98. An Oskar Meyer

[67] 98. An Oskar Meyer


Wiedensahl d. 18. Aug. 71.


Lieber Vetter!

Das ist ein Leiden, wenn der Mensch keine Geduld hat. – Ich will es Dir grade nicht wünschen; aber wenn Du jemals auch in eine Liebhaberei für alte Schränke verfallen solltest, so wird es Dir erklärlich werden, daß ich mit einer gewißen Sehnsucht auf einen Brief von Dir warte, um zu hören, wie und wo sich der »alte Liebling« befindet, deßen interimistische Pflege und Versorgung Du so freundlich übernommen hast. Bis jetzt ist er in seiner neuen Heimath noch nicht angelangt. Sollte ihm ein Unglück zugestoßen sein? Es sollte mir wirklich leid thun um den alten Jungen, wenn ich erfahren müßte, daß er ein paar Rippen oder ein paar Beine gebrochen, was bei seinem hohen Alter jedenfalls sehr bedenklich wäre. Bitte, theile mir doch recht bald mit, wie es ihm geht, und was Du in Betreff seiner warmen und sicheren Verpackung für ihn ausgelegt hast. Wir haben hier jetzt das schönste Erndtewetter, welches für mich noch die besondere Annehmlichkeit bietet, die nachmittäglichen Spatziergänge durch Feld, Wiesen und Wald, mit Freude und Gemächlichkeit so recht genießen zu können. – Wie geht's denn Helene und den Kindern? Seid Ihr noch recht zufrieden mit der neuen Wohnung? Unsern Bruder Hermann erwarten wir hier nächstens für seine Ferienzeit. Er ist avancirt, da er in Düren die zweite ordentliche Lehrerstelle bekommen hat.

An Helene und die Kinder viel herzliche Grüße von

Deinem alten Freunde und Vetter

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 67.
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