[401] Ob verliebt in Menelaus,
Paris oder Fausten,
Wollustküsse jemals ganz
Helena berauschten?
Durch ein Ahnen ward das Glück
Immer ihr verbittert,
Hat sie doch am Mannesmund
Hades Hauch gewittert!
[401]
Aber ihr Trabantenchor
Schwelgte in Genüssen
Und vergaß im Augenblick
Völlig sich im Küssen.
Einzig im Erinnern kann
Glück sich still erhellen,
Freuden, die ein Mensch ersehnt,
Träumen nur entquellen.
Was sich sacht und langsam sucht,
Faßt sich keusch und zagend,
Plötzlich erst entstammt Genuß,
Alles überragend.
Holde Braut, Dein Eigenglück
Loht in der Pupille
Und vermählt sich wehmuthsvoll
Meiner tiefen Stille.
Eines Dunkels Trauerlaut
Perlt in Deinen Augen,
Ist es doch, als müßte ich
Licht und Leben saugen!
Still im Weib und unberührt
Ruht in ihm ein Friede,
Doch die Liebe haucht ihn weg –
Faßt ich ihn im Liede?
Gilt ein solcher Abschiedsblick
Deinem schönen Leibe?
Fort, beseeligter Gesang,
Leben, oh verbleibe!
[402]
Ahnt die Seele liebend gar,
Daß sie sich verzehre?
Daß die Schönheit, rasch verhaucht,
Nimmer wiederkehre?
Ragst Du mit dem schlanken Leib,
Weib, doch aus dem Staube,
Und der Jugend schwanker Hauch
Wird sich selbst zum Raube.
Hält, wenn man sich herzt und preßt,
Jugend uns umschlungen,
Hat ein Sein sie uns schon oft,
Werdend, abgerungen!
Fort ist unsere Jugend, fort,
Jäh uns weggenommen,
Und in Schöpfungen vielleicht
Über uns erglommen!
Als dereinst an Hellas Strand
Dies ein Mensch verspürte,
Wars, als ob ihn Wehmuth still
Zu sich selber führte.
Und da trat er in den Traum,
Wo die Götter wohnen
Und die Todeshauche sacht
Liebende verschonen.
Und er sah von Meer und Flur
Schleier auferstehen
Und im Frühling keusch und zart
Den Olymp umwehen.
[403]
Und er hörte wie der See
Wellenwiege rauschte,
Als die Venus sie fürs Bett
Blumiger Pracht vertauschte.
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