[Kinder, lasset uns besingen]

[252] Kinder, lasset uns besingen,

Aber ohne allen Neid,

Onkel Kaspers rote Nase,

Die uns schon so oft erfreut.


Einst ward sie als zarte Pflanze

Ihm von der Natur geschenkt;

Fleißig hat er sie begossen,

Sie mit Wein und Schnaps getränkt.


Bald bemerkte er mit Freuden,

Daß die junge Knospe schwoll,

Bis es eine Rose wurde,

Dunkelrot und wundervoll.


Alle Rosen haben Dornen,

Diese Rose hat sie nicht,

Hat nur so ein Büschel Haare,

Welches keinen Menschen sticht.


Ihrem Kelch entströmen süße

Wohlgerüche, mit Verlaub:

Aus der wohlbekannten Dose

Schöpft sie ihren Blütenstaub.


Oft an einem frischen Morgen

Zeigt sie uns ein duftig Blau,

Und an ihrem Herzensblatte

Blinkt ein Tröpflein Perlentau.


Wenn die andern Blumen welken,

Wenn's im Winter rauh und kalt,

Dann hat diese Wunderrose

Erst die rechte Wohlgestalt.


Drum zu ihrem Preis und Ruhme

Singen wir dies schöne Lied.

Vivat Onkel Kaspers Nase,

Die zu allen Zeiten blüht!

Quelle:
Wilhelm Busch: Sämtliche Werke, Herausgegeben v. Otto Nöldeke, Band 6, München 1943, S. 252-253.
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