Fünftes Kapitel.

[86] Besser zu übergehen als zu lesen.


Ehe Abdalathif sich noch in ein längeres Gespräch mit Amine einließ, zog er eine lange, mit Gold gefüllte Börse aus der[87] Tasche, welche er nachlässig auf einen Tisch warf. »Schließe dieses ein, Du wirst sehr wenig davon brauchen. Ich übernehme sämmtliche Auslagen für Deinen Haushalt und jene für Deine eigene Person. Ich habe Dir auch einen guten Koch geschickt, er ist nach dem meinigen der beste von ganz Agra, denn ich gedenke bei Dir sehr oft zu Nacht zu speisen.«

»Auch werden wir nicht immer allein hier bleiben, einige vornehme Herren, meine Freunde, mit lustigen Schöngeistern, denen ich häufig Geld leihe, was sie stets bedürfen, werden manchmal auch hierher kommen. Man wird auch Deine Gefährtinnen mitbringen, die hübschesten, selbstverständlich; da wird es viele fröhliche Mahlzeiten geben, solche, wie ich sie gerne habe.«

Hierauf geleitete sie Abdalathif in das kleine Kabinet, in welchem ich mich befand, und Amines Mutter, diese achtbare Frau, welche bei dieser Unterredung anwesend war, zog sich sofort zurück und verschloss die Thüre.

»Ich habe nicht die Absicht Euer Majestät genauen Bericht über ihre Unterhaltung zu[88] erstatten,« unterbrach sich Amanzei, »und erwöhne bloß, dass Amine sich dabei ungemein lebhaft und zärtlich bis zum höchsten Entzücken geberdete. Abdalathif war wohl darauf bedacht gewesen, ihr zuvor zu sagen, dass ihm im Gespräche enthaltsame Frauen sehr missfielen und da Amine das heißeste Verlangen hegte, ihm zu gefallen, sie aber gar keine Erziehung und bloß den eigennützigen Wunsch hatte, ihr zu gewinnen, so können Euer Majestät sich sehr leicht vorstellen, dass Abdalathif solche alberne Gespräche anhören musste, welche schwer wiederzugeben sind und übrigens nicht sehr schmeichelhaft für die Dame wären.«

»Weshalb denn?« frug der Sultan, »vielleicht würde ich diese Gespräche gerade für unterhaltend finden? lasse doch etwas davon hören?«

»Mag sein.« sagte die Sultanin, indem sie aufstand, »da ich es aber bestimmt weiß, dass mich diese Gespräche durchaus nicht unterhalten würden, so werden Sie wohl nichts dagegen haben, wenn ich hinausgehe.«

»Da haben wir's!« rief der Sultan, »die[89] reizende Unschuld, Sie glauben doch nicht, dass Sie mich damit irreführen können, lasset Euch eines Bessern belehren. Ich kenne die Frauen jetzt genau und ich er innere mich außerdem, dass ein kluger Mann, der sie ebenso gut wie ich, oder bloß ungefähr so gut kannte, mir gesagt hat, dass alle Frauen im Allgemeinen nichts mit so viel Vergnügen thäten, als das, was ihnen verboten ist, und dass sie bloß jene Gespräche am liebsten haben, welche sie nicht hören sollen. In Folge dessen, wenn Sie daher jetzt hinausgehen, so ist es nur Heuchelei und Sie haben keineswegs die Luft es zu thun.

Aber mir gleichviel, Amanzei wird mir beim Schlafengehen alles das erzählen, was Sie nicht wollen, das er jetzt sage, das wird für mich genau dasselbe Vergnügen sein, und ich glaube, dass mir dann davon gar nichts entgeht. Nicht wahr?«

Amanzei hütete sich wohl zuzustimmen, dass der Sultan recht habe, und nachdem er die Vorsicht seines Benehmens gegen die Sultanin etwas übertrieben, fuhr er folgendermaßen fort:

