677. An Erich Bachmann

[280] 677. An Erich Bachmann


Wiedensahl Sonnabend 5ten Febr. 87.


Lieber Erich!

Deinen Brief vom 3ten hab ich erhalten und danke dir herzlich für deine Freundlichkeit.

Die Sache liegt nun so: Gestern schrieb der Superintendent an Hermann und citirte ihn auf d. 20ten zur Wahlpredigt, heute schreibt er, er habe Paragraph so und so übersehn und dürfe gesetzmäßig noch keine Wahlpredigt festsetzen.

Er hat recht. Ich habe die Gesetzsammlung nachgesehn. Der Kirchenvorstand (da der Herzberger nicht gleich von vorn herein einstimmig gewählt wurde) hat nun der Gemeinde drei zur Auswahl vorzuschlagen. Außer Hermann hat sich aber nur bis jetzt noch einer gemeldet. Falls nun der Kirchenvorstand nicht selbst einen Dritten weiß, so muß er sich an die Kirchenbehörde wenden, welche dann diesen Dritten vorschlägt, oder auch auf jeden Vorschlag verzichtet. Aber auch von diesen Dreien braucht die Gemeinde keinen zu wählen; sie kann sich, wenn ihr hiervon keiner paßt, wieder noch Andre vorschlagen laßen. Die Gemeinde hat also, bis auf die nöthige Ordnung, so gut wie vollständige Freiheit.

Ich brauche dich wohl nicht zu bitten, der vorerwähnten Schreiben des Superintendenten an Hermann gegen Niemand Erwähnung zu thun; wie es denn überhaupt Hermann's Wunsch und Pflicht ist, bei einer Anregung zu seinen Gunsten nicht als zudringlich zu erscheinen. Der Anstoß geht von mir aus, und ich weiß, daß ich dabei auf deine Klugheit und Freundschaft rechnen kann.

Der Superintendent, der schon sehr alt zu sein scheint, hat übrigens, wie ich glaube, von anfang an durchaus gesetzmäßig gehandelt. War die Gemeinde mit dem von ihm zuerst in Vorschlag gebrachten Bewerber einverstanden, gut! Da das nicht der Fall gewesen, hat er die Sache vorschriftsmäßig weiter befördert. Daß Jemand Den, welchen er gern hat und nicht für ungeeignet hält, zu befördern sucht, wenn er das Recht dazu hat, ist ihm nicht zu verdenken.

Hermann wird nun wohl zunächst als Kollaborator irgendwohin geschickt werden. –

Meine Schwester und mein Neffe laßen dich freundlich grüßen. Meinen Gruß an deine Frau, an Auguste, Luischen und Erich, dem sein Inspectorat hoffentlich und voraussichtlich gut bekommen wird.

Schreib bald mal wieder deinem getr.

Freunde Wilhelm.


Die Sonne scheint so frühlingsmäßig, daß es mir vorkommt, als müßtest du mit deinem Reisebeschluß nicht lange mehr warten, zumal schon wieder Bonitirungen in der Ferne drohn.

(In Hattorf hat Hermann deiner damals nicht erwähnt.)

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 280.
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