Letztes Finden

[33] Verlassene Geliebte, schwergekränkte,

Noch einmal gib mir freundlich Deine Hand,

Die mir Dein großes Herz in Tagen schenkte,

Wo Du noch viel zu wenig mich gekannt.


Ein heißes Lieben und ein heißes Leiden

Hat unser beider Herzen durchgewühlt,

Sekundenlanges Finden, bittres Scheiden,

Und Reue dann, von Starrsinn unterkühlt.


Erschienen bist Du mir in stillen Stunden,

Wo klar und ruhig floß mein wildes Blut;

Ich wähnte damals, daß ich heimgefunden,

Und Alles, Alles sei nun endlich gut.


Dir aber ist ein böses Wort entglitten,

Ein ungewolltes, doch ein böses Wort;

Umsonst war Deiner Augen scheues Bitten,

Es peitschte mich aus Deinem Bannkreis fort.


Zerschmettert fallen traulich enge Schranken,

In trunknem Toben geht es abgrundwärts;[34]

Wie tolle Rosse rasen die Gedanken

Und sie zerstampfen Dir und mir das Herz ...


Du hast bereut in Trauer und in Tränen,

Ich weiß es nun, daß Du es gut gemeint;

Noch einmal laß an Deine Brust mich lehnen,

Auch ich hab' die Vergangenheit beweint.


Quelle:
Felix Dörmann: Neurotica, München und Leipzig 1914, S. 33-35.
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