Eilftes Kapitel.

Welches eine Erzählung gegen den Zauber enthält.


Drei Tage später, als ich Zephis zum erstenmale sah, kam Mazulhim allein. Kaum hatte er einige Befehle ertheilt, als eine kleine Frau in das Kabinet eintrat; sie hatte eine lebhafte und flatterhafte Miene.

Von Weitem machte sie keinen unschönen Eindruck, in der Nähe hatte sie aber nur eine mittelmäßige Gestalt, welche man ohne ihren Lächerlichkeiten und ihrer übermäßigen Lebhaftigkeit, welche sie zur Schau trug, nicht leicht bemerkt hätte. Auch war dies die einzige Sache, welche bei Mazulhim den Wunsch erweckte, sie zu besitzen.[247]

»Ah!« rief er aus, als er sie erblickte, »Sie sind es, aber wissen Sie wohl, dass sie göttlich sind, so zeitlich zu kommen?«[248]

Diese Schöne näherte sich Mazulhim trotz ihrer kindlichen Miene mit jener vornehmen Leichtigkeit, welche fast all ihre Anmuth ausmachte, ohne ihm zu antworten, noch ihn anzusehen.

»Sie hatten Recht, mir zu sagen, dass Ihr kleines Haus hübsch sei, es ist reizend, wie geschmackvoll ist es möbliert! Das ist göttlich!« – »Ist es nicht wahr,« rief er, »dass es eines der schönsten der Vorstadt ist?«

»Ich bin erfreut, sie darin zu sehen, und dass es Ihnen gefällt.«

»Oh, was mich betrifft,« erwiderte sie, »ich habe vielleicht nicht so viel Umstände gemacht, wie ich sollte, um bis daher zu gelangen; es ist nicht deshalb, dass ich nicht ebenso wie eine Andere die Kunst verstände, mich zu verstellen und einen gewissen Anstand in eine Sache zu legen, aber ...«

»Sie beobachten ihn gewiss nicht,« unterbrach er sie, »indem muss man Ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen ...«

»Wenn das wahr ist, so bin ich wenigstens nicht falsch. Gestern, als Sie mir sagten, dass Sie mich lieben und mir vorschlugen, hierher zu kommen ..... war ich[249] sehr versucht, nein zu sagen, aber die Wahrheit meines Charakters erlaubte es mir nicht, ich bin aufrichtig, natürlich, Sie gefallen mir und da bin ich. Sie denken deshalb vielleicht nicht schlecht von mir?«

»Wer, ich?« antwortete er, »das ist ein schöner Gedanke, ich würde von Ihnen tausendmal besser denken, wenn es mir möglich wäre.«

»Sie sind wirklich liebenswürdig,« antwortete sie; »aber sagen Sie mir doch, ist es schon lange, dass Sie hier sind?«

»Ich bin eben gekommen,« versetzte er, »und schäme mich dessen; aber dachten Sie, die Erste hier zu sein?«

»Das wäre schön gewesen,« antwortete sie. »Aber hören Sie, ich muss Ihnen etwas Neues sagen: Zobeide hat eben Arebchan verlassen.«

»Hat sie ihm nur dieses angethan?« fragte er.

»Und Sophie,« fuhr sie fort, »hat eben Dara genommen.«

»Hat sie nur ihn genommen?« fragte er wieder.

Während sie sprach, nahm sich Mazulhim,[250] der sie zu gut kannte, um sie zu respektieren, mit ihr die größten Freiheiten heraus. Sie schien davon aber weit weniger berührt als er, und ließ ihre Augen mit einer gewissen Zerstreutheit in dem Kabinet herumschweifen, dann heftete sie dieselben auf die Uhr.

»Aber, welche Thorheit, Mazulhim,« sagte sie zu ihm, »werden wir denn diesen ganzen Tag allein sein?«

»Ohne Zweifel,« versetzte er.

»Wirklich?« antwortete sie, »darauf habe ich nicht gerechnet. Lassen Sie doch,« fügte sie hinzu, ohne zu wünschen, dass er fortsetze oder aufhöre (auch kümmerte er sich darum nicht mehr als sie). »Sie sind wirklich über alle Maßen thöricht.«

»Es scheint mir,« antwortete Mazulhim kalt, »dass diese Unterredung unsere Unterhaltung nicht stört und dass es unter uns abgemacht war.«

»Abgemacht,« antwortete sie, »welch ein Märchen; wo haben Sie denn dos hergenommen? Ich habe kein Wort gesagt, ich versichere Sie.«

»Ah, Zulika!« sagte er, »Sie haben[251] Geschmack, sagen Sie mir, was denken Sie über diesen Plafond?«

»Eben träumte ich darüber; ich möchte ihn weniger mit Vergoldung überladen, als er ist, aber ich finde ihn dennoch schön,« fügte sie hinzu, indem sie sich auf seine Knie setzte.

»Ich müsste doch recht thöricht sein, zu denken, dass Sie mir treu bleiben, Sie sind es ja noch keiner geblieben.«

»Ah, sprechen wir nicht davon,« erwiderte er (sich Dank der Güte Zulika's sehr bequem beschäftigend).

»Sie wären vielleicht in Verlegenheit, wenn ich beständiger wäre, als Sie es vermuthen.«

»Sie wollen mich also nicht in Ruhe lassen?« sagte sie, machte aber nicht die geringste Bewegung, ihm zu entschlüpfen, »was mich betrifft, so bin ich sehr beständig, das muss ich sagen.«

»Die Beständigkeit ist heutzutage keine Tugend,« antwortete er, »und man kann, ohne sich zu rühmen, sagen, dass man ihrer fähig ist. Sie haben dennoch manchmal[252] trotz der Beständigkeit, deren Sie sich rühmen, mit ihrer Neigung gewechselt.«

»Nicht so sehr, wie Sie es glauben.«

»Aber ich kenne Sie ja, und Sie können ihre zahlreichen Liebhaber nicht gut wegleugnen.«

»Nun gut; in diesem Falle werden Sie zugeben, dass es nur auf mich ankam, deren mehrere zu haben: hören Sie doch auf, Sie quälen mich.«

»Viel weniger, als ich es sollte.«

»Aber schließlich,« sagte sie, »ist das mehr, als ich verlange?«

»Was,« sagte er ihr, »lieben Sie mich denn nicht? haben wir denn nicht alles geordnet?«

»Ei, ja ...« antwortete sie, »aber ... Ei, Mazulhim, Sie missfallen mir!«

»Das ist ein Märchen,« wiederholte sie kalt, »das kann nicht sein.«

Dann legte er sie sanft auf mich.

»Ich versichere Sie, Mazulhim,« sagte sie, indem sie sich zurecht machte, »ich bin gegen Sie stark aufgebracht; ich sage Ihnen, dass ich eine solche Beschimpfung nie verzeihen werde.«[253]

Trotz dieser schrecklichen Drohung wollte Mazulhim ihr dennoch gänzlich missfallen. Da er unter anderen Dingen sehr ungeduldig war und sie die schlechte Gewohnheit hatte, auf Niemanden zu warten, so missfiel er ihr in der That in einem Punkte, den man sich nicht vorstellen könnte.

Trotz ihres Zornes wartete sie aber doch und die Eitelkeit ließ sie noch ihr Urtheil aufschieben.

Bei allen Gelegenheiten (und diese Gelegenheiten waren doch gewiss häufig) hatte man ihr gegenüber nie versagt. Das war für sie ein unwiderleglicher Beweis, was sie für einen Wert hatte. Übrigens dieser Mazulhim, den sie so wenig achtungswert fand, welcher Wunder, wenn man dem Publikum Glauben schenken sollte, war er nicht fähig! Sie hatte es von aller Welt sagen gehört, dass sie reizend sei; der Ruf Mazulhims war in dieser Hinsicht bekannt, sie dachte daher, dass der Zustand, in den er sie versetzt hatte, nicht natürlich sei und deshalb nicht anhalten konnte.

Bei diesen tröstenden Gedanken hatte sich Zulika mit Geduld gewappnet und verbarg[254] ihren Ärger, so gut sie konnte. Mazulhim jedoch glaubte sich verpflichtet, die galantesten Reden der Welt über ihre Schönheit zu halten, die ihn jedoch so wenig zu entflammen schien.

»Es mussten,« sagte er, »für den Zustand, in dem ich mich befinde, alle Zauberer Indiens gegen mich gearbeitet haben, aber,« fuhr er fort, »was vermögen deren Zauber gegen den Ihrigen, anbetungswerte Zulika? Die bösen Mächte haben ihre Gewalt nur aufgeschoben, aber sie werden niemals triumphieren.«

Diese missliche Lage erbitterte Zulika mehr als Mazulhim, der nicht aus der Fassung gekommen war; sie antwortete ihm darauf nur mit einem leichten, boshaften Lächeln, dem sie jedoch aus Furcht, ihm gänzlich zu missfallen, nicht jenen Ausdruck zu geben wagte, den sie gerne gewollt hätte.

»Sie haben sich also mit den Zauberern überworfen?« fragte sie ihn mit spöttischer Miene. »Ich rathe Ihnen, sich mit denselben zu versöhnen, denn Leute, die im Stande sind, solche Streiche zu spielen, sind gefährliche Feinde.«[255]

»Sie würden es weniger sein, wenn Sie sich vorgenommen hätten, sie Lügen zu strafen,« antwortete er, »und ich zweifle auch, dass es denselben trotz ihrer bösen Absicht gelungen wäre, wenn ich sie mit weniger Glut lieben möchte ...«

»Oh, das ist eine Rede, der ich wenig Glauben beimesse,« unterbrach Zulika, welcher[256] die Zeit zu lang wurde, da sie genug Aufschub geleistet zu haben glaubte.

»Ich weiß wohl,« erwiderte er, »dass, wenn Sie streng über mich urtheilen, Sie nicht zufrieden mit mir sein können; aber je weniger Sie es sind, umsomehr sollten. Sie es unterlassen, mir mein Unrecht vorzuhalten.«

»Ich zweifle,« erwiderte sie, »dass dies schicklich sein würde.«

»Ich glaubte, dass Sie weniger auf den Anstand halten,« erwiderte er mit spöttischer Miene »und ich wagte zu hoffen –«

»Sie wählen Ihre Zeit gewiss gut, um über solche Dinge zu spotten,« unterbrach sie ihn, »Sie haben Recht, nichts ist so glorreich für Sie, wie dieses Abenteuer!«

»Aber Zulika, können Sie denn niemals begreifen, dass der Ton, welchen Sie annehmen, meine Demüthigung vergrößert?«

»Das kümmert mich am wenigsten, ich schwöre es Ihnen.«

»Aber,« fragte er sie, »wenn Sie sich so wenig darum bekümmern, worüber ärgern Sie sich denn so sehr?«

»Sie erlauben mir, Ihnen zu sagen,[257] mein Herr, dass dieses eine sehr dumme Frage ist, die Sie mir da stellen.«

Bei diesen Worten stand sie, trotz aller Anstrengungen, die er machte, um sie zurückzuhalten.

»Lassen Sie mich doch,« sagte sie ihm mit herbem Tone, »ich will Sie weder sehen, noch anhören.«

»Gewiss!« rief er aus, »ich habe schon so unglückliche, aber noch nie so böse Damen gesehen.«

Dieser Ausruf Mazulhims gefiel der Zulika nicht; verzweifelt über den Unfall, der ihr begegnete und über die kalte Miene Mazulhims aufgebracht, ließ sie ihren Zorn an einer großen Porzellanvase aus, die sie eben zur Hand hatte, und zerbrach sie in tausend Stücke.

»Ah! Madame!« sagte Mazulhim lächelnd, »Sie hätten hier nichts zu zerbrechen gefunden, wenn alle Personen, welche mit mir nicht zufrieden waren, sich auf dieselbe Art gerächt hätten; übrigens,« fügte er hinzu, indem er sich auf mich setzte, »beschwöre ich Sie, sich keinen Zwang anzuthun.«[258]

»Das ist eine Frau, deren Charakter mir gefällt,« sagt Schah-Baham, »sie hat Gefühl und gleicht nicht dieser Zephis der alles gleichgiltig, und die übrigens die dümmste Zierpuppe ist, die ich meinem Leben begegnet habe. Ich fühle, dass sie mich unendlich interessiert, und ich empfehle sie Ihnen, Amanzei. Trachten Sie, dass man sie nicht fortwährend kränke.«

»Majestät,« antwortete Amanzei, »ich würde sie so sehr begünstigen, als die der Wahrheit gebührende Achtung es mir erlauben wird.

Als Mazulhim zu reden aufhörte, fing er zu träumen an. Zulika setzte sich in einen Winkel, ertrug ruhig die verächtliche Gleichgiltigkeit, die er ihr bezeugte, und fing an zu singen, um dieselbe zu erwiedern.«

»Wenn ich mich nicht irre,« sagte er, als sie geendigt hatte, »so ist das Stück, welches mir Madame vorgesungen hat, aus einer gewissen Oper.«

Sie antwortete nichts.

»Sie haben eine schöne Stimme,« fuhr er fort, »von geringem Umfang, aber klangvoll[259] und deren Töne gerade zum Herzen dringen.«

»Ein Glück, dass sie Ihnen gefällt,« antwortete sie, ohne ihn anzusehen.

»Sie glauben es vielleicht nicht,« erwiderte er, »aber es ist dennoch wahr und Sie können sich darüber geschmeichelt fühlen, denn wenige Leute verstehen das besser zu beurtheilen als ich. Eine andere Annehmlichkeit, die ich bei Ihnen finde, ist der reizende Ausdruck, der in seiner Lebhaftigkeit und Genauigkeit nichts zu wünschen übrig lässt und mit welchem ihre Augen so gut im Einklange stehen, dass es unmöglich ist, Sie zu hören, ohne bis in den Grund seines Herzens gerührt zu sein. Sie werden mir wieder antworten, dass es ein Glück ist, dass mir dies gefällt.«

»Nein,« antwortete sie mit sanfterer Stimme, »ich ärgere mich nicht, dass Sie liebenswürdige Dinge an mir finden, und je mehr ich Sie als einen Kenner schätze, umsomehr sollten mir Ihre Lobsprüche schmeicheln.«

»Das sind ja eben die Gründe, die mir Ihre Achtung erwerben sollten.«[260]

»Ah, ohne Zweifel,« sagte sie.

»Wollen Sie sagen, dass Sie sich in Nichts auskennen,« sagte er, »und um das Maß der Ungerechtigkeit voll zu machen, würden Sie sich nicht auch einbilden, dass es mir gleichgiltig sei, ob Sie gut oder schlecht von mir denken? Ah, Zulika! ist es möglich, dass das, was Ihre Zärtlichkeit vergrößern sollte, nur dazu diene, Sie gegen mich aufzubringen?«

»Ist es auch möglich?« erwiderte sie mit erregter Stimme, »dass Sie mich für genug angeführt halten, um die tiefste Beschimpfung, die Sie mir angethan haben, als einen Beweis der Liebe anzusehen?«

»Eine Beschimpfung!« rief er aus, »liebenswürdige Zulika! Sie kennen die Liebe wenig, wenn Sie glauben, dass wir über das, was uns widerfahren ist, erröthen sollten. Ich fürchte selbst nicht, Ihnen noch mehr zu sagen.«

»Die Leute, welche Sie mit Ihrer Zärtlichkeit beehrt haben, haben Sie sehr wenig geliebt, wenn Sie sie nicht alle so unglücklich gefunden haben, wie mich.«

»Oh, was das betrifft, hören wir auf,[261] mein Herr, oder ich verlasse Sie,« sagte sie aufstehend, »ich kann die Lächerlichkeiten und Unzukömmlichkeiten Ihrer Äußerungen nicht mehr ertragen.«

»Ich wusste nicht, dass Sie dieselbe verletzt,« antwortete er, »und ich bin überrascht, ich gestehe es, dass sie diese Wirkung auf Sie ausübt, aber das, worüber ich nicht zu mir kommen kann, ist, dass Sie mich durchaus für so schuldig finden. Aber Spass bei Seite,« sagte er, indem er aufstehen wollte, »ich will Ihnen beweisen, dass ich nicht Unrecht habe.«

»Nein, mein Herr,« rief sie aus, »ich verbiete Ihnen, mir nahe zu kommen.«

»Ich werde Ihre Befehle erfüllen, wie ungerecht sie auch sind, und werde nur von Weitem beweisen, da Sie es so für Recht finden.«

»Ja,« versetzte sie, »das wird Ihnen gewiss viel bequemer sein; aber besser noch, sprechen wir nicht mehr davon. Bin ich vielleicht so dumm, zu glauben, dass ein Liebhaber, je mehr Zärtlichkeit er fühlt, er sie umsoweniger ausdrücken kann?«[262]

»Das will ich sagen,« erwiderte er, »dass Sie von dem Gegentheile überzeugt sind?«

»Gewiss,« antwortete sie, »weil ich von keiner Sache mehr überzeugt sein kann, als ich es von dieser bin.«

»Nun gut, Madame, Sie können sich rühmen, die am wenigsten zartfühlende Frau der Welt zu sein, und wenn ich Sie nicht so sehr liebte, dass nichts in der Welt mächtig genug wäre, um mich von Ihnen loszureißen, so gestehe ich es Ihnen doch, Madame, dass diese Art Ihres Denkens mich auf ewig von Ihnen entfernen würde.«

»Es wäre in der That sehr merkwürdig,« sagte sie »wenn Ihnen dieselbe sehr gefiele.«

»Oh, nein,« erwiderte er mit leidenschaftlicher Miene, »ich bin nicht so eigennützig, wie Sie mir die Ehre anthun, es von mir zu glauben, aber das, was zu allen Zeiten entschieden wahr gewesen ist, dass, je mehr Liebe man empfindet, man umso weniger Herr seiner Sinne ist, und dass es nur gefühllosen Herzen, die unfähig sind, die Reize der Sinneslust zu empfinden, sich in solchen Momenten zu bemeistern, wie sie mich gefunden haben. Wenn die Hoffnung auf die[263] Liebesfreuden hinreicht, um einen Liebenden zu bestricken, bedenken Sie, wie sehr die Annäherung der von ihm so sehnlichst herbeigewünschten Augenblicke ihn beglücken mag; wie sehr seine Seele von dem Entzücken, das diesem Augenblicke vorangeht, erschöpft sein muss, und wenn diese Ausschweifung, die Sie mir vorwerfen, für eine denkende Frau so unliebsam ist, ferner, dass ich dieser Kaltblütigkeit nur aus Mangel von Überlegung von Ihnen beschuldigt worden.«

»Aufrichtig,« fügte er hinzu, indem er sich ihr zu Füßen warf, »sollte es das erstemal sein, dass Sie ...«

»Ah, hören Sie mit diesem schlechten Scherz auf,« unterbrach sie ihn, »lassen Sie mich, ich will fortgehen und Sie in meinem Leben nicht mehr sehen.«

»Aber, Zulika,« sagte er ihr, indem er sie mir zuführte, »es scheint, dass Sie nach der Art, mit welcher Sie mein Unglück aufnehmen, nicht genug Reiz zu haben glauben, um dasselbe aufhören zu lassen?«

Sei es, dass die zarte Anspielung Mazulhims Zulika zur Nachsicht geführt, kurz, sie ließ sich auf mich führen, indem sie diesen[264] leichten Widerstand leistete, der gewöhnlich noch mehr entflammt, als er aufhalten sollte.

»Nach und nach empfing Mazulhim mehr und er befand sich endlich in derselben Lage wie früher, worüber Zulika böse wurde. Schon war sie durch den Ungestüm Mazulhims verwirrt und schien lebhaft zu wünschen, er möge weniger von seinen Sinnen überwältigt sein, als das erstemal, als Mazulhim abermals ihre süßesten Wünsche enttäuschte.«

»Nun gut,« sagte der Sultan »er soll doch endlich aufhören; denn das langweilt mich ebenso sehr als sie. Nicht deshalb, weil ich die Partie der Zulika genommen habe, aber ich frage Dich, ob es Jemanden gibt, den dies nicht in Ungeduld versetzen möchte, selbst wenn es ein Derwisch wäre?«

»Es steht wirklich nicht der Mühe wert, sie warten zu lassen! Amanzei, das hast Du mir nicht versprochen, Du wirst mich noch am Ende glauben machen, dass Du gegen diese Frau eingenommen bist, und ich will Dir ganz offen sagen, dass ich dies nicht gutheißen würde.«

»Aber durchaus nicht, Sir,« antwortete[265] Amanzei, »wenn ich Euer Majestät ein Märchen erzählen wollte, wäre es mir ein Leichtes, die Dinge so zu richten, wie es Euer Majestät wollte, aber ich kann, ohne die Wahrheit zu trüben, Mazulhim keine anderen Erfolge zugestehen, als die er hatte.«

