594. An Mina Gedon

[246] 594. An Mina Gedon


[7. Januar 1884]


Es ist mir eine Genugthuung, daß gerade Sie die Zeilen, die ich auf unsern lieben Lorenz geschrieben, so wohlwollend aufgenommen haben. Gar oft in letzter Zeit, wo ich seine grausame Lage Tag und Nacht in Gedanken trug, hatte ich vor, Ihnen einige Worte der Theilnahme zu schreiben. Aber, wie klein und gleichgültig erscheinen doch so ein paar armselige Menschenworte dem gegenüber, den Wachen verstört und furchtbares Leid umfangen hält. Da muß Trost wo anders herkommen.

Die schöne Dose hab' ich mit Wehmuth in die Hand genommen. Also auch das hat seine Freundschaft nicht vergeßen! Im letzten Frühjahr, in Münster, forderte er mich auf, ihn öfters daran zu erinnern. Ich habe das scherzhaft gethan und bereu es nun, wenn ich bedenke, welch ernstliche Sorgen ihm seither auf dem Herzen gelegen. Aber immer bis zuletzt war ich der festen Hoffnung, seine kräftige Natur müße das Übel überwinden. Es war ja nicht seine Art, sich viel auszusprechen. Während jener Reise schien er nur mit doppelter Liebe und Sehnsucht nach Hause zu denken. Er empfing mit der größten Freude die Nachrichten von dort; den Brief der Gogo mußte ich auch lesen. – Die Tage von Detmold sind mir unvergeßlich, und öde wird's mir ums Herz, nun ich mir sagen muß, daß ich diesen herzigen, sonderbaren, hochbegabten Freund nie mehr wieder sehe.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 246.
Lizenz: