[Es war das kein Brand, sagt sich selber Chuenaten]

[185] Es war das kein Brand, sagt sich selber Chuenaten,

Und was da noch aufflammt kann keiner mehr werden,

Ich wurde vom eigenen Anhang verrathen,

Was hilft da ein Anruf, was Menschenbeschwerden!

Wir werden jetzt selber von Theben verschlungen.

Ich mag auch mein Weib und die Kinder nicht retten.

Es ist mir der RaStaat, das Lichtreich, mißlungen.

Was kümmern mich da alle Kerker und Ketten!

Doch kann ich den nahenden Tag nicht erwarten,

Ich müßte, aus Scham, vor dem Lichte erröthen:

Es Glaube nicht Ra, daß wir alle ihn narrten,

Er findet noch Theben, doch ich will mich tödten!

Ach Mutter, wie eigen sind doch unsere Loose,

Du sagtest, es würde mich niemand bestatten,

Und siehe, Du selber versprühst in der Rose

ErGlühender Blätter, die stammend ermatten.

Wie mochtest Du doch ob des Feuers erschrecken,[185]

Nun bist Du verloren, auf ewig vernichtet,

Es wird Dich Ossiris jetzt nimmer erwecken,

Doch ich werde bald von ihm selber gerichtet!

Kein Mensch soll je wissen, wohin ich mich wende,

Kein Sklave Chuenatens Kadaver verrathen:

Ich will, daß kein Feind meine Grabstätte schände,

Drum berg ich den Leib vor Gewaltattentaten.

Ich klopf an die Thore der Stadtnekropole:

»Ihr Würmer der Unterwelt, öffnet die Pforte

Und sorgt, daß der König nicht oben verkohle,

Gehorcht, denn das sind eines Selbstmörders Worte.«

»Amenhoteps Sohn ist jetzt König im Lande,

Er nennt sich: Der AbGlanz vom RaBall, Chuenaten,

Er warb fremde Häscher und macht uns nur Schande,

Er fahndet fanatisch nach wahnwitzigen Thaten.«

Kaum ward diese Antwort im Keller gesprochen,

So wurde Chuenaten fast starr vor Entsetzen,

Und fing, halb gebrochen, an, nochmals zu pochen.

Er drohte noch, flehte schon folgende Sätze:

»Ich heiße Chuenaten und trachte zu sterben,

Ihr Priester empfangt meine letzten Befehle,

Doch wählt Ihr dann selber, zum Dank, meinen Erben,

Und hütet dafür auch das Blut meiner Seele!«

»So tödte Dich draußen, Du König der Häscher,

Wir warten auf Dich mit dem Bauchaufschlitzmesser,

Die Priester, Ossiris Gedärmeauswäscher,

Bereiten Dich dann für den Rangsargzumesser.«

Kaum hört das Chuenaten die Priesterschaft sagen,

So ruft er verzweifelt: »So laßt Euch verkünden,

Ich will das am lebenden Leibe ertragen,

Doch thut es, sonst laß ich ganz Theben entzünden.«

»Chuenaten, so nahe den schlafenden Ahnen[186]

Im Urall, wo Dauer und Ewigkeit kämpfen,

Es fahnden fanatische RaKarawanen

Zuletzt nach Schlußkrämpfen, die Leid und Lust dämpfen.«

Kaum wurden die Worte von unten gesprochen,

So ward eine winzige Steinthür entriegelt,

Und flugs ist der König durchs Felsloch gekrochen,

Dann hat man es eilig versperrt und versiegelt.

Es folgt nun Chuenaten dem Priester durch Gänge,

Hindurch zwischen Bergen von Mumien und Särgen,

Jetzt kommt er zu einem, der hat seine Länge,

Da sagt ihm der Führer: »Der da wird Dich bergen!«

Chuenaten entblößt seinen Bauch und sagt tapfer:

»Da lieg ich im Sarge, der knapp ist und sackhaft.

Nun walkt, Darmauspacker und Blutsturzabzapfer

Im Bauchwurm herum: mancher Krampf ist auch schmackhaft.

Es freun mich die eigenen und anderer Schmerzen,

Drum laßt auch mein Blut, langsam tröpfelnd, entfließen

Und greift dem lebendigen König zum Herzen:

Ich will noch den Balsam der Mumien genießen.«

»Chuenaten, Du forderst unsagbare Leiden,

Wie kannst Du Dich selber so wahnwitzig hassen,

Wir tödten Dich erst, um Dich dann aufzuschneiden.«

Erwidert der friedliche Priester gelassen.

Drauf sagt rasch der König: »Ich kann Euch nicht trauen,

Ich will die Gewähr meiner Wiederkunft spüren,

Ich will mich beinahe als Mumie beschauen,

Drum wetzt Eure Messer und laßt Euch nicht rühren.«

Drauf murmeln die Männer der Mystik zusammen,

Und endlich spricht einer: »Dein Blut darf nicht fließen,

Sonst kannst Du Dich selber zum Nichtsein verdammen,

Es muß Dirs Ossiris einst wieder eingießen.«

»So sammelt, was abfließt, in Schläuchen aus Därmen,[187]

Und legt es mir bei, in der Höhlung des Bauches,

So wird es mich einst, bei der Wiederkunft, warmen,

Doch folgt sonst in allem den Formen des Brauches!«

Kaum hat das Chuenaten ekstatisch gesprochen,

So sind alle Priester zum Schlachten entschlossen:

Man bindet ihn fest, dann wird rasch zugestochen

Und nichts von dem Blute Chuenatens vergossen.


»Ra, Ra,« rast Chuenaten: »Du schmerzwahres Alles,

Du wahrst Dir den Sieg, oh Du Macht des Erkennens,

Was macht Dir der Schlag meines eigenen Falles,

Du bist ja die Schlange des Weltallerbrennens!

Ra, Ra, laß den Mastdarm Chuenatens anpacken,

Es wallt rastlos Glast durch die Adern erstarrter,

Fast harter Gluthmuskeln! und Brandzangen zwacken

Wahrhaftig ins Schmerzfleisch, ach, raste RaMarter!

Was soll diese Ruhe, Ihr grausamen Henker,

Ihr wollt meine Wunden mit Balsam bestäuben!

Ach, gebt mir den Garaus; doch laßt einen Denker,

Der sehend verscheidet, nicht sündhaft betäuben!

Ich fühl Deine Wege, Du rastlose Schlange!

Du selbst überwundene, unendlich verbundene,

Unfühlbare, sichtbare Zeugin vom Drange

Der Erde zur Sonne! Du furchtbar empfundene

Erstickerin, Würgerin üppiger Triebe,

Du kalte Vernunft und Du mitleidlos Leiden,

Du Irrweg im Krampfhirn, Du Schmerzsterngestiebe,

Du siegende Schlange, ach, laß mich verscheiden!

Ich spür mich zurück bis zur Wurzel vom Bösen,

Denn weibliches Leiden erschleicht mein Geweide:

Du Dreckweg zum Menschen, in Urschwulstgekrösen

Erweist Du Dich immer und steigst von der Scheide[188]

Empor, bis zum menschlich veränderten Herzen,

Du würgtest die Urwelt bis hinzugelangen

Und suchst jetzt Instinkte mit Schmerz auszumerzen

Und kannst durch den Hirnbrei im Weltall frei hangen.

Du suchst Dich verschlungen im Bauch zu verstecken,

Das ist Deine List, mannhaft furchtbare Schlange!

Entweicht Dir das Erdweib, so kannst Du Dich recken,

Denn Frauen empfangen vom RaDrange bange

Den Schleimwurf mit übelgeträchtigtem Samen.

Entwischt Dir die Beute, so wirst Du Gleich steifer

Und zischst geil bis Scham, Graun im Weibsbild erlahmen,

Und spritzt Du Dich aus, speist Du giftigen Geifer.

Ra, Ra, Fatum, furchtbares Flammenentstammen,

Ich selbst bin das Feuer. Man packt mein Gedärme.

Ach, Schmerzbrände züngeln aus zuckenden Schrammen

Und setzen sich fest, und entsetzliche Schwärme

Von Brandfaltern flattern aus brennenden Resten

Des Leibes empor und verpesten die Länder!

Ach, Papis und ich, alle beide entpreßten,

Bei widrigen Festen, als Schwärmer und Schänder

Der Erde den Sommergott, trächtig an Schrecken

Und Freund der Kastraten und rastloser Laster!

Ra, Ra, Du kannst rasende Schmerzen erwecken!

Du siegst, Hascher, Häscher! Es wächst das Geknaster

Verpraster Brandgarben. Jetzt wackelt das Pflaster.

Dort qualmen die Fackeln. Hier schwirren die Kerzen.

Es fallen die raGlasterfaßten Pilaster.

Und mir greift von unten jetzt jemand zum Herzen.«
[189]

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 185-190.
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