»Ah, welch ein Dummkopf dieser Mazulhim doch war,« rief Schah-Baham aus, »und wie bin ich gegen ihn aufgebracht!«

»Aber,« sagte die Sultanin, »ich begreife nicht, warum Sie sich so ärgern; er hat es ja nicht absichtlich gethan.«

»Er,« entgegnete der Sultan, »war ein böser Mann.«

»Übrigens,« sagte die Sultanin, »diese Zulika, welche Ihnen so gefällt, war eine der letzten ...«

»Ich bitte Sie, Madame,« unterbrach er sie, »denken Sie darüber, was Ihnen beliebt, aber ich bitte darum, nichts Übles von ihr zu sagen. Ich weiß wohl, dass es genügt, wenn ich Jemandem meine Freundschaft schenke, dass er Ihnen missfalle, und das bringt mich auf, ich muss es Ihnen sagen.«

»Ihr Zorn erschreckt mich durchaus nicht,«[266] antwortete die Sultanin, »und ich wäre gar nicht erstaunt, wenn diese Zulika, die Sie jetzt so in Schutz nehmen, Sie nicht morgen tödtlich langweile.«

»Ich bezweifle es,« erwiderte der Sultan, »denn ich habe kein Vorurtheil gegen dieselbe; jedoch, bevor dieses geschieht, wollen wir den Rest der Geschichte hören.«

Zulika erröthete vor Zorn bei der abermaligen Beschimpfung, die Mazulhim ihren Reizen anthat: »Wahrlich, mein Herr,« sagte sie, indem sie ihn mit Heftigkeit zurückstieß, »wenn dies ein Vorzug sein soll, den Sie mir da geben, so muss ich Ihnen sagen, dass er schlecht angebracht ist.«

»Ich würde der Erste sein, der es sagte,« antwortete er, »wenn ich mir einbilden könnte, das Sie nur einen Augenblick glauben, das Unrecht verdient zu haben, welches ich Ihnen angethan habe.«

»Wenn man sich von einer gewissen Seite kennt, so sollte man die Leute in Ruhe lassen.«

Darauf stand sie auf, nahm ihren Fächer, zog die Handschuhe wieder an, und indem sie eine Schachtel Schminke hervorzog, stellte[267] sie sich vor einen Spiegel. Während sie sich mit aller Aufmerksamkeit herzurichten trachtete, bat Mazulhim zärtlich, der sich[268] hinter sie gestellt hatte, und sie in ihrer Beschäftigung unaufhörlich störte, sie möge sich doch nicht so bemühen, denn sie müsse doch noch einmal anfangen.

Zulika antwortete ihm darauf nur mit einer Miene, welche ihm den schwachen Glauben beweisen sollte, den sie in seine Vorhersagungen setzte, aber da sie sah, dass er fortfuhr, sie zu quälen, sagte sie: »Nun gut, mein Herr, wird das ewig fortdauern und wollen Sie verhindern, dass ich mich entferne?«

»Aber was mir gerade einfällt,« erwiderte er, »wollen Sie hier nicht zu Nacht speisen?«

»Schließlich, ich bin vergeben,« sagte sie, »und es ist spät.«

»Das ist eine Thorheit,« sagte er, indem er sie auf mich zurückwarf und noch versuchen wollte, ob er endlich das Mittel finden würde, ihr die Stunden weniger lang erscheinen zu lassen.

»Sehen Sie, Mazulhim,« sagte sie ihm mit sanftem Tone, »ich sage es Ihnen ohne Zorn, die Rolle, die Sie mich spielen lassen, ist unerträglich.«[269]

»Mehr Güte Ihrerseits,« antwortete er, »hätte mich minder beklagenswert gemacht; aber Sie sind so wenig gefällig!«

»In Wahrheit,« erwiderte sie, »es wäre zu unmenschlich, Ihnen die einzige Entschuldigung zu rauben, die Ihnen noch übrig bleibt.« Er antwortete ihr mit Festigkeit, dass er es gerne noch wagen würde.

Sie ging auf seine Vorschläge ein, um das Vergnügen zu haben, ihn des Gegentheils zu überzeugen.

Je mehr er ihr Mitleid verdiente, desto mehr (denn sie war nicht großmüthig geboren) fühlte sie sich empört. Verletzt, dass er wenig empfindlich für ihre Reize gewesen, schien sie es noch mehr gewesen zu sein, dass er so wenig ihrer letzten Güte entsprach. Zwanzigmal war sie nahe daran, einer Hoffnung zu entsagen, welche sich ihr anscheinend näherte, um sie dann um so grausamer zu täuschen.

Aber was? Nach all dem, was sie für Mazulhim gethan, sollte sie ihn seinem Schicksale überlassen? Wenn er nur zärtlicher gegen sie gewesen wäre.

Mazulhim, der nach der Art, wie sie[270] ihn ansah, fühlte, dass er ihr zu Hilfe kommen müsse, um die Kälte, die er ihr wider seinem Willen zeigte, zu bannen, machte ihr beständig die schmeichelhaftesten Lobeserhebungen über ihren theilnehmenden Charakter.

»Sicher,« rief sie in einem Augenblick, wo sie die Geduld verließ, aus, »sicher, ich muss gestehen, dass ich eine großmüthige Seele habe.«

Bei diesem so gut angewandten Ausbruch konnte Mazulhim nicht umhin, in ein Gelächter auszubrechen, und Zulika, welche wusste, wie sehr es manchmal gefährlich sei, zu lachen, wurde ernstlich böse, weil er gelacht hatte. Mazulhim's Lustigkeit war für sie keineswegs so unheilbringend, als sie gefürchtet. Die bösen Zauberer, die ihn bisher so grausam verfolgt hatten, fingen an, ihre verderbenbringenden Arme von ihm zurückzuziehen. Kaum fühlte Mazulhim, der übrigens der angenehmste Mann der Welt war, sich von diesem bösen Zauber etwas befreit, als er sofort die Kühnheit hatte, sich der größten Unternehmungen fähig zu halten.

Was immer auch Zulika, die in solchen Dingen schärfer als er urtheilte, ihm sagen[271] mochte, sie konnte ihn nicht mehr aufhalten. Vielleicht bildete er sich ein, nichts mehr hinausschieben zu dürfen, ohne sich bloßzustellen, oder er dachte es nicht nöthig zu haben, sich mit ihr in weitere Gespräche darüber einzulassen, er wollte noch das versuchen, was ihm nur einmal im Leben versagte. Zulika verblendete sich nicht so leicht, sie gehörte auch nicht unter jene galanten Damen von Agra, die sich am wenigsten auf ihre Schönheit einbildeten. Sie war daher über seine Kühnheit erstaunt und machte ihm über seine Anmaßung nicht sehr schmeichelhafte Vorstellungen. Diese waren von keiner Wirkung, in Folge eines nothwendigen Vertrauens in ihre Reize und um ihn zu demüthigen, weigerte sie sich nicht minder als Zephis seinen Ideen nachzugeben, über deren Lächerlichkeit sie nicht genug staunen konnte.

»Ah! ja,« sagte sie mit verächtlicher Miene.

»Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und ich schloss aus dem Erröthen und aus ihrem Ärger, ebenso wie aus der spöttischen, beleidigenden Miene Mazulhims, dass das, was sie für unausführbar erklärt, äußerst leicht zu erreichen war.«[272]

»Da seht Ihr es!« rief der Sultan, »und dann wollen sich die Frauen beklagen und die Unübertrefflichen spielen! es ist sehr gut, wenn man das weiß.«

»Was?« fragte die Sultanin, »was haben Sie denn da für eine wunderbare Entdeckung gemacht?«

»Oh! ich kenne mich darin sehr gut aus,« antwortete der Sultan; »das heißt, wenn man es sich jemals einfallen ließe, mir Vorwürfe zu machen, so weiß ich jetzt sehr gut, was ich zu antworten habe. Ich bin aber doch sehr böse darüber, dass Zulika diese Demüthigung geschehen ist, sie verdiente sie gewiss weniger als jede Andere; aber fahre fort, Emir; es sind ganz nette Sachen in dem, was Du uns soeben erzählt hast; und das gibt mir bereits im Voraus eine gute Meinung von dem Übrigen.«[273]

Quelle:
Crébillon Fils: Sopha. Prag [1901], S. 245-274.
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