Erster Abschnitt.

Abraham, war der erste in der heiligen Geschichte bekannte tartarische Fürst der eine herumstreifende Horde kommandirte, und das Recht aufbrachte der Befehlshaber von vielen Knechten und Mägden, und der Eigenthümer von Kameelen und Eseln, Ochsen und Schaafen zu seyn. Er regierte von Gottes Gnaden – durch Träume und Gesichte, mittelst welchen er den Willen des Himmels und das heilsame Regentenrecht bekannt machte daß ihm alle unterthänig seyn mußten die er bezwingen konnte, und die an seine Träume glaubten, daher er auch der Vater der Gläubigen genannt wurde. – Damals wurde es Mode, daß Fürsten die Höfe anderer Fürsten besuchten, und denen zu hoffiren, in deren Allianze man Ruhm und Vortheil suchte, wie Ihro Königl. Majestät weiblichen Inhalts, aus Saba in spätern Zeiten dem Könige Salomo die Visite machte, um seine Weisheit und – weltbekannte phisikalische Kraft zur Gründung eines Abissinischen Prinzen, auf die Probe zu stellen. Der erlauchte Tartarfürst Abraham mit allem morgenländischen Pomp eines arabischen Bettelprinzen gieng solchergestalt nach Egypten – ließ dem dortigen Könige die Schönheit seiner Sara sehen und in sein Schloß verabfolgen. Durch ein Mirakel kam sie unberührt und so keusch in die Arme ihres Mannes zurück wie alle gute Männer ihre schöne Gemahlinnen aus den Armen siegreicher Weiberhelden zurück zu erhalten gewohnt sind – wurde für[6] das Vergnügen welches der bloße Anblick der liebenswürdigen Sara dem egyptischen Könige verschaft hatte, reichlich beschenkt und kehrte – als der erste durch die Geschichte verewigte Kupler mit Gold und Silber beladen zurück, um nunmehr seine Herrschaft auch für die Nachkommenschaft auf einen festen und dauerhaften Fuß zu setzen.

Leider glich sein Zeugungsvermögen seinem regierungsfähigem Kopf nicht. Ein phisikalisches Hinderniß schien ihn untüchtig zu machen sich einen Erbprinzen zu verschaffen. Er entschloß sich also eine kleine Operation mit sich vorzunehmen und das Hinderniß wegzuschneiden. Die Geschichte übergeht mit Stillschweigen ob er dis aus eigner Ueberlegung oder auf den Rath[7] eines Chirurgus aus Paris bewerkstelliget habe. Genung das Ding hatte Wirkung, zwar nicht bey seiner Frau die ihm zu sehr was Altes geworden war, um ihn zu einen solchen Effort zu animiren, aber bey der Kammerjungfer seiner Gemahlin deren blühende Jugend dem kältesten Greisen seiner grauen Haare vergessen zu machen fähig war, und Abraham hatte die Freude durch die duldende Beyhülfe der Hagar einen Sohn an dem Ismael zur Welt gebracht zu haben. Da er sahe daß die Operation so glücklich von statten gegangen war, und es eine Hauptmaxime seiner Regierung war, vor die Bevölkerung des Landes zu sorgen, so träumte ihm mehrern Nachdrucks wegen der Befehl des Himmels, alles was männlich war auf gleiche Weise schon in der zartesten Jugend zu operiren,[8] unähnliche mögliche Hindernisse bey dem Zeugungsgeschäfte frühzeitig aus dem Wege zu räumen und stiftete die Beschneidung, welche bey seinen Nachkommen noch fortdauert bis auf den heutigen Tag.

Sara durch das Beyspiel ihres fürstlichen Gemahls aufgemuntert, glaubte das Recht zu haben sich mit einem hübschen jungen Menschen zur Sicherung der Thronfolge auf eine gleiche Weise zu amüsiren, wie sich Abraham mit der Hagar amüsirt hätte, Einer hübschen Fürstin von 90 Jahren konnte es immer noch nicht fehlen einen jungen Galan in ihr Intresse zu ziehen. Sie koquettirte in dieser Absicht mit ein paar vorbeyreisenden fremden Cavaliers die keine Kostverächter seyn mochten, und liebäugelte[9] mit einladenden Mienen hinter der Hausthür, so daß diese wohl sehen konnten, woran es der guten Frau vis à vis eines abgelebten Mannes fehlte – und diese Herren, nach einem nahrhaften Soupee, welches die Sara mit eignen schönen Händen appretirt hatte, thaten ein Uebriges, versprachen dem Abraham in ordnungsmäßiger Frist einen Sohn – und hielten Wort, indem seine Gemahlin auf eine eben so wunderbare Art von einem Sohn entbunden wurde, als in der Folge – manche Jungfrau durch die Ueberschattung und Einwirkung unbekannter Kräfte Söhne und Töchter gebohren hat. Abraham hatte solchergestalt einen Thronfolger – freylich wohl aus fremder Fabrike, aber das that damals nichts. – Er war immer ein Muster für folgende Regenten,[10] sein Leben und seine Regierung war eine Kette religiöser und politischer Charlatanerien, aber sonst – ein verewigter Fürst und ein gar frommer Mann.


Adel, ist ein schöner Jouvel, der aber seinen Werth und seinen Glanz von der Einfassung erhält. – Ein adeliches nackendes Fräulein deren Quartiere nicht in Gold gefaßt sind, bleibt meistentheils ein ungenoßnes Schaugericht – ein adelicher Junker ist eine Staatsnothwendigkeit welche für den civilsten Preis die Haut hergiebt, um die kostbare und reiche Einfassung des Bürgers zu schützen – kann zur Noth, bloß von der Ehre leben. Nachgerade fängt der Adel an vieles was seiner ursprünglichen Natur anklebt für Charlatanerien anzusehen – die Mesallianze,[11] zum Exempel wenns auf die Entscheidung der wichtigen Frage ankommt; ob Pasteten oder Erdäpfel besser schmecken?


Advokat, ist eins von den zweydeutigen Dingen in der jezt lebenden Welt, woraus man nicht weiß was man damit machen soll. Zur Zeit ihrer blühenden unangefochtenen Herrschaft wurden sie zu dem Geschlecht der Blutygel gezählet, zu welchen die Patienten aus Noth ihre Zuflucht nahmen und sich freywillig aussaugen ließen, um sich in anderweitigen Nöthen Hülfe zu verschaffen. Im Ganzen passirten sie für Ränkeschmieder, für Rechtsverdreher, für Gewissensmörder und am gelindesten beurtheilt, für ein nothwendiges Staatenübel. In der jetzigen kritischen Epoke ihrer beschlossenen Abschaffung[12] finden sie Partisans, welche sie nur von der nützlichen Seite betrachten und Vertheidiger, welche denen bisher im Nimbus von Würde gehüllten Richtern dasselbe Schicksal auguriren, mit welchem bisher die Advokaten dem bösen Geschrey allein ausgesetzt waren. Im Grunde betrachtet, ist der beste Advokat seiner Vorschrift gemäß ein Künstler, der die Sache seiner Parthey und hängenswerthe Fakta so zu drehen und in ein so vortheilhaftes Licht zu setzen versteht, daß sie ein gesetzmäßiges Ansehn gewinnen und dem Richter Mühe machen nach ihrer wahren Lage beurtheilt zu werden.

Es geht ihnen wie allen Sterblichen, die bey Leibes Leben jedem Tadel ausgesetzt waren, bey ihrem Tode aber nie an Leichenrednern zu kurz kommen, welche aus Sündern Heilige machen.


[13] Armee. In der Kindheit der Könige waren es Träume, Engelerscheinungen, unmittelbare göttliche Befehle, Propheten und wahrsagende Opferpriester durch welche das Volk in Respekt gehalten wurde – dergleichen Charlatanerien werden jetzt von großen Regenten nicht gebraucht, weil eine gute Armee dieselben Dienste verrichtet. Die bessere Einrichtung des Militairs hat der Propheterey und Priesterschaft überhaupt Schaden gethan. Ehedem hieng die Sicherheit des Landes und der Erfolg des Kriegs meistens von dem Orakelspruch eines Begeisterten, irgend einer Hexe, von Fasttagen und vom mistischen Aufheben heiliger Hände ab. – Eine preußische Armee macht andere Manövers und hat andere Triebfedern – sie muß stehen, schlagen und siegen, und seitdem das[14] Pulver und schwere Geschütz erfunden ist, wird die ganze Armade der Vorwelt nur noch von Antiquitätenkrämern kultivirt.


Arnold. Ein in der Kirchen- und dermalen auch in der Justitzgeschichte berühmt gewodener Name. Der letzte ein Müller seines Handwerks, gab als eine kleine Ursach zu großen Wirkungen Anlaß – wie denn kleine Dinge mehrmalen zu großen Revolutionen Gelegenheit gegeben haben. Das verarmte ohnmächtige Wässerchen was seine Mühlräder nicht treiben konnte, spühlte einen Großkanzler von seiner Stelle und erhielt Kraft durch das allmächtige Wort des Königs einen neuen Chef der Justitz herzuführen – es fuhr wie eine Sündfluht durch die Krümmungen der Rechtsgänge, daß die Advokaten[15] ersoffen und der alte Codex dem Herkulanum gleich zu Grunde gieng. – Wenn Maria zu Bethlehem nicht im Stalle und in der Gesellschaft, wie geschrieben stehet, akouschirt hätte, so würden wir hiesigen Orts noch den Jupiter, oder die Irmensäule verehren, und wenn Arnolds Mutter abortirt hätte: so wäre der jetzige Justitzministre von Schlesien noch Präsident in Cleve.


Arzt. Der Leibes sowohl als der Seelenarzt, nährt sich seiner Profession so gut er kann – und keiner von beyden bewirkt durch seine graduirte Charlatanerien mehr als daß er seine Patienten dahin begleitet, wohin sie auch ohne ihn kommen würden. Sonst hat der Leibesarzt das Privilegium Leute ungestraft zu tödten und der Seelenarzt[16] das Recht Schwärmer, Narren – und auch Bösewichter zu machen wenn er Lust hat, ohne daß ihm jemand, wenn er von Amtswegen Sottisen fabelt, was sagen darf.


Ballhorn. Siehe den Artikel von Reformationen, bey welchen die Verbesserungen durch Johann Ballhorn öfter vorkommen als man glauben sollte.


Bankeroutier, ist Generis Communis. Ein Bankeroutier der sich reich fallirt hat ist ein ehrlicher, ein kluger und angesehner Mann. Derjenige aber der nicht so viel gerettet hat um die bey der Behandlung vorkommende gerichtliche Commissionskosten zu bezahlen und offene Tafel zu halten – der alles hingiebt was er hat und in dem Grade zu kurz kömmt, daß er Niemand mehr eine Güte thun kann – ist ein[17] Betrüger, der nach dem Bankeroutier-Edikt behandelt werden muß.


Beelzebub, ist dermalen ein geschlagener Mann der von niemand mehr geachtet wird, weil er alle seine Kraft verlohren hat. Priester und Leviten dürften groß Leid um ihn tragen wenn er gänzlich Todes verfahren sollte. – War weiland das Schrecken der Kirche gegen welchen der Clerus für hohen Sold diente, um die Gläubigen gegen diesen Popanz zu schützen.


Bibel, hat von Jahrhundert zu Jahrhundert erstaunliche Veränderungen erlitten. Vor grauen Zeiten machten die beyden steinernen Gesetztafeln die ganze Bibel aus. Sie wurde in ein Kästchen aufgehoben, welches die jüdischen Priester allein ansehen und anrühren durften. Bisweilen dürfte auch das[18] Volk dieses Heiligthum ungestraft für sich hertragen sehen, welches die Wirkung hatte; Mauren und Thürme einstürzen zu machen, wenn die Priester unter Trompeten- und Pauckenschall damit um eine Stadt herumzogen, welche in Ermangelung des schweren Geschützes nur durch ein Wunderwerk erobert werden konnte. Bisweilen war dies Heiligthum denen heidnischen Völkern nicht so fürchterlich, es ließ sich selbst erobern und von den Phöniziern gefangen wegführen, welchen es erst alles gebrannte Herzeleid anthat, nachdem sie diesem vornehmen Gefangnen die Ehre erwiesen, ihn in ihrem Tempel einzuquartiren. Die Phönizier kamen indessen bey dieser Geschichte noch gut genug weg, indem sie bloß Schmerzen im Hintern, und einige Hemorroidalzufälle davon trugen, und während der[19] Zeit, daß sie die Bundeslade bey sich hatten, eine Menge Mäuse durch ein wahres Wunderwerk sich das Korn auf ihren Feldern gut schmecken ließen. Aber das heilige Volk und die Verehrer der in der Bundeslade verwahrten Bibel, kamen übler an, indem die Leute bey Tausenden von dem ungefehren Anschauen dieses Heiligthums starben, wie denn auch den ehrlichen Usa augenblicklich der Schlag rührte, als der Wagen worauf die Bibel transportirt wurde, umwerfen und er zugriff und halten wollte, ohngeachtet die Unbeschnittenen solche ungestraft hatten anfassen und aufladen dürfen. An dieser ursprünglichen Bibel, welche in den zehn Geboten bestand, und anstatt nach heutiger Manier eingebunden zu seyn, damals in einen schön gearbeiteter Kapsel aufgehoben wurde; war es eine[20] Haupteigenschaft, daß sie Wunder that, unter ihren Verehrern den Tod wie die Pestilenz um sich her schleuderte, von ihren feindlichen Verächtern sich aber mehr als einmal rauben ließ, ohne ihnen Schaden zu thun.

Nach der Zeit wurde die Bibel auf mannigfaltige Weise vermehrt. Die Predigten und Bücher der Propheten wurden hinzugefügt und die Partikulair Geschichte des jüdischen Volks oder einzelner Personen derselben mit einverleibt. Das schöne Gesangbuch was unter der Regierung Davids von dessen Hofpoeten Assaph komponirt wurde und welches man beym Tempeldienst gebrauchte, wurde dazu gerechnet. Die philosophischen Werke und das verliebte Brautlied von dem königlichen Verfasser Salomon vermehrten die Bibel; so wie zu hoffen steht; daß in der Folge[21] die Bücher der Churfürsten von Brandenburg und der Könige von Preußen, desgleichen die herrlichen philosophischen Schriften des Nordischen Salomo1 zu Sanssouci, auch noch zu den kanonischen Büchern unserer Bibel werden gerechnet und dem Inhalt eine mistische Bedeutung wird beygelegt werden, um eine geheime Abbildung der Kirche daraus herzuleiten, als welches unsern Nachkommen eben so erbaulich werden kann wie uns das schlüpfrige Hohelied Salomonis, sobald wir Talent genug haben alles im geistlichen Sinne zu fassen.

Auch das mit vielem Witz eingekleidete lehrreiche Romanchen vom Hiob, den der Teufel, nachdem er deshalb eine speziale Conzession aus der Staatskanzley[22] des Himmels ausgebracht, gar jämmerlich gemißhandelt hat, wurde für ein würdiges Stück der Bibel auf- und angenommen, gleichergestalt als die erbauliche Ehestandsfarce vom Tobias, bey dessen Heyrathsgeschäfte Himmel und Hölle in Bewegung geriethen, und der die ächte Wundergabe besaß an der Seite eines hübschen Mädchens seine Zeit mit Beten zuzubringen, welches denn doch bey alledem heute zu Tage manchem blutsauer werden dürfte. – Die fromme Heldengeschichte der Judith, die aus patriotischem Eifer und mit Anrufung göttlicher Hülfe alle Toilettenkünste anwandte um den feindlichen Feldherrn in sich verliebt zu machen, ihn zum Beyschlaf zu reizen und ihm die Kehle abzuschneiden – auch die Künste des frommen Mardachai, welcher seine[23] Pflegetochter Esther bey einem heidnischen Könige anbrachte, um – wie's noch jetzt bisweilen zu geschehen pflegt, sich durch diesen gemeinen Kanal zur Würde eines Staatsministers zu erheben, und letzlich die erbärmlichen Kriegsnachrichten von den Mackabäern – all dergleichen Schmiralien erhielten sich Jahrhunderte hindurch bey dem hohen Rang einer Bibel, oder des darunter verstandenen Buchs aller Bücher, welchem eine solche Vortreflichkeit beygelegt wurde, daß seine Ahnen und Abkunft – wie die Fabeln der Griechen aus dem Himmel selbst hergeleitet wurden.

Es muß unter den Juden eine gar klägliche Litteratur und Kritik geherrscht haben, um den meisten der obgedachten Autoren so viel Ansehn zu verschaffen,[24] welche, das Davidische Gesangbuch ausgenommen, von unsern heutigen Rezensenten gar gräulich würden gemißhandelt werden, wenn sie jezt so unmoralisch und so abentheuerlich ans Licht treten sollten. Selbst die an sich richtigen Sittensprüche eines Salomon; eines Sirach und des Verfassers des Buchs der Weisheit, würden heute zu Tage kein Quartier mehr bekommen, wenn sie nicht mit mehr systematischer Ordnung zusammen kompillirt würden.

Ungefähr im zweyten Jahrhundert nach Christi Geburt erschien der zweyte Theil der Bibel mittelst etlicher achtzig Evangelien oder Lebensbeschreibungen von Jesu, welche aus der mündlichen Tradition seiner Schüler und deren weitern Erzählungen gesammlet waren,[25] woraus die Kirchenlehrer viere erwählten, die uns überliefert worden sind, und die übrigen als unächt verwarfen. Diesen Erzählungen, die durch die dritte, vierte und fünfte Hand, oder durch noch mehrere Hände gegangen und nach ein paar hundert Jahren doch wohl vor hinlänglich berichtiget gelten konnten, wurden die Ermahnungsbriefe welche die Apostel an ihre neubekehrte Gemeinen geschrieben hatten, zugesetzt, von einem schwärmenden Priester die Apokalypse beygefügt und so ein zweyter Codex dem alten angehangen, welcher nunmehr nach den Aussprüchen der bewährtesten Kirchenversammlungen, die vollständige Bibel ausmachten.

Doktor Martin Luther war der erste, der nach etlichen Jahrhunderten[26] diese Bibel in seine Betrachtung nahm und gegen das Ansehen der Kirche des Pabstes und der Concilien dieses Heiligthum naher prüfte, feilte, und eine ziemliche Parthie von der Bibel, unter dem Titel apokryphischer Bücher in Abgang brachte.

Nach ihm forschten mehrere die Echtheit dieses Korans der Juden und Christen nach, ohne den Muth Luthers zu haben und mehr Stücke abzuschneiden, bis endlich Semmler die Apokalypse rein kassirte und gegen andere Bücher und einzelne Stellen solche Bedenken vorbrachte, wodurch das übriggebliebene Ganze wenigstens aufhörte Bibel, oder ein unmittelbar eingegebenes Werk des heiligen Geistes zu seyn, gegen welchen in qualitate qua ein großer Theil Theologen, ohnedem schon vieles einzuwenden hat.[27]

Die Bibel ist noch immer da, aber als Bibel hat sie nur insofern gegolten, als nach verschiedenen Einsichten die Theologen ihr eine weitere oder nähere Bestimmung gegeben haben. Sie sollte die Stütze der Theologie seyn, genau erwogen aber ist's die kunstmäßige Theologie welche die Bibel unterstützt – Sollte diese Wissenschaft und das Metier der Geistlichkeit einmal aufhören, so dürfte dieses verehrte Heiligthum der Kirchen, welches unter willkührlichen menschlichen Bestimmungen so vielen Veränderungen unterworfen gewesen ist, am Ende gar in Abgang kommen. Die verschiedenen Anwendungen dieses Buchs als Quelle so mannigfaltiger Systeme und Glaubenspunkte betrachtet, wird unter der Rubrik Religion näher in Erwägung gezogen werden.


[28] Bischof ist eins von den ausgearteten Früchten der christlichen Kirche – seinem Institut nach vor seine Person ein unsträflicher Mann in Sitten, der sich wie andere gute Staatsbürger ordentlich verheirathete, Kinder zeugte und ihnen eine so gute Erziehung gab, daß sie vorzügliche Beyspiele wurden, nach welchen auch andere Leute dem Staate nützliche und brauchbare Glieder bilden konnten – ein Bischof war der Sittenaufseher in seinem Sprengel und das erste Muster der Mäßigkeit, der Keuschheit und eines ganz tadelfreyen Wandels. Heut zu Tage ist ein Bischof ein ganz ander Ding geworden – ist Besitzer von Fürstenthümern, hält Soldaten, Leibhusaren und Fußgarden, hat einen glänzenden Hofstaat, Cammerherrn und Pagen – heirathet nicht, sondern behilft sich mit Maitressen,[29] amüsirt sich mit Comedien, mit Jägern und Jagdhunden, trinkt den besten alten Rheinwein, bekümmert sich um keine altbischöfliche Realität und begnügt sich mit der Charlatanerie der Tonsur und an hohen Festtägen in Pontifikalibus dann und wann eine Messe zu lesen.


Bramarbas, karakterisirt die Bravour solcher Helden, die nicht lieber von Angriffen reden oder Angriffe wagen als wo keine Gefahr ist. Junge Titulaturhelden die erst kürzlich von der Amme gekommen sind und noch kein Pulver gerochen haben – müssen doch den Degen gebrauchen lernen. Dis pflegen sie meist an dunkeln Abenden und gegen solche Personen zu versuchen die keinen Degen tragen, und von welchen, wenn sie von hinten angefallen werden,[30] kein Widerstand zu erwarten ist. – Wahre militairische Tugenden, Tapferkeit, Klugheit und Menschengefühl verdienen, wo man sie findet, die vorzüglichste Achtung, aber die militairischen Charlatanerien falscher und am unrechten Ort angebrachten Bravouren gleichen denen Neckereyen der Schulknaben auf welchen gemeiniglich die Ruthe erfolgt. Schade um unser gesittetes Jahrhundert was solcher Anmerkungen noch nöthig hat!


Busenfreunde. Es gehört zu den nothwendigen Charlatanerien in der grossen Welt, daß so ziemlich ein jeder seinen Busenfreund habe. Die warme Sprache der neuern Dichter unsers lieben Teutschlands erfand diesen Ausdruck der noch kein Mannsalter erreicht hat, und an der Stelle des Herzensfreundes gesetzt ist, welcher letztere[31] in uralten Zeiten bloß ein guter Freund war, der nun gar nicht mehr als bloß im uneigentlichen Verstande gebraucht wird. Denn, guter Freund! sagt man jetzt sehr oft wenn man aus Ueberfülle einer mitleidigen Verächtlichkeit jemanden über seine Seelenschwäche das Compliment, daß er ein leichtgläubiger Narr sey, versilbern will. Bloß in der dritten Person ist es noch gebräuchlich wenn man sich der nähern Vertraulichkeit mit einem Manne rühmen will, den man kaum kennt, zu sagen: Es ist mein guter Freund. Auch ist es im Briefstiel eine Titulatur geworden deren sich Vornehmere bedienen wenn sie einen Bauer oder geringen Handwerker prellen wollen. So schrieb z.E. ein gewisser Departements- Baurath an einen Landesherrlichen Pachtbauer:


[32] Guter Freund!


Mir ist von eurer Frau vorgetragen worden, daß ihr euer Wohnhaus gern reparirt und erweitert, auch neue Fenster mit großen Aufschieberahmen haben möchtet. Nach der Verfassung und Instruktion könnte ich euch damit nicht eigentlich auf den Etat bringen, da nicht einmal die nöthigern Bauten und Reparaturen in diesem Jahr bestritten werden können, allermaaßen noch viele Scheuren und Ställe, deren Dächer in einem schlechten Zustande sind und das Einregnen nicht verhindern, gebessert werden können. Weil ihr aber sonst ein ordentlicher Mann seyd; so will ich diesmal ein Uebriges thun. Sendet mir doch gegen der Einschlachtzeit ein fettes Schwein und ein gutes Fäßchen Butter, ich will es bezahlen wenn ich das Departement[33] bereisen und den Anschlag von der Reparatur eures Hauses und von denen großen Schiebrahmen der neuen Fenster machen werde. Ich verbleibe


Guter Freund,

euer

dienstwilliger

Erdenkloß.


Auf solche Weise wird der gute Freund gebraucht, aber mit dem Busenfreunde hat es eine andere Bewandtniß. Dieser gilt unter Leuten welche mit gesammter Hand eine Spitzbüberey ausüben wollen, oder sonst ihr gemeinschaftliches Interesse inter pares haben. Alles läßt sich nicht so durch eigne Kraft ausführen, und dieserhalb muß man so seine Leute haben mit denen man sich versteht, und wo eins des andern Absichten befördert,[34] als welches die eigentliche Busenfreundschaft ausmacht, welche in allen Ständen unter Leuten von Distinktion statt findet. Auch Dichter und Schriftsteller die sich durch gelehrte Rezensionen einander loben, sind Busenfreunde. – Wieland und Jakobi z.B. – Es ist ein besonderes Talent solchergestalt Busenfreund zu seyn und eine Gabe, wodurch der Verfasser dieser Charlatanerien sich eben nicht bekannt gemacht hat, und daher auch schwerlich unter den Rezensenten, oder sonst durch die Ausgabe dieses Werks, sich viel Busenfreunde erwerben dürfte.

Wer übrigens in einem noch eigentlichem Verstande der Busenfreund irgend einer schönen Dame ist, vorausgesetzt, daß solche in den jetzigen nahrlosen und magern Zeiten einen Busen[35] von Extraktion hat; der pflegt zugleich auch ein Freund des Hauses zu seyn, wobey aber zu merken ist, daß man einen sehr guten Magen haben muß, um ohne die allerkräftigsten Stomachalien, so einen Freund des Hauses verdauen zu können.


Buhlen, ist ein ungeziemender Ausdruck in der guten Gesellschaft, der bey Leuten von Ton gar nicht im Gebrauch ist. – Die Sache selbst geht noch ehr an, und man dürfte sehr wenig Leute von Stande und von feiner Lebensart antreffen, die ohne Buhlschaften fertig werden können.


Cammergericht zu Wetzlar, ist ein langsam verzehrendes Gericht Gottes im H.R. Reich, welches wie ein schleichendes Fieber die Lebenssäfte aussauget. Vor einigen Jahren wurde ein[36] scheinbarer Versuch gemacht es zu kuriren. Die Sonde der Visitation ging aber nicht auf den Grund, weil man das geheime Commerzium welches mit den Sentenzen getrieben wird, hätte entdecken können. Wenn man eine feile Weibsperson wegen des Gifts, mit welchen sie andere infizirt, zu genau examiniren sollte; so würden auch diejenigen bekannt werden, welche eine solche Person auf eine unzüchtige Weise gemißbraucht und infizirt hätten, und das finden die Visitatoren nicht immer rathsam.


Cammergericht in Berlin, ist derjenige Gerichtshof in den preußischen Staaten wo es ganz ehrlich zugeht, und wo seit Menschendenken keine Klage über Ungerechtigkeit obwaltet hat.


Cammern, (Kriegs- und Domainen-) sind der Seegen des Landes, welche die Landesherrliche[37] Revenües verwalten und das Wohl der Unterthanen beherzigen. Sie haben die Kraft des Elias, der in dem Oehlkrüglein der Wittwe zu Zarpath das heilige Oehl eines ewigen Pluß erhielt, dergestalt daß jedes Mitglied wie vorbemeldter Elias mitgeniessen und fett werden kann, ohne daß das Mehl im Cad verzehret würde, oder dem Oehlkruge etwas mangelte. – Es wird viel Papier in den Cammern konsumirt.


Canzeleyen, sind nicht mit bloßen Automaten besetzt, die das Verdienst bloß in den Fingern hätten – Könnten der Verwandschaft wegen immer mit denen Zeitungscomtoiren kombinirt werden.


Canzler, (Groß-) muß kein Mann seyn der bloß mit der Scheere umzugehen[38] weiß, um die unbeschnittenen Bogen Papier die ihm zu Händen kommen zu beschneiden – er muß nicht bloß auf das Dekorum sehen, ob etwas an der Kleidung fehlt – sondern auf den Mann der in der Kleidung drin sticht. Der wahre Künstler beschäftigt sich mit den Rädern und mit den wesentlichen Stücken, wodurch die Uhr in ihren richtigen Gang gesetzt wird – das Gehäuse und die Verzierung ist bey einer guten Uhr nur eine Nebensache, nur Objekt der Aufmerksamkeit des Ganzen wegen, und wenn die Hauptstücke in Ordnung gebracht sind.


Canzel, hat das Vorrecht der vormaligen lustigen Personen an Fürstenhöfen, die selbst nach den Reichsgesetzen denen großen Herren zu halten, erlaubt wurden. – Das wichtige Vorrecht,[39] daß jeder Einfall ohne Widerspruch herausgesagt werden kann. Was von der Canzel herab gesagt wird, soll unwidersprechlich wahr seyn – beynahe aber wird von jeder Canzel herab, ein ander Glaubenssystem gelehret. Es ist damit fast wie in den hiesigen Speisehäusern, im englischen Hause speißt man Roßbief, bey Madame Rüffin haut Gout a la Franzoise und bey andern hat jeder seine eigene Manier – wie's einem behagt und schmeckt so kann er bedient werden, mit gewürzten und mit kahlen Speisen, desselbigengleichen in Predigten wie man's haben will, mit oder ohne Erbsünde und so fort an. –


Carakter. Weise und gescheite Leute gehen bisweilen mit ihrem Carakter eben so geheimnißvoll zu Werke wie manche[40] mit ihren Reichthümern, welche sorgfältig verborgen werden, um sie zu seiner Zeit zu nutzen nicht aber damit zu prahlen. Narren kramen beydes gern aus, und lassen dadurch ihren Carakter eben sowohl als ihr Vermögen von andern nutzen. Wer klug ist wird nicht voreilig seyn den Carakter eines andern klugen Menschen frühzeitig zu beurtheilen. Der auf seine Scharfsinnigkeit eingebildete Thor urtheilt geschwind und betrügt sich immer.

So lange ein gescheiter Kopf keine weitere Absichten hat, macht er aus seinem Carakter, sonderlich wenn er gutherzig und lustig ist kein Geheimniß, und ein offengelegter Carakter, auch wenn er unruhig und mit jedermann Händel zu suchen scheint, ist nie gefährlich, sobald er sich aber in einer Franziskanerkutte[41] verbirgt, kann man sich vor ihm hüten.

Pabst Sixtus der V. hob sich mit seinem unverschleyerten lebhaften Carakter unter tausend Kalamitäten nur bis zur Würde des Cardinals Mondaldo, machte sich bis dahin eine Menge Feinde und Widersacher, als er aber Pabst werden und den Namen des Erschrecklichen verdienen wollte, um seine Gegner zu züchtigen; da verleugnete er funfzehn Jahre lang seinen wahren Carakter, sah aus als ob er nicht fünfe zählen könnte, war demüthig, bescheiden und fromm, schien auf die Welt, von der er ganz abgesondert lebte, für welche er aber ganz im Verborgenen sehr helle Augen hatte, völlig Verzicht geleistet zu haben, gieng gebückt an seinem Stabe und suchte[42] nicht wie die Leute glaubten das Grab, sondern Petri Schlüssel, übte aber nachher die weise Regel aus, jedem Kleffer, den er gestreichelt hatte, für jede Caresse, ein Dutzend Streiche zu geben, sobald er war, was er unter seinem so lang verstelltem Carakter zu werden gesucht hatte.

Es giebt eine Menge Menschen ohne Carakter, wer aber einen Carakter hat wird unter demselben vor seinem Ende selten anders als schief beurtheilt werden. Das Bestreben der meisten die der Welt einen Carakter vorgaukeln wollen; ist eine Charlatanerie, womit sich nur die Einfältigen betrügen lassen – der Vernünftige denkt sein Theil.


Charlatanerien, unter dieser Rubrik gehören alle politische, theologische, gelehrte[43] und kunstmäßige Gaukelspiele die wie lauter Wichtigkeiten aussehen und wo nichts dahinter ist.

Charlatanerien machen meist die Atmosphäre aus, in welcher Fürsten und regierende Herren athmen. Sie heißen sonst in der gemeinen Sprache blauer Dunst und wenn der Fürst sich dem Teufel ergeben wollte, so kann er den blauen Dunst nicht vertreiben, der seine Augen umgiebet. Zu seinem eigenen Heil hat's ein jeder gar zu nöthig dem allergnädigsten Herrn etwas vorzumachen und der Stoff zu dem Luftgewebe wird immer aus des Fürsten eignen Fabrik, worin er seine Intentionen bearbeitet, entlehnt. Im Grunde sind's Schattenrisse die das Profil von der allerhöchsten Willensmeynung darstellen, deren gröste Realität[44] darin gesetzt werden kann, daß sie exactis sine factis constiren und ohngefehr eben so zuverläßig sind, als die physionomische Behauptungen des ehrlichen Lavaters, der einem jeden aus der eingesandten Silhouette so viel vorlügt als er verdauen kann. Etwas muß der Fürst für gute Bezahlung doch haben, weil die neugierige Jungfer ihr Geld der schönschwatzenden Zigeunerin nicht umsonst geben will, und beyde erhalten – Charlatanerien – Siehe den Artikel von Protokollen, Berichten, von genauen Tabellen und Ursachen von Plus und Minus etc.

Charlatanerien sind unter andern auch solche Cabinetsmünzen welche unter den großen Herren zirkuliren um sich einer dem andern zu bezahlen – haben meist nur den Werth der Scheidemünze[45] deren Silberglanz das geringste Lüftchen wegwehet. – Siehe den Artikle von persönlicher Affektion und Freundschaftsverträgen ohne anderweitiges Staatsinteresse – Von Hoftrauer etc.

Gelehrte Charlatanerien gehörten sonst auf Universitäten und auf dem Catheder zu Hause, faßten die Disputierkunst in sich, das Examen, die Promotionen u.d. gl. Jetzt findet man solche in den Tabagien, in denen kleinen Zirkeln der Journalen- und gelehrten Zeitungsleser, in welchen die meisten etwa durch Inspiration der allgemeinen deutschen Bibliothek ihr gelehrtes Urtheil mit dem entscheidenden Ton fällen, als wenn sie die Sachen selbst durchgedacht hätten.[46]

Theologische Charlatanerien – – parturiunt montes nascitur ridiculus mus – – sie haben noch immer den Vortheil, daß sie manchem ehrlichen Manne der nichts weiter gelernt und sonst guten Appetit hat, ein ruhiges Stückchen Brodt verschaffen.

Rechtliche Charlatanerien sind sehr ernsthaften Inhalts, indem man mittelst derselben seine Ehre und Vermögen auf noch ungewissern Carten riskirt als im Farospiel – der Vortheil vom einfachen Satz, Paroli und la Paix di Paroli machen zu können, macht das Risiko nur um so viel stärker.

Es verhält sich mit allen Charlatanerien – vielleicht auch mit diesem so betittelten Werkchen, wie mit allen apokryphischen aber currenten Münzsorten, das Gepräge macht ihren Werth,[47] sie gelten bis zur nächsten Reduktion, thun aber bis dahin ihre Dienste, maassen man immer gutes reines Gold und ein bleibendes Capital dafür einwechseln kann, als weshalb mir am jüngsten Tage, bey seiner Wiederauferstehung der zu seinen Vätern versammlete Ephraim das glaubwürdigste Zeugniß nicht versagen wird.


December der 11te möchte immer für Kinder und Kindeskinder zum allgemeinen Buß- und Bettage angeordnet werden, damit männlich sich seiner Sterblichkeit und Demuth erinnere und der für die Adventszeit schickliche Text, über welchen einstweilen ein gewisser Johannes gepredigt haben soll, in Erwägung gezogen werden möge:


Was hoch ist soll erniedriget und was niedrig ist soll erhöhet, was uneben ist soll gleich, und was krumm ist gerade gemacht werden.
[48]

Es ist immer ein Tag überaus reich an erbaulichen Betrachtungen, an welchem über die Worte: habt Gerechtigkeit lieb ihr Regenten auf Erden, auf eine eben so furchtbare Weise zur Vertreibung aller rechtlichen Charlatanerien gepredigt wurde, als ehedem das Gesetz Mose vom Berge Sinai herab donnerte, daß denen die es höreten die Haare zu Berge stunden.

Wahr ist's daß nicht alles gerade, gleich und recht ist, was rechtlicher Weise und nach dem rezipirten modo procedendi entschieden wird, aber wahr ist es auch, daß oft dem Teufel – und auch dem verschriehenen rechtlichen Verfahren Unrecht geschiehet. Daher kam es auch, daß im verflossenen Jahre alle Klagen gegen die Gerichtshöfe ohne Unterschied so willig angenommen,[49] in diesem Jahre aber die unnützen Beschwerführer unter dem löblichen Regiment von Kowalsky gesteckt wurden.

Am 11ten December des vorigen Jahrs predigte indessen nur der Vorläufer des Messias: thut Buße, das Himmelreich ist nahe herbey kommen. Jetzt bey der ersten jährlichen Gedächtnißfeyer dieser Predigt befindet sich das Himmelreich einer neuen Justitzordnung unter der Presse, welches wir mit aller Erwartung der Juden auf den Messias, des nächsten näher kennen zu lernen, die Ehre haben werden – und gebe Gott zum lieben neuen Jahre, daß alle Charlatanerien dadurch aufgehoben, und die Chikane wirklich ihr Grab finden möge!


Dedikation, ist eins der wesentlichsten Stücke eines Buchs. Es verhält sich[50] mit den Dedikationen wie mit den lobrednerischen Leichenpredigern, welche indem sie ihren Gegenstand bis in den Himmel erheben, sich selbst Ruhm und Beyfall zu erwerben suchen, auch von der Dankbarkeit der theilnehmenden Familie noch wohl reelle Vortheile erwarten. Das lesende Publikum überschlägt mehrentheils die Dedikation ohne solche zu lesen und der Gönner überschlägt mehrentheils das Buch und liest nur die Dedikation.

Meinen Charlatanerien habe ich eine Dedikation nicht wollen fehlen lassen, damit sie mittelst dieses wesentlichen Kenntzeichen eines Buchs, nicht das Ansehen eines Buchs, entbehren mögen. Ich setze aber meine Dedikation nicht voran, sondern in der Mitte, weil sie mehr bestimmt ist, daß sie das Publikum[51] als der hohe Gönner lesen soll, an den ich sie richte. Ruhm und Beyfall ist der Zweck nicht, den ich dabey beäuge – und beyde Stücke dürften überhaupt auch wohl nicht der Erfolg seyn, der dieses ganze Werkchen krönen wird. Wenn es Gönner und Mißgönner aber übrigens gut bezahlen, so will ich auf alle anderweite Absichten welche bey Dedikationen und Büchern in Betracht gezogen werden, allenfalls wohl Verzicht thun. Also ohne weitere Umschweife:


Dem

Hochwürdigen und Hochgelahrten

Herrn

Herrn Magister Spitzbart,

Verfasser des Ideals

einer vollkommenen Schule.
[52]

Mein Herr,


Sie gehören unstreitig zu der Zahl der Charlatanen unserer Zeit, welche von der modischen Geniesucht hingerissen, die Fesseln des gemeinen Denkens abwerfen, die bisherige Ordnung der Dinge umkehren, und uns mit neuen Welten zu beschenken, den rühmlichen Eifer haben.

Die alte Welt, ich muß es freymüthig bekennen, hat zu lange gestanden, um nicht, von welcher Seite wir sie immer betrachten mögen, baufällig und unbrauchbar zu werden. Selbst die Klagen über das Alterthum so vieler sonst in Ehren gehalten gewesenen Dinge, sind schon alt geworden, ohne daß sie viel Neues oder etwas Besseres zur Welt gebracht hätten. Da geräth nun auf einmal der Reparationsgeist über[53] die Menschen. Es ist als ob die Genies vom Himmel herabschneyeten, und die Menge dieser großen Geister rotten alles was ihnen aufstößt mit Stumpf und Stiel aus, liefern uns statt der alten eingerissenen Gebäude, neue schöne Risse und Ideale, ohne die Kraft zu haben, neue, bessere und vollkommenere Gebäude aufzuführen.

Sie, mein lieber Herr Magister Spitzbart, entwarfen das Ideal einer vollkommenen Schule, wurden berufen dieses herrliche Ideal zu realisiren und machten sich blutlächerlich, daß sie endlich unter der Last der Schande, die ihr Genie durch Nachjagung der Ehre über sie brachte, krank wurden und sterben mußten. Solchergestalt nahmen Sie ein Ende, wie es einem Charlatan eignet und gebühret.[54] Welches Modegenie wird nicht bey ihrem Tode mit Bileam, der sich durch seinen redenden Esel berühmt gemacht hat, ausrufen: Meine Seele sterbe des Todes dieses Gerechten! Dis würde gewiß geschehen wenn jeder Erfinder solcher vollkommenen Ideale, zur Ausführung seiner Projekte angeordnet würde. Ich werde allen Fleiß anwenden um die alten Charlatanerien merkbar zu machen und aus dem Wege zu räumen, um neuen Charlatanen Platz zu machen, ihre vollkommene Ideale an der leeren Stelle zu setzen, und Ihnen mein Herr Spitzbart, durch Erweckung einiger Dutzend Dummbärte würdige Nachfolger zu verschaffen, als in welcher Absicht ich Ihnen zu Ihrem Trost das Register dieser Charlatanerien in Ihrer Grube nachsende, um Sie zu[55] überzeugen, daß Sie nicht der einzige Charlatan waren, der in dieser bösen Welt das Unglück hatte mit seinem Ideal ausgelacht zu werden. Ich bin mit vieler Aufmerksamkeit


Der Verzeichner der Charlatanerien, dem aus seiner Schuld keiner entwischen soll.


Dringende Bitten, drängende Noth und was dem ähnlich ist, werden von den meisten Menschen die zum Erwägen bestellt sind, wie Kleinigkeiten angesehen. Dem einen und dem andern abzuhelfen hat immer Zeit. – Bis nach der Tafel, bis die Spielparthie geendiget ist, bis die Ceremonievisite eines durch Rang geltenden Taugenichts vorbey ist, mag der dringende Supplikant im Vorzimmer warten oder sich vom Schweizer zehnmal abweisen[56] lassen – geht er unter der Zeit zu Grunde, nun! denn bedarf er keiner Hülfe mehr. O ihr Charlatane auf der Welt und Staatsbühne, wer kann für euch Achtung haben!


Dunstkreiß, umgiebet jeden Planeten groß und klein, und ist Ursach daß unsere schärfsten Blicke nicht seine wahre Gestalt sehen können, daher die Urtheile der Menschen auch immer verschieden ausfallen, die es sich besser und schlechter vorstellen als wir es auf dem Planeten wirklich finden würden – wenn er nicht in seinem ihm eigenthümlichen Dunstkreise eingehüllt wäre. – – Nehmt dem Priester seinen Chorrock und zieht ihm ein bürgerlich Kleid an, so hat er den Dunstkreis seiner Würde verlohren – Nehmt dem Großen die Gunst seines Fürsten, dem Reichen[57] sein Vermögen – der Theaterprinzessin die Schminke – hin ist ihr Ansehn.

Befreyt das im Bettlerkleide versteckte Verdienst von dem traurigen Nebel der Armuth, zieht das stillwirkende Genie aus der dunkeln Staubwolke der Niedrigkeit hervor, und die Naturschönheit eines Mädchens aus ihren Lumpen, aus der bestäubenden Arbeit hervor – und der eine wie die andere wird wie Sonnen glänzen.

Schade daß freywillig die Meisten auf den Dunstkreis der Dinge mehr, als auf den Werth der Dinge selbst sehen.


Edelmuth, ist eine wahre Schönheitsquelle für die Sittenlehrer, wenn sie ein herrliches Ideal von Menschenwürde – aus dem ewigen Leben entwerfen wollen.[58] Edelmuth gilt auch, dem Himmel sey Dank! noch immer auf dieser Welt und ist sehr diensam einen kleindenkenden großen Mann damit zu bestechen, wenn, was recht und billig ist, ohne Bestechung nicht von ihm zu erhalten steht.

Wie sich die Armuth freut wenn man ihr mit mildreicher Hand giebt was sie nicht hat, so freut sich mancher armselige Mäcen wenn man ihm mit dem Weyhrauch von Edelmuth die Nase einräuchert, voll innigen Gefühls seiner Dürftigkeit, und daß so ein Schatz als der Edelmuth im Menschen ist, nie in seinem armen Herzen erfindlich war.


Ergebenheit, dankbare Ergebenheit, wird bey Anfertigung eines teutschen Wörterbuchs, nicht zu vergessen gebeten.[59] Unter der Zahl der Tugenden ist das immer ein sehr wichtiger Artikel, ohne welchen der gute Briefstil einen wesentlichen Zierrath verlieren würde. Im gemeinen Leben kann man sich von diesem Dinge schon ehr passiren, und das ist auch recht gut, weil man sich andernfalls gar sehr betrügen würde, wenn man sich auf die Charlatanerie der Ergebenheitsversicherungen sonderlich verlassen wollte. Wem übrigens mit dieser Waare gedient seyn möchte, dem kann ich mit einer Menge Ergebener Diener aushelfen, ich darf sie nur von Briefen solcher Leute abschneiden, die mich zu ihren ergebenen Diener machen wollten, indem sie mir versicherten daß sie die meinigen wären. Wer sollte wohl nicht in demselbigen Falle seyn von dergleichen Charlatanerien selbst ein gutes Magazin zu besitzen,[60] ohne darauf den mindesten Werth zu legen.


Ertz-Ertzbischof, Ertzpriester – Man sagt nicht Ertzkayser, Ertzkönig, Ertzfürst, auch nicht Ertzehrlicher Mann, wohl aber ein Grundehrlicher Mann. Daraus scheint zu folgen, daß der Genius der teutschen Sprache es so mit sich bringt, das Vorwort Ertz, nur bey Titulaturen anzubringen die das Gepräge der Heiligkeit ausdrücken und – bey denen die ganz das Gegentheil von Heiligkeit bezeichnen, denn man sagt auch Ertzspitzbube, Ertzheuchler etc.


Esel. Eins der erträglichsten Wunder im alten Testament, war immer die Geschicklichkeit zu reden, womit ein Esel seinen Herrn in Erstaunen setzte. Der arme Narr sprach doch nur für seine Haut,[61] während sein Herr sich um anderer Angelegenheiten bekümmerte, und es ist selbst einem Esel nicht zu verdenken, wenn er der Subordination unbeschadet, seinem Vorgesetzten Bruder, über dessen unbilliges Treiben und Schlagen Gegenvorstellungen macht. Das Talent zu reden bey einem Esel war im Grunde auch nicht wunderbarer als das Talent Bileams, durch die Kraft seiner Worte einen ganzen Heereszug von sechsmal hunderttausend Mann zu bannen, als welches der König der Amalekiter ausdrücklich von ihm verlangte. Und die Leichtgläubigkeit dieses Königs, der in den Zauberworten Bileams so viel Vertrauen setzte, war nicht größer als der Aberglaube des achtzehnten Jahrhunderts, nach welchem man es für eine Gotteslästerung hält, die Rede eines Esels und die Weißagung eines[62] Propheten zu bezweifeln. Heute zu Tage geht man noch weiter als zu Beleams Zeiten – man giebt Eseln Ehrenämter, Obrigkeitliche Würden – und Rathsherren-Stellen, wogegen auch übrigens nichts einzuwenden ist, wenn man nur so billig wäre, es jenem alten römischen Kayser zu Gute zu halten, der seinen Lieblingsgaul zum Burgemeister ernennen wollte, wodurch der Regierung bey alledem nicht schlimmer würde gerathen gewesen seyn, als wenn in neuern Zeiten Esel an der Landesdirektion Theil nehmen.


Eulenspiegel sagt daß ihm die Leute nicht gut wären, aber, setzt er hinzu, ich mach's ihnen auch darnach. Eulenspiegel sagte den Leuten die Wahrheit – zeigte ihnen in seinen Possen die er machte, ihre eigene Narrheit, und parodirte[63] durch seine lose Streiche anderer Leute ernsthafte, ehrwürdige und Respektfordernde Bosheit – Er machte den Narren, um so manchen sich weiseglaubenden Mann als einen Narren zu handhaben. – Unterdessen that Eulenspiegel doch mehr guts mit seinen Possen als manche Staatsperuke mit ihrer prunkreichen Feyerlichkeit – er kurirte noch manchen von seiner Narrheit und Charlatanerie, und lehrte andere sich vorzusehen, um nicht auf seiner Liste zu kommen. Seine Asche ruhe in Frieden und sein Geist möge immer im Seegen unter uns wohnen!


Ewigkeit, wird im eigentlichsten Verstande auf die ärgste Weise genothzüchtiget, und zu allem gemißbraucht wie die Universalmedizin des Marktschreyers,[64] deren ausgebreitete Kraft recht groß herausgestrichen wird, ohne daß der geringste Verlaß darauf wäre. – Alle Welt kennt die Ewigkeit der Friedens- und Freundschaftsbündnisse, die Ewigkeit der Verliebten, und die Ewigkeit des schriftstellerischen Ruhms, um welcher so viel Federn zerkäut werden als die ganze Nation der Gänse kaum hinterlassen kann, wenn sie diese Zeitlichkeit geseegnen. Die Ewigkeit der Höllenpein, wo die Verdammten mitten im Feuer, vor Frost mit den Zähnen klappern werden, ist wenigstens ein eben so würdiges Objekt der schrecklich tragischen Muse als die Beschreibungen der Freude wo die Seeligen ewig Hallelujah singen sollen, ohne Langeweile zu haben und einzuschlafen, schönen Stoff zur erbaulichen Farce abgiebt. Es wäre der gesunden[65] Vernunft doch rühmlicher, wenn man weniger bestimmt von Dingen spräche die Niemand versteht, und wenn man Ewigkeiten nicht so lang vorstellte, die sich mit kurzen Ehlen ausmessen lassen.


Examen, sollte die Gewährleistung verschaffen daß junge Leute auf Schulen ihre Zeit gut anwenden, Candidaten was gelernt haben, und keine dumme Teufels Beysitzer von Landescollegien werden. Sie sind meist alle von der Beschaffenheit daß sie bloß den Titel von Täuschereyen und Charlatanerien verdienen, und ein Mittel abgeben dem einen fortzuhelfen und den andern – den man sonst mit guter Manier nicht loßwerden kann, mit gerechten Ansprüchen abzuweisen, welches indessen wenn keine politische Absichten obwalten, aus Menschlichkeit nur selten zu geschehen[66] pflegt. Wie mancher würde Zeitlebens ohne Amt vegetiren, wenn bloß Geschicklichkeit und geprüfte Kenntniße ihn befördern sollten, und wie wenig vorbereitete Köpfe würden nicht ungenutzt bleiben, wenn ihnen die begünstigte Unwissenheit nicht so oft vorgezogen würde. Auch hier läßt es sich mit Charlatenerien weiter bringen als mit Realitäten, um so mehr wenn von dem welcher zu den wichtigsten Dinge examinirt werden soll die Regel verstanden wird: Les gens d'esprit savent tout sans l'avoir appris.


Fabel, hat einen allgemeinen reellen Nutzen, wenn sie bloß das Mittel ist, heilsame Wahrheiten faßlich und mehr genießbar zu machen, und Fabel ist der Kunstgrif politischer Gauckler die dem Volk Lügen für Wahrheit geben, um[67] es in ihr Interesse zu ziehen und versteckte Absichten zu erreichen.

Die griechische Fabellehre vereinigte beydes. Jede einzelne, und die Zusammenordnung des Ganzen war Bild der Wahrheit, aber die darin verborgene Wahrheit lag tief im Grunde verborgen und nur denen Weisen unverschlossen – Für den Pöbel war sie der Zügel der Regierung in den Händen der Priester, welchen sich selbst Könige anvertrauten.

Spätere Fabeln erreichten nie die innere Vortreflichkeit der griechischen Fabellehre, bestanden in platten Erdichtungen geiziger und herrschsüchtiger Pfaffen, ohne daß in diese Schaalen, Kern der Wahrheit wäre verborgen gewesen, und bloß den Zweck hatten, das Volk für taube Nüße sich[68] unterwürfig und kontribuabel zu machen. Diese Fabeln verdienen indessen keinen Spott, sie waren Mittel ganze Völkerschaften souverain zu beherrschen und Millionen einzukassiren. – Die Fabel vom Teufel, vom Fegefeuer, von Versöhnungsopfern und Seelmessen haben mehr eingetragen, als die Goldgruben von Peru, aber die gutherzigen Thoren die diesen Fabeln glauben, sind gar würdige Gegenstände des Spottes, weil sie ihr Geld und Freyheit des Geistes für Possen hingeben.


Figurant. Unter den geringern Menschenständen, bey den Ackersleuten, Handwerkern, Künstlern, darf einer nicht bloß Figurant seyn wenn er fortkommen und bestehen will – er muß sein Metier verstehen und mit Fleiß[69] treiben, sonst geht es zu Grunde, aber in den höhern Ständen und am Ruder des Staats kommts so genau nicht darauf an. Neben einen Mann von Kopf und Thätigkeit können immer ein paar Figuranten geduldet werden. Sie sind selbst nothwendig. Der Staat erfordert Honneurs und diese zu machen haben die eigentlichen thätigen Steuermänner der Regierung keine Zeit – dazu also werden die Figuranten erfordert, die in Absicht der Würde von welcher sie Rang und Titel führen nur ihren Platz auszufüllen brauchen, nur ihren Namen bey Sachen von Bedeutung hergeben, und übrigens zu ihrem besondern Departement die Pointille des Etikets zu rechnen haben.


Friedensbote, will so viel sagen als Wolf in Schaafskleidern, sobald nemlich der[70] Friedensbote den Verfolgungsgeist und frommes Blutvergießen gegen Ketzer prediget, oder weil das jetzt nicht mehr von sonderlichem Effekt ist – wenn der Friedensbote in einer engern Spähre, die Schwachheiten seiner armen Nebenmenschen aus einem Hause in das andere trägt, um solche in seinen gottseligen Klatschgesellschaften mit den Zähnen zerreißen zu helfen.


Fürst. Es liegt etwas Großes in der Idee Fürst zu seyn, wenn ein fürstlicher Geist dem Namen entspricht – – Außerdem, und wenn ein kleiner Fürst mit einer kleinen Seele figurirt; so gehört er auf die Liste der Charlatane.


Gastfreyheit, war bey den Alten eigentlich eine reziproke Verbindung unter Freunden, einander zu beherbergen. Unter unpolizirten Völkern ist eine[71] grenzenlose Gastfreyheit noch im Gebrauch, und wird unter die heiligsten Pflichten gezählet. Die Hausväter unter tartarischen Nationen treten vor der Hausthüre, wenn ein Fremder in ihr Dorf kömmt, und bitten ihn, jeder besonders, in seiner Hütte einzukehren. Derjenige dessen Einladung an genommen wird, rechnet sich die Einwilligung seines Gastes zur Ehre und wendet allen Fleiß an ihn zu bedienen, zu entkleiden, seine Füße zu waschen, alles hervorzusuchen was er zur Sättigung und Erquickung des Reisenden aufbringen kann und ihm ein bequemes Lager zu bereiten. Dis ist die Gastfreyheit für Reisende, welche unter Wilden angetroffen wird – Unter den Türken kann diese Höflichkeit in gastfreyer Aufnahme eines Fremden nicht statt finden. Das vorsichtige[72] Einsperren der Weiber verhindert es. Der Türk selbst bringt ein gut Theil seiner Zeit in dem, jedem andern, unzugänglichen Haarem zu. Dagegen aber wird für fremde Reisende in den Carvanserien gesorgt und es wird zu gottesdienstlichen Pflichten gerechnet, Carvanserien zu stiften und solche hinlänglich zu dotiren. Der Fremde ohne Unterschied kehrt daselbst unentgeldlich ein, findet Obdach und wird in einigen gespeiset, ohne daß es ihm was kostet. In den Mustern polizirter Länder ist die wenigste Gastfreyheit, und gilt nur zur weißlichen Unterhaltung der Connexion unter der Kaufmannschaft. Die Aufnahme der Fremden ist daß Gewerbe der Gasthöfe, welches für Reisende die sich unterrichten wollen, indem sie fremde Länder besuchen, seine Bequemlichkeit und seine Beschwerde[73] hat. Der Nutzen dieser Einrichtung ist der, daß der Fremde nicht genirt und vor sein Geld freyer Herr ist. Die Beschwerde; daß er der Gewinnsucht ausgesetzt ist, und ohne anderweite Connexion den Zweck des Reisens zum Unterricht, kaum zur Hälfte erreicht. Wenn er Adressen hat, so genießt er die Art von Gastfreyheit, daß er zur Tafel geladen und ihm zu Ehren ein prunkreiches Traktement gegeben wird. In England war dis vor wenig Jahren eine kostbare Gastfreyheit, weil die Bedienten ein solches Trinkgeld haben mußten, wodurch die Mahlzeit dreyfach bezahlt wurde. In Hamburg gilt – nach dem dort herrschenden, noch nicht durchaus aufgehobenen Boockesbeutel dieser Gebrauch noch, und der Fremde der das nicht weiß und denen Bedienten ihr Trinkgeld[74] nicht reicht, wird bey der zweyten Visite der Herrschaft nicht wieder gemeldet. In Frankreich welches uns Höflichkeit lehret, findet der Fremde gar keine gastfreye Aufnahme bey Personen von Stande, weil in wirklich guten Häusern der Grundsatz angenommen ist; sich mit Fremden gar nicht einzulassen, denn, sagen sie, ist der Fremde gut, so muß man sich die Unannehmlichkeit ersparen ihn wieder zu verlieren, und wenn er nichts taugt, so muß man den Verdruß vermeiden, ihn kennen gelernt zu haben. Junge Leute also bilden sich in Paris nach ihren Peruquiers, auf Caffeehäusern, im öffentlichen Spektakle, und durch den Umgang mit den gastfreyen Töchtern der Freude, mit Comödianten, Tänzerinnen und höchstens in den Akademien solcher Damen, welchen die Regierung[75] Freyheit giebt Hazardspiele in ihren Häusern zu haben, um ihrem Stande gemäß, desto besser leben zu können. Die Kaufmannschaft macht darin überall eine sehr vortheilhafte Ausnahme. Andere gastfreye Häuser unter Leuten von Stande, sind zu zählen.


Genie, ist eine Seltenheit deren jedes Jahrhundert nur wenige hervorbringt. Nie aber wird mehr von Genie geplaudert, als wenn die Genies am meisten fehlen, so wie der Arme von nichts lieber spricht, als von Reichthümern. Heutiges Tages will alles Genie seyn. Sobald jemand alle Regeln des guten Geschmacks verläßt, von der allgemeinen Heerstraße menschlicher Kenntnisse abweicht und wild über Hecken und Gärten setzt, alles Bisarre heraus[76] sagt, was in seinem wüsten Gehirne sprudelt, eine schwäbische oder baierische Mundart zum Eigenthümlichen seines Skils macht, mit Kerls und platten Ausdrücken, die man nur unter dem Pöbel hört, und sonst nie in guten Büchern gedruckt las, um sich wirft, so beehrt man ihn mit dem Titel eines Genies. Alle Nachahmer Götens stahlen ihm den Ingolstädtschen Studententon ab, um durch dieses Gepräge ihren Plattitüden den Werth des Genies zu verschaffen. Es ist ein Glück, daß der erlauchte Verfasser des Schreibens über teutsche Litteratur etc. die Quintessenz dieser Geniesorte im Marionetten-Theater nicht gelesen hat, er würde sonst mit mehr Grund der Wahrheit unserm teutschen Witz noch übler begegnet seyn und – solcher Gelegenheiten mehr[77] gefunden haben, uns Schaamröthen abzujagen, da wir Teutsche sind, deren gepriesenes Genie mit abscheulichen Zierrathen eines gothischen Witzes prunket – und die in ihrer Sprache bald mit Jakobi süße Lieder leyern, bald geradbrechte Bänkelsängerey in platten Volksliedern treiben.


Gesetze. Es ist unrecht nicht nach den Gesetzen zu richten, und es ist oft unrecht zu genau, nach denselben zu urtheilen. Der Sinn des Gesetzes, und der Buchstabe des Gesetzes sind in einzelnen Fällen einander sehr oft gerade entgegen gesetzt. Der Sinn der Gesetze geht immer dahin, die Gerechtigkeit zu handhaben, aber, wenn der Spitzbube seine Schelmereyen legalisiren will, so versucht er sich hinter dem Buchstaben des Gesetzes – der Richter muß darnach sprechen, indem er[78] weiß, daß er der Ungerechtigkeit und der Infamie die Hand bietet. Nehmen wir das Gesetz von schriftlichen Kontrakten wenn die Sache mehr als 50 Rthlr. beträgt:

Ein Bedienter empfängt ein Capital von seinem Herrn, um solches auf der Bank unterzubringen und eine Obligation darüber zu empfangen. Der Bediente trägt das Geld treulich hin, läßt es aber nicht auf den Namen seines Herrn, sondern auf seinen eignen Namen ausstellen, und behält die Obligation für sich. Sein Herr verklagt den Bedienten und wird mit der Klage abgewiesen, weil die Summe über 50 Rthlr. beträgt, und kein schriftlicher Kontrakt vorgewiesen werden konnte.

Titius spricht zum Cajus, gib mir deinen brillanten Ring, ich will ihn diesen Abend auf einen Ball anstecken,[79] und geb' ihn dir morgen wieder. Titius giebt ihn, Cajus behält ihn und sagt: es ist mein Ring. Der erste läuft zum Richter und erzählt den Fall – verlangt den Cajus darüber zu vernehmen. Er kann es nicht abläugnen, setzt Titius hinzu, und wenn er es thun sollte, so deferire ich ihm den Eid. Die Klage kann gar nicht angenommen werden, antwortet der Richter. Nach dem Gesetz müsten sie einen schriftlichen Kontrakt haben, und weil der fehlt, so werden sie mit ihrer Klage ganz abgewiesen.

Der Sinn dieses und ähnlicher Gesetze, geht indessen doch immer dahin – nicht sowohl den zufälligen Nutzen der Stempel-Revenües zu befördern – als welche bey der neuen Justitz ohne dem wohl nicht das Hauptaugenmerk[80] ausmachen dürften, sondern mit mehr Sicherheit einen jeden bey seinem Eigenthum zu schützen. Wenn nun aber aus einem in solcher Absicht gegebenen Gesetze ein widriger Effekt entspringt! solte alsdenn das Gesetz nicht modifizirt und selbst eine Ausnahme gemacht werden, wo nicht aus eigener Macht des Richters, doch wenigstens von einer permanenten Gesetzbestimmenden Kommission?

Ein mehreres was den Mißbrauch der Gesetze angehet, wird unter dem Artikel vom Wucher, vorkommen.


Gelegenheit und Zeit sind zwey Thüren die nicht immer offen sind. Die Klugheit erfordert, den Moment abzuwarten wo sie geöfnet werden. Wer das nicht thut, der läuft mit dem Kopf gegen die Wand.

Pabst Sixtus der V. hielt sich eine Schreibtafel worin er sich ein Haufen[81] Dinge notirte, aber sich von dem was er vorhatte nichts eher merken ließ, bis die Zeit ihn zum Pabst machte und er Gelegenheit hatte – nicht bloß von Projekten zu schwatzen.


Gebräuche, sind die Tyrannen der Menschen und die, welche sich bloß nach Gebräuchen richten sind Sklaven. Ein freyer, selbstständiger Geist folgt nur denen Gebräuchen, insofern sie auf seinem eigenen Gange vorkommen, und nach seinem Geschmack sind. Der Weg den die freye Vernunft führt, ist immer der richtige, wenn ihn auch keine Regel zur gewohnten Heerstraße macht.

Gleichgültige Gebräuche kann man mitmachen und bisweilen will's die Klugheit, daß man sich ihnen, auch ohne Geschmack dran zu haben, konformire. In Rußland ist es Gebrauch die Damens nach der Reihe, die schönen und häßlichen zu küssen, und bey uns zieht man den[82] Huth vor dem ab für welchen man Achtung hat, und für den welchen man eben so gern prügeln möchte. Dies sind gleichgültige Gebräuche – aber keine Messe und keine Kirche zu versäumen, ohne an Messe und Kirche zu glauben, bloß des Wohlstands wegen sich so zu plagen – das sind Charlatanerien!


Grimassen – wenn sie was einbringen so kann man sie verzeihen – auch die Gauckelspieler wollen leben und – wer nun nichts anders gelernt hat, nichts als Blendwerk und Grimassen kann, nicht That in seinen Kräften hat, nun, den muß man's zu Gute halten, sich aber nicht dadurch täuschen lassen. Mancher große Mann hat alle Grimassen der Wichtigkeit und ist Federleicht – sein Gehirn würde, wenn man es auf die Waage legte, auch keine Pflaumfeder aufwiegen – Viele predigen mit der Grimasse des heiligen Franziskus Demuth,[83] Unterwürfigkeit und Mäßigkeit und haben allen Stolz der Canonisation im Kopfe, leiden keine Einsichten neben sich und nicht den mindesten Widerspruch, und die Mästung ihrer dicken Maschine läßt ihnen nichts Geistliches übrig – als die Grimasse. –

Die Grimassen des schönen Geschlechts sind ohne Ende welches die von der ehrbaren, andächtigen und keuschen Sorte vorzüglich beweisen, wenn man mit demjenigen näher bekannt geworden zu seyn die Ehre hat, was sie unter dem siebenfachen Schleyer ihrer grimassirten Prüderie versteckt halten – Alles das kann hingehen, man muß sich aber nicht daran kehren.


Grundtext, war sonst als die Geistlichen noch ebräisch und griechisch lesen lernten, ein schöner Befehl sich beym Pöbel mit einem Schein von Gelehrsamkeit geltend zumachen, oder den Leuten was[84] aufzubinden, was eben nicht aus der teutschen Bibel zu ersehen war.

König Gustav Adolph von Schweden, begegnete einem Priester in Sachsen zu Pferde, der eben von einer Gemeinde zur andern ritt, um seine Erbaulichkeiten anzubringen. Herr Pastor, sagte Gustav, es heißt ja: gehet in alle Welt und er reitet? das ist ja wider die Bibel! Ihro Majestät halten zu Gnaden, antwortete der Priester, im Grundtext steht: seht zu wie ihr fortkommt.


Hanswurst. Der jetzige verfeinerte Geschmack will den guten buntscheckigten Narren auf dem Theater nicht leiden, welches meines Erachtens eine große Undankbarkeit ist, maaßen Hanswurst den ersten Grundstein zum teutschen Theater gelegt, dem Schauspieler immer das meiste eingebracht und das Publikum auf die kräftigste Weise belustiget[85] hat. Auch ist's eine ganz irrige Meynung wenn man glaubt, daß in unsern Tagen Hanswurst, wenn er wieder auf der Bühne hervorträte keine Approbation mehr finden würde. Der ganze Grund dieses Irthums liegt in der unverdienten zu hohen Meynung, die man von der Vollkommenheit der Bühne und von dem Geschmack des Publikums hat.

