Zweites Gespraech

Tribadikon

[9] OCTAVIA: Nun, da liegen wir also in deinem Bett: Du hast ja so oft gewünscht, ich möchte während der Abwesenheit deines Gatten Callias einmal eine ganze Nacht nicht nur an deiner Seite, sondern in deinen Armen verbringen.


TULLIA: Und ich, ich habe in diesem Bett gar viele schlaflose Nächte verbracht, weil die Liebe zu dir alle meine Adern durchströmte; denn in dieser Liebe verzehrte ich mich und sie versengte mich wie ein Feuerbrand.


OCTAVIA: Du liebtest mich? du liebst mich also jetzt nicht mehr?


TULLIA: Ich liebe dich, teuerstes Schwesterchen, und ich sterbe an dieser Liebe eines elenden Todes.


OCTAVIA: Du stirbst? Ist das dein Ernst? Für dich würde ich ja gerne mein Leben hingeben! Was ist denn das für eine Krankheit, an der deine Seele leidet? Denn dass du dich körperlich wohl befindest, daran kann ich ja nicht zweifeln – –


TULLIA: Wie du deinen Caviceus liebst, so liebe ich dich.


OCTAVIA: Drücke dich klar und deutlich aus! Was besagen diese verschleierten Worte?


TULLIA: Sei's – aber höre: du bist so reizend, so schön, so zärtlich – lass vor allen Dingen alle Schamhaftigkeit beiseite!


OCTAVIA: Du wolltest ja, dass ich mich ganz nackt in dein Bett legte. Ich habe dir diesen Gefallen getan. Du wolltest mich so in deinem Bette haben, wie ich mich meinem Caviceus ergeben würde. Habe ich denn nun noch nicht alle Schamhaftigkeit von mir abgetan?


TULLIA: Jene Königin von Lydien sagte ja allerdings: ›ich habe mit meinem Hemde zugleich auch alle meine Scham abgestreift‹.


OCTAVIA: Deinem Rat bin ich gefolgt und habe meine Schüchternheit überwunden; wie du habe ich über mich selber triumphiert.


TULLIA: Gib mir einen Kuss, liebenswürdiges Kind!


OCTAVIA: Warum nicht? So viele du willst und so feurig du sie willst!


TULLIA: Oh! wie göttlich ist die Form deines Mundes! Oh! wie leuchten deine Augen – heller als der Tag! Oh! wie ist deine Schönheit einer Venus würdig!


OCTAVIA: Und du wirfst auch noch die Decken ab? Ich weiss[9] nicht – ich möchte Angst bekommen, wenn du nicht Tullia wärest. Und ich bitte dich, sage mir, was bedeutet dies? Du hast mich ja nackt; was willst du denn noch?


TULLIA: O Götter! wie sehnlich wünsche ich, ihr gestattetet mir, des Caviceus Stelle zu vertreten!


OCTAVIA: Was heisst das? Wird etwa Caviceus meine beiden Brüste ergreifen, wie du es jetzt tust? Wird er so stürmisch seine Küsse mit den meinigen verschmelzen? Wird er meine Lippen, meinen Hals, meinen Busen mit seinen Zähnen beissen?


TULLIA: Dies, mein Herzchen, wird das Vorspiel zum Kampf sein, die Einleitung zum Feste der Venus.


OCTAVIA: Hör' auf! Deine Hand gleitet über meinen ganzen Leib hin; und jetzt geht sie gar noch tiefer hinunter! Was betastest du meine Schenkel? Ah, ah, ah! Tullia – was kitzelst du mich da unten? Du wendest ja deine Augen nicht mehr davon ab.


TULLIA: Mit wollüstiger Neugier betrachte ich mir diesen Tummelplatz der Frau Venus; er ist nicht gross, er ist nicht geräumig, und doch ist er voll köstlichster Wonnen; deine unersättliche Venus wird dar auf die Kräfte deines Mars bis aufs letzte erschöpfen.


OCTAVIA: Du bist von Sinnen, Tullia; wenn du Caviceus wärest, ich wäre nicht in Sicherheit! Was hast du dich jetzt aufrecht gesetzt und verschlingst mit deinen Augen alle meine hingestreckten Glieder von vorne und hinten? An mir ist doch nichts, was deine eignen Reize überträfe. Sieh nur dich selber an, wenn du etwas sehen willst, was deiner Liebe und deines Lobes würdig ist.


TULLIA: Es wäre eine Dummheit von mir und keine Bescheidenheit, wenn ich leugnen wollte, mit einiger Schönheit begnadet zu sein. Ich stehe in der Blüte des Alters, bin kaum sechsundzwanzig geworden und habe meinem Callias nur ein einziges Kind beschert. Wenn deine Sinne sich an mir irgend eine Wonne verschaffen können, so geniesse ihrer; ich werde dir's nicht wehren, Octavia!


OCTAVIA: Und auch ich werde es dir nicht wehren. Koste jede Lust, die ich dir bereiten kann; ich erlaube es dir. Aber ich weiss recht wohl, eine Jungfrau, wie ich, vermag überhaupt keine Wollust zu bereiten, und ebensowenig kann ich Wollust an dir finden, obwohl du wirklich ein Zaubergarten voll von allen möglichen Wonnen und Genüssen bist.


TULLIA: O nein! Einen Garten hast du! – einen Garten, worin[10] Caviceus seine wollüstige Begier mit gar saftigen Früchten laben wird.


OCTAVIA: Ich habe keinen Garten, den nicht auch du hättest, und die Früchte des meinigen sind auch in dem deinen in reichster Fülle. Was nennst du denn einen Garten? Wo ist er? Welches sind seine Früchte?


TULLIA: Ich verstehe dich, du kleine Unart! Du hältst mir meinen Garten vor, weil du den deinen vollkommen so genau kennst, wie ich den meinen.


OCTAVIA: Vielleicht bezeichnest du mit diesem Namen jenen Teil, auf den du deine rechte Hand gepresst hältst, den du mit deinen Fingern bearbeitest, den du mit deinen Nagelspitzen kitzelst?


TULLIA: Ganz recht, lieb Schwesterchen! Du weisst nur noch nichts damit anzufangen, mein süsses Dummchen; aber ich werde es dich schon lehren.


OCTAVIA: Wenn ich's vor meiner Hochzeit lernte, so wäre ich nicht mehr keusch und wäre auch nicht mehr deiner Liebe würdig, denn dann wäre ich ja ganz anders als du! Sag mir nur, wozu der Garten dient! Vor allen Dingen aber strecke dich im Bett aus; denn wenn du so sitzen bleibst, machst du uns alle beide müde!


TULLIA: Den Gefallen will ich dir tun. Nun aber spitze die Ohren; denn verlass dich drauf: je aufmerksamer du die Ohren spitzest, desto leichter und häufiger wird auch Caviceus etwas spitzen. Das gebe Frau Venus! Und nimm du es als gutes Zeichen an, Octavia!


OCTAVIA: Ich tu's ... Du lachst laut auf! Was für ein boshafter Sinn versteckt sich denn hinter deinen Worten. Wahrhaftig – ich vermag ihn nicht zu entdecken.


TULLIA: Aber du wirst sehr wohl fühlen, dass ich mit diesem Glückwunsch deinem Gärtchen viele Wonnen wünsche.


OCTAVIA: Du sprichst zu tauben Ohren!


TULLIA: Gebe Venus, dass du verstehest und begreifest. Dieses dein Gärtchen, dem ich wünsche, dass ihm niemals, weder im Lenz noch im Winter, die Früchte fehlen – dieses Gärtchen ist die Stelle, die unter der Erhöhung des Unterleibes ein dichtes Vliess – bei dir nur erst ein leichter Flaum – bedeckt. Man nennt sie die Scham. Wenn dieser Flaum zuerst erscheint und zu spriessen beginnt, so ist das ein Anzeichen, dass hier eine Jungfernschaft für[11] Venus reif geworden ist und gepflückt werden kann. Cymba, navis, concha, saltus, clitorium, porta, ostium, portus, interfemineum, lanuvium, virginal, vagina, facandrum, vomer, ager, sulcus, larva, annulus – dies sind die lateinischen Bezeichnungen dafür. Die Griechen dagegen nennen es: αἰδοῖον, δέλτα, χοῖρος, ἐσχάρα. Julia, die Tochter des Augustus, sagte oft, sie wäre sicher, ihrem Gatten Agrippa nur Kinder zu schenken, die ihm ganz und gar ähnlich wären, weil sie nur dann Fahrgäste in ihren Kahn aufnähme, wenn dieser schon voll wäre. Ἐσχάρα bedeutet Herd und Kamin; χοῖρος Sau; δέλτα ist der vierte Buchstabe, ∆, d, den die Griechen so nannten; aber die Form dieses Buchstabens weicht von der unseres Gärtchens ganz beträchtlich ab. Wenn diese Nacht herum ist, dann sollst du, Schwesterchen, aus meinen Armen klüger hervorgehen, als wenn du auf dem Parnass geschlafen hättest; du sollst auf Griechenart Beben können: was das bedeutet, hast du aus dem Juvenal gelernt.


OCTAVIA: Ich möchte lieber so gelehrt sein wie du, liebe Schwester; das stände mir höher als die Sättigung mit allen Wollüsten. Wenn ich dich so jung und so gescheit sehe, da möchte ich, du wärest Caviceus. Mit welcher Freude würde ich alle Schätze meiner Schönheit dir ausliefern!


TULLIA: Umarme mich, liebes Kind! Ich brenne vor Liebe zu dir. Lass meine Blicke und Liebkosungen überall umherschweifen! Caviceus wird dadurch um nichts zu kurz kommen – und du auch nicht! Ach, wie eitel und vergeblich ist all dies mein Bemühen! Was will ich denn nur eigentlich, ich Unglückliche? Wie heiss, wie innig liebe ich dich!


OCTAVIA: Lösche die Glut deiner Begierden, überlass dich dieser Trunkenheit deiner Sinne. Was du willst, das begehre auch ich mit allen Fibern!


TULLIA: Nun, so lass denn dein Gärtchen mein eigen sein; lass mich seine Herrin sein – leider, ach, eine ohnmächtige Herrin! Denn ich habe weder den Schlüssel, um sein Pförtlein zu öffnen, noch den Klopfer, um daran anzupochen, noch den Fuss, um das Gärtlein zu betreten.


OCTAVIA: Ich gebe dir das Gärtlein ganz und gar zu eigen, denn ich selber bin ja ganz und gar dein. Was ist denn an mir, das nicht gänzlich dir gehörte? Aber wie? Du legst dich auf mich? Was soll das bedeuten?
[12]

TULLIA: Weiche doch nicht zurück, Liebling! Oeffne die Beine!


OCTAVIA: Du siehst, ich hab's getan. Und nun hast du mich ja ganz und gar: dein Mund ist auf meinen Mund gepresst, deine Brust auf meine Brust, dein Schoss auf meinen Schoss: darum will auch ich dich umklammern, wie du mich umklammert hast.


TULLIA: Hebe die Unterschenkel noch höher! Schliesse deine Lenden über meinen Lenden zusammen. Ich lehre dich in deiner holden Unerfahrenheit jetzt eine neue Venus kennen. Wie eifrig du mir gehorchst! Schade, dass ich nicht so gut kommandieren kann, wie du exerzierst!


OCTAVIA: Ach! ach! meine liebe Tullia, meine Herrin, meine Königin! Wie du mich stössest, wie du dich hin- und herbewegst! Ich wollte, diese Lichter würden ausgelöscht; ich schäme mich, dass das Licht es mit ansehen soll, wie ich dir unter liege.


TULLIA: Gib doch acht, was du zu tun hast! Wenn ich stosse, so musst du gegenstossen; rüttle, bewege deine Hinterbacken, wie ich die meinen bewege; hebe sie so hoch, wie du nur kannst! Fürchtest du, die Luft könnte dir ausgehen?


OCTAVIA: Wirklich, du machst mich mit deinen schnellen Stössen ganz müde; du pressest mich zusammen; glaubst du, ich würde mir von einer anderen in so wilder Weise Gewalt antun lassen?


TULLIA: Komm, Octavia, umklammere mich! Nimm mich hin! Da! Da strömt mein Leben! ... Oh! wie glüht mir der Busen! Ach, ach, ... ach!


OCTAVIA: Dein Gärtchen setzt das meinige in Brand. Hör doch auf!


TULLIA: Endlich, meine Göttin, bin ich dir Mann gewesen ... meine Braut! meine Gattin!


OCTAVIA: Oh, wollte der Himmel, du wärest mein Gemahl! Welch eine liebende Gattin würdest du an mir haben! welchen angebeteten Gatten würde ich besitzen! Aber du hast mein Gärtchen mit einem Regen überschwemmt; ich fühle mich ganz und gar nass! Mit was für Greueln hast du mich überströmt, Tullia?


TULLIA: Ja, freilich – ich bin fertig geworden. Aus dem untersten Kielraum meines Schiffchens hat in blinder Trunkenheit die Liebe ihren Venussaft in deinen jungfräulichen Kahn geschleudert. Aber, sage mir: hat in deinem Innersten jemals eine grössere Wollust alle deine Sinne in Aufregung gebracht?
[13]

OCTAVIA: Ueberhaupt keine ... möge Venus mir verzeihen, aber was du tatest, das hat mir, soviel ich bemerkte, gar keine Wonne bereitet. Ich war ein bisschen aufgeregt, als ich fühlte, dass du im allerhöchsten Entzücken schwebtest, und einige Funken deiner Flamme fielen in jenen Teil, den du so eifrig mit deinen Stössen bedrängtest; aber sie haben mich nur darauf aufmerksam gemacht, dass es bei dir brannte, mich selber haben sie nicht in Flammen gesetzt ... Aber sage mir, Tullia, verfolgt denn diese Leidenschaft, die dich beseelt, auch andere Frauen, sodass sie junge Mädchen lieben und umarmen?


TULLIA: Alle Frauen lieben sie und schliessen sie brünstig in ihre Arme, wenn sie nicht stumpfsinnig und kalt wie Stein sind. Denn was gibt es Wonnigeres als ein frisches, reines Mädchen – frisch und rein, wie du selbst es bist? So war, vor ihrer Verwandlung in einen Knaben, Iphis1 in Liebe zur Ianthe entbrannt:


Iphis liebt und verzweifelt, jemals die Geliebte zu freien:

Höher nur lodert darum die Liebe des Mädchens zum Mädchen.

Tränen im Auge ruft sie: Was wird das Schicksal mir bringen?

Mir, der mit nie zuvor gekannter, mit grausiger Liebe

Venus das Herz erfüllt? Wenn hold die Götter gewesen,

Hätten den Tod sie mir gesandt, doch sollte ich leben,

Warum gewährten sie nicht die Lust mir natürlicher Liebe! ...

›Sieh, kein strenges Gebot des Vaters wehrt dir – die Freundin

Schmiegt sich willig dir an – und doch wird niemals das Glück dir

Lächeln, mögen auch Menschen und Götter mit Hilfe dir nahen!‹ ...

Was ich wünschte, ist Alles erfüllt nun – huldvoll gewährten,

Was sie nur konnten, die Götter; es haben meinem Verlangen

Sich ohne Murren gefügt der Vater, die Braut und der Schwäher.

Doch die Natur, die mächtiger ist als Menschen und Götter,

Die unerbittlich ist – ihr Machtwort hat sie gesprochen.

Endlich ist er gekommen, der Hochzeitstag, und Ianthe

Wird jetzt mein – o nicht doch! Wie Tantalus dursten am Quell wir!

Sag, was willst du bei uns, o eheschüttende Iuno?

Wer von uns beiden soll zu deinem Altare die andre

Führen, o Hymen? wir tragen ja beide den Schleier der Jungfrau!


Ich muss es dir gestehen, Octavia: wir Frauen sind recht liederlich, wenigstens die meisten von uns. Weisst du, was bei Petronius die Quartilla sagt? ›Möge Junos Zorn mich treffen, wenn ich mich erinnern[14] kann, jemals Jungfrau gewesen zu sein! Als ganz kleines Gassenmädel habe ich mit meinen Altersgenossen schlechte Sachen getrieben; später, im Lauf der Jahre, habe ich mich grösseren Knaben hingegeben, bis ich schliesslich zu dem Alter heranwuchs, in dem ich jetzt stehe.‹


OCTAVIA: Bis jetzt, Tullia – davon hast du dich ja selber überzeugt – bin ich keusch an Leib und Seele geblieben. Du schiltst mich stumpfsinnig und dumm; aber jetzt fühle ich mich von sinnlichen Lüsten, von verliebten Begierden gekitzelt. Mein Hochzeitstag naht – und dessen bin ich froh, denn, wie ich glaube, können wir nur in den Armen eines Mannes, an dessen Seite wir ruhen, einer wahren echten Wonne geniessen.


TULLIA: Darin hast du recht, und du wirst es nächste Nacht erfahren. Möge die Wonne von Lampsakos dich glücklich machen! Aber das Anschwellen des Leibes, die Schwangerschaft, die Niederkunft sind leider die unmittelbaren Folgen der allzu unbekümmerten Belustigungen der Männer mit uns und der ›turgentis verbera caudae‹.2 Ausserhalb der Ehe ist diese Liebesglut, die die jungen Mädchen zum vollständigen Beischlaf lockt und treibt, von Gefahren und Leiden vergiftet; unter dem Deckmantel der Ehe dagegen geht alles frei und fröhlich zu. Der Schleier, mit dem die Jungvermählten sich das Haupt umhüllen, dient zugleich dazu, ihre sündigen Ausschweifungen zu verbergen; dank diesem Schleier entziehen sie sich aufs beste dem wachsamen Auge der Gesetze und der Oeffentlichkeit. Folglich, meine Octavia, müssen die Jungfrauen und die unvermählt Bleibenden auf einem anderen Wege die Liebeswonne suchen, zu der es – so sagt Lucrez – alle Geschlechter lebender Wesen mit einer Gewalt treibt, die nichts besänftigen kann, als die Gewalt der Venus selber. Es ist also nicht zu verwundern, wenn eine Jungfrau von einer Jungfrau geliebt wird, da ja die erlauchtesten Heroen einst bei ihrem eigenen Geschlecht Befriedigung ihrer Liebesbrunft fanden.


OCTAVIA: Aber du – du bist ja keine Jungfrau, du hast schon mit einem Mann zu tun gehabt; es steht dir jederzeit frei, die Wonnen der Liebe in ihrem ganzen Umfang auszukosten. Wie ist es also möglich, dass du mich liebst, dass du die Freuden der[15] Liebe in diesen Künsten suchst, mit denen Venus sich selbst betrügt?


TULLIA: Ich will vor dir aus all meinem Tun kein Hehl machen: meine geliebte Pomponia, meine vertrauteste Freundin von der Wiege an, sie war es, die vor einigen Jahren zuerst diesen Tanz mit mir zu tanzen begann. Pomponia ist in der Liebe höchst erfinderisch, aber auch höchst schamlos: ausschweifend wie keine, aber dabei auch vorsichtig wie keine. Anfangs hatte ich Ekel vor einem solchen Geschmack; die Erfüllung ihrer Wünsche erschien mir als eine wahre Qual – allmählich aber gewöhnte ich mich daran. Pomponia ging mir mit gutem Beispiel voran; sie begnügte sich nicht damit, meinen Launen den Genuss ihres Leibes zu überlassen, sondern sie befahl mir, kühn meinen Wünschen zu folgen; so war sie mir süsse, hingebende Geliebte und verschaffte zugleich sich selber himmlische Genüsse. Nachdem ich eine lange Lehrzeit in allen diesen Liebesfreuden durchgemacht hatte, kam es schliesslich so weit, dass ich meine Freundin kaum entbehren konnte. Seitdem aber du, Octavia, mit unzähligen Pfeilen mir das Herz durchbohrt hast, bin ich in solcher Liebe zu dir entbrannt und brenne noch so stark, dass ich im Vergleich mit dir alle Menschen hasse, selbst meinen lieben Callias. Mir ist's, als umschlössen deine Umarmungen alle Wollust, die es gibt. Halte mich darum nicht für schlechter als die anderen: dieser Geschmack ist fast über die ganze Welt verbreitet. Die Italienerinnen, die Spanierinnen, die Französinnen lieben gern ihre Geschlechtsgenossinnen, und wenn die Scham sie nicht zurückhielte, würfen sie sich am liebsten brünftig einander in die Arme. Besonders bei den Lesbierinnen herrschte dieser Brauch: Sappho hat den Namen ›Lesbierin‹ berühmt, ja sie hat ihn adelig gemacht. Wie oft haben ihre Lieblinge Andromeda, Athys, Anaktoria, Mnais und Girino die Wonnen ihres Leibes genossen! Die Griechen nennen die Heldinnen dieser Art Tribaden; die Lateiner bezeichnen sie als Frictrices und Subagitatrices. Philaenis, die sich dieser Lust leidenschaftlich hingab, gilt als die Erfinderin derselben; durch ihr Beispiel – denn sie war eine hochangesehene Frau – verbreitete sie unter Frauen und Mädchen den Geschmack an einer vor ihrer Zeit unbekannt gewesenen Wollust. Tribaden nannte man sie, weil sie abwechselnd pressen und sich pressen lassen; Frictrices, weil sie ihre Leiber an einander reiben; [16] Subagitatrices von den heftigen Bewegungen ihrer Lenden ... Was willst du noch mehr, liebste Octavia? Machen und sich's machen lassen – so ziemt sich's für eine Frau, die keine dumme Gans ist und der das Herz kräftig in der Brust schlägt.


OCTAVIA: Himmlische Güte! Du erzählst mir von niedlichen Dingen – aber sie sind nicht weniger ungereimt als spasshaft. Nun, du bist also heute Abend Tribade sowohl wie Frictrix und Subagitatrix gewesen. Aber wie willst du denn nun mich nennen?


TULLIA: Meine zärtliche, meine reizende, meine göttliche Cypris! Uebrigens habe ich nichts gemacht, was deiner jungfräulichen Unbescholtenheit den geringsten Schaden hätte zufügen können, habe kein Hülfsmittel angewandt, um dieses Pförtchen zu erbrechen, um die Blume deiner Jungfernschaft zu pflücken.


OCTAVIA: Wie wäre dir denn auch so etwas möglich gewesen?


TULLIA: Die Milesierinnen machten sich aus Leder Dinger von acht Zoll Länge und entsprechender Dicke. Aristophanes sagt uns, die Frauen seiner Zeit hätten sich solcher Werkzeuge bedient. Auch heute noch nimmt bei den Italienerinnen, und besonders bei den Spanierinnen, auch bei unseren asiatischen Geschlechtsgenossinnen, dieses Instrument den Ehrenplatz auf dem Putztisch der Damen ein und ist der kostbarste Gegenstand der ganzen Einrichtung. Es ist sehr teuer.


OCTAVIA: Ich begreife nicht, was das für ein Ding ist und wozu es gut sein kann.


TULLIA: Du wirst es später schon begreifen ... aber sprechen wir von etwas anderem.


Fußnoten

1 Ovid, Metamorph. Buch IX, Vers 723 uff.


2 Horaz, Satiren, zweites Buch. VII, 57.


Quelle:
Meursius: Gespräche der Aloisia Sigaea. Leipzig 1903, S. 18.
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