Duldsam

[319] Des morgens früh, sobald ich mir

Mein Pfeifchen angezündet,

Geh ich hinaus zur Hintertür,

Die in den Garten mündet.


Besonders gern betracht ich dann

Die Rosen, die so niedlich;

Die Blattlaus sitzt und saugt daran

So grün, so still, so friedlich.


Und doch wird sie, so still sie ist,

Der Grausamkeit zur Beute;

Der Schwebefliegen Larve frißt

Sie auf bis auf die Häute.


Schluppwespchen flink und klimperklein,

So sehr die Laus sich sträube,

Sie legen doch ihr Ei hinein

Noch bei lebend'gem Leibe.


Sie aber sorgt nicht nur mit Fleiß

Durch Eier für Vermehrung;

Sie kriegt auch Junge hundertweis

Als weitere Bescherung.


Sie nährt sich an dem jungen Schaft

Der Rosen, eh sie welken;

Ameisen kommen, ihr den Saft

Sanft streichelnd abzumelken.


So seh ich in Betriebsamkeit

Das hübsche Ungeziefer

Und rauche während dieser Zeit

Mein Pfeifchen tief und tiefer.


Daß keine Rose ohne Dorn,

Bringt mich nicht aus dem Häuschen.

Auch sag ich ohne jeden Zorn:

Kein Röslein ohne Läuschen!

Quelle:
Wilhelm Busch: Sämtliche Werke, Herausgegeben v. Otto Nöldeke, Band 6, München 1943, S. 319-320.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zu guter Letzt
Zu Guter Letzt
Gedichte - Kritik des Herzens - Zu guter Letzt