[Nun seh ich Menschen, von der Erde selbst gehoben]

[10] Nun seh ich Menschen, von der Erde selbst gehoben,

Zu ihrem Werke, wie zu einem Feste, gehn,

Und Tropenwälder, in ihr Wirken eingewoben,

In freier Sonnenluft auf unserer Erde stehn.


Nun sind sie schon der Flammenforst der Menschenseele,

Die Einheit, die sich aus der Wechselschalung samt,

Ein ganzes Weltgewitter lebender Befehle,

Das Schweigen, das uns strahlend an uns selber mahnt.


Ich sehe einen Meteor in Menschenhänden

Sich wunderfältig bilden und dem Geist entfliehn,

Ich staune nun vor lauter Feuerbränden

Und sehe zitternd einen Stern nach Norden ziehn.


Das ist ein Eisenleib, ich kann ihn klar erkennen,

Ein Werk, das in sich selbst das Erdenlicht verschließt,

Es will sich stolz von seinem Ursprungsfeuer trennen,

Oh seht, wie kühn es sich in Fremdheiten ergießt.


Jetzt träum ich nicht, die Gluthen werden blasser!

Das ist ein Riesenschiff, das kühn vom Stapel läuft;

Nun zieht es heim. Sein Wesen kennt das Wasser.

Es wird von tausend Küssen schäumend überhäuft.


Es eilt das Schiff durch seine selbstbewegten Wogen

Und flieht das Land, voll Freude an der Flut,

Doch dann bedenkt es sich und dreht in kurzem Bogen

Rasch um und weiß sich in des Meeres Hut.


Es scheint mir so ein Eisenleib eine Verheißung

Von einer geistgelenkten Meteorenwelt,

Von einer langerwägten, plötzlichen Entreißung

Der fleischgewordenen Seele, die sich lichtwärts schnellt.
[10]

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 1, München; Leipzig 1910, S. 10-11.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Nordlicht (Florentiner Ausgabe)
Theodor Däubler - Kritische Ausgabe / Das Nordlicht