»Nach der Unterhaltung zwischen Abdalathifund Amine, welche eher lang als interessant war, trug man die Mahlzeit auf. Da ich nicht im Speisesaale aufgestellt war, so kann ich Euer Majestät nichts darüber berichten, was sie sprachen. Erst lange darauf kamen Beide zurück. Obzwar sie heute bloß zu zweien zu Nacht gespeist hatten, schien es mir doch nicht, dass sie deshalb mäßiger gewesen. Sie setzten sich und nach einigen unschönen Reden schlief Abdalathif auf den Busen der Dame ein.«

So gefällig auch Amine gegen ihre Freunde war, so nahm sie es Abdalathif dennoch übel, dass er sich gar so große Freiheiten mit ihr erlaubte. Ihre Eitelkeit war gröblich verletzt durch die wenigen Umstände, die er mit ihr machte. Sie war enttäuscht, denn das Lob, welches, er ihr über die angenehme Unterhaltung, die sie ihm geboten hatte, spendete, hatte sie ganz stolz gemacht, und ließ sie daran glauben, dass sie es wohl verdiente, er möge sich die Mühe geben, sich noch weiter mit ihr zu unterhalten.

Trotz der Aufmerksamkeit, welche sie ihrem Beschützer schuldete, ärgerte sich Amine[92] über die gezwungene und unbequeme Lage, in welcher er sie rücksichtslos zurückhielt, und sie würde gewiss bald unbesonnenerweise ihren Ärger darüber heftig geäußert haben, wenn Abdalathif nicht schwer die Augen öffnend, sie im herrischen Tone darnach gefragt hätte, wie viel Uhr es sei. Er erhob sich, ohne erst ihre Antwort abzuwarten. »Lebewohl,« sagte er zu ihr, indem er ihr eine rohe Liebkosung spendete, »ich werde es Dir sagen lassen, ob ich morgen hier zu Nacht speisen kann.« Nach diesen Worten wollte er sich entfernen. So froh auch Amine gewesen sein mag, dass sie Abdalathif's los wurde, so meinte sie dennoch, es wäre ihre Schuldigkeit ihn noch zurückzuhalten, und sie übertrieb ihre Falschheit so weit, dass sie es sogar zu stande brachte, über sein Fortgehen zu weinen; doch ihre Thränen rührten ihn wenig, er blieb unerbittlich und befreite sich gewaltsam aus ihren Armen, indem er ihr sagte, dass er es wohl wünsche, sie möge ihn lieb haben, aber dass er stets ungestört sein wolle.

Als er fortgegangen war, läutete sie rasch, ihm halblaut alle möglichen Beinamen[93] nachsendend, welche er verdiente. Während man sie entkleidete, kam ihre Mutter und erzählte ihr leise etwas. Die besondere Neuigkeit, welche sie Aminen brachte, veranlasste diese, dass sie die Sklaven zu größerer Eile antrieb; hierauf befahl sie, man möge sie allein lassen. Wenige Augenblicke später, als die Sklaven und ihre Mutter sich entfernt hatten, trat letztere abermals ein. Sie führte einen schlecht gewachsenen Neger, welcher schrecklich anzusehen war, herein, welchen Amine dennoch, kaum dass sie seiner gewahr wurde, mit zärtlicher Leidenschaft umarmte. »Amanzei,« sagte der Sultan, »könntest Du diesen Neger nicht aus Deiner Erzählung entfernen? ich glaube sie würde deshalb nicht schlechter werden.« – »Ich sehe nicht ein, was er daran verderben soll, Sire,« antwortete Amanzei. – »Ich will es Dir sofort sagen,« erwiderte der Sultan, »da Du nicht selber so viel Geist besitzest, es gleich zu begreifen. Die erste Frau meines Großvaters Schach-Biar schlief mit allen Negern ihres Palastes. Das war leider eine genug bekannte Thatsache. In Folge dessen ließ mein guter Großvater nicht allein diese,sondern auch alle anderen Frauen, die er hatte, erdrosseln, mit Ausnahme meiner edlen Großmutter, welche ihn auf diese üble Gewohnheit vergessen machte. Ich finde es daher wenig respektvoll, dass man nach dem, was in meiner erlauchten Familie vorging, es noch wagt, überhaupt von Negern zu sprechen, als ob ich daran gar keinen Antheil nehmen sollte. Ich gestatte Dir diesmal Deinen Neger, da er schon einmal gekommen ist, aber es soll nur kein anderer mehr vorkommen, ich ersuche Dich darum.« Nachdem Amanzei den Sultan wegen seines Leichtsinns um Verzeihung gebeten hatte, setzte er folgendermaßen fort:

»Ach! Massond,« sagte Amine zu ihrem Geliebten, »wie sehr habe ich diese Zeit gelitten, da ich zwei lange Tage leben musste ohne Dich zu sehen! wie sehr hasse ich das Ungeheuer, welches mir jetzt am Halse liegt! wie unglücklich ist man doch, wenn man sich seinem Glücke opfern muss.« Massond antwortete auf diese Zärtlichkeit genug wenig.

Er versicherte ihr zwar, dass obschon er sie mit der größten Innigkeit liebe, er doch[96] darüber gar nicht böse sein wird, wenn Abdalathif für sie die größten Aufmerksamkeiten haben möchte. Er sprach sich sogleich offen darüber aus, was man alles thun solle, das geeignet wäre ihn zu ruinieren, und indem er sich flegmatisch dem ganzen Sturme von Amines Liebkosungen hingab, fingen beide eine ganz besondere Art von Unterhaltung an, deren Ausgelassenheit, die Freude Abdalathif zu hintergehen, noch erhöhte. Noch ehe sie dieses Kabinet verließen, bezahlte sie Massond noch sehr großmüthig für die außerordentliche Liebe, welche er ihr erwiesen hatte.

Amine brachte den größten Theil der Nacht mit ihm zu und schickte ihn erst dann fort, als sie den Tag erscheinen sah, und ihre Mutter, welche ihn durch eine geheime Thüre aus ihrem Gemach, welche in das ihrer Tochter führte, hereingeleitet hatte, ließ ihn auf demselben Wege wieder hinaus.

Dann unterhielt sich Amine den ganzen Morgen damit, alle Kleider anzuprobieren, welche sie bestellt hatte, und wieder neue zu bestellen, was ihre einzige Beschäftigung bis zu der Stunde, welche bestimmt war, vor[97] dem Kaiser tanzen zu gehen, bildete. Sie wurde von dort von Abdalathif nach Hause zurückbegleitet; sie kamen in Gesellschaft einiger ihren hübschen Gefährtinnen; mehrere jungen Omrahs und dreier bekannten Schöngeister der beliebtesten von Agra. Sie übertrafen einander alle im enthusiastischen Lobe der Herrlichkeit Abdalathif's, seines auserlesenen Geschmacks, seines vornehmen Auftretens, der Zartheit seines Geistes und der Unfehlbarkeit seines hohen Verstandes. Ich war empört und konnte es nicht begreifen, dass diese Leute, welche durch ihre vornehme Geburt, oder ihre besondern Talente einen auserwählten Rang einnahmen, sich der Niedrigkeit und Falschheit ihrer lächerlichen Lobeserhebungen nicht schämten. Sie vergaßen es sogar nicht auch Amine zu bewundern und zu loben, aber es geschah bloß auf eine beleidigende Art, welche es sie wohl fühlen ließ, dass sie hier nur eine untergeordnete Person war, und dass man sie, bloß um Abdalathif zu gefallen, beachtete, man wäre auch sofort ganz familiär mit ihr gewesen, aber man hütete sich aus sehr begreiflichen Gründen. Nachdem man Abdalathif[98] genug bewundert und gelobt hatte, ließ man sich in den Salons nach Belieben, und jeder mit wem es ihm gefiel, nieder. Das Gespräch war je nachdem, wer redete, bald lebhaft, bald sehr oberflächlich und im Ganzen däuchte es mir, dass man sehr wenig Rücksicht gegen die anwesenden Damen nahm, welche bei Amine zu Nacht speisen sollten, und dass diese sich darüber durchaus nicht beleidigten.

Endlich begab man sich in den Speisesaal. Da es aber für meine Seele kein Versteck in den Raume, wo man speiste, gab, so konnte ich die Unterhaltung, welche man bei der Tafel führte, selbstverständlich nicht hören, aber nach jenen Gesprächen zu schließen, welche dem Nachtmahl vorgingen, und nach jenen, welche ihm folgten, hatte man nicht viel zu bedauern, außer Hörweite gewesen zu sein.

Abdalathif, vom Weine vollgetrunken und berauscht von dem überschwänglichen Lobe und der begeisterten Anerkennung der vorzüglichen Eingeschaften, die man an seinem Koche entdeckt hatte, und die man ihm von allen Seiten stürmisch ausdrückte, versäumte[99] es nicht alsbald einzuschlafen. Ein junger Mann aus der Gesellschaft, welcher ein lebhaftes Interesse daran hatte, dass Abdalathif Aminen so bald als möglich frei ließ, um selbst über sie verfügen zu können, wagte es ihn aufzuwecken, um ihm eifrig vorzustellen, dass ein so seltener Mann wie Abdalathif, der so belastet von den dringendsten Staatsgeschäften, und so wichtig für das Reich und den Staat wie er ist, sich zwar manchmal ein Vergnügen erlauben kann, um sich von seinen schweren Sorgen zu zerstreuen, aber sich den Unterhaltungen niemals vollkommen hingeben darf.

Er bewies in schwungvoller Rede so klar, wie sehr Abdalathif dem Fürsten und dem Volke theuer war, er überzeugte alle davon, dass er es ja nicht aufschieben dürfe, sich sofort schlafen legen zu gehen, da sonst dem Staate die große Gefahr drohen könnte, eine seiner festesten Stützen zu verlieren.

Abdalathif ging fort und alle Gäste mit ihm. Einige bedeutungsvollen Blicke, welche zwischen Amine und dem redegewandten jungen Manne, der es so gut verstanden hatte, Abdalathif zu überreden, gewechselt[100] wurden und die ich erhaschte, ließen mich sofort vermuthen, dass ich ihn sehr bald wiedersehen werde.

Amine setzte sich hierauf nachlässig zu ihrer Toilette und befreite sich von allem jenen kostbaren Plunder, welcher eher hinderlich bei gewissen Vergnügungen ist und bloß als Schaustellung der Eigenliebe schmeichelt. Sie befahl ihren Sklaven sie allein zu lassen. Amines schätzenswerte Mutter war wahrscheinlich von der lebhaften Schilderung der Liebespein des jungen Mannes gewonnen worden (denn ich konnte es kaum glauben, dass eine so edle Seele wie sie dem Eigennutze zugänglich war), führte ihn diskret in das Zimmer ihrer Tochter, und zog sich erst dann zurück, nachdem sie dem jungen Manne das Wort abgenommen hatte, ihrer Tochter keine solchen Anträge zu machen, welche das Zartgefühl und die Keuschheit eines so klugen, bescheidenen und sittsamen Mädchens verletzen könnten.

Amine empfing den jungen Mann sehr hochmüthig.

»In der That!« sagte sie zu ihm, »ich muss Ihnen dennoch recht geneigt sein, um[101] mich zu diesem gewagten Schritte zu entschließen. Denn ich hintergehe damit doch einen achtbaren Mann, den ich zwar in Wahrheit nicht liebe, welchem ich aber dennoch treu sein sollte. Ich hatte Unrecht, ich[102] fühle es wohl, aber die Liebe ist eine Tyrannin, und das, was sie mich heute zu thun zwingt, ist ganz gegen meinen sonstigen Karakter.« »Ich bin Ihnen für dieses Opfer unendlich dankbar,« antwortete der junge Mann, indem er sie umarmen wollte. – »Oh! deshalb will Ich ihnen dieses nicht gestatten,« erwiderte sie ihn zurückstoßend. – »Vertrauen, Mitgefühl habe ich Ihnen versprochen und das Vergnügen Sie zu sehen kann ich aussprechen, aber wenn ich weiter ginge, so würde ich mein Wort brechen und meine Pflicht verletzen.« – »Aber mein schönes Kind, bist Du denn närrisch geworden? Welche Art von Sprache führst Du da mit mir? Ich glaube es Dir, dass Du alle zarten und schönen Gefühle in der Welt besitzest, wahrhaftig, aber sage, wozu willst Du, dass sie uns dienen sollen? Bin ich deshalb zu Dir gekommen?« – »Sie haben sich in mir geirrt,« antwortete sie, »wenn Sie andere Dinge von mir erwartet haben. – Obzwar ich Herrn Abdalathif nicht liebe, habe ich doch das Versprechen gegeben, ihm treu zu sein, und nichts in der Welt wird mich dazu bestimmen, mein Wort nicht zu halten.«[103]

