Zehnter Auftritt

[29] Nureddin. Abul. Nureddins Diener.


NUREDDIN zu den Dienern, auf Abul deutend.

O sehet den Armen,

Wie bleich zum Erbarmen!

Sein Leben vergehet,

Sein Atem verwehet,


Das Fieber ihn schüttelt

Und ziehet und rüttelt;

O sehet ihn wanken

Und beben und schwanken.


O eilt, ihn zu retten,

Ihn wohlig zu betten,


Die Diener umringen den Barbier, der während des Folgenden vergebliche Anstrengungen macht, sich von ihnen loszumachen.


Ihn nieder zu strecken,

Mit Kissen zu decken.
[29]

Ihn müssen Arzneien

Vom Übel befreien.

O gebt von den Flaschen

Dem Armen zu naschen,


Mit Tränken und Pillen

Das Übel zu stillen,

Mit Salben und Säften

Zu helfen nach Kräften.


Und mag er nicht nehmen,

Er muß sich bequemen,

Man kann zum Verschlingen

Mit Schlägen ihn zwingen.


Man rufe Doktoren,

Noch eh' er verloren,

Herbei mit dem Bader,

Er laß ihm zur Ader;

Ertränkt den Patienten

In Medikamenten!


Er eilt ab.

Abul reißt sich los, will ihm nach.


CHOR DER DIENER Abul zurückhaltend und umringend.

So lasset uns eilen,

Den Kranken zu heilen,

Die starrenden Glieder,

O strecket sie nieder!


Abul will entfliehen, eine entgegenstehende Gruppe fängt ihn auf.


CHOR DER DIENER.

Wir brauen die besten

Arzneien aus Resten

Und wollen dazwischen

Die Pillen dir mischen.


Nimm ein ohne Schrecken,

Es möge dir schmecken;

Nicht mucken und zucken!

Nur ducken und schlucken!

ABUL sucht aufs neue zu entfliehen, wird aufgehalten.

CHOR DER DIENER.

Wir wehen dir Kühle,

Zu lindern die Schwüle;[30]

Doch Frost wir vertreiben

Durch heftiges Reiben.


Abul sucht wieder nach einer andern Seite zu entrinnen, wird aufgehalten.


CHOR DER DIENER.

Laßt spanische Fliegen

Am Halse ihm liegen

Und Pflaster ihm prangen

Auf Stirne und Wangen.


Neuer Fluchtversuch.

Abul wird festgehalten und in den Vordergrund gezogen.


CHOR DER DIENER.

Bringt Wasser in Menge,

Daß man ihn besprenge,

Und Opium Pfunde,

Damit er gesunde.


Dein Bart ist im Wege,

Wir holen die Säge.


Motawackel eilt ab.


Hier deine Lanzetten,

Sie müssen dich retten.


Wir lassen, o Bader,

Dir selber zu Ader!


Eine Gruppe von Dienern hat Abul zum Ruhebett hingezogen. Er wird ausgestreckt und so in Kissen gehüllt, daß man nur noch Mütze und Bart sieht. Einige Diener halten Abul fest, andere bewaffnen sich mit Lanzetten und Rasiermessern; einer bürstet ihm die Füße mit einer großen Bürste; einer weht Kühle mit einem großen Tuche; einer schüttet den Rest der Medizinflaschen in ein großes Glas und macht Miene, ihm einen Löffel voll einzuzwängen. Bei den Worten »Zofar, Dschafar« bekommt er ein

großes schwarzes Pflaster auf Stirn und Nase gesetzt, und bei dem Rufe »Motawackel« ist dieser schon mit einer Handsäge wiedergekehrt, faßt den Bart beim Ende an und will ihn in der Nähe des Kinnes durchsägen.


ABUL spricht dumpf stöhnend aus der dichten Hülle von Kissen und Decken hervor.

Ali, Sadi, habt Erbarmen!

Abbas, Achmet, laßt mich Armen!

Mustein! Hussein![31]

Muß Verdruß sein?

Zofar, Dschafar,

Motawackel,

Ihr tötet mich!

CHOR DER DIENER.

Abul Hassan Ali Ebn Bekar,

Wir retten dich!

Während sich alle an ihre verschiedenen Funktionen begeben, fällt der Vorhang.


Quelle:
Peter Cornelius: Der Barbier von Bagdad. Stuttgart [o. J.], S. 29-32.
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