Rede auß meinem Grabe

O Mensch/ du Grab der Eitelkeit

Triet her zu diesem Grabe:

Schau was ich dir/ du Raub der Zeit/

Darein geleget habe.

Was du ietzt bist und dann wirst seyn/

Nihm von mir/ dir zur Warnung ein.


Ein kleiner Hügel ist mein Reich/

Ein Orth von dreyen Ehlen:

Vier Brether einem Kasten gleich/

Verwahrn mich und viel quehlen:

Sechs Schauffeln Erd'/ O sanffte Ruh!

Scharrn mich/ und auch viel Sorgen zu.


Ich war ein Mensch/ wie du auch bist

Von Stand und vom Verstande:

Dein gleiches Bild/ dein neben Christ:

Jetzt lieg ich hier im Sande.

Kein Marmel darff mein Grab erhöhn/

Daß ich kan leichter aufferstehn.


Was ist der Mensch? deß Todes Ziehl:

Deß Irrthums Wirbel wende.

Sein Thun? der Eitelkeiten Spiel/[392]

Ein Vorsatz sonder Ende.

Sein Geist? ein halber Mund voll Lufft

Der so viel denckt und schafft und hofft.


Kein König: solt' Er gleich an Schein

Den Alexander pochen/

Ein neuer Welt Beherrscher seyn/

Und noch mehr Welten suchen.

Kein Bettelman vor deiner Thür/

Darff einen grössern Raum vor mir.


Hier ist der Gräntzstein aller Macht/

Das Zohl-Haus aller Sachen:

Kunst/ Schönheit/ Herrligkeit und Pracht/

Darff sich nicht drüber machen.

Ein Schwerd/ ein Buch/ ein Pflug/ ein Stab/

Sucht unter einem Staub ein Grab.


So weit/ so weit hast du zu mir/

Dein Fuß hat zu der Erden:

Der Tod/ dein steter Gast winckt dir:

Folg ihm: wiltu klug werden.

Was du sonst suchest weit und breit

Ist nichts als eitel Eitelkeit.


Der Leib/ das Haus/ in dem der Geist

Beherbergt so viel Jahre:

Der in der Übung ward gepreist/

Liegt auff der Todten Bahre.

Was hurtig/ was gerad und starck

Ist ietzt ein Aaß und fault im Sarg.


Ihr/ die ihr Stärck' in Armen spürt;

Geschickligkeit in Füssen:

In Fäusten gleiche Masse führt

Zu lösen und zu schlüssen/[393]

Vor Degen/ Ritterspiel und Pferd:

Schaut wie der Tod das Blath verkehrt.


Was hilfft es/ daß ihr das Rappir/

Dem Tibolt nachgetragen:

Daß Fürsten nandten ihre Ziehr/

Nach dem sich viel geschlagen:

Der Tod hat hier mit stracker Hand

Gefühl und Klinge mir entwand.


Was nutzet es/ daß ihr wohl schwingt

Den Fahn und auch die Picke:

Wol schieft/ wol schwimbt/ wol laufft und springt

Vor sich und auch zu rücke:

Den Schenckeln bringt der Tod; Ach Pein!

Hier das gelernte Zittern ein.


Was dien't es/ daß ihr euer Pferd

Umbwerfft zu beyden Seiten:

Daß sich der Hengst/ wie ihr begehrt/

Lest wol in Schulen reitten:

Das Schull- recht mach' ich hier gemach

Dem Tod auff seiner Fahlen nach.


Ihr/ die ihr viel auff Jugend traut/

Auff frische Mannes Kräffte:

Viel auff Gewerb und Wirtschafft baut/

Auff allerhand Geschäffte:

Ein Sarg wie der/ ist euer Lohn/

Sonst kriegt ihr warlich nichts darvon.


Was ist die Jugend? Ein Gelach

Von Tausend Eitelkeiten:

Ein Spiel- ein Buhl- ein Lust-Gemach

Darinnen wir uns breiten.

Schaut wie mich Atropos ietzt hertzt/

Daß ich darinnen auch geschertzt.
[394]

Was ist die Eh'? ein Sorgen Nest.

Wie reich/ wie klug/ wie schöne

Dein Schatz/ dein liebes Weib gewest/

Wie sitsam deine Söhne/

Ein ander muß versorgen sie/

Diß hatt ich auch/ ietzt lieg ich hie.


Was ist die Wirtschafft? eine Lust

Mit Unlust stets umbgeben/

Doch wol dem/ der ihm wol bewust/

Kan auff dem Felde leben:

Die Erde/ weil wir Erde sein/

Pflügt ich/ ietzt scharrt sie mich drauff ein!


Was sind Geschäfft? ein Licht daß sich

Begräbet unterm brennen:

Wir machen frey von Händeln dich/

Eh' als wir Unsre kennen.

Der keinem Menschen was versagt:

Sieht nicht/ wer nach den Seinen fragt.