»Ah! kleine Königin,« erwiderte spöttisch der junge Mann, »ich habe dagegen nichts einzuwenden, dass Du einen Schwur gethan, das ist sehr schön von Dir und wegen der großen Seltenheit dieser Handlung erlaube ich Dir demselben treu zu bleiben. Aber sage mir doch, hast Du viele derartigen Schwüre in Deinem Leben geleistet?« – »Spotten Sie nicht,« sagte Amine, »ich bin jetzt sehr gewissenhaft.«

»Oh, erschrecke mich nicht mit Deinem Ernst,« antwortete er. »Ihr gewissen, wenn auch noch so wenig bekannten Mädchen, bewaffnet Euch immer mit aller möglichen Gewissenhaftigkeit, und Ihr habet deren in der Regel weit mehr, als die tugendhaftesten Frauen. Aber was Deinen heiligen Schwur betrifft, so hättest Du sehr wohl daran gethan, mich zuvor davon zu verständigen, damit ich der Mühe enthoben wäre, Deine Treue zu bewundern und meine Nacht hier umsonst zuzubringen.«

»Das ist wahr,« antwortete sie im verlegenen Tone »aber Sie haben mir so glänzende Anträge gemacht, welche mich anfangs verblendeten, das gestehe ich.«[104]

»Aber?« frug er sie, »hat denn Dein Bedenken sie Dir verdorben? Da,« fuhr er, eine Börse herausziehend, fort »hier ist, was ich versprochen, ich bin ein Mann von Wort; es ist genug darin, um Dich von Deiner allzugroßen Gewissenhaftigkeit zu heilen und Dich über die kühnsten Wünsche zu erheben, welche Du hegen konntest.«

»Das muss man gestehen, Ihr seid ein lustiger Spassvogel!« antwortete sie, rasch die Börse ergreifend; »indes Ihr kennt mich wenig und beurtheilt mich schlecht. Ich schwöre es Ihnen, dass ohne der Neigung, die ich für Sie fühle, Sie ... für keinen Preis Ihre Wünsche erreichen würden ...« »Enden wir diesen Streit; um Dir zu beweisen, wie großmüthig ich bin, entbinde ich Dich des Dankes und selbst jener übermäßigen Neigung, welche Du für mich hegest! auch hat mir Deine Neigung bei dem Handel, den wir zusammen abgeschlossen haben, gar nichts genützt. Ich zahle Dich ja doch so theuer, als ob ich der Erste bei Dir wäre, und Du weißt es wohl sehr genau, dass dies nicht der Gebrauch ist.« »Es scheint mir aber, wenn ich Ihretwegen einen treulosen[105] Verrath begehe und ...« »Wenn ich Dich im Verhältnisse zudem bezahlen würde, was Dich Deine Treulosigkeit kostet, so müsste ich Dich umsonst haben. Aber endigen wir endlich mit diesen Auseinandersetzungen, denn wenn Du auch so viel Geist, als es nur möglich zu haben ist, besitzen würdest, so langweilt mich dieses Gespräch doch unsäglich.«

Welche Ungeduld er auch verrieth, so konnte er es dennoch nicht verhindern, dass Amine, welche in dieser Beziehung die Klugheit selber war, das Geld, welches er ihr zuvor gegeben, nicht noch in seiner Gegenwart gezählt hätte. Es war nicht deshalb, weil sie ihm misstraute, sagte sie, aber er könnte sich selbst geirrt haben; und schließlich gab sie sich erst dann seinem Verlangen hin, bis sie sich genau davon überzeugt hatte.

