595. An Hermann Nöldeke

[246] 595. An Hermann Nöldeke


Wiedensahl 17 Jan. 84.


Lieber Hermann!

Mutter hat deine beiden Briefe erhalten; der an mich kam ebenfalls nach Verlauf der gewohnten Zeit hier an.

Wir haben hier trübes aber außergewöhnlich mildes Wetter. Spatziergänge sind spärlich. Vorigen Montag ging ich mal nach Wöhren und trank bei Wesch ein paar Gläser Bier; fuhr dann per Post zurück, da es im Walde doch gar zu schmierig war. Von einem Stadthagener, den ich dort traf, hört ich, es sei von Sonnabend auf Sonntag Ball bei Erbprinzens gewesen; Frau Oberbürgermeister aus Bückeburg habe ihren kostbarsten Schmuck dazu angelegt, bei der Heimkehr abgelegt im Vorzimmer und am andern Morgen nicht wieder gesehn. – Am Dienstag war ich in Stadthagen. Das Gasthaus von Engelking, die beiden Nebenhäuser und drei Hintergebäude waren am Montag früh in Brand gerathen. Ich sah nur noch glimmende[246] Trümmer. Frau Rabe, die ja unmittelbar dahinter wohnt, sagte mir übrigens, sie hätte gar nicht ausgekramt, da der Wind von Südwest gekommen wäre. Die Brandstätte war ganz intereßant und da durch auch sehr belebt, daß eine Menge Jungens, die man mit Grog traktirt hatte, unter Polizeiaufsicht den Wein aus dem Keller retten mußten.

Am Montag vor acht Tagen, als Sophie Sunder hier war, zeigten sich Morgens zwei Staare auf dem Staarenbaum. Sophie sagte, bei Ihnen wären sie schon Weihnachten mal wieder da gewesen.

Leb recht wohl, lieber Hermann! Herzliche Grüße von uns Allen!

Dein getr. Onkel Wilhelm

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 246-247.
Lizenz: