10.

[189] Durch meine letzten Tage

Ein seltsam Leuchten ging –

Wie helle Botschaft großer Zeit –

Wie stummer Schicksalswink:

Daß, da die Stunden herbsten,[189]

Das Licht auf Abschied sann,

Der Sieg in mir vollendet ward,

Um den ich rang so hart, so hart,

Als Frühlingsstürme krachten,

Als Sommernächte wachten –

Den ich trotz heißem Trachten,

Doch nimmer, nimmermehr gewann! ...


Durch meine Brust es säuselt

Wie tagende Dämmerung –

Und mich ergreift so seltsam süß

Schweifender Sehnsucht Schwung!

Bald wird es sich erfüllen –

Zur Freiheit reift es um!

Die letzte Bürde werf' ich hin –

Nur eines dünkt mich noch Gewinn –

Die Zweifel unterliegen –

Mag's brechen oder biegen –

Nur eins will ich ersiegen:

Der Zukunft Evangelium!

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 189-190.
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