Man erzählt von einem Wienerischen Hanswurst der Altershalben sein Amt niederlegte und sein Pritschholz mit eben der Feyerlichkeit seinem Nachfolger überreichte, mit welcher Christine von Schweden einstweilen aus philosophischer Charlatanerie ihren Scepter abgab, das Publikum in Wien bis zu Thränen gerührt gewesen wäre, seinen Liebling zu verlieren. Sein Nachfolger, der neue feyerlich kreirte Hanswurst omnirte sich aus der allgemeinen Trauer über seinen Vorgänger wenig[86] Beyfall, faßte daher den geschwinden Entschluß auf dem Theater niederzuknien und mit aufgehobenen Händen und thränenden Augen das Parterre und die Logen um Gotteswillen zu bitten, daß man doch über ihn lachen möchte. Dis hatte Effekt, er wurde mit einem lauten Händegeklatsche und mit herzlichem Lachen angenommen, so wie zuverläßig ein guter Hanswurst ohne die Berliner um Gotteswillen um Beyfall zu bitten, würde bewillkommt werden. Die Beobachtung ist wenigstens richtig, daß die hiesigen Logen immer glänzender sind, wenn in dem vorgestellten Stück eine sehr niedrigkomische Rolle vorkömmt, und wenn ich meine Leute recht kenne, so dürfte Döbbelin immer die großen Logen dicht am Theater und das Paradis doppelt so geräumig bauen lassen, wenn er so glücklich wäre einen zweiten Schuch aufzutreiben, falls beyde bezeichnete[87] Plätze, für welche Hanswurst recht gemacht zu seyn scheint, gerade diejenigen sind, von welchen er die größten Vortheile erwarten kann.


Hauskreuz, werden diejenigen vom schönen Geschlecht genannt, welche bis zur Würde der Ehegenoßinnen hinauf avanzirt sind. Unter dem Worte Kreuz pflegt man sich immer die allerbittersten Leiden zu gedenken, und weil nach der Aussage geplagter Ehemänner, die Weiber immer das allergrößte Herzeleid sollen zufügen können, so scheinen sie dadurch den Titel des Hauskreuzes an sich gebracht zu haben. Wenn diese Behauptung allenfalls nicht ganz ohne Grund seyn sollte, so möcht's mit aller gepriesenen ehelichen Glückseeligkeit, so wie wir solche in Hochzeitgedichten abgemalt finden, wol größtentheils ein Haufen Charlatanerie seyn.


Hofmann. Eine eiserne Stirn, die nicht roth werden und alles vertragen kann, eine[88] gewannte Seele, die wie der Chameleon jede Gestalt annehmen kann, genaue Bekanntschaft mit einer Menge Kleinigkeiten – die bey Höfen wichtig sind; machen, überflüßig die Eigenschaften eines bloßen Hofmanns aus. Daraus folgt, daß diejenigen, welche in Ermanglung anderer Verdienste, sonst zu nichts zu gebrauchen sind, noch immer zum Hofmannsdienst emploiret werden können.


Hofnarr, war in vorigen Zeiten eine eben so nöthige aber noch wichtigere Charge an Fürstenhöfen, als alle übrige Hofleute, vom Marschall an, bis zum Cammerjunker herabgerechnet, und der einzige von allen der ohne Witz und – wenn man's nicht übel nehmen will, ohne Verstand und Kenntnisse nicht fertig werden konnte. Wenn der Fürst selbst Verstand hatte; so durfts kein gemeiner Narr seyn. Wie denn die berühmte Stadt Wittenberg die Ehre hat, schon einen Professor[89] am sächsischen Hofe in der Person des bekannten Taubmanns geliefert zu haben, der ohne Schellenkappe das Amt versahe, den Durchlauchtigen Administrator aufgeräumt zu machen, und denen Cavaliers sowohl als denen Hofdamen, lose Streiche zu spielen.

In der Folge sind die Schellenkappen ganz abgeschaft und die Hofnarren allein übrig geblieben, welche aber aus Oekonomie jezt in der Gestalt anderer Hof- und Staatsbedienungen, ihr Amt verrichten, falls der große Herr nicht dazu geboren ist, die Rolle eines Plaisant in eigner Person zu spielen, und die Besoldung eines so nöthigen Hof-Meubles, selbst zu verdienen.

Wenn eine Fürstlichkeit von diesem Schlage auf Reisen geht, so werden alle Zeitungen mit den witzigen und komischen Einfällen dieser erlauchten Person angefüllt, wenn sie aber zu Hause bleibt,[90] so mag ein jeder von der täglichen Tafelgesellschaft auf seiner Huth seyn, um nicht von einem Spaßmacher, in die Waden gebissen zu werden.


Jude, von der Seite der Religion genommen, würde ein bloßer Deist seyn, wie sich die Caraiten in Egypten zeigen, deren ganze reine Religion in der Verehrung eines einzigen Gottes und in Haltung seiner Gebote besteht. Die Talmudisten haben mit den Anhängern der christlichen Religion gleiches Schicksal, und müssen alle Grillen ihrer Rabinischen oder Kirchenlehrer oben drein glauben. Bey einem solchen Uebermaaße des Aberglaubens, haben sie auch die Aussicht der Römischen Kirche, von einem Exzeß auf den andern zu fallen, und bey wachsender Erleuchtung, nur Atheisten aus ihrem Schoosse entstehen zu sehen.


Jude, als Regale betrachtet, verdienet Toleranz, und ist wenigstens eben so einträglich[91] als eine Münze, in welcher lauter Sechspfennigstücke gepräget werden, wo im Verhältnis gegen grob Courant ein schön Prozentchen mehr gewonnen wird. Er gleicht übrigens dem Saamen der sich selbst ausstreuet und ohne kostbarem Anbau von selbst wuchert, gleicht dem Weizen in den fetten Marschländern, der seines Wachsthums unbeschadet jährlich ein paarmal geschröpft werden kann, ohne deshalb eine schlechtere Erndte zu geben – hat in diesem Stück viel ähnliches mit den Franzosen die der Teufel auch überall hinführt, um wie das Unkraut unter dem Weitzen alles Ausjätens ohngeachtet zu wachsen, wenn man gegentheils andere nutzbare Früchte sorgfältig säen, warten und anbauen muß, wenn sie fortkommen sollen, und andere Einwohner, Künstler und Handarbeiter mit Wohlthaten und Kosten in's Land ziehet, um Kolonisten blühend zu machen.


[92] Jude als Mensch, sollte alle Vorrechte der andern Menschen mit genießen. Es ist ein unerträgliches Vorurtheil, wenn man einem Menschen von Verstand und Erziehung, keinen andern Vorwurf zu machen weiß als den, daß er ein Jude ist, und ihn bloß aus diesem Grunde von manchen gesellschaftlichen Verhältnissen ausschließt, wozu nur gute und liebenswürdige Menschen erfordert werden. Man glaubt unsere Kirchen nicht entheiliget wann Juden hineinkommen, um eine schöne moralische Rede zu hören und manche eckelhafte Christin würde gewaltig die Nase rümpfen, im Conzert oder auf dem Ball, ein angenehmes Frauenzimmer jüdischer Nation, neben sich zu sehen, ohngeachtet man Exempel hat, daß edle und galante christliche Damen, selbst im Bette einen beschnittenen Liebhaber zulaßbar finden.


Jude als Negoziant muß profitiren, sonst könnte er nicht wie oben bemerket worden ist,[93] ist, als Regale genutzet werden! Für die Landesherrliche Revenües bezahlt er gegen die übrigen kontribuirenden Einwohner noch das Agio von seinem Judenthum, und in den Geschäften welche mit Juden gemacht werden, kann man ihm den Betrag dieses Agio zu seinem Vortheil wiedergestatten, wenn er wie eine aparte Naze die unter dieser Nation selbst als Auswurf betrachtet wird, nicht dieses Agio zehnfach erwuchert. Zur Sicherheit des Publikums, wär's eine heilsame Polizeyanstalt, die Liste dieser Naze an den Thoren der Stadt affigiren zu lassen, und im Adreßkalender zu verzeichnen, um Fremde und Einheimische vor derselben zu warnen, so wie man die Liste der Gasthöfe auf ähnliche Weise bekannt macht, damit jeder Freunde gleich wissen kann wo er einkehren soll. Dieser Dienst indessen kann dem Publikum auch anderweitig erwiesen werden, da die Namen dieser ungehangenen[94] Diebe endlich nicht zu den Geheimnissen des Staats gerechnet werden.


Justitz, ist ein Arzt der bisweilen schlimmer ist als die Krankheit. Glücklich ist der Gesunde, der dieses kostbaren Arztes nicht bedarf! Sie gehört mit zu den schneidenden Metiers. Der Wundarzt schneidet das wilde Fleisch weg – die Justitz schneidet faule Glieder von der menschlichen Gesellschaft, und der Jude die Vorhaut – Alle drey schneiden auch am Vermögen und schröpfen den Beutel. Es ist noch nicht ausgemittelt wessen Schneiden tiefer gehet, und wer von diesen dreyen am meisten schröpft? Um bis gründlich zu untersuchen, müßte Umfrage in den Hospitälern gehalten werden, denn dahin pflegen die Leute durch laugwierige Kuren, durch auszehrende Prozesse, durch wucherhafte Prozente gebracht zu werden. Wer aber mit allen Dreyen zugleich zu[95] thun hat und doch nicht kurirt ist; – der muß eine trefliche Natur haben.


Kritik, ein fürchterlich Ding für den Schriftsteller – der wahre Cerberus an den Pforten des litterarischen Reichs, welcher einem jeden der hinein will die Zähne weiset, und mit einem dreyfachen Bellen zurückschröckt. Hier stehe ich mit dem ersten Abschnitt meiner Charlatanerien, voll demüthiger Erwartung, ob der Höllenhund nur bellen, oder beißen wird. – Wie dem seyn mag; so werde ich nächstens mit einem zweyten Abschnitt erscheinen, und mit mehr Charlatanerien den Cerberus, wer dessen Amt auch verwalten möchte, entweder stille – oder recht wütend machen.


Ende des Ersten Abschnitts.[96]

Fußnoten

1 Ein sehr uneigentlich Compliment Voltairens für einen bessern Männchen als Salomo war.


Quelle:
[Cranz, August Friedrich]: Charlatanerien in alphabetischer Ordnung als Beyträge zur Abbildung und zu den Meynungen des Jahrhunderts, 1–4, Berlin: 41781, 21781, 1781, 1781 [Nachdruck Dortmund 1978].
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Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

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