990. An Johanna Keßler

[41] 990. An Johanna Keßler


Wiedensahl 2. Nov. 94.


Liebste Tante!

Den Humphrey Klinker hab ich die Abende her mit Vergnügen durchgelesen. Mit einem alten unverheiratheten Squire, seiner gleichfalls alten, aber stets heirathslustigen Schwester, ihrem Neffen, ihrer Nichte, der Kammerjungfer und ein paar Bedienten, einer davon der Held der Geschichte, reist man per Kutsche oder zu Pferd in die englischen Bäder und nach Schottland hinüber. Die Sitten der Zeit, die Charaktere, die kleinen, oft recht bedenklichen Abenteuer, das verdrehte Englisch in den Briefen der Tante und der Kammerjungfer – das alles macht Spaß, wie wenn man flott gezeichnete zopfige Bildchen besieht. – Ich geb Ihnen hier das Buch mit bestem Dank zurück.[41]

Wie geht's denn bei Ihnen. Werden gegenüber die Bauplätz schon abgesteckt? – Führt Hudi, der Thierbändiger, die zwei Hund noch am Strick? Dabei raschelt wohl schon viel dürres Laub in den Wegen nach dem Frost der letzten Nächte.

Nächsten Montag, Dienstag, Mitwoch denk ich in Hunteburg zu verweilen, bei den kürzlich Vermählten. Meine Schwester ist Samstag von dort zurück gekehrt und läßt sich Ihnen freundlich empfehlen.

Mit herzlichen Grüßen, liebste Tante, an Sie und Alle mit einander

Ihr alter

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 41-42.
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