770. An Marie Hesse

[313] 770. An Marie Hesse


Wiedensahl 14. März 1889


Meine liebe Frau Heße!

Ihren guten Brief fand ich vor, als ich von einem 8-14tägigen Besuch bei Verwandten zurückkam. Wie sehr hab ich Sie bedauert, daß Sie bei dem abscheulichen Winterwetter haben krank von Haus fort sein müßen. Der Frühling muß doch nun bald erscheinen, und wenn dann die Blüthen aufgehn und die Vöglein in allen Zweigen zwitschern, dann werden Sie, hoff ich, sich auch wieder fröhlich und gesund fühlen. – Unsere Staare sind schon längst wieder da und visitiren die alten Brutplätze. Sie leiden, seit die neuern Forstbeamten den Wald immer unpoetischer machen und keine hohlen Bäume mehr dulden, an Wohnungsmangel; so hab ich die Zahl der Nistkästchen um's Haus herum jetzt auch wieder vermehrt. – Neulich, bei dem allerheftigsten Schneegestöber saß ich in Hattorf beim Neffen Hermann; ringsum alles weiß eingewickelt; aber nicht ungemüthlich. Adolf war auch von Göttingen herüber gekommen. Er steht nun nahe vor dem mündlichen Staatsexamen.

– Otto ist das vergangene Semester in Berlin gewesen, über Schwerin, wo sein Stiefbruder wohnt, hierhergereist und gestern zu Mutters Geburtstage heimgekehrt. Er denkt dann seine Studien in Göttingen zu beendigen, und Göttingen liegt angenehmerweise ganz nahe bei Hattorf. – Ich selber fahre wohl bald mal nach Ebergötzen, um meinen Jugendfreund Erich in seiner Mühle zu besuchen. Späterhin vielleicht mal nach Antwerpen, mit Lenbachs, mit denen ich im vorigen Herbst auch im Haag und in Amsterdam zusammen war. Doch das sind Pläne. Die Madam Zeit und der hartnäckige[313] Verlauf der Dinge thun ja hauptsächlich doch, was sie wollen.

Mit herzlichen Grüßen, auch vom Neffen Otto, an Herrn Heße, an's Gretchen und vor allem an Sie selbst

Ihr ergebenster

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 313-314.
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