Siebenter Auftritt

[23] Nureddin. Abul.


NUREDDIN beiseite.

Ich seh', durch Strenge werd' ich ihn nicht los,

Versuch' ich denn, durch Schmeicheln ihn zu kirren.


Zu Abul.


Erhabner Freund, du Krone der Barbiere,[23]

Du Bruder Bakbaks, Bukbuks, Bakbarahs

Und Alkuz', Alnaschars und Schakkabaks,

Du Alleswisser und du Alleskönner,

Mich ruft ein dringendes Geschäft von hinnen;

Du würdest ganz unendlich mich verbinden,

Wenn du nun endlich so geneigt sein wolltest –

ABUL.

O wie die Rede süß vom Mund dir träuft!

Nun sitze nieder; sanft wie Zephirhauch

Soll meine Klinge übers Haupt dir streifen.


Er wendet sich schon während der letzten Worte zum Tisch, breitet seine Utensilien aus, nimmt sein Becken vom Gürtel und schlägt Schaum.


NUREDDIN setzt sich während der folgenden Worte auf einen Stuhl in die Mitte der Bühne.

Heil mir, so wird er endlich nun beginnen;

Das wird ein Stelldichein mit Abenteuern!

Margiana, o Margiana, du mein Alles!

ABUL nimmt das Damasttuch von seinem Gürtel, hängt es Nureddin um und singt dabei halblaut in den Bart brummend.

Margiana, o Margiana, du mein Alles?

Haha! Ich merk', er ist verliebt. Nun wart'!

Noch eh' du glatt geschoren, weiß ich alles.

»Laß dir zu Füßen wonnesam mich liegen, o Margiana!«

NUREDDIN emporspringend.

Margiana!?

ABUL.

Was willst du denn? Ich sing' ein Liebeslied,

Das ich dereinst in meinen jungen Jahren

Gedichtet und auch in Musik gesetzt.

NUREDDIN setzt sich wieder.

So singe nur, doch mache, daß du endest!

ABUL Nureddins Kopf einseifend.

»Laß dir zu Füßen wonnesam mich liegen, O Margiana!«

NUREDDIN jedesmal wiederholend.

O Margiana!

ABUL im Rasieren.

»An deine Hand die Lippe trunken schmiegen,

O Margiana!

Auf deinem Munde lachet holde Fülle süßer Labe,

Laß nur den Hauch mich nippen still verschwiegen,

O Margiana![24]

Wonnen der Liebe gleichen bunten flücht'gen Sommerfaltern,

Lasse sie kosend um die Stirn uns fliegen,

O Margiana!

Die Welt versinkt, es leuchten helle goldnen Äthers Wogen,

Wir sind empor zum Eden schon gestiegen,

O Margiana! O Margiana!«

NUREDDIN einstimmend.

O Margiana!

Wonnen der Liebe – o Margiana!

Die Welt versinkt – o Margiana!


Abul vertieft sich in die Kadenz des Liedes; er hat bis darin Nureddins Kopf halb rasiert, während der Kadenz aber vergißt er das Geschäft vollständig. Er tritt mit Messer und Becken in den Vordergrund und vertieft sich ganz in die Erfindung der Rouladen, freut sich mit sichtbarem Wohlgefallen seiner Stimme. Zuletzt als Nureddin ihn beim Arm packt, ist er ganz wie aus den Wolken gefallen, schrickt sichtbar zusammen.


NUREDDIN begleitet die Kadenz mit den Gebärden der bittersten Verzweiflung; ihn unterbrechend, in der höchsten fieberhaften Aufregung.

Mein teurer Abul! Deiner Stimme Klang,

Voll bebenden Gedenkens einst'ger Zeit,

Verrät mir, daß auch du einmal geliebt!

So höre denn und laß dein Herz bewegen.

Ich liebe! Und Margiana heißt auch sie!

Zum Stelldichein ließ mich Margiana laden,

Wenn Mittag ist und die Muezzin rufen.

Die Stunde naht, und ich versäume sie.

Drum, wenn ein Funke menschlichen Gefühls,

Wenn je ein Hauch von Liebe dich durchdrungen,

Auf meinen Knieen hier beschwör' ich dich: Rasiere mich!!


Er sagt diese Worte in flehender ergebenster Stellung, als mache er Anstalten, wirklich niederzuknien. Bei den Worten »Rasiere mich« verliert er die Besinnung und fällt in Abuls Arme.


ABUL feierlich, gerührt, väterlich zärtlich.

Du liebst?! Du liebst!? O fühl' an diesem Herzen,[25]

Dem neunzigjähr'gen, ob auch ich geliebt!?


Bei diesen Worten zieht Abul Nureddin ans Herz. Kurze Pause einer enthusiastischen Umarmung.


NUREDDIN UND ABUL mit jubelnder Begeisterung.

O Liebe! Liebe! Seligstes Gefühl!

»Laß dir zu Füßen wonnesam mich liegen,

O Margiana!

An deine Hand die Lippe trunken schmiegen,

O Margiana!

Von deinem Munde lachet holde Fülle süßer Labe,

Laß nur den Hauch mich nippen still verschwiegen,

O Margiana!

Wonnen der Liebe gleichen bunten flücht'gen Sommerfaltern,

Lasse sie kosend um die Stirn uns fliegen,

O Margiana!

Die Welt versinkt, es leuchten helle goldnen Äthers Wogen,

Wir sind empor zum Eden schon gestiegen,

O Margiana!«


Während des Nachspiels eilt Nureddin wieder zum Stuhl.


ABUL während er eifrig rasiert.

Und sprich, wo wohnet sie? Wer ist ihr Vater?

NUREDDIN.

Der Kadi Baba Mustapha.

ABUL.

Nicht möglich!

Der Schurk'! Ich hass' ihn tödlich!

NUREDDIN.

Und warum?

ABUL.

Mög' Allah ihn verderben!

NUREDDIN.

Und weshalb?

ABUL.

Die Pest auf den Barbaren!

NUREDDIN.

Sprich, weswegen?

ABUL.

Ei denk' dir nur – der Kerl rasiert sich selber!

NUREDDIN.

Ha ha ha ha!

ABUL.

O lache nicht! Nimm dich in acht vor ihm.

NUREDDIN.

Was kümmert mich der Vater denn? Er geht

In die Moschee – ich zu Margiana.

ABUL.

Herrlich.

Doch denke an die drohende Gefahr!

Ich werde dich geleiten, dich beschützen.

NUREDDIN.

Mein teurer Abul, nein, ich geh' allein!

ABUL.

O Nureddin, mißtraue deinem Stern.

NUREDDIN.

Mein Stern ist Liebe, sie wird mich beschützen.[26]

ABUL ist fertig; er verbeugt sich, nimmt den Spiegel von seinem Gürtel und hält ihn Nureddin vor.

Nun bist du fertig. Schone dieses Haupts,

Das neu verherrlicht ist durch meine Kunst.

NUREDDIN.

Nimm meinen Dank. Ich gehe, mich zu kleiden,

Du aber geh' zu deinen andern Kunden.

Wenn ihrer viele auf dich warten,

Wird auch der Tage längster, fürcht' ich, dir zu kurz.


Er eilt in das Nebengemach.


Quelle:
Peter Cornelius: Der Barbier von Bagdad. Stuttgart [o. J.], S. 23-27.
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