[Es zeigt sich jetzt Apammon selbst auf dem Platze]

[356] Es zeigt sich jetzt Apammon selbst auf dem Platze.

Der Herr Alexandrias tragt goldene Kleider.

Es folgt ihm, zum Schutz, eine riesige Katze,

Und neben ihm schreiten die Staatshalsabschneider.


Da sagt Apollonius: »Nach Osten, von Westen,

Wie einst Alexander, der Sonne entgegen,

Ziehn weise Monarchen, dann stürmen sie Vesten:

Auch Apammon scheint solcher Sitte zu pflegen!
[356]

Er wird sich zum Sonnenthorrichtplatze wenden.

Das Od, das nach Westen drängt, wühlt er wie Krumen

In Goldwirbeln auf, und es muß ihm Glück spenden,

Und überall blühn ihm am Weg Ruhmesblumen.


Auch Cäsar war groß, als er ostwärts Krieg führte.

Sein Spießbürgerfeldzug in Gallien war peinlich.

Doch als er Kleopatra selbstherrlich kürte,

Da gabs kein Lateinerthum! Gar nichts war kleinlich!


Ich liebe die Geister der Großen auf Erden:

Ich bin blos ein guter Theurg und ich sagte,

Ich sei auch ein Magier und habe die Heerden

Sofort angezogen, denn gar niemand wagte


Der Macht Demiurgos entgegen zu treten!

Dafür aber geb ich ein Schauspiel wie keines:

Da kommt schon der Apis mit Priestern, die beten:

Nun faßt die Gewalt dieses Wesenvereines!


Der Apis besitzt abgetrennt sieben Köpfe:

Das sind jene Priester: davon drei Kastraten.

Für sich sind sie alle bescheidene Tröpfe:

Verbunden, berathen sie Apis Staatsthaten.


Wahrhaftig ein Weltmikrokosmos wie keiner

Geht eben zum Stadtheptastadion spazieren:

Auf Erden ist gar nichts geschlechtsloser, reiner,

Als hier die Vernunft von den Tempelzuchtstieren.


Es gleicht das Mysterium hermetischer Ehen

Genau dem Spektakel der Stierpriesterzwitter,

Es darf sich ein Weib wohl mit Buhlen versehen,

Doch hatte sie stets, ist sie todt, einen Ritter.
[357]

Drum Weiber herbei und vermählt Euch Soldaten,

Und Bursche, von mir knapp im Bann festgehalten,

Herbei nur, herbei, denn der Plan ist gerathen!

Rein Blut ist geflossen! Der Feind ist zerspalten!


Nun also, nur munter den Stierleib vertreten!

Ihr werdet noch Jungfrauen, gleich Bereniten:

Im Hades versteht Ihr die Anachoreten,

Und werdet wie diese recht zimperlich quieken.«


»Heil Dir Berenike, Anassa, Du Keusche!«

So höre ich Stimmen im Apiszug singen.

Dem Hymnus verschwistern sich Liebesgeräusche,

Die rings aus den Thüren und Strandbüschen dringen.


»Zur Bühne, zur Bühne, herüber zur Bühne!«

So hör ich den Magier schon wiederum zetern:

»Daß niemand sich heute zu fehlen erkühne,

Ich selber gehöre zu Hadesvertretern.


Rhaeoris und Bruchum vertauscht die Bewohner:

So wirf, MareotisSee, Aale und Fische

Hinüber ins Mittelmeer, statt monotoner

Sumpfmuscheln bekommst Du dann allerhand frische!«


Wahrhaftig, gar prachtvolle Schlangen umzischen

Die Lüfte. Zwei Füllhörner schütteln Lichtblüthen

Und Sprühbüschel nieder. Und wie sie erlischen,

Entstülpen sich glühende Überflußdüten.


Da lachen die Weiber und sagen: »Soldaten,

Der Sieg der Serapis ist wirklich vollständig,

So macht es mit uns, wie zuvor die Piraten,

Oh tragt uns nach Hause, wir freun uns unbändig!«
[358]

Da klascht Apollonius und schreit sich fast heiser:

»Herbei, geile Weiber, es warten die Buhlen

Und führen Euch heim, wie es Zeus und der Kaiser

Befehlen, wozu giebt es sonst Venusschulen.


Oh, seht nur das Schauspiel der Glanzakrobaten.

Die Schlangen Serapis umklettern Glastmasten.

Da platzen auf einmal achttausend Granaten.

Das ist ein Mirakel: was trägt diese Lasten?


Heil Apis, entführe die weibliche Seele,

Es mögen die sieben Vernunfttheile warten,

Bis jedem sich eine im Himmel vermähle,

Für jetzt scheint das Jungfernthum stark zu entarten!«


Ein prachtvolles Schaustück entzückt meine Blicke:

Auf Flammengerüsten, zur rechten und linken,

Steht beiderseits Atlas, die Welt im Genicke,

Vulkan aber scheint durch die Wabe zu hinken.


Der Zerberus will sich ins Mittelfeld stellen

Und fängt stammenschnaubend an, Brand anzufachen.

Ich höre ihn plötzlich entsetzlich laut bellen,

Und drauf, als das Echo, der Weiber Brunstlachen.


Es huschen Glastpanther im Nu von den Masten.

Panisken erklettern sie rasch wie Eichkätzchen.

Vom Himmel herab fallen blasse Glastquasten.

Und Affen am Seil machen allerhand Mätzchen.


»Fürwahr, Alexandria kann etwas bieten!«

Vernehm ich die Stimme des Magiers, noch einmal:

»Die Götter sind riesig als Wahrheit und Mythen

Und reicher ihr Festtisch, oh Jesus, als Dein Mahl!
[359]

Das Wappen der Stadt kann sich prachtvoll behaupten;

Der Adler, der helle Verstand, hält Blitzschlangen,

Die einst die Titanen dem Lichtherrscher raubten,

Jetzt wieder mit mächtigen Krallen umfangen.


Das ist unsere Sonnenvernunft, im Besitze

Des stygischen Lichtes: Gespenstergewitter

Entknistern aus jeglicher Isisfelsritze.

Uranus entzischt, unser Adlerlurchzwitter.


Der furchtbare Fluch auf das Dasein verflüchtet.

Den Werdesturzspalt kann Vulkan überwinden.

Ich selbst, der den Spuk der Hekate gezüchtet,

Kann jetzt und für immer im Delta verschwinden!«


Ganz prachtvolle, schlanke Mänadengestalten

Erhalten sich schwindelfrei über Gerüsten,

LichtIbisse schlitzen die Glanzgewandsalten,

Und Flimmermilch sprüht aus den üppigen Brüsten.


Es tragen gewandte und ganz nackte Knaben,

In Körben, rings Purpurgluthäpfel zu Frauen,

Und diese vertheilen die schaumreifen Gaben

Den Erdengestalten, die starr hinaufschauen.


Unglaubliche Vögel umflattern die Stangen,

Auf denen die gelben Gesellschaften stehen.

Sie haben Gesichter mit Fieberwahnwangen

Und scheinen sich immer mechanisch zu drehen.


Das Licht dieser wechselnden Feuerwerkszene

Verdunkelt im Hintergrund alle Sternbilder,

Nur eines besiegt auch die Flammenfontäne:

Der Herkules glüht trotz der Riesenlichtschilder!


Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 356-360.
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