[6] Als der glückliche und Kunstreiche Schütze Floridon[362] 1 auf dem Zwickauischen Vogel-Schiessen den 20. Julii 1674. mit jedermannes höchster Verwunderung einen Flügel ablösete, und dafür einen ansehnlichen Gewinn bekam, wolten ihre Freude darüber zu erkennen geben ein Paar seiner guten Freunde in Leipzig, F.R.L.v.C. und H.H. von E.

Floridon, wir solten dir

Billig so ein Denck-Mahl setzen,

Daß gar nichts desselben Zier

Fähig wäre zu verletzen;

Weil das Glück mit deiner Kunst

Einen solchen Bund geschlossen,

Daß, durch ihrer beyder Gunst,

Du den Flügel abgeschossen.


Aber, es kan nicht bestehn

Was aus unsrer Feder rinnet;

Pfleget nicht schnell zu vergehn,

Was ein schwacher Geist ersinnet?

Du kennst keine Niedrigkeit,

Und wir kleben an der Erden;

Drum wird besser anderweit

Deine That gepriesen werden.
[363]

Zwickau wird den schönen Schuß2

Freudig in sein Zeit-Buch schreiben,

An dem gelben Pleissen-Fluß

Wird er unvergessen bleiben.

Weimar hat dir zuerkannt3

Immer-grüne Sieges-Kronen,

Und dein andres Vaterland

Zeitz, wird deine Kunst belohnen.4


Dannoch wisse, daß auch wir,

Wir, der Ausbund deiner Treuen,

Uns bey unsern Linden hier

Uber dieses Glück erfreuen,

Das dich aus der finstern Nacht

Der Vergänglichkeit entrissen,

So, daß manches Siegers Pracht

Deinem Ruhm wird weichen müssen.
[364]

Giebt man uns ein Gläßgen Wein,

Wann wir in der Rose sitzen,5

Muß es die Gesundheit seyn

Des berühmten Vogel-Schützen,

Der die Ehre hat gehabt

Einen Flügel zu bestreiten,

Und drauf lassen wir den Abt

Auf dein Wohlergehen reuten.6


Fragt uns einer, ob wir nicht

Etwas neues wo gehöret?

Was man vom Turenne spricht,

Ob er noch die Pfaltz verstöret?

Trägt er den Bescheid davon:

Daß wir anders nichts vernommen,

Als daß unser Floridon

Dreyßig Gülden jüngst bekommen.7


Unterdessen schicke dich

Dieses Geld wohl anzulegen,

Glaub uns, sonst verzehrt es sich,

Und bringt weder Glück noch Seegen.

Gieb uns allen einen Schmauß,

Daß wir doch von deinem Schiessen,

Komst du wieder her nach Hauß,

Gleichwohl etwas mit geniessen.
[365]

Eile, wehrter Floridon,

Weg aus deinem Schwanen-Neste,8

Komm, dann unser Helikon

Schmücket sich aufs allerbeste.

Phöbus selbst ist hertzlich froh,

Und erwartet, mit Verlangen,

Wann du komst von dubenroh,9

Dich, nach Würden, zu empfangen.


Nun! wir wollen biß dahin

Unsern Glückwunsch auch versparen,

Wann von Schiessen und Gewinn

Wir gewißre Post erfahren.

Dann soll unsre gantze Schaar

Sich, nach Möglichkeit, bemühen,

Um dein zierlich-krauses Haar

Einen Lorbeer-Crantz zu ziehen.

Fußnoten

1 Wie Floridon den Herrn Zapfen, so bedeuten die Buchstaben F.R.L.v.C. unsers Verfassers Nahmen; Friedrich Rudolff Ludwig von Canitz, und H.H.v.E. Hanß Haubold von Einsiedel, drey dazumahlen unter einander sehr vertraute Academische Freunde. Man hat hier mit Fleiß den gantzen Titel des Gedichts so hinsetzen wollen, wie ihn damahls der Verfasser selbst geschrieben, weil man dieses Stück noch von seiner eignen Hand besitzet.


2 Herr Hof-Rath Zapffe war dazumahl Hofmeister Herrn Carl Gottfrieds von Bose, itzigen Königl. Pohln. würcklichen geheimen Raths, welcher der vierte von den vorhin genannten Academischen Freunden gewesen, und von dem der Leser in der Canitzischen Lebens-Beschreibung umständlicher Nachricht finden wird. Wie nun dessen Frau Mutter in der Stadt Zwickau wohnete, in welcher Gegend ihre Güter lagen, als hatte er mit seinem Hofmeister dem Herrn Zapfen eine Reise, von Leipzig aus, dahin gethan, um dieselbe zu besuchen, bey welcher Gelegenheit, Herr Zapfe, auf einem daselbst gehaltenen jährlichen Vogel-Schiessen, den Flügel abgeschossen.


3 Weimar war Herrn Zapfens Geburts-Stadt.


4 Zeitz konte mit Recht Herrn Zapfens andres Vaterland heissen, weil er daselbst, nach seiner Eltern frühzeitigem Absterben, von seinen beyden ältern Brüdern meistentheils erzogen ward; sonderlich aber, an dem dasigen geheimen Rathe und Cantzler, Herrn Veit Ludwig von Seckendorf, einen mächtigen Beförderer gefunden hatte.


5 Die Rose war zu derselben Zeit ein bekantes Wirths-Hauß in Leipzig.


6 Den Abt reuten lassen, ist ein Sprichwort, so nicht eben überall in Teutschland gewöhnlich, und will so viel sagen: sich recht lustig machen. Der Ursprung desselben kommt daher, daß ehemahls ein gewisser ernsthaffter Abt sich in einer Gesellschafft befunden, die, so lange er zugegen war, wieder ihren Willen, sich sehr eingezogen halten muste; weil aber das Pferd, worauf er wieder nach Hause reuten wolte, schon vor der Thüre stand, und doch der Wirth ihn länger zu bleiben nöthigte, folglich die Gäste sich noch nicht recht lustig machen konten, so lange der Abt nicht weg war, so sagte immer einer nach dem andern dem Wirthe ins Ohr: Laß den Abt reuten! Laß den Abt reuten!


7 So viel war der Gewinst, welchen Herr Zapfe für den abgeschossenen Flügel erhalten.


8 Weil die Stadt Zwickau sechs Schwanen im Wappen führet, wird sie daher die Schwanen-Stadt genannt.


9 Netzschkau, das Bosische Ritter-Gut, liegt noch etwas weiter hinauf als Zwickau, also, gegen Leipzig zu rechnen, ziemlich droben im Gebürge. Weil nun das gemeine Voigtländische Volck, wenn es gefragt wird, woher es komme? nach seiner Mund-Art spricht: von dubenroh, an statt: von droben herab; Als schertzete der Verfasser hier mit diesem Worte, weil Herr Zapffe von gemeldtem Bosischen Gute wieder herab kam.


Quelle:
Friedrich Rudolph Ludwig von Canitz, Kritische Ausgabe: Gedichte, Tübingen 1982, S. 362-366.
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