11.

[118] Bei Wiedensahl an der Steinstiege vor der Horst beim Pinkenbruche da sagte immer, wenn es ander Wetter werden will, besonders bei Miesterwetter, wer: »Guden Abend! Guden Abend!« und führte die Leute, die da vorbeikamen, in die Irre. Der Borsteler Meier, der eines Tages bei dem alten Wöltken in Wiedensahl schmieden ließ, wollte noch spät Abends zurück nach Hause. Er hatte tüchtig einen getrunken, und der Schmied sagte ihm, er sollte lieber in der Nacht da bleiben und nicht mehr weggehen; er müßte doch über die Stiege, wo der Gutenabend säße. »Eck bin no nich bange! Eck will no wol na hus kuomen, eck verlate mi up minen Krückstock«, sagte[118] der aber und ging weg. Als er an die Stiege kam, wurde es mit einem Male so dunkel und regnicht, daß er gar nichts mehr sehen konnte; da rief es auch schon: »Guden Abend! Guden Abend!« und er konnte die Stiege nicht finden, er kam zur Seite an den Hagen, an die Hucht, die da stand, zu grabbeln, dann wieder vor die Stiege. Da rief es wieder: »Guden Abend! Guden Abend!« »Dank heft!« gab er zur Antwort, »eck wünsche di un mi de ewige seligkeit!« »Up dat woord hew eck nu all hundert jahr 'elurt!« rief der Gutenabend. Dann ward es still, und der Borsteler Meier fand die Stiege und kam glücklich nach Hause. Er erzählte nachher, dabei wäre ihm aber mal schnell sein Rausch von der Nase gegangen, das könnte er einem versichern. – Darnach hat sich der Gutenabend nie wieder vernehmen lassen.

Quelle:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. München 1910, S. 118-119.
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