinliche Wirklichkeit im Hause aus – weg ist die Tante; – und wohl uns, wenn sich leise die Thüre aufthut und herein tritt – nun, Wer? – An der See hört der Bädeker auf. Das schwankt und knackt, und Nacht wird's auch. Wo steht der Polarstern? – Sie sehen, meine liebe Frau Eller, daß ich nicht ohne Theilnahme zwischen Ihren Zeilen gelesen habe.

Was den Frühling betrifft, dem trau ich nicht recht. Er duftet, singt und fächelt uns in gar zu frühe Träume. Wenn er uns nur nicht plötzlich mit der kalten Hand über's Gesicht fährt.[228]

An Fräulein Marie schönsten Dank für den hübschen Sonntagnachmittagsausgehegeldbeutel. Die Klunkern schweben an ängstlich dünnen Fäden. Meine Besorgniß in dieser Beziehung darf wohl mit Recht für einen Beweis gelten, daß ich ihn hochachte.

Meinen Gruß an Freund Levi. Er denkt: Schweigen klingt gut.

Stets Ihr aufrichtig ergebener Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 228-229.
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