Erster Auftritt

[32] Margiana. Dann Bostana. Dann der Kadi. Dann vier Diener. Zuletzt drei Muezzin hinter der Szene.


MARGIANA aus der Tür rechts auftretend.

Er kommt! Er kommt! O Wonne meiner Brust!

Wie werd' ich jubeln, ihn zu sehen!

Bezähm', o Herz, das Wallen deiner Lust,

O laß mich vor Entzücken nicht vergehen!

Den nie im Leben ich geschaut,

Geahnt allein in holden Träumen:

Gleich ist er hier in diesen Räumen,[32]

So schön, so hold, so süß und traut.

Er kommt! Er kommt! O Wonnelaut!

BOSTANA durch die Mitteltür eintretend, zu Margiana.

Er kommt! Er kommt! O wonnigliche Lust!

Wie wird er staunen, dich zu sehen;

Wie wird entzückt das Herz in seiner Brust

Vor eitel Glück und Wonne schier vergehen,

Der, seit er einmal dich geschaut,

Nur dich gesehn in wachen Träumen:

Gleich ist er hier in diesen Räumen

Und nennt dich seine holde Braut.

Er kommt! Er kommt! O Wonnelaut!

KADI durch die Mitteltür hereineilend, einen Brief und einen Schlüssel in der Hand.

Er kommt! Er kommt! O wonnigliche Lust!

Wie wirst du staunen, ihn zu sehen!

Wie wird entzückt das Herz in deiner Brust

Vor lauter Glück und Wonne schier vergehen!

Ein Schatz, wie du ihn nie geschaut,

Ja kaum geahnt in allen Träumen:

Gleich ist er hier in diesen Räumen,

Freund Selim schenkt ihn seiner Braut.

Er kommt! Er kommt! O Wonnelaut!


Vier Diener des Kadi tragen eine große, stattliche Kiste herein, setzen sie auf die Seite des Fensters dem Blumentisch gegenüber, nieder und entfernen sich wieder.


KADI.

Ja, frohe Kunde bring' ich, meine Tochter!

Mein alter Jugendfreund und Spielgenoß,

Der würd'ge Selim, fordert dich zum Weib,

Kommt von Damaskus bald, um dich zu holen.

Sieh, diese Kiste, sie ist voll von Gaben,

Die er zur Morgengabe dir gesandt.

MARGIANA zum Kadi.

Dein Wille, Herr und Vater, ist der meine;

Gehorsam danket deine Tochter dir.


Zu Bostana.


So hast du meinen Willen ihm verkündet,

Daß nach der Liebe Leid ihm Wonne winkt?

BOSTANA.

Ich sagt' ihm alles, er vergeht vor Liebe

Und stirbt vor Sehnsucht, bis die Stunde naht.[33]

KADI hat indessen die Kiste aufgeschlossen und mehrere Stoffe herausgenommen und entfaltet, die er dann über den Rand der Kiste herniederhängen läßt.

Sieh, diese Stoffe – Seide, Sammet, Atlas –

Den Purpurschal mit Goldbrokat verbrämt!

MARGIANA zum Kadi.

Welch eine Pracht, mein Vater, ich erstaune!


Zu Bostana.


Und wird die rechte Zeit er nicht versäumen?

BOSTANA.

Wenn von den Türmen die Muezzin rufen

Und wenn der Kadi ging, lass' ich ihn ein.

KADI.

Sieh diese reichen Kaftans und Dualmas!

Nicht Gleiches tragen des Kalifen Fraun.

MARGIANA zum Kadi.

Wie wird mich die Agraffe herrlich kleiden.


Zu Bostana.


Sag' an, er ist wohl bleich von Liebessehnen?

BOSTANA.

Ja, er ist bleich, doch hört er deines Namens Klang,

Wird wie von Purpur die Wang' ihm rot.

KADI.

Die Ringe, sieh, für Finger, Ohr und Arme!

Sind alles Diamanten und Smaragden.

MARGIANA zum Kadi.

Und die Rubinen! ach! rot wie die Liebe!


Für sich.


Bald ist er hier und heilen soll ihn Liebe!

BOSTANA.

Dem alten Selim lasse du die Schätze,

Ein junger Liebster ist der beste Schatz.

MARGIANA für sich.

Für alle Leiden spendet

Die süße Lieb' Ersatz.

Komm, daß dein Weh sie endet,

Mein holder Schatz.

BOSTANA zu Margiana.

Schon lauschet er und wendet

Nicht einen Fluß vom Platz,

Bis du mich hingesendet;

Der liebe Schatz!

KADI.

Sieh, welche Strahlen spendet

Der Diamantbesatz!

Wie das die Augen blendet!

O welch ein Schatz!

MUEZZIN hinter der Szene von verschiedenen Türmen.[34] Der erste (Baß) in der Nähe der Rückwand, also wie einer dem Hause nahegelegenen Moschee; der zweite (Tenor) entfernter; der dritte (Tenor) in großer Ferne, so weit wie möglich im Hintergrund.

Allah ist groß, und Mahomet sein Prophet.

Versammelt euch, ihr Gläub'gen, zum Gebet.

DER KADI, MARGIANA UND BOSTANA geben das ausfüllende Spiel, das sie noch während des Muezzinrufs eingehalten, auf und nehmen eine andächtige Stellung an.

Allah ist groß, und Mahomet sein Prophet.

Die Gläubigen all, sie eilen zum Gebet.

MARGIANA.

Nun komm', mein Schatz. Der fromme Kadi geht.

BOSTANA.

Ich hol' den Schatz – der fromme Kadi geht.

DER KADI.

Du schöner Schatz! – Ich eile zum Gebet!

DRITTER MUEZZIN.

Versammelt euch, ihr Gläubigen!


Der Kadi wirft noch einen entzückten Blick auf die Kiste, winkt seiner sich ehrfürchtig verneigenden Tochter einen Gruß zu und geht ab.

Bostana verschwindet, sobald er fort ist, durch die Tapetentür.

Margiana bleibt allein auf der Bühne, sieht einen Augenblick durch das Fenster, wendet sich dann zu der Seite des Blumentisches.

Bostana führt Nureddin herein und zieht sich zurück.


Quelle:
Peter Cornelius: Der Barbier von Bagdad. Stuttgart [o. J.], S. 32-35.
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