Siebentes Kapitel.

[401] In welchem ein außerordentlicher Zufall erzählt wird, welcher wohl für ein Abenteuer gehalten werden kann, der dem Don Quixote begegnete.


Für den Staub und die Ermattung, welche Don Quixote und Sancho aus der Unhöflichkeit der Stiere davongetragen hatten, half ein klarer und frischer Bach, den sie in einem kühlen Gebüsche antrafen, am Rande desselben, nachdem sie den Grauen und Rozinante von Strick und Zügel frei gemacht hatten, sich die beiden Verfolgten, Herr und Diener, niederließen. Sancho nahm zum Vorrate des Schnappsacks seine Zuflucht und holte aus ihm, was er seine Zuspeise zu nennen pflegte, heraus. Er spülte sich den Mund aus, Don Quixote wusch sich das Gesicht, nach welcher Erfrischung er die matten Geister wieder gestärkt fühlte. Aus Betrübnis aß Don Quixote nicht, und Sancho wagte es aus lauter Höflichkeit nicht, die Speise früher als er anzurühren, weil er wartete, daß sein Herr ihm kredenzen sollte; da er aber sah, daß jener, in seinen Phantasien vertieft, nicht daran dachte, das Brot zum Munde zu führen, tat er den seinigen auf und fing an, sich über die Wohlgezogenheit hinwegsetzend, das Brot und den Käse, welchen er vorfand, in seinen Magen hineinzustopfen. »Iß, Freund Sancho«, sagte Don Quixote, »erhalte dein Leben, welches dir mehr als mir am Herzen liegt, und laß mich an meinen betrübten Gedanken und an der Gewalt meiner Unglücksfälle sterben. Ich, Sancho, wurde geboren, um sterbend zu leben, und du, um essend zu sterben;[402] und damit du siehst, daß ich hierin die Wahrheit spreche, so erwäge nur, wie ich in Historien gedruckt bin, in den Waffen berühmt, in allen Taten adelig, von Fürsten geehrt, von Jungfrauen angebetet, und endlich, siehe da, nachdem ich Palmen, Triumphe und wohlverdiente Lorbeerkränze für meine tapfern Taten mit Recht erwartete, bin ich heute früh getreten, besudelt und zermalmt von den Füßen unreiner und schmutziger Tiere. Diese Betrachtung stumpft mir die Zähne, lähmt mir die Kinnbacken und macht meine Hände ohnmächtig, ja nimmt mir durchaus die Lust, irgend etwas zu essen, so daß ich mich Hungers will sterben lassen, den grausamsten Tod von allen Todesarten.«

»Auf die Art«, sagte Sancho, ohne sein hastiges Kauen zu unterbrechen, »wollt Ihr das Sprichwort nicht wahr machen: Nur beim Brot komme mein Tod; ich will mich wenigstens nicht selber umbringen; lieber will ich es wie der Schuster machen, der das Leder mit den Zähnen zerrt, bis es so weit langt, als er es haben will! Ich will mein Leben durch Essen zerren, daß es zu dem Ende hinauslangt, welches mir der Himmel festgesetzt hat; und Ihr müßt nur wissen, gnädiger Herr, daß es keine größere Torheit gibt, als wenn man so ganz in Verzweiflung fällt, wie Ihr jetzt tut; glaubt mir, eßt etwas und streckt Euch nachher auf dem grünen Kissen dieser Rasen aus, um ein wenig zu schlafen, und Ihr werdet sehen, daß, wenn Ihr aufwacht, Ihr Euch um vieles munterer befindet.«

Don Quixote tat es, da ihm der Rat des Sancho mehr philosophisch als einfältig vorkam; er sagte zu ihm: »Wenn du, o Sancho, das für mich tun wolltest, was ich dir jetzt sagen werde, so würde meine Erquickung um so gewisser und meine Betrübnis um so geringer sein, daß du nämlich, indessen ich schlafe, deinen Vorsatz ausführtest, dich ein wenig von hier entferntest und mit dem Zaum des Rozinante dir auf deine entblößten Teile drei- oder vierhundert Streiche zuzähltest, auf Abschlag der dreitausend und mehrerer, die du dir für die Entzauberung der Dulcinea zuteilen sollst, denn es ist überaus betrübt, daß diese arme Dame immer noch durch deine Nachlässigkeit und Sorglosigkeit bezaubert ist.«

»Darüber ist viel zu sagen«, sprach Sancho; »jetzt wollen wir beide schlafen, und nachher wird es Gott fügen, wie er es für gut findet. Ihr müßt wissen, daß es nichts Geringes ist, wenn sich ein Mensch bei kaltem Blute peitschen soll, vollends wenn die Schläge auf einen erschöpften und schlecht gefütterten Körper fallen; die gnädige Dulcinea muß sich gedulden, denn wenn man es am wenigsten denkt, wird man von Hieben die Sonne durch mich scheinen sehen, und bis zum Tode ist alles Leben; ich meine, daß ich das Leben noch habe und zugleich noch den Vorsatz, das auszurichten, was ich versprochen habe.«

Don Quixote dankte ihm, aß ein wenig und Sancho viel, worauf sich beide zum Schlafen hinlegten, indem sie ohne Zwang und Aufsicht von dem reichlichen Grase, mit welchem die Wiese bewachsen war, die beiden treuen Gefährten und Freunde fressen ließen, Rozinante und den Grauen. Sie erwachten etwas spät, stiegen wieder auf, um ihren Weg fortzusetzen, indem sie eilten, eine Schenke zu erreichen, die dem Anscheine nach nur eine Meile entfernt vor ihnen lag. Ich sage, daß es eine Schenke war, denn Don Quixote nannte sie so, gegen seine Gewohnheit, nach der er alle Schenken Kastelle zu heißen pflegte. Sie erreichten sie hierauf, fragten den Wirt, ob er ein Zimmer für sie habe. Dies wurde mit Ja beantwortet, nebst aller Bequemlichkeit und Bewirtung, die sie nur in Saragossa finden könnten. Sie stiegen ab, und Sancho schaffte seine Sachen in ein Zimmer, zu welchem ihm der Wirt den Schlüssel gab. Er führte die Tiere in den Stall, gab ihnen ihr Futter und sah dann nach Don Quixote, um nach dessen Befehlen zu fragen, den er auf einer Bank sitzend fand, indes Sancho dem Himmel heimlich dankte, daß seinem Herrn diese Schenke nicht als ein Kastell vorgekommen war. Die Stunde des Abendessens kam herbei, und sie begaben sich auf ihr Zimmer; Sancho fragte den Wirt, was er ihnen zum Abendessen geben könne. Worauf der Wirt antwortete, daß er sich den Mund nur möchte wässern lassen, er möchte also fordern, wozu ihn gelüstete, denn mit allen Geflügeln der Luft, Vögeln der Erde und Fischen der See sei die[403] Schenke versehen. »Soviel ist nicht nötig«, antwortete Sancho, »wir wollen mit ein paar gebratenen Kücheln zufrieden sein, denn mein Herr ist delikat und ißt wenig, und ich bin auch kein so außerordentlicher Fresser.«

Der Wirt antwortete, daß er keine jungen Kücheln hätte, weil sie alle von den Stoßvögeln geholt seien. »Nun, so lasse uns der Herr Wirt«, sagte Sancho, »eine Henne braten, wenn sie nur zart ist.«

»Henne, o du himmlicher Vater!« rief der Wirt aus, »so habe ich doch meiner Seele gestern funfzig Hennen nach dem Markte geschickt; aber dieses ausgenommen, mag mein Herr nur fordern, wozu er Lust hat.«

»Auf die Art«, sagte Sancho, »wird es nicht an Kalb- oder Ziegenfleisch fehlen.«

»Für jetzt habe ich keins im Hause«, antwortete der Wirt, »denn es ist alle; aber künftige Woche habe ich es im Überfluß.«

»Wir sind gut angekommen«, antwortete Sancho; »ich wette, daß alle der Überfluß auf Speck und Eier hinauslaufen wird.«

»Bei Gott«, antwortete der Wirt, »der Herr Gast ist doch in der Tat auf anmutige Art einfältig; sagt mir nur, wenn ich weder Kücheln noch Hühner habe, wo ich Eier herkriegen soll? Nein, fahrt nur fort, auf andre Delikatessen zu denken, und schlagt Euch alles, was die Hühner angeht, aus dem Sinne.«

»Macht zum Henker ein Ende«, sagte Sancho, »und sagt mir kürzlich, was Ihr habt, daß wir mit den Beratschlagungen fertig werden.«

»Herr Gast«, sagte der Wirt, »was ich wirklich und wahrhaftig habe, sind zwei Ochsenbeine, die aber Kälberfüße scheinen; oder zwei Kälberfüße, die Ochsenbeine scheinen; sie sind mit Erbsen, Zwiebeln und Speck gekocht und reden einen unaufhörlich an: ›Iß mich, iß mich!‹«

»Die bleiben gleich für mich«, sagte Sancho, »und keiner soll sie anrühren, ich will sie besser als ein anderer bezahlen, denn ich hätte für meinen Geschmack nichts Herrlicheres finden können, auch ist es mir ebenso recht, wenn es Beine als wenn es Füße sind.«

»Keiner soll sie anrühren«, sagte der Wirt, »denn meine andern Gäste sind so vornehm, daß sie Koch, Essen und Trinken bei sich haben.«

»Wenn es auf vornehm ankommt«, sagte Sancho, »so ist keiner mehr als mein Herr; aber sein Stand erlaubt ihm nicht, daß er Küche oder Keller bei sich hat; da strecken wir uns mitten auf einer Wiese hin und essen uns an Eicheln oder Mispeln satt.«

Dieses Gespräch führte Sancho mit dem Wirte, ohne daß Sancho weiter etwas antworten wollte, denn jener hatte schon gefragt, welches denn der Stand oder das Amt seines Herrn sei.

Die Stunde des Abendessens kam, Don Quixote begab sich in sein Zimmer, der Wirt trug das zubereitete Gericht auf und setzte sich ebenfalls an den Tisch, um mitzuessen.

Indes fügte es sich, daß in einem andern Gemache, welches von dem, in welchem sich Don Quixote befand, nur durch ein leichtes Täfelwerk geschieden war, den Don Quixote sagen hörte: »Tut mir die Liebe, Don Geronimo, und laßt uns, bis sie das Essen bringen, noch ein Kapitel in diesem zweiten Teile des ›Don Quixote von la Mancha‹ lesen.«

Kaum hörte Don Quixote seinen Namen, als er aufstand und mit munterm Ohr hinhörte, was gesprochen wurde, worauf er vernahm, daß der eben genannte Don Geronimo antwortete: »Wie könnt Ihr ein Vergnügen daran finden, Don Juan, diesen Unsinn zu lesen? Ist es wohl möglich, daß derjenige, der den ersten Teil der Geschichte des Don Quixote von la Mancha las, mit Lust diesen zweiten genießen kann?«

»Dennoch«, sagte Don Juan, »kann man ihn immer lesen, denn es gibt kein so schlechtes Buch, in dem[404] man nicht etwas Gutes finden sollte. Was mir nur am meisten mißfällt, ist, daß er Don Quixote so malt, daß er der Liebe der Dulcinea von Toboso entsagt hat.«

Als Don Quixote dies hörte, erhob er voll Zorn und Ärger seine Stimme und rief: »Wer da behauptet, Don Quixote habe vergessen oder könne vergessen Dulcinea von Toboso, dem will ich mit gleichen Waffen beweisen, daß er sich sehr weit von der Wahrheit entfernt; denn die unvergleichliche Dulcinea von Toboso kann niemals vergessen werden, auch findet bei dem Don Quixote kein Vergessen statt; sein Wappen ist Standhaftigkeit und seine Bestimmung, diese freiwillig zu bewahren und ohne sich irgend Gewalt anzutun.«

»Wer ist derjenige, der uns antwortet?« fragten sie drin im andern Zimmer.

»Wer wird es anders sein«, antwortete Sancho, »als eben Don Quixote von la Mancha selbst, der auch gut machen wird, was er gesagt hat und was er nur immer sagen wird, denn den guten Zahler gereut kein Pfand.«

Kaum hatte Sancho dies gesagt, als in die Tür des Zimmers zwei Ritter hereintraten, denn diese schienen sie zu sein, und einer von ihnen die Arme um den Hals des Don Quixote schlang und sagte: »Euere Gestalt kann sowenig Eueren Namen Lügen strafen, als Euer Name nicht Euere Gestalt beglaubigen sollte; ohne Zweifel seid Ihr; gnädiger Herr, der wahrhaftige Don Quixote von la Mancha, der Angelstern und die Leuchte der irrenden Ritterschaft, dem zum Trotz und Verdruß, der sich Eueres Namens angemaßt hat, um Euere Taten zu vernichten, wie es der Verfasser dieses Buches versucht hat, welches ich Euch hier übergebe.« Zugleich gab er ihm ein Buch in die Hände, welches sein Begleiter hatte; Don Quixote nahm es und fing an, darin zu blättern, worauf er es sich bald nachher zurückgab und sagte: »In dem Wenigen, was ich gesehen habe, habe ich drei Dinge gefunden, über welche der Verfasser mit Recht getadelt werden kann. Das erste sind einige Worte, die ich im Prologe gelesen habe; das zweite, daß seine Sprache aragonisch ist, denn er schreibt oft ohne Artikel, und das dritte, was ihn am meisten als einen Unwissenden zeigt, ist, daß er in den Hauptumständen der Historie irrt und von der Wahrheit abweicht, denn hier sagt er, daß die Frau meines Stallmeisters Sancho Pansa Maria Gutierrez hieße, sie heißt aber nicht so, sondern Therese Pansa, und wer in einem solchen Hauptumstande irrt, von dem mag man auch glauben, daß er in allen übrigen Umständen der Geschichte fehlt.«

Hierauf sagte Sancho: »Das mag mir ein sauberer Historienschreiber sein, der muß viel von unsern Sachen gewußt haben, da er meine Frau Therese Pansa Marie Gutierrez nennt; nehmt doch das Buch noch einmal, gnädiger Herr, und seht, ob ich auch drin bin und ob er meinen Namen auch verstümmelt hat.«

»Nach dem, wie ich Euch sprechen höre, Freund«, sagte Don Geronimo, »müßt Ihr ohne Zweifel Sancho Pansa, der Stallmeister des Herrn Don Quixote, sein.«

»Derselbe bin ich«, antwortete Sancho, »und schätze es mir für eine Ehre.«

»Nun dann wahrlich«, sagte der Ritter, »dieser neue Verfasser behandelt Euch nicht mit der Sauberkeit, die Ihr doch in Eurer Person darstellt; er schildert Euch als Fresser, einfältig und durchaus nicht lustig, sehr verschieden von dem Sancho, der in dem ersten Teile der Geschichte Eueres Herrn geschildert wird.«

»Gott vergebe es ihm«, sagte Sancho, »er konnte mich in meinem Winkel lassen, ohne sich um mich zu bekümmern, denn wer's versteht, mag wohl die Zither spielen, und Sankt Peter befindet sich gut in Rom.«

Die beiden Ritter ersuchten Don Quixote, in ihrem Zimmer mit ihnen zu speisen, weil sie wüßten, daß in dieser Schenke nichts zu haben wäre, das für seine Person anständig sei. Don Quixote, der immer[405] artig war, gab ihren Bitten nach und speiste mit ihnen; Sancho blieb bei seinem Gerichte in gemischter Herrschaft, er setzte sich oben an den Tisch und neben ihn der Wirt, der nicht weniger wie Sancho in seine Füße und Beine verliebt war. Während des Abendessens fragte Don Juan den Don Quixote, was er für Nachrichten von der Dame Dulcinea von Toboso habe, ob sie geheiratet habe, Kinder geboren oder schwanger sei oder ob sie sich noch als Jungfrau befinde und, ihre Keuschheit und Sittsamkeit bewahrend, der liebenden Gesinnungen des Herrn Don Quixote gedenke.

Worauf dieser antwortete: »Dulcinea ist noch Jungfrau, und meine Gedanken sind beständiger als jemals; unsere Liebe ist noch in ihrer vorigen Verfassung, ihre Schönheit in die Gestalt einer häßlichen Bäuerin verwandelt.« Und zugleich erzählte er ihnen Stück für Stück die Bezauberung der Dame Dulcinea, und was ihm in der Höhle des Montesinos begegnet sei, nebst der Veranstaltung, die der weise Merlin getroffen habe, sie zu entzaubern, daß sich nämlich Sancho geißeln sollte. Die beiden Ritter waren ungemein vergnügt, von Don Quixote die seltsamen Begebenheiten seiner Geschichte erzählen zu hören, und sie waren gleichsehr verwundert über seine Torheiten als über die zierliche Art, mit welcher er sie vortrug. In einem Augenblicke hielten sie ihn für verständig, und plötzlich kam wieder der Narr zum Vorschein, so daß sie nicht einig werden konnten, in welchem Maße er verständig und in welchem er unklug sei.

Sancho hatte seine Abendmahlzeit geendigt, er verließ den Wirt, der einen Hieb bekommen hatte, und kam in das Zimmer zu seinem Herrn herüber und sagte beim Eintreten: »Ich will darauf sterben, meine Herren, daß der Verfasser dieses Buches, welches Ihr habt, gewiß keine Lust hat, mit mir Brüderschaft zu trinken; ich glaube doch wohl nicht, daß, da er mich Fresser nennt, wie Ihr sagt, er mich auch einen Trunkenbold heißen wird.«

»Wohl nennt er Euch so«, sagte Don Geronimo; »doch erinnere ich mich nicht, auf welche Weise, obwohl es mir bewußt ist, daß die Dinge nicht gut lauten und außerdem erlogen sind, wie ich an der Physiognomie des braven Sancho wahrnehmen kann, der hier gegenwärtig ist.«

»Glaubt mir nur, meine Herren«, sagte Sancho, »daß der Sancho und der Don Quixote in dieser Historie andere sein müssen als die, die sich in dem Buche des Cide Hamete Benengeli befinden, welche eben wir sind: mein Herr tapfer, verständig und verliebt; und ich einfältig und lustig, aber weder ein Fresser noch ein Säufer.«

»Das glaube ich auch«, sagte Don Juan, »und wenn es möglich wäre, so sollte man den Befehl geben, daß kein anderer sich unterstände, von den Sachen des großen Don Quixote zu handeln, als Cide Hamete, der erste Autor, so wie Alexander den Befehl gab, daß sich kein anderer unterstehen sollte, ihn zu malen, als Apelles.«

»Mag mich malen, wer will«, sagte Don Quixote; »aber keiner soll mich anschwärzen, denn oft pflegt die Geduld zu ermüden, wenn man sie mit Beschimpfungen belastet.«

»Keine«, sagte Don Juan, »kann dem Herrn Don Quixote widerfahren, welche er nicht sollte rächen können, wenn er sie nicht mit dem Schilde seiner Geduld auffängt, das, wie ich glaube, groß und stark ist.«

Unter diesen und andern Gesprächen verstrich ein großer Teil der Nacht, und obgleich Don Juan wünschte, daß Don Quixote mehr in dem Buche lesen möchte, um seine Anmerkungen darüber zu hören, so konnten sie ihn doch nicht dazu bewegen, sondern er sagte, er nähme es für gelesen und bezeuge es für durchaus albern; er wolle auch nicht, daß, wenn der Verfasser vielleicht erführe, daß er es in Händen gehabt, dieser sich an dem Gedanken erfreuen solle, er habe es gelesen, denn von unzüchtigen und schändlichen Dingen müsse man die Gedanken wegwenden, wieviel mehr die Augen. Sie fragten ihn, wohin er entschlossen sei, seinen Weg zu richten. Er antwortete, nach Saragossa, um bei den Turnierenum den Harnisch gegenwärtig zu sein, die jährlich in dieser Stadt angestellt würden. Don Juan sagte ihm, daß in dieser neuen Historie erzählt würde, wie Don Quixote, sei es nun auch, wer es sei, sich zu einem Ringrennen eingefunden habe, ohne Erfindungen, armselig in seinem Motto, jämmerlich in den Livreen und nur reich an albernen Streichen.

»Dieser Ursache wegen«, antwortete Don Quixote, »will ich keinen Fuß nach Saragossa setzen, und so soll die ganze Welt die Lügen dieses neuen Geschichtschreibers erkennen, damit die Leute einsehen, wie ich nicht der Don Quixote bin, von dem er erzählt.«

»Daran tut Ihr wohl«, sagte Don Geronimo, »es gibt auch noch andere Turniere in Barcelona, wo der Herr Don Quixote seine Tapferkeit zeigen kann.«

»Das denke ich auch zu tun«, sagte Don Quixote, »jetzt aber bitte ich um gütige Entschuldigung, denn es ist Zeit, zu Bett zu gehen, setzt mich aber von nun an unter die Anzahl Eurer treuesten Freunde und Diener.«

»Und mich ebenfalls«, sagte Sancho, »vielleicht werde ich doch zu etwas taugen.«

Hiermit nahmen sie Abschied voneinander, und Don Quixote und Sancho gingen in ihr Zimmer, indem Don Juan und Don Geronimo über die Vermischung in Erstaunen gesetzt waren, in der sie seinen Verstand und seine Narrheit gesehen hatten, so daß sie wirklich glauben mußten, diese seien der wirkliche Don Quixote und Sancho, nicht aber die, welche der aragonesische Verfasser beschrieben hatte.

Don Quixote stand früh auf, und indem er an die Wand des andern Zimmers pochte, nahm er von seinen Wirten Abschied. Sancho bezahlte dem Schenkwirte reichlich und riet ihm, weniger den Vorrat seiner Schenke zu loben oder sie besser zu versorgen.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 2, S. 401-407,409.
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