Viertes Kapitel.

[256] In welchem das große Abenteuer der Dueña Schmerzenreich fortgesetzt wird.


Ungemein freuten sich der Herzog und die Herzogin, als sie sahen, wie sehr Don Quixote ihrer Absicht entgegenkam, und Sancho sagte jetzt: »Ich möchte nicht, daß die Frau Dueña mir einen Stein des Anstoßes in meine versprochene Statthalterschaft würfe, denn ich habe von einem Apotheker zu Toledo, der wie eine Amsel reden konnte, gehört, daß, wo nur Dueñas dazwischenkämen, man kein Glück oder Heil erwarten dürfte. Lieber Himmel, ei! ei! wie übel war dieser Apotheker auf sie zu sprechen! Woraus ich denn abnehme, daß, da alle Dueñas widerwärtig und unausstehlich sind, von welcher Beschaffenheit und von welchem Stande sie auch sein mögen, wie muß es nun vollends mit den schmerzensreichen sein, wie mit dieser Gräfin Dreischlepp oder Dreischwanz? denn bei mir zu Hause ist Schleppe und Schwanz und Schwanz und Schleppe ein und dasselbe.«

»Schweig, Freund Sancho«, sagte Don Quixote, »denn da diese gnädige Dueña aus so entlegenen Landen kommt, um mich zu suchen, so kann sie nicht zu denen gehören, die übel bei dem Apotheker angeschrieben standen: um so mehr, da diese eine Gräfin ist, und wenn Gräfinnen als Dueñas dienen, so sind sie nur bei Königinnen oder Kaiserinnen in Diensten, sind aber in ihrem Hause selber erlauchte Damen, die sich wieder von anderen Dueñas bedienen lassen.«

Hierauf antwortete Doña Rodriguez, die sich gegenwärtig befand: »Meine gnädige Herzogin hat[257] auch Dueñas in ihren Diensten, die gar wohl Gräfinnen sein könnten, wenn es das Schicksal so gewollt hätte; aber der Mensch denkt's, und Gott lenkt's, und darum spreche nur keiner von den Dueñas übel, besonders wenn sie alt und Jungfern sind, denn ob ich es gleich nicht bin, so leuchtet mir doch der Vorzug deutlich ein, den eine ledige Dueña vor einer verwitweten Dueña hat, und wer uns scheren will, der wird sich selber mit der Schere schneiden.«

»Bei alledem«, versetzte Sancho, »gibt es an den Dueñas genug zu scheren, wenn ich mich auf meinen Apotheker verlassen kann, und es würden beim Dreschen Körner genug herausfallen.«

»Immer«, antwortete Doña Rodriguez, »sind die Stallmeister unsere Feinde, denn da sie in den Vorsälen spuken und uns beständig sehen, so bringen sie alle die Zeit, in der sie nicht beten – und es bleibt ihnen viele übrig –, damit zu, auf uns zu lästern; sie möchten noch unsere Gebeine ausgraben und unseren guten Namen in die Grube werfen; sie selber gehören in das Gebäude von drei Pfeilern, und wir werden, ihnen zum Trotz, in der Welt und in den Palästen leben, wenn wir auch vor Hunger sterben und mit einer schwarzen Kutte unsere zarte oder unzarte Haut verhüllen, wie man bei Prozessionen einen Schmutzhaufen mit Teppichen zudeckt. Wahrlich, wenn es nötig wäre und es die Zeit verlangte, so wollte ich nicht nur allen Gegenwärtigen, sondern der ganzen Welt beweisen, wie es keine Tugend gibt, die sich nicht in einer Dueña befindet.«

»Ich glaube«, sagte die Herzogin, »daß meine gute Doña Rodriguez recht hat, und zwar das allergrößte; es ist aber besser, daß sie eine andere Zeit abwartet, für sich und die übrigen Dueñas zu streiten, um die schlechte Meinung jenes schlechten Apothekers zu widerlegen und die mit der Wurzel auszureißen, die der große Sancho Pansa in seinem Busen beherbergt.«

Worauf Sancho antwortete: »Seit mir der Statthalter zu Kopfe gestiegen ist, sind mir die Stallmeistergrillen alle vergangen, und ich gebe nun für alle Dueñas zusammen keine wilde Feige.«

Sie wären wohl in dem Dueñengespräch noch weiter fortgefahren, wenn sie nicht von neuem den Pfeifer und die Trommeln gehört hätten, woraus sie abnahmen, daß die Dueña Schmerzenreich komme. Die Herzogin fragte den Herzog, ob es nicht schicklich sei, ihr zu ihrem Empfange entgegenzugehen, da sie doch Gräfin und eine vornehme Dame sei. »Als Gräfin«, antwortete Sancho, ehe noch der Herzog antworten konnte, »schickte es sich wohl, daß Eure Hoheit ihr zum Empfang entgegengingen; aber für die Dueña bin ich der Meinung, daß dieselben keinen Fuß aus der Stelle setzen.«

»Und wer mengt dich hinein, Sancho?« fragte Don Quixote.

»Wer, gnädiger Herr?« antwortete Sancho, »ich menge mich selbst hinein, weil ich mich hineinmengen kann, als ein Stallmeister, der alle Formeln der Höflichkeit in Euer Gnaden Schule gelernt hat, der Ihr der höflichste und artigste Ritter seid, den es nur in aller möglichen Höflichkeit geben kann, und in dergleichen Dingen, wie ich von Euer Gnaden habe sagen hören, verliert man ebensosehr durch eine Karte zuviel wie durch eine Karte zuwenig; und für den Verständigen sind wenige Worte hinreichend.«

»Sancho hat ganz recht«, sagte der Herzog, »wir wollen das Wesen der Gräfin in Augenschein nehmen und darnach die Höflichkeit abmessen, die wir ihr schuldig sind.«

Indem traten, so wie das erstemal, die Trommeln und die Pfeifer herein. Und hier, mit diesem kurzen Kapitel, schloß der Verfasser und fing das andere an, dasselbe Abenteuer fortsetzend, welches in der Geschichte eins der merkwürdigsten ist.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 2, S. 256-258.
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