Der Geist/ ein Wirth/ der durch das Haus/

Den Gasthoff geitzer Würme/

Hat seine Krafft gebreitet auß/

Durch so viel Jahr und Stürme/

Ist nunmehr Himmel auff gereist:

Kein Pfad das minste von ihm weist.


Ihr/ die ihr Kunst und Wissenschafft

Erfunden und beschrieben:

Von deren Sinnen weisen Krafft

Nichts unentdecket blieben.

Sehr wenig hab ich nicht gewust

Und doch an diesen Orth gemust.


Ich hab auf die gebundne Art/

Mit mehr als Hundert Büchern:[395]

Zwar wollen mir/ vor meiner Farth/

Mein Andenckmahl versichern.

Jedoch die Bücher scharrt in sich

Die faule Mott'/ und Streck-Fuß mich.


Gestalt/ und Eigenschafft und Grund/

Der wunderbahrn Geschöpffe:

Ward mir durch weises suchen kund/

Ein Werck vor kluge Köpffe/

Der Dinge Glantz durch-ging mich offt/

Jetzt lieg ich in der finstern Grufft.


Die allgemeine Scheide Kunst/

Wies mir das Saltz der Erden/

Es solte drauß/ durch Gottes Gunst/

Der Weisen Artzney werden:

Schaut wie der scheutzlich Alchimist/

Der Tod/ mich selber kocht und frist.


Das Recht/ daß die Natur und Gott

Uns gräbt in das Gewissen:

War mir das rechte Grund Gebot/

Draus alle Rechts-Lehrn fliessen:

Der Vieler/ liegt hier auff der Baar/

Ein allgemeines Rath-Haus war.


Was sie die Cabala auch kan/

Entbilden und enthöhlen

Hoch über deß Gemüttes Bahn

In einer reinen Seelen/

Hab ich geschaut/ erkand/ erfahrn/

Jetzt lieg ich untern meisten Schaarn.


Und kurtz: die Werckzeug ingesambt/

Der höchsten Wissenschafften:

Sind abgeschafft: hier endt ihr Ambt

Dran manche sich vergafften[396]

Nicht eines/ wann du es erkiest/

Weiß mehr/ was es gewesen ist.


Die Lippen/ die es kund gethan/

Die Hand/ in die es kommen:

Die Augen/ die es schauten an/

Die Ohrn/ die es vernommen:

Sind stumm/ sind lahm/ sind blind/ sind taub/

Und alles eine Handvoll Staub.


Drum der du diese Grabschriefft liest/

Und hörst mich unterm Sande:

Gedenck an Tod/ wie hoch du bist

Am Stand und am Verstande:

Du hast nicht einen Schriet zu mir/

Dein Grab steht untern Füssen dir.


Du wirst auß deiner Felder Raum

Ein Grab allda zu liegen:

Gewand/ auß deinem Kasten kaum/

Zum Sterbe-Kittel kriegen:

Von Dienern/ welche dich itzt ehrn

Wird man dich nicht mehr nennen hörn.


Nackt ein/ nackt zihn wir auß der Zeit/

Nichts folgt uns/ wann wir sterben

Als deß Gewissens Reinigkeit

Das ander bleibt den Erben.

Weib/ Kind/ Haus/ Ansehn/ Ambt und Gutt

Nihmbstu nicht/ noch sie dich in Hutt.


Wann es am letzten Abdruck ist

So hilfft dich nichts dein Wissen:

Die Künste/ so du vor erkiest/

Und dein Verstand verfliessen:

Gott sieht bloß deinen Glauben an,

Fehlt dieser dir/ fehlst du der Bahn.
[397]

Der Glauben aber dehn Gott sieht/

Muß nichts/ als Christum wissen:

Muß dich: drauß ewig's Leben blüht/

In seine Wunden schlüssen:

Muß ihn und dich in eines ziehn/

Denn Gott nimbt sonst nichts an/ als ihn.


Gott fürchten/ dieses übertriefft

All' andere Gesetze:

Und Christum lieben: alle Schrifft/

Und aller Weißheit Schätze.

Dem heiligen Geiste geben stat

Der Menschen allerklügsten Rath.


Mein Pilgram/ eines das ist noth/

Dasselbe heist: wol sterben:

Kanstu es: du siehst nicht den Tod/

Wo nicht: du must verterben.

Wol sterben/ ist wol aufferstehn/

Drauff wart' ich/ du magst fürder gehn.


Gantz sterben werd' ich nicht

Ein Theil ist todt: ein Theil zeigt sich in Kindern hier:

Ein Theil im Ruff: ein Theil in schöner Bücher Ziehr.

Ein Theil im Rath: ein Theil in guter Freunde Noth.

So lebt das gröste Theil. Daß minste das ist todt.

Jedoch was sind die Theil'/ es lebt die Seele ja.

Ob alle Theile hin; Genung/ ist sie nur da.[398]

Quelle:
Daniel Czepko von Reigersfeld: Geistliche Schriften, Breslau 1930, S. 392-399,414-415.
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