Als es bereits zu tagen begann, kam Amines sorgsame Mutter wieder und sagte zu dem jungen Manne, dass es bereits an der Zeit für ihn sei, sich zurückzuziehen. Er selbst war zwar nicht ganz dieser Ansicht und obzwar Amine ihn bat, ihren Ruf zu[106] schonen, so würde dieses Bedenken ihn in seinem Vorsatz nicht wankend gemacht haben und er würde trotz ihrer Bitten dennoch geblieben sein. Er entfernte sich erst, nachdem ihm Amine feierlich gesprochen hätte, ihm in Zukunft so viele Nächte der Liebe zu gewähren, als sie Abdalathif zu entziehen im Stande war.

Außer Abdalathif, Massond und jenem jungen Mann, dem sie manchmal Wort hielt, empfing Amine, die den Vortheil der guten Rathschläge ihrer schätzbaren Mutter wohl begriff, ohne Unterschied alle jene Männer, die sie für schön genug fanden, um sie zu begehren, selbstverständlich nur dann, wenn sie reich genug dazu waren, dass sie sich herabließ, ihre Seufzer zu erhören. Bonzen, Braminen, Imans, Militairs, Budis, kurz Männer aller Nationalitäten, jeden Schlages, jedes Alters, niemand wurde abgewiesen. Es ist wahr, Amine hatte ihre besondern Launen und deshalb kostete es für Fremde, hauptsächlich für jene, welche sie für Ungläubige hielt, mehr als für ihre Landsleute, Glaubensgenossen. Nur für eine sehr hohe Geldsumme vermochte sie es dann ihren[107] Widerwillen zu besiegen und nachdem sie sich den Ungläubigen hingegeben, über ihre Gewissensbisse zu triumfieren.

Sie hatte hierin ganz eigenthümliche Anordnungen getroffen. So gebe es zum Beispiel gewisse Kulte, gegen die sie viel mehr Abscheu hatte, als gegen andere, und ich erinnere mich daran, dass es für einen Anhänger Zoroasters weit mehr, als es in demselben Falle einen Mahomedaner kostete.

Es sei dem, dass Abdalathif zu sehr von seinen eigenen Verdiensten gegen Amine überzeugt war, oder dass er lächerlicherweise ihren Schwüren vertraute, niemanden als ihm allein anzugehören; denn er fühlte sich lange genug ihrer Liebe vollkommen sicher und ohne eines unvorhergesehenen Ereignisses, welches zwar nicht ohne Beispiel war, würde er vielleicht für immer in diesem Vertrauen verharrt haben.

»Ich verstehe sehr wohl,« bemerkte darauf der Sultan »jemand hatte es ihm gesagt, dass sie ihm untreu war.«

»Nein, Sire,« antwortete Amanzei.

»Ah! so,« erwiderte der Sultan, »jetzt begreife ich, dass es eine ganz andere Sache[108] war, so etwas erräth sich sehr leicht; er selbst hat sie überrascht.«

»Durchaus nicht, Sire,« erwiderte Amanzei, »er würde sehr froh gewesen sein, sie so wohlfeilen Kaufs los zu werden.«

»Dann weiß ich wahrhaftig nicht, was es gewesen ist,« sagte Schach Baham. »Im Grunde ist das nicht meine Sache, und ich habe es nicht nöthig, mir den Kopf zu zerbrechen, um etwas zu errathen, was mich nicht interessiert.«

Quelle:
Crébillon Fils: Sopha. Prag [1901], S. 86-109.
Lizenz:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Die Reise nach Braunschweig

Die Reise nach Braunschweig

Eine Reisegruppe von vier sehr unterschiedlichen Charakteren auf dem Wege nach Braunschweig, wo der Luftschiffer Blanchard einen spektakulären Ballonflug vorführen wird. Dem schwatzhaften Pfarrer, dem trotteligen Förster, dem zahlenverliebten Amtmann und dessen langsamen Sohn widerfahren allerlei Missgeschicke, die dieser »comische Roman« facettenreich nachzeichnet.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon