Die Erzählung des Kochs.

[150] Vers 4363–4420.


In einem Laden und Proviantverkauf

In unsrer Stadt hielt sich ein Lehrling auf;

Ein kleiner, strammer Bursch voll loser Streiche

Und lustig wie ein Goldfisch in dem Teiche,

Braun wie die Beere, schwarzgelockt von Haaren;

Und da er in der Tanzkunst wohl erfahren,

So wurde Schwärmer Perkin er genannt.

Dabei saß er so voller Liebestand,

Wie je voll Honig eine Wabe saß,

Und gerne trieben Dirnen mit ihm Spaß.


Er sang und sprang auf allen Hochzeitsfesten.

Das Wirthshaus liebt' er; aber nicht zum besten

Den Laden. Gab's in Chepe was zu sehn,

So lief er fort und ließ den Laden stehn,

Und sah' sich's an, und drehte sich im Tanz;

Doch heimzukehren, das vergaß er ganz.

Er sammelte dann seine Schwefelbande

Und tanzte, sang und trieb viel Affenschande

Und kam auch häufig für ein Stelldichein

Zum Würfelspiel mit ihnen überein.[151]


Denn keinen Lehrling in der Stadt man fand,

Der je so gut das Würfelspiel verstand,

Wie Perkin that; auch war er nebenbei

Mit dem gemausten Gelde äußerst frei;

Denn in dem Laden fand zu seinem Schrecken

Sein Meister oftmals gänzlich leer die Trecken.

Denn, sicher, wenn ein Lehrling gerne schwärmt,

Die Würfel und die Dirnen liebt und lärmt,

Das wird im Laden bald bemerkt vom Herrn,

Hält er auch selbst sich von dem Treiben fern.

Zu Diebereien führen Saufgelage,

Ob man Ginterne, ob Ribebe schlage;

Und Schwärmerei und Ehrlichkeit bestehn

Nicht lang zusammen, das kann Jeder sehn.


Vom lust'gen Lehrling war jedoch im Haus

Des Meisters nahezu die Lehrzeit aus,

In der gescholten er bei Tag und Nacht

Und oft nach Newgate wegen Lärms gebracht.

Doch ward von seinem Herrn zuguterletzt

Ihm eines Tags der Laufpaß aufgesetzt;

Denn der besann sich auf das alte Wort:

Den faulen Apfel wirf vom Lager fort,

Wenn Du den Rest vor Fäulniß willst bewahren.

Auch beim Gesinde kann man dies erfahren;

Besser entläßt man einen bösen Knecht,

Eh' alle andern ebenmäßig schlecht.

Weßhalb den Lehrling auch sein Herr entließ

Und ihn mit Schimpf aus seinem Hause stieß.

So ward der lust'ge Lehrling fortgejagt,

Und mag nun lärmen, wie es ihm behagt.


Doch, wie dem Stehler nie der Hehler fehlt,[152]

Der ihm, wo was zu mausen ist, erzählt

Und der ihm borgt und der mit ihm verschwendet,

So wurden schleunigst Zeug und Bett verpfändet

An einen solchen Gauner und Cumpan,

Der stets bei allem Unfug oben an,

Und dessen Frau, trieb sie auch scheinbar Handel,

Ihr Brod gewann durch schlechten Lebenswandel.


* * * * * *


(Unvollendet geblieben.)

Quelle:
Chaucer, Geoffrey: Canterbury-Erzählungen, in: Geoffrey Chaucers Werke, Straßburg 1886, Band 2, S. 150